Elex16.10.2017, Jörg Luibl

Im Test: Mixed Crystal Fantasy

Im Juli 2015 kündigten Nordic Games und Piranha Bytes das erste gemeinsame Spiel an. Und sie schienen nach dem biederen Risen 3 sehr viel vorzuhaben: Elex (ab 6,19€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) sollte ein "eklektisches, leidenschaftliches, energetisches, xenophiles Open-World-Rollenspiel" in einem postapokalyptischen Science-Fantasy-Universum werden. Angesichts dieses Stakkatos an Themen musste man sich erstmal anschnallen - und befürchten, dass sich die Essener mit ihrem Falloutwitcherstarwars übernehmen würden. Gelingt einem der ältesten deutschen Studios ein kreativer Neuanfang oder versackt das Abenteuer im Mischmasch? Mehr dazu im Test.

Die Bestie von Xarcor

So schnell kann es gehen: Gerade ist man noch ein eiskalter Massenmörder und militärischer Kommandant, dann ein vogelfreier Gejagter. Es ist ein Absturz im wahrsten Sinne des Wortes, denn man wird im eigenen Raumgleiter abgeschossen. Was da aus den Trümmern kriecht ist jedenfalls kein Namenloser à la Gothic, sondern Jax, die berüchtigte "Bestie von Xarcor", die im Krieg mit ihren Befehlen tausende Menschen getötet hat. Hört sich nach einem Monster an, aber der kahle Protagonist ist so holzschnittartig nach bekannten Mustern designt, dass er auch in Mass Effect anheuern könnte. Man gehört zum skrupellosen Volk der Albs, das die anderen freien Völker vernichten will. Und diese Eroberer schlucken schon als Babys dermaßen viel kristallblaues Elex, dass sie jegliche Emotion verlieren und zu weißgesichtigen Killermaschinen mutieren.

Aber weil die mächtige Ausrüstung gestohlen und die übernatürlichen Fähigkeiten aufgrund des Entzugs geschrumpft sind, ist man in großer Gefahr - schon nach wenigen Metern in der gefährlichen Wildnis kann man zur Beute von Schakalen, Raptoren

Als Ex-Kommandeur der Albs trifft man auch auf Separatisten. Könnte man mit ihnen gegen Kallax kämpfen?
oder schlimmeren Monstern werden, während man unbeholfen mit einer Eisenstange um sich schlägt. Außerdem wird man von Stroßtrupps der Albs gejagt, denn es war ihr Anführer höchst persönlich, Elexetor Kallax, der das Todesurteil verhängte. Zunächst geht es also darum, überhaupt zu überleben, indem man sich besser bewaffnet. Die Hauptquest sieht vor, dass man sich zu diesem Zweck einem der drei freien Völker anschließt: Berserker, Outlaws  oder Kleriker. Nur so könne man letztlich das eigentliche Ziel erreichen: Rache.

Eiskalte Killermaschine?

Das ist die recht plump wirkende Ausgangslage, die aus einem Kommandeur etwas zu schnell ein Opfer ohne Skills macht. All das wirft natürlich Fragen auf: Wer ist man überhaupt? Wieso gilt man als "Bestie"? Welche Rolle spielt Kallax? Warum sollte man sterben? Wer hat das Raumschiff abgeschossen? Müsste man auf Entzug nicht mit Folgewirkungen kämpfen? Fällt man als dermaßen berüchtigter Alb nicht überall sofort auf, zumal man doch zu einer gefühlskalten Killermaschine erzogen wurde - wie soll man da glaubhaft mit Menschen kommunizieren? Warum sollte sich ein Kommandant als Laufbursche bei seinen Feinden hoch arbeiten? Und wo ist die verdammte Ausrüstung? Dass man sich überhaupt so viel fragt, ist aber auch eine Stärke dieses Spiels, das erzählerisch reifer und thematisch interessanter inszeniert wird als etwa Risen 3.

So sieht der Held (rechts) aus, wenn er sich den Klerikern anschließt...
Denn die etwas komplexeren Hintergründe, die sich deutlich von klassischer Fantasy abheben, machen immer wieder neugierig. Schließlich treffen hier nach einem Meteoriten-Einschlag mittelalterliche, futuristische und apokalyptische Konzepte aufeinander, weil mehrere Völker ganz unterschiedlich mit der außerirdischen Droge namens Elex umgehen. Deren Kräfte und Beziehungen muss man erstmal durchschauen. Und die Entwickler haben sich nicht nur ausreichend Gedanken gemacht, was die Konzeption dieser exotischen Welt sowie ihre Konflikte, sondern auch was die Biographie des Helden betrifft. Viele Fragen werden später in, teilweise etwas zu abrupt eingeblendeten und monoton inszenierten, filmischen Rückblicken beantwortet, die Jax als Kommandant der Albs zeigen. Oder sie werden gar Teil einer der vielen gut verzahnten Quests, so dass sich immer wieder Kreise schließen, wie z.B. die Frage nach dem Raumschiff - das ist eine der größten Stärken dieses Abenteuers. Aber einige Widersprüche bleiben, man muss immer wieder Unlogisches akzeptieren und das Storykorsett wird im Rahmen einiger Hauptquests letztlich enger geschnallt als die offene Welt mit ihren Fraktionen zunächst vermuten lässt.

Erfüllt man Aufträge, steigt man im Rang der Völker auf.
Man erlebt sowohl in der Story, während der Erkundung, in den Quests, im Kampf, beim Artdesign sowie in der Technik ein ständiges Auf und Ab - selten waren meine Notizen so voll von gleichzeitig notierten Pros und Kontras. Denn nahezu jedes Element des Spieldesigns zeigt neben soliden bis richtig guten Fundamenten auch gefährliche Risse und ärgerliche Bugs. Ich fühlte mich während des Abenteuers wie auf einer verwitterten morschen Brücke, die gleich einzustürzen droht. Trotzdem wollte ich sie überqueren, trotzdem wollte ich das andere Ufer sehen, weil ich auf dem Weg so viel mit entschieden habe und stets neugierig bleibe. Das ist das größte Kompliment, dass ich diesem spröden, aber ideenreichen, diesem manchmal frustrierenden, manchmal begeisternden Epos machen kann.

Unglaubwürdiger Entzug

Für einen Alb, der Elex quasi mit der Muttermilch aufnahm, erkennt man viel zu wenig körperliche oder geistige Folgen. Ja, die Werte für Stärke, Geschicklichkeit, Intelligenz etc. sind so stark dezimiert, dass man quasi mit Level 0 beginnt. Aber abgesehen von dieser Statistik passiert zu wenig Dramatisches. Es wäre klasse gewesen, auch mal den inneren Kampf zu zeigen, den "alten" eiskalten Alb zu hören. Man kann die blaue Droge ja auch einfach so konsumieren, um auf Knopfdruck z.B. Erfahrungs- oder Attributspunkte zu gewinnen - immer wieder darf man sich vollpumpen. Umso seltsamer ist, dass dieser künstliche Boost scheinbar keinerlei Folgen hat wie etwa einen Rückfall oder eine wachsende Gier. Der Held geht letztlich viel zu cool mit seiner extremen Situation um. Hier verschenkt man einiges an dramaturgischem Potenzial, um seine von Drogen beherrschte Vergangenheit glaubwürdiger in die Gegenwart zu transportieren. Dabei gibt es ja Ansätze: Besser wird das z.B. mit einer späteren Gefährtin namens Caja dargestellt, die regelmäßig Mana braucht, um nach dem Elexkonsum nicht ihre Menschlichkeit zu verlieren.

Und immerhin hat die Regie einige Joker parat: Weil man kein Elex mehr konsumiert, melden sich auch die Emotionen so

Vorbildlich: Man kann zig Hilfen und Visualisierungen abstellen.
langsam zurück. Schon in den ersten Dialogen kann man sehr schön erkennen, dass man wie ein Alb eher herrisch und arrogant antworten kann, aber kaum offensichtlich verständnisvoll - da muss man schon genauer lesen. Manchmal sind die Antworten allerdings auch nicht ganz klar formuliert, so dass man das eingeblendete Ergebnis nicht immer nachvollziehen kann. Aber das man evtl. sofort eine Auwirkung auf seinen Charakter spüren kann, trägt viel zum aktiven Rollenspielflair bei: Es gibt nämlich einen universellen moralischen Wert namens "Kälte", der von null bis hundert steigen und fallen kann, je nachdem ob man sich z.B. gewissenlos oder einfühlsam, egoistisch oder sozial verhält. Man kann seine Rolle also weiter als Alb interpretieren oder sich immer mehr zum Menschen entwickeln - auch wenn das vor dem biografischen Hintergrund letztlich zu flott geht, gibt es quasi drei mögliche emotionale Zustände: menschlich, neutral, synthetisch.

Grade an Menschlichkeit

Was bringt einem so eine Stufe der Kälte? Es gibt Situationen, in denen sie relevant ist - das kann z.B. eine zusätzliche Option in Gesprächen sein, in denen man jemanden über seine Menschlichkeit überzeugen kann. Vor allem in den Hauptquests wird

Bei den Outlaws trifft man auf Typen, die nicht lange fackeln...
Jax' emotionaler Zustand öfter thematisiert. Und in der Charakterentwicklung kann man eine von drei Fähigkeiten unter "Persönlichkeit" freischalten, wenn man einen gewissen Status  besitzt. Aber das ist viel zu lange überhaupt nicht nötig und eher eine versteckte Option als wirklicher Mehrwert.

Und obwohl die Kälte als Gradmesser der Menschlichkeit so interessant für die psychologische Metaebene ist, wird sie unheimlich karg im ohnehin sehr sterilen Menü dargestellt; nicht mal als numerische Leiste, sondern einfach als ein Wort wie "neutral", so dass man den eigenen Status zwischen null und hundert nie ablesen kann. Zudem spürt man ihre Auswirkung zu wenig in Quests oder der Interaktion mit Gefährten. Und wenn ich Elex konsumiere, wie oben beschrieben, sinkt sie scheinbar auch nicht. Hier hat man einiges an Wechselwirkungen und Potenzial liegenlassen.

Kann man auch alleine spielen, ohne sich irgendwo anzuschließen? Ja, für eine gewisse Zeit, aber das ist kniffliger und man verpasst natürlich viele der für die Völker exklusiven Questreihen, zumal man im Kampf viel zu wenig Erfahrungspunkte gewinnt, um als wirklich einsamer Wolf die für die Rache benötigte Stärke zu gewinnen. Selbst wenn man sich sofort und naheliegender Weise den Separatisten der Albs zuwenden will, eine Art vierte alternative Fraktion, die auch gegen Kallax kämpft, bleibt die Aufnahme bei einem der drei freien Völker das Ziel der Hauptquest. Nicht nur hier lässt Gothic grüßen, denn man muss sich irgendwann zu einer Fraktion bekennen, um in der dortigen Hierarchie in Rängen, z.B. vom Krieger ab Level 15 zum Erz-Berserker ab Level 25, aufzusteigen, um erst dann Rüstungen sowie weitere Aufgaben zu bekommen.

Mein Problem war lange Zeit: Ich wollte mich nicht bekennen, denn überall gab es Arschlöcher. Weder die konservativen Beserker mit ihrer Technikphobie noch die abgefuckten Outlaws mit ihren Sadisten oder die religiösen Kleriker mit ihrem Bekehrungsgefasel sagten mir wirklich zu - letztlich habe ich mich wohl oder übel den Berserkern angeschlossen.

Questkreise schließen sich

Piranha Bytes zitiert mit dieser hierarchischen Struktur nicht nur die bekannten Routinen früherer Spiele, man erkennt sogar ähnliche Questreihen. Schon der erste Kontakt mit einem Berserker und potenziellen Gefährten namens Duras ist wie ein Déjà-vu für alle, die Gothic kennen: Der grobschlächtige, aber sympathische Kerl bietet dem hilflosen Fremden aus dem Wald an, ihn in seine Heimatstadt zu begleiten - und so trottet man, von kleineren Kämpfen sowie Erkundungen unterbrochen, nach Goliet, wo man auf einen skeptischen Torwächter trifft, der einem gleich mal die Leviten liest.

Im Gegensatz zum stellenweise kitischigen bis öden Risen entsteht hier von Beginn an ein anderes Flair, das angenehm an die ersten Gothic-Teile erinnert. Piranha Bytes hat hinsichtlich des Spieldesigns aber einiges dazugelernt: Es ist schön, dass man irgendwann eine eigene Siedlung zumindest ansatzweise über die Ansiedlung von Händlern und Gefährten managen kann; selbst der eigene Wohnturm bietet kleine Aufgaben und es war ein schöner Moment, als man die bis dato gefundenen Kartenstücke dort an einer Wand arrangieren konnte, um das große Ganze zu sehen und vielleicht irgendwann den damit verknüpften Safe zu öffnen. Zumal man in der offenen Wildnis viel öfter unbeteiligt in Situationen gerät - sei es, dass man ein laufendes Gespräch belauscht oder dass man Zeuge eines Kampfes wird. Auch wenn man nicht immer sofort  durchschauen kann, um was es geht: Manchmal ist es wichtig, dass man schnell eingreift, um eine Partei zu retten, denn ihr Tod würde laut Anzeige die Geschichte beeinflussen - und sofort ist man neugierig.

Sehr schön: Irgendwann kann man seine eigene Stadt managen und wohnt in einem Turm.
Wie immer kann das Betreten einer Stadt selbst eine Aufgabe sein, die man erstmal meistern muss, indem man die Wache freundlich stimmt, besticht oder gar einen Schleichweg findet. Das liegt vor allem an der interessanten Art sowie cleveren Verzahnung der Quests, die immer irgendwelche Nebenwirkungen haben. Zwar geht es meist um klassisches Holen und Bringen, aber das wird meist erzählerisch gut umrahmt, lebendig inszeniert und vor allem durch spürbare Konsequenzen aufgewertet - wie ein Bumerang wird man manchmal von den eigenen Taten eingeholt und getroffen. Sehr oft werden einem nämlich einfache, aber trügerische Lösungen präsentiert. Hat man einmal diese Erfahrung gemacht, liest man die späteren Angebote umso ernsthafter.

Spürbare Konsequenzen

Man soll z.B. für ein Außenlager die Nahrung besorgen, weil die Wächter dort hungern. Eigentlich soll man dafür 50 Setzerbrote sammeln, was natürlich mühselig ist. Aber man könnte ihnen, auf Rat einer mies gelaunten Händlerin, auch vergammeltes altes Brot bringen. Wenn man das macht, wird die Quest gelöst, man bekommt Erfahrung und den Dank der Lagerwächter. Aber etwas später passiert Folgendes: Sie werden krank, bekommen Durchfall und sind natürlich ziemlich sauer. Außerdem bekommt der Anführer der Berserker Wind davon und rügt einen dafür, was einem in der finalen Einschätzung bei der Aufnahme wertvolle Punkte kosten kann.

Alles, was man sieht, kann man in der offenen Welt auch erreichen.
Richtig gut ist auch, dass die Questgeber nicht allwissend sind: Als ich das heilige Schwert der Berserker ungesehen stehle und über den Hehler verticke, wird der Anführer lediglich misstrauisch - man erzähle sich, dass ich als Fremder vielleicht der Dieb sei, aber man habe ja keine Beweise; hier vermisst man allerdings die Konsequenz der Durchsuchung, denn ich trage es ja bei mir. Oder man kann eine auf eine Insel verbannte Diebin rehabilitieren, indem man spezielle Wertgegenstände, natürlich nachts, wenn die Bewohner schlafen, aus ihren Kisten plündert und einem anderen potenziellen Täter unterjubelt. Auch hier fliegt die Geschichte erstmal nicht auf, wenn man es ungesehen macht.

Wer es übertreibt, wird allerdings aktiv verfolgt: Diebstahl oder Mord sprechen sich rum, so dass man erstmal von den örtlichen Wachen ermahnt und meist zu einem Anführer geschickt wird. Wer sich weigert oder flieht, kann auch per Steckbrief gesucht und gejagt werden.

Gut verzahnte Quests

Sehr gelungen sind zudem die Mord- und Schmuggelfälle mit der Indiziensuche und Täterbefragung, die teilweise überraschende Wendungen mit sich bringen, an deren Ende man als Richter auch mit seiner Moral kämpfen muss. Was macht man, wenn man jemandem einen Gefallen schuldet und er will, dass man jemanden als Täter beschuldigt? Ach, da trifft es sich ja gut, wenn die Indizien tatsächlich gegen ihn sprechen! Oder wäre das nicht zu einfach?

Immer wieder gibt es auch Quests, in denen der Konflikt der drei Fraktionen eine Rolle spielt - alle misstrauen sich, niemand gönnt dem anderen etwas. Außerdem sind die Fraktionen nicht auf eine Ideologie beschränkt, sondern zeigen innerhalb ihrer Weltanschauung unterschiedliche Strömungen, meist geht es um Realos und Fundis, und damit auch angenehme moralische Graustufen abseits von Gut und Böse. Man gerät innen- und außenpolitisch köstlich zwischen die Fronten: Da soll man für die Outlaws irgendwo in der Wüste recherchieren, warum der Schrotthandel versiegt und diesen wieder reaktivieren. Nur findet man vor Ort bewaffnete Kleriker,

Das Menüdesign ist eher schlicht. Hier erkennt man die Steine, die man in Sockel von Waffen einsetzen kann.
die die Outlaws bereits Gehirn gewaschen haben und sich dort bereichern. Sie schlagen einem vor, den Schrotthandel gerade so zu aktivieren, dass die Outlaws denken, es sei alles in Ordnung - dabei werden sie den Stützpunkt weiter ausbauen. Geht man darauf ein und belügt den Questgeber?

Zu den besten Quests gehören ohnehin jene mit politischer Auswirkung: In der neutralen Stadt Abessa kann man dafür sorgen, dass es quasi einen Ausgleich zwischen den freien Völkern und der Administrative der Kleriker gibt oder dass z.B. die Rassisten gewinnen, die die verhassten Separatisten der Albs über Verleumdungen böse diskreditieren. Wem hilft man? Je nachdem kann man übrigens beobachten, wie die Wachen die Opfer vertreiben. Hier wird so ganz nebenbei auch die aktuelle Flüchtlingskrise thematisiert. Ach so: Lässt man die Outlaws weiter Waffen in die Stadt schmuggeln, damit sie irgendwann einen Aufstand anzetteln können?

Unlogische und gestreckte Quests

Bei allem Lob für die Quests: Es gibt auch einige schlimme Inkonsequenzen. Als ich mit Magierin Caya eines ihrer gesuchten Elex-Heiligtümer betrete, passiert gar nichts - sie sagt nichts, es sind auch keine Monster da, ich kann dort alles einsammeln. Später aktiviert sie die Quests und will genau diesen Ort suchen, plötzlich sind Monster da und sie meditiert dort. Das passiert mehrmals, weil sie nicht von alleine beim Betreten dieser für sie wichtigen Orte die Quests auslöst.

Gerade die Phase ab Level 18 bis 25 zieht sich zudem sehr stark, weil man kaum noch relevante Aufgaben innerhalb der eigenen Fraktion bekommt und die wenigen sind zumindest bei den Berserkern viel zu schnell gelöst - sehr einfallslos wirkt, dass man bei seinem eigenen Anführer dann für lange Zeit nur noch eine aktive Aufgabe hat: Erreiche Level 25, um Erz-Berserker zu werden.

Bevor man eine eigene Siedlung besitzt, muss man sich mit den Gefährten an einem Lagerplatz begnügen.
Ärgerlich ist auch, dass einem bestimmte Teile der Hauptquest wie etwa "Big Bang" ohne alternative Lösung aufgezwungen werden, obwohl sie in ihrem Ablauf unlogisch sind - nur, damit es zu einer bestimmten Szene samt Bosskampf kommt.

Das Menüdesign ist leider sehr steril und lädt nicht gerade zum Wühlen oder gar Experimentieren im Inventar ein, weil es lediglich nicht sortierbare Listen und keinerlei 3D-Gegenstände oder gar interaktive Objekte gibt, die man näher untersuchen könnte. Findet man eine "wertvolle Schatulle", kann man sie nicht im Inventar öffnen, sondern einfach nur verkaufen. Immerhin findet man ab und zu mal eine Zeichnung oder ein Foto von einer Landschaft, die mit einem X einen Fundort markiert - und sofort wird man neugierig, weil sich dadurch eine neue Aufgabe im Stile einer Schnitzeljagd ergibt.

Allerdings setzt die Regie abseits der freien Völker irgendwann auf mehrere externe Auftraggeber, darunter zunächst die Separatisten, für die man erneut spezielle Dingen erledigen soll, die auch die allgemeine Charakterentwicklung bzw. Kampfstärke betreffen. Das ist auch okay, aber danach wird man noch mindestens zwei mal in ähnliche Situationen mit einer Art Deus ex machina gebracht, die erneut ihre Forderungen stellen, so dass man sich irgendwann wie ein Laufbursche fühlt - hier wirkt das wie eine künstliche Streckung. Trotzdem sorgt auch die Inszenierung der vielen Dialoge dafür, dass man interessiert bleibt.

Natürliche Dialoge

Elex ist fast ein Hörbuch: Für die Sprachaufnahmen wurden laut Entwickler etwa 300.000 Wörter aufgenommen. Aber das Erfrischende an den Gesprächen ist nicht die Masse, sondern die Klasse - gar nicht was die Tiefgründigkeit oder Verschachtelung betrifft wie etwa in Tyranny oder Torment: Tides of Numenera, sondern eher hinsichtlich der Tonalität und Spontanität. Damit meine ich zum einen die teilweise derbe Sprache, das Raue und Bärbeißige einiger Charaktere, die vom Kumpel bis zum Arschloch, vom Tyrannen bis zum Kriecher viele Typen darstellen. Zum anderen, dass man immer wieder situativ überrascht werden kann, weil es abseits der erwarteten Antwort vielleicht eine ganz andere Reaktion gibt.

Auch kleine Gespräche sind voll vertont.
So entsteht auch beim einfachen Fragen immer wieder eine gewisse Spannung, so dass man die Optionen nicht stoisch durchklickt. Egal ob Torwächter oder Anführer: Manchmal wird einem schlagfertig klar gemacht, dass man nicht der heroische Mittelpunkt der Welt ist, sondern ein fremder Landstreicher, der gerade ziemlich nervt und gleich vielleicht eine aufs Maul bekommt - aber so richtig. Und wer einem Rassisten blöde kommt, kann direkt niedergemetzelt werden. Vor allem bei den Outlaws verschärft sich der Ton nochmal bis ins Lebensbedrohliche, so dass man sich zweimal überlegt, ob man wirklich alles fragt, was da angezeigt wird.

Es gibt zudem köstliche Situationen, in denen Bewohner auf die Gefährten reagieren: Als ich Karsten, den falsche Kleriker, enttarne und er mir ein Angebot macht, empfiehlt mir Begleiterin Caya, dass ich mich nicht auf "sein Spiel einlassen" soll - er erwidert empört "Mach mal halblang, Puppe!". Weniger glaubwürdig wirkt es, wenn ein Soldat am Tor erst devot salutiert und grüßt, weil er mich als Vorgesetzten sieht, aber mich dann bei der ersten Frage beschimpft. Oder wenn Gespräche einfach weiterlaufen, obwohl man gerade angegriffen wird.

Lebendige Reaktionen

Überhaupt achtet man in Elex mehr auf seine Aktionen und agiert mit mehr Bedacht: Man wird nämlich aus einer fremden Hütte hinaus geworfen, wenn man einfach so hinein stolziert. Und wer seine Waffe zieht, muss nach einer deftigen Warnung ebenso mit einem Kampf rechnen wie sofort nach einem Diebstahl. Apropos: Seltsam ist, dass teilweise so inkonsequent innerhalb eines Gebietes gekennzeichnet wird, was man einfach mitnehmen darf und was nicht. Aber trägt es zur Glaubwürdigkeit der Spielwelt bei, dass die Benutzung von Technik bei den Barbaren missbilligend kommentiert wird - wer seine digitale Karte öffnet oder das Jetpack einsetzt, bekommt einen Spruch.

Man kann auch einen konservativen Alb als Gefährten gewinnen.
Hinzu kommen teilweise lebendige Reaktionen der Begleiter. Wer mit dem Kleriker unterwegs ist, hört immer wieder seine Ausführungen über die Historie einiger Ruinen oder architektonischer Überbleibsel der alten Welt wie etwa Flak-Bunker. Außerdem reagieren sie positiv oder negativ auf das Gesagte, wenn man mit anderen Leuten spricht. So entsteht ein Verhältnis zum Helden, das sich von neutral über respektiert bis freundlich oder gar vergöttert verbessern kann. Vor allem, wenn man die Quests dieser Gefährten verfolgt und ihnen hilft, kann man reichlich Sympathiepunkte gewinnen.

All das erinnert natürlich an Fallout 4, aber es gibt auch einige Widersprüche und Defizite: Wer mit dem Kleriker als Gefährten bei den Outlaws unterwegs ist, sieht z.B. keinerlei Reaktion, wenn sie seinen Gott beleidigen. Und wer mit dem Alb als Gefährten bei den Berserkern unterwegs ist, was ohnehin schon ein Affront sein müsste, sieht keinerlei Reaktion, wenn man mit ihm auch noch zu dem Rassisten geht, der sie wie die Pest hasst und laut laufender (!) Quest tot sehen will. Außerdem vermisst man schmerzlich den Einsatz der Fähigkeiten der Gefährten: Sie knacken oder hacken weder Schlösser, auch wenn mit Ray ein idealer Schurke dabei ist, noch entschärfen sie Minen oder setzen Suggestion ein - dabei hätte man damit die eigenen Defizite in der Charakterentwicklung sehr gut abfedern und das Spielerlebnis bereichern können.

Rhetorik und Fähigkeiten

Schade ist auch, dass einige Antworten so statisch an Fähigkeiten gebunden sind. Manches kann man nur anwählen, wenn man etwa Handwerk 3, Persönlichkeit 3 oder Überleben 2 hat - also wenn man seinen Charakter entsprechend oft in diesen Bereichen aufgewertet hat. Mal abgesehen davon, dass das plumper wirkt als klare rhetorische Fähigkeiten wie Überzeugung, Bedrohung etc. einzusetzen - lediglich die Kleriker besitzen mit der "Suggestion" so etwas: Gerade in den ersten Stunden fallen viele dieser interessanten Dialogoptionen weg, weil man seinen Helden natürlich zunächst kämpferisch verbessern muss.

Fünf Attribute kann man nach einem Aufstieg steigern, darunter Stärke und Intelligenz.
Steigt man auf, kann man zehn Punkte auf seine Attribute von Stärke über Geschicklichkeit bis Intelligenz oder Konstitution verteilen, wobei das ab einem gewissen Schwellenwert teurer wird und man irgendwann zwei, dann sogar fünf Punkte für eine Erhöhung braucht. Das wird spätestens zur angenehmen Qual der Wahl, wenn man erkennt, das bestimmte Waffen oder Rüstungen ebenso Schlüsselwerte benötigen wie Fähigkeiten, bevor man sie überhaupt tragen kann - man muss sich also entscheiden und spezialisieren.

Denn man bekommt auch immer einen Lernpunkt. Den kann man bei Trainern in einen von vier allgemeinen Bereichen wie Kampf, Überleben, Handwerk und Persönlichkeit investieren, indem man eine von etwa zehn bis sechzehn Fähigkeiten freischaltet - falls man die benötigten Attribute sowie Elexit dafür hat. Zu diesen gehören u.a. Wuchtschlag, Fernkampf oder Granaten im Kampf, Tiertrophäen, Widerstände oder mehr Ausdauer im Überleben, Schlösser knacken, Waffen aufrüsten oder Chemie im Handwerk, Feilschen, Gruppenboni oder Tierfreund in der Persönlichkeit. Das ist schon zu Beginn eine lobenswerte Vielfalt, die zum Grübeln animiert.

Hinzu kommen nochmal drei exklusive Bereiche für die jeweilige Fraktion, deren Fähigkeiten man erst erlernen kann, wenn man in der Gemeinschaft aufgenommen wird. Und erst dann spezialisiert man seinen Charakter richtig: Als Outlaw bekommt man Zugriff auf Sprengstoff, Projektilwaffen und Stims, als Kleriker auf Hightechwaffen und Psi, als Berserker auf Magie von Gift über Eis bis Feuer, Tarnung & Co. Egal wem man sich anschließt: Alle können Waffen auf irgendeine Art aufrüsten, verzaubern oder über ihre Sockel mit Steinen bestücken; alle können über Rezepte eigene Tränke, Mahlzeiten oder Stims zusammen brauen, so dass man mit all der Beute von Fleisch über zig Kräuter bis hin zu Knochen oder Krallen sehr viel anstellen kann. Traglast spielt übrigens keine Rolle.

Krampfiges Kampfsystem

Es gab in den letzten Jahren einige gute Kampfsysteme, die auf ganz unterschiedliche Art mit Klingen, Zaubern oder Schusswaffen sowie Konter- und Kombotechniken umgingen. Von Demon's Souls über Castlevania: Lords of Shadow bis hin zu Bloodborne, Nioh oder For Honor. Piranha Bytes hat sich ja nach eigenen Aussagen von Dark Souls inspirieren lassen. Das klingt im PR-Vorfeld natürlich klasse. Und Deck13 hat mit The Surge bewiesen, dass man das Vorbild z.B. innovativ um Trefferzonen bereichern kann - das war eklektisch im besten Sinne, da haben die Gefechte richtig Spaß gemacht.

Wenn man in Elex kämpft hat man allerdings das Gefühl, als hätte es all diese Spiele nicht gegeben - das fühlt sich an wie hölzernes Geknüppel. Letztlich erkennt man nur eine soulsähnliche Struktur an der Steuerungsoberfläche: Für jede Aktion verbraucht man Ausdauer, kann leichte und schwere Hiebe ausführen, blocken und wegrollen. Aber es entsteht praktisch kein actionreicher Flow, von eleganten Riposten oder ansehnlichen Animationen ganz zu schweigen. Je nach Waffe unterscheiden sich zwar die Bewegungsabläufe, manchmal sieht das auch ganz solide aus, wenn die schwere Klinge über den Kopf rauscht.

Schon im Einstieg muss man in den Kämpfen aufpassen.
Aber unterm Strich ist das eher ein Krampf als ein Tanz. Man kann sich daran gewöhnen, und je stärker die Klingen später austeilen, desto weniger Schläge braucht man, aber man gerät immer wieder in frustrierende Situationen. Vor allem wenn man mit Schwert und Schild loslegt und über Letzteren wuchtige Stoßattacken ausführt, ist das Trefferfeedback inkonsequent - mal werden Feinde zu Boden geworfen, mal passiert trotz klarem visuellem Kontakt einfach nichts. Obwohl ich in anderen Spielen darauf verzichte, habe ich hier letztlich zum Zweihänder gegriffen, weil man damit zumindest visuell am saubersten kämpfen kann. Und ab einer Stärke von 70 samt etwas aufgerüsteter Klinge braucht man selbst für größere Feinde nur noch zwei, drei Hiebe - selbst von der Story als Zweikampf inszenierte Situationen, wie der Kampf gegen einen Elexetor, sind dann viel zu leicht zu meistern. Nicht weil man so stark ist, sondern weil die KI da einfach nicht konsequent kontert, zaubert oder ausweicht.

Harte Gegner, schnelle Tode

Aber in den ersten zehn bis fünfzehn Stunden sind die meisten Feinde so stark, dass man nicht einfach alles weghauen kann, sondern selbst nach ein, zwei Schlägen das Zeitliche segnet. Manchmal wird man regelrecht überrollt oder zerhackt, so dass man sehr genau auf seine Umgebung und patrouillierende Rudel achtet. So entsteht zumindest ein stückweises Abtasten sowie Zuschlagen und kein billiges Hack & Slay. Trifft man den Feind oft genug, lädt sich eine Anzeige bis hin zu einer möglichen Zusatzattacke auf, die dann auf Knopfdruck ausgelöst wird. Während des Kampfes kann man noch Magie wie etwa "Machtstöße" einsetzen. Was nach Star Wars klingt, aber schrecklich fade inszeniert wird. Auch wenn man später die Feuer- und Eiszauber der Berserker anwendet, wirkt das alles andere als magisch. Trotzdem entscheiden die Spezialkräfte der Albs nahezu jeden Kampf, weil sie zu Beginn deutlich mehr Schaden verursachen als das einfache Hauen und Stechen.

Hauen, stechen, schlagen - das Kampfsystem ist ein Schwachpunkt.
Nicht nur der Nahkampf ist sperrig, auch aus der Distanz macht das keinen Spaß, wenn es keine besonders verwundbaren Zonen wie den Kopf gibt und der Treffer mit dem Pfeil z.B. so belanglos verpufft, ohne dass es ein visuelles Feedback geben würde oder der Feind zumindest beim Heranstürmen zögert - egal ob Bogen oder Armbust: das fühlt sich an wie Schaumstoff-Beschuss in Nerf. Setzt man dann Granaten, Laser- oder Energiewaffen ein, kracht es zwar lauter, aber sieht auch nicht viel besser aus, was die Partikel- und Detonationseffekte betrifft. Und wenn es mal spektakulär wird, stimmt die Balance nicht wie etwa beim Flammenwerfer, der in seinem Feuerballmodus eher wie ein Panzer mit Granatbeschuss austeilt, weil man selbst mehrere übergroße Monster mit einem Treffer zu Fall bringt - bei so hoher Schussfrequenz, dass sie quasi nie aufstehen können. Spätestens wenn man auf Dächer steigt und im Team kämpft, um die Höhe zu nutzen, rächt sich die von mir so gelobte Vertikale, denn die Gefährten-KI ist mangelhaft.

Es ist komplett frustrierend, wenn Feinde manchmal von unten durch Decken und Etagen schießen können, während die eigenen Gefährten dauernd wie blöde auf Felsen oder Dachkanten ballern, anstatt den klar sichtbaren Feind ins Visier zu nehmen, indem sie ein, zwei Schritte vorwärts machen - die KI ist manchmal absolut nicht zu gebrauchen! Noch schlimmer wird es vor einem Kontakt: Manchmal sieht man

Mit dem Geisterbogen lohnt sich auch der Fernkampf.
das Monster oder Feinde aus der Distanz heranstürmen, hat bereits seine Waffe gezückt, aber der Gefährte bleibt tatenlos stehen - selbst dann noch, wenn man bereits attackiert wird. So fehlt taktische Planung im Vorfeld komplett flach. Spätestens hier vermisst man schmerzlich einfache Befehle wie "Nutze Fernkampf" oder "Geh in den Nahkampf". Hier werden die spielmechanischen Defizite im Vergleich zu Shootern à la Mass Effect: Andromeda oder Destiny 2 so deutlich, dass Elex im Kampf wie ein bemühtes Fanprojekt wirkt. Man wird ja nicht nur ein, zwei mal in Gefechte verwickelt wird, sondern sie sind ein zentrales Element innerhalb des Spieldesigns.

Es ist nicht so, dass es gar keinen Spaß macht, zumal man manche Defizite auch zu seinen Gunsten ausnutzen kann. Und wer den Jetpackangriff freischaltet, kann zumindest elegant aus der Höhe ballern. Außerdem ist es ja schön, dass die Gefährten an Kampfkraft gewinnen, wenn man ihre Questreihen komplett abschließt - letztlich sind sie auch in ihrer Dämlichkeit recht nützlich, weil sie auch mal Feinde aufhalten und immer wieder aufstehen. Aber das Kampfsystem ist zusammen mit der KI der Gefährten der größte Schwachpunkt dieses Rollenspiels.

Erkundungsreize in der Vertikalen

Auch wenn der Erhalt schlecht begründet wird: Das Jetpack tut Elex richtig gut und ist unterm Strich die beste spielmechanische Designentscheidung. Denn es eröffnet zum einen Erkundungsreize in der Vertikalen, die viel zum Spaß beitragen. So kann man ein Dach in einer Ruine erklimmen, erkennt  von oben ein weiteres Gebäude oder irgendwo in einer Felswand eine Höhle und schwebt hinüber. Aber das geht nicht endlos: Man kann damit hoch in die Lüfte steigen, mehrmals Schub geben und damit Abgründe oder Flüsse überwinden. Das Ganze muss man sowohl hinsichtlich der begrenzten Reichweite als auch der gefährlichen Landung gut dosieren und man stirbt beim Fall aus zu großer Höhe. Sehr schön: Die technikfeindlichen Berserker ärgern sich und fluchen, wenn man es in ihrer Nähe benutzt.

Was gibt es an diesem Leuchtturm zu sehen?
Zum anderen kann man mit dem Jetpack aus gefährlichen Situationen entkommen oder Gefechte vermeiden, indem man Feinde am Boden von oben umgeht - zumal man lange Zeit einfach keine Chance gegen bestimmte Monster in Gruppen hat. Manchmal wird man mit ein, zwei Hieben oder Bissen plattgemacht, so dass regelrechte Tabuzonen entstehen. Umso ärgerlicher, dass es kein Fernglas gibt! Wie oft wollte ich etwas in der Distanz besser erkennen oder per Zoom auskundschaften. Auch so kann man das Gelände natürlich nutzen, sich eine Route suchen und manche mannshohe Felsen selbst ohne die Düsen manuell kletternd überwinden, so dass angenehm flüssige Bewegungen in der Landschaft entstehen. Sehr lobenswert ist übrigens, dass man nahezu alle visuelle und inhaltliche Hilfen in den Optionen deaktivieren kann.

Jetpack in offener Welt

Manchmal lässt sich das Jetpack auch nützlich in Quests einsetzen: Als ich eine verlorene Waffe besorgen soll, die in einem Tal bei einem Kampfkoloss liegt, habe ich frontal keine Chance - ich werde gnadenlos zusammen geschossen. Allerdings kann ich ihn umgehen, hinten rum auf die hohe Kante des Kraters steigen, dort per Jetpack langsam runter schweben und dann in den Rücken des Mechs schleichen, um leise die Beute aufzuheben. Cool ist auch, dass man später aus der Luft schießen kann. Schade ist, dass man dieses zentrale Gadget hinsichtlich seiner Energie, Manövierbarkeit oder Reichweite nicht weiter entwickeln kann und dass es auch im Nahkampf nicht für Schläge von oben eingesetzt werden kann.

Der Ruhrpott lässt grüßen - da ist wohl Schicht am Schacht. Vor allem die Täler und Schluchten laden zum Panoramablick ein.
Schön ist, dass nicht nur die Ruinen und Häuser so viele Anreize für das Jetpack bieten, um auf Dächer oder Türme zu gelangen. Auch wenn die Technik im Allgemeinen sowie die Landschaft en detail nicht mit einem Horizon Zero Dawn mithalten kann, ist sie angesichts all der Plateaus und Flüsse, Hügel und Felsen, Schluchten und Krater quasi wie gemacht für Touren. Nicht nur, dass sie etwa eineinhalb mal so groß sein soll wie jene in Gothic 3, sie wurde auch sehr gut arrangiert: Die markante und abwechslungsreiche Topographie bietet ausgedehnte Wälder, karge Wüsten, schroffe Berge, frostige Gletscher, sondern immer wieder Überraschungen mit plötzlichen Ausblicken auf Täler oder einer weiten Hochebene. Noch nie hat Piranha Bytes die Landschaft so gut in das Storytelling einbezogen - immer wieder lässt Fallout grüßen: Man findet Überreste aus der Zeit vor dem Meteoriteneinschlag, darunter aufgerissene Straßen, verwitterte Schilder, halb eingesunkene Häuser. Man wird über Blutflecken oder Leichen gewarnt, über Landmarken wie Ruinen und Leuchttürme magisch angezogen oder über aufgemalte Zahlencodes bei der Lösung eines Rätsels unterstützt; viele Methoden des guten "Environmental Storytellings" lassen sich in Elex finden.

Zusammen mit den alten Fördertürmen, Grubenaufzügen und dahin rostenden Fabriken entsteht in manchen Gebieten eine Industrieromantik, die in mir als Kind des Ruhrgebiet fast heimatliche Gefühle weckt. Nur gibt es ein Manko: die unbelebten Siedlungen. Die erste Stadt der Berserker, Goliet, ist noch einigermaßen befüllt und man kann auch mal den Alltag

Die Karte lässt sich zoomen; Teleporter verbinden die Orte.
beobachten. Aber es gibt z.B. nirgends Kinder, die spielen, und die Leute sehen hinsichtlich der Statur alle viel zu ähnlich aus - vor allem bei den Frauen gibt es kaum Vielfalt; selbst von einer wichtigen Gefährtin wie Caja findet man Klone. Die neutrale Stadt Abessa mit ihrer Kuppel ist aufgrund ihrer Multikulti-Vielfalt durchaus interessant, denn hier trifft man alle freien Völker in ihren Vierteln. Aber vor allem die große Siedlung der Outlaws in der Wüste sowie das von außen so pompös wirkende Ignadon, die Stadt der Kleriker, sind nach dem Betreten eine Enttäuschung, denn sie wirken stellenweise wie ausgestorben. Man fühlt sich wie bei der Erkundung von sterilen Kulissen und es gibt gefühlt so viele Einwohner wie Questgeber - eine Hand voll. Zwar versucht die Story das zumindest für Ignadon mit dem Krieg und den Verlusten zu erklären, aber jedes Dorf in The Witcher 3 wirkte lebendiger. Nachdem die Geschichte von Elex abgeschlossen ist, darf man übrigens weiterspielen und die offene Welt weiter erkunden.

Brüche im Artdesign

Manchmal gelingt Künstlern der Spagat zwischen zwei Welten, die eigentlich nicht zusammen gehören - man denke an Horizon Zero Dawn, in dem steinzeitliche und futuristische Elemente so verschmelzen, dass eine visuelle Glaubwürdigkeit entsteht. Das gelang Bloodborne hinsichtlich der Übergänge von grotesker Fantasy hin zu gotischem Horror mit Lovecraft'schem Wahnsinn. Und vor allem gelang es Dishonored mit seiner unglaublich starken Ausdruckskraft, die das Spektakuläre des Steampunk und das Abscheuliche der Industrialisierung in viktorianischer Fülle aufblühen ließ. Das stilistisch Fremde wird zum Vertrauten - so ein Artdesign kann ein ganzes Spiel tragen.

Elex gelingt das nicht, denn es gibt immer wieder Brüche. Hier trifft Fantasy auf Science-Fiction und Endzeit - das ist schon sehr mutig, aber in der Ausführung manchmal zu plump, wenn z.B. sowohl Wikinger-Berserker als auch Star-

Die Stadt der Outlaws wirkt teilweise wie ausgestorben.
Trek-Priester oder gar Albs alle dieselben riesigen Streithämmer auf dem Rücken tragen. Oder wenn sich Wachroboter genauso am Hals kratzen oder die Beine ausschütteln wie menschliche Wachen - elegant und vor allem vielältig ist anders. Hinzu kommen Mad-Max-Anarchos mit Kettensäbeln oder an Sith-Lords angelehnte Elexetoren, ja sogar Steinzeitflair in Form der Raptoren und Saurier. Es ist nicht so, dass dieses eine Monster oder diese eine Figur für sich nicht gut designt wäre - es gibt auch coole Waffen! Aber: Das Artdesign wirkt so, als hätte jemand all seine Spielzeugfiguren wild durcheinander gemischt, um mit seinen Kumpels mal eine ganz große Schlacht auszutragen. Die Spielwelt von Elex, vor allem das Storytelling über die Landschaft, hat auch die erwähnten Stärken:

In ihren besten Momenten erinnert diese Spielwelt ein wenig an Fallout oder Horizon, wenn man vor einer riesigen, von Sträuchern überwucherten Industrieruine steht, die mit ihren dunklen Gängen lockt. Oder wenn man in der Ferne einen Krater voller Eis entdeckt, in dem ein Raumschiffwrack wie ein Koloss zu schlafen scheint. Teilweise werden geschickt Erkundungsreize über Landschaft und Architektur ausgestreut, so dass auch die Kulisse neugierig machen kann. Aber in ihren schlechtesten Momenten, vor allem in den Städten, kann diese Welt schrecklich öde und zusammen gebastelt wirken. Unterm Strich entsteht künstlerisch ein Mischmasch aus Motiven. Letztlich erkennt man mehr Fremdkörper als kreative Symbiosen, mehr zusammen geschweißtes Gerüst als harmonische Vision.

Technische Defizite auf Konsolen

Etwas ganz anderes ist die technische Seite - und auch da muss man große Abstriche im Vergleich zu aktuellen Spielen in offener Welt machen, vor allem auf Konsolen. Weil die Texturen teilweise so schlecht aufgelöst sind, die Vegetation von

Elex sieht manchmal toll aus, manchmal nur öde.
Sträuchern bis Bäumen so statisch und die Animationen so hölzern wirken (immer noch dreht der Held so hüftsteife Kreise wie anno dazumal), fühlt man sich manchmal wie in der letzten Generation; es gibt in der Gestik einiges an Clipping, diverse Grafikfehler und manchmal ragen Texturen aus der Landschaft auch über das eingeblendete Inventar. Trotzdem gibt es auch Highlights wie etwa die detailliert designten Rüstungen und vor allem der stimmungsvolle Einsatz von Licht beim Betreten von Räumen, die die Gewöhnung des Auges simulieren, sowie Wind in den Ebenen und Wäldern, was viel zur Atmosphäre beiträgt. Während man auf dem Rechner auch auf "Ultra" eine durchgehend flüssige Darstellung erlebt, geht die Bildrate auch auf PlayStation 4 Pro immer wieder in die Knie. Manchmal wartet man drei Sekunden auf die Einblendung des Inventars oder die Darstellung einer Mauer nach einem Teleport; und vor allem wenn "viele" Feinde auftauchen, ich meine nicht mal ein Dutzend, stockt es. Auf der Xbox One kommt starkes Tearing hinzu.

Manchmal überlappen Texturen das Menü.
All diese Probleme sind bei weitem nicht so fatal wie noch in Risen 3, so dass man Elex trotz der Defizite spielen kann, aber es erreicht weder das Niveau des zwei Jahre alten The Witcher 3 auf PC noch ist es technisch für Konsolen sauber optimiert, zumal auch die akustische Seite enttäuscht: Die Soundeffekte sind teilweise ein Graus - vor allem, wenn man schleicht und einzelne Schritte fast schon metallisch hallen, aber auch bei Angriffen mit Klingen oder Explosionen. Benutzt man dann magische Fähigkeiten, scheint es manchmal gar keine Geräusche zu geben. Zwar entsteht etwas mehr Stimmung, wenn manche Szenen sphärisch untermalt werden, aber unterm Strich war Piranha Bytes mal deutlich besser, was die Musik und Komposition betrifft.

Fazit

In seinen besten Momenten erzeugt dieses Elex eine Sogwirkung wie Fallout: Man kann sich in der Spielwelt verlieren, die mit kleinen Geschichten sowie toller Topographie neugierig macht, und die Zeit verfliegt angesichts clever verzahnter Quests, die wunderbare Konsequenzen nach sich ziehen. Es gibt natürlich wirkende Dialoge, eine gute Charakterentwicklung und das Jetpack sorgt immer wieder für vertikale Erkundungsreize. In seinen schlechtesten Momenten wirkt Elex wie ein veraltetes Relikt: Es ist öde in den Städten, die schwache Technik auf Konsolen stottert, die Soundeffekte sind ein Graus, es gibt viele gleiche Figuren, einige ärgerliche Bugs und man ist auf allen Systemen frustriert angesichts des hölzernen Kampfsystems, das sowohl im direkten Schlagabtausch als auch über die Distanz mehr Krampf als Tanz inszeniert - vor allem, wenn die Gefährten mal wieder zu blöd zum Zielen sind. Die KI der Begleiter ist ein mangelhafter Witz! Mal zieht einen die Kulisse mit wunderbaren Landschaften in ihren Bann, mal versinkt sie im Mischmasch, weil das Artdesign zu viel Fremdes verbinden muss. Hier prallen Boromir, Mr. Spock und Mad Max immer wieder aufeinander. Man erlebt ein ständiges Auf und Ab - selten waren meine Notizen so voll von gleichzeitig notierten Pros und Kontras. Immer wieder gibt es punktuelle Highlights innerhalb des Konfliktes der drei Fraktionen, den man aktiv beeinflussen kann, aber dann gibt es auch sehr zähe Phasen und man fühlt sich im letzten Drittel etwas zu oft wie ein Laufbursche. Die Story kämpft von Beginn an mit einigen Widersprüchen, kann später vieles erklären, aber gerade die Rolle des abtrünnigen Helden ist nicht immer glaubwürdig. Nahezu jedes Element des Spieldesigns zeigt neben guten Fundamenten immer wieder gefährliche Risse, so dass man sich während des Abenteuers wie auf einer verwitterten morschen Brücke vorkommt, die gleich einzustürzen droht. Trotzdem will man sie überqueren, trotzdem will man das andere Ufer sehen, weil man auf dem Weg so viel mit entschieden hat und angesichts der politischen Auswirkungen stets neugierig bleibt. Das ist das größte Kompliment, dass ich diesem spröden, aber ideenreichen und im Vergleich zum biederen Risen deutlich kreativeren Epos machen kann. Können sich Piranha Bytes und Deck13 jetzt bitte für ein Projekt zusammenschließen? Die Essener machen die Spielwelt, die Frankfurter das Kampfsystem - dann entsteht vielleicht mal ein "deutsches" Rollenspiel auf höchstem Niveau.

Zweites Fazit von Eike Cramer:

Mit Elex zeigt Piranha Bytes, vielleicht das erste Mal seit dem legendären Gothic 2, welche Klasse nach wie vor in dem typischen Mix aus offener Welt, rivalisierenden Fraktionen, harter Typen und freier Entscheidung steckt. Die gut vertonten Gespräche, die zahlreichen Wahlmöglichkeiten in der moralischen Grauzone sowie die spannende Welt, die mit toller Gestaltung, vielen kleinen Verstecken, Geheimnissen, Figuren, Aufgaben und Belohnungen lockt, machen aus Elex ein wirklich gutes Rollenspiel. Dennoch fehlt es auch, ebenfalls typisch Piranha Bytes, an allen Ecken und Enden an Feinschliff. Die Technik ist, auch wenn ein Bug-Desaster ausbleibt, auf der Konsole bestenfalls angestaubt und schlimmstenfalls am Rand der Spielbarkeit. Das Kampfsystem ist ein unübersichtlicher, hektischer Krampf, den man nach einigen Stunden einfach nur noch auf seine Fehler hin ausnutzt und die Menügestaltung wäre schon vor zehn Jahren unbefriedigend gewesen. Zudem bleibt in der Hauptgeschichte gerade im Einstieg viel Atmosphäre auf der Strecke und der Hauptcharakter Jax, immerhin die fiese Bestie von Xacor, erschreckend blass. Dennoch bleibt festzuhalten: Elex ist für mich das beste Spiel von Piranha Bytes seit Gothic 2. 

Pro

interessante Weltkonzeption macht neugierig
gut ausgearbeitete Konflikte zwischen Fraktionen
sehr gutes Erzählen über Landschaft und Räume
moderne Themen wie Flüchtlinge, Drogen etc.
cooles Jetpack sorgt für vertikale Erkundungsreize
drei Fraktionen mit exklusiven Fähigkeiten
offene Charakterentwicklung
sehr gut designte Topographie und Landschaft
stimmungsvolle Wechsel vom Hellen ins Dunkle
gelungenes Storytelling über verwitterte Kulisse
Monster jagen sich und patrouillieren
mehrere Gefährten und Drohnen als Begleiter
Gefährten mit eigenen Questreihen
angenehm natürliche und überraschende Dialoge
Anführer merken sich Verhalten, wägen ab
Entscheidungen mit Konsequenzen
Kälte als übergeordneter Grad der Menschlichkeit
sehr gute verzahnte und abwechslungsreiche Quests
Diebstahl, Mord & Co wird geahndet, teils sofort
Hacken und Schloss knacken als Minispiele; Taschendiebstahl möglich
lebendige Reaktionen auf gezogene Waffe oder bei Betreten des Hauses
viele kleine Geheimnisse und Eastereggs
von Beginn an sehr gefährliche Wildnis
sehr große und abwechslungsreiche Spielwelt
Klimazonen von Wüste über Wald bis Arktis
Gift, Radioaktivität & Co wirken sich aus
Teleporter ersparen zu lange Laufwege
Waffen, Tränke, Essen herstellen und modifizieren
direkte Waffenvergleiche im Inventar
eigenes Hauptquartier ausbauen
mehrere Schwierigkeitsgrade
manuelles und automatisches Speichern

Kontra

schwacher Einstieg, einige Widersprüche
Artdesign mit plumpen Brüchen
krampfige bis chaotische Kämpfe
Gefährten schießen in Wände/Decken statt auf Feinde
Feinde schießen durch Mauern/Decken
Entzug des Helden nicht spürbar; Elex konsumieren ohne Folgen
keine Befehle für/ Talente von Gefährten nutzen
es fehlen explizite rhetorische Fähigkeiten
Spiel zieht sich ab Level 20
teils plumpe Übergänge in Zwischensequenzen
Gefährten reagieren extrem inkonsequent
hölzerne Animationen und Mimik
einige Klonfiguren; vor allem Frauen zu ähnlich
teilweise menschenleere und sterile "Städte"
einige unlogische und kaputte Quests
nur ein Ring tragbar, Maske & Helm nicht gleichzeitig
Rüstung oder Traglast egal für Ausdauerwerte
Gespräche laufen während des Kampfes weiter
steriles Menüdesign ohne 3D-Objekte
Karte nicht beschriftbar, keine Sortierfunktionen
"Kälte" wird als Wert sehr fade dargestellt
Kälte wirkt sich zu wenig auf Dialoge/Quests aus
schreckliche Soundeffekte (Schritte, Klettern etc.)
Caja reagiert nicht auf Elex-Quellen, erst in Quests
einige Bugs (Kiste nicht öffnen, weil Feind in anderer Etage; Fähigkeit nicht aufrüstbar etc.)
Schrift zu klein (PS4, One)
Steuerung nicht frei belegbar (PS4, One)
teils starke Pop-ups und Ruckler (PS4, One)
unangenehmes Tearing (One)

Wertung

XboxOne

Auch auf Xbox One sind die technischen Defizite gegenüber der PC-Version spürbar; zudem gibt es hier deutlich mehr Tearing.

PlayStation4

Elex wurde nicht so schlecht für Konsolen portiert wie Risen 3, aber auch auf PlayStation 4 Pro bricht die Bildrate immer wieder ein.

PC

In seinen besten Momenten erinnert Elex an Fallout: Man kann sich in der Spielwelt verlieren, die mit kleinen Geschichten, lebendigen Reaktionen sowie toller Topographie neugierig macht. Aber das Kampfsystem und die KI sind schwach und das Artdesign versinkt im Mischmasch der Themen.

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