Alekhine's Gun15.03.2016, Mathias Oertel
Alekhine's Gun

Im Test: Schlechte Hitman-Kopie

Im Fahrwasser eines gewissen Agenten 47 wurde auf internationalen Digital-Plattformen die Stealth-Action Alekhine’s Gun veröffentlicht, die auf kreative Tötungen zur Zeit des Kalten Krieges setzt. Das verantwortliche Team von Maximum Games bedient sich freizügig bei Elementen, die von IO Interactive in der Hitman-Serie perfektioniert wurden. Doch ist gut geklaut wirklich besser als schlecht selbst gemacht? Der Import-Test gibt die Antwort.

Kalter Krieg oder kaltes Grausen?

Eines muss man Maximum Games lassen: Für die Hintergrundgeschichte der Stealth-Action Alekhine's Gun (ab 16,35€ bei kaufen), die nach einer besonderen Schachstellung benannt wurde, geht man eher ungewöhnliche Wege: Ähnlich wie Stephen Kings Roman "Der Anschlag" (im Original: 11/22/63) setzt man auf die Ermordung von John F. Kennedy und den Kalten Krieg der Ära. Nur, dass man hier keine Zeitreise-Geschichte inszeniert, sondern diesen definierenden Moment der amerikanischen Geschichte nutzt, um ein klassisches Meuchelmörder-Abenteuer à la Hitman zu inszenieren. Erzählt in stimmungsvollen Noir-Gemälden,  folgt man den Ereignissen rund um einen russischen KGB-Agenten, der letztlich einen Atomschlag verhindern soll. Die Geschichte gewinnt ihren Reiz nicht aus der schwachen akustischen Untermalung, bei der die Stimmen beinahe durch die Bank so klingen, als ob sie in irgendeinem Entwickler-Keller aufgenommen wurden. Es ist vielmehr die ungewöhnliche Ära, die als Hintergrund gewählt wurde und die in vielerlei Hinsicht akkurat recherchiert scheint.

Vieles in Alekhine's Gun erinnert an IOs Agent 47.
Allerdings scheint Maximum nicht in seine eigene erzählerische Stärke vertraut zu haben. Denn auch wenn inhaltlich eine plausible Verknüpfung erzielt wird, wirken die ersten Abschnitte aufgesetzt, in denen man in irgendwelchen nationalsozialistischen Institutionen schleicht und meuchelt. Nicht nur, dass die hier eingesetzte verfassungsfeindliche Symbolik der Grund dafür ist, dass das Spiel hierzulande nicht auf den digitalen Vertriebswegen für PS4, One und PC zu haben ist. Diese Abschnitte sorgen weder bei der Hauptfigur noch den wesentlichen Nebencharakteren für irgendeine erkennbare Entwicklung und scheinen nur der Idee entsprungen, dass es für Spieler interessant sei, Nazis zu töten.  

Grüße von Agent 47

Mechanisch ist die Inspiration unzweifelhaft IOs Hitman-Serie - und dort vor allem Blood Money. Man kann bei seinen Aufträgen nicht nur auf Schusswaffen, Chloroform oder die hinlänglich bekannte Klavierseite zurückgreifen, sondern sollte sich auch Verkleidungen aneignen, um die Aufgaben möglichst unbemerkt erledigen zu können oder einen der

Die Schussmechanik ist unter aller Kanone und wird durch die schwache Technik zusätzlich ausgehebelt.
schwer durchzuführenden Unfälle zu inszenieren. Das Prinzip ist bewährt und die Fans des Auftragsmörders werden sich hier schnell wohl fühlen und bestimmte Zusammenhänge schneller erkennen. In der Praxis jedoch werden die Unterschiede zwischen den beiden sehr schnell deutlich - was in erster Linie der KI zuzuschreiben ist. Muss sich Agent 47 immer wieder anstrengen und einen Plan ausbaldowern, um die fordernden Skripte der Figuren zu überlisten, ist hier entweder viel zu viel vom Zufall abhängig, unglaubwürdig oder massiv inkosistent. Das wiederum drückt sich schnell in Frust aus und beeinflusst damit natürlich direkt die Motivation. Mal kann man ohne Verkleidung einfach an Wachen vorbei spazieren. In einer anderen Situation wird man selbst inkognito aus einer großen Entfernung bereits als Gefahr wahrgenommen. Man kann in der einen Situation problemlos in Räume reinspazieren, da der vorher ausgesprochenen Warnung keine Konsequenz folgt. In einer anderen kommt man nicht mal in die Nähe der Tür, obwohl man z.B. die ranghöchste Uniform bzw. die unauffälligste Maskerade trägt, die zu finden ist.

Auch bei der Entdeckung von dahingerafften Kameraden reagieren die Figuren höchst unterschiedlich - und nur seltenglaubwürdig. Viel zu häufig kommt es vor, dass man einen der Gegner tötet, Alarm ausgelöst wird und der anrückende Nachschub erst einmal an einem vorbei läuft, bis er den Tatort erreicht hat und erst dann die Suche nach einem wieder aufnimmt - natürlich nicht, ohne vorher, ein- oder zwei Mal im Kreis oder gegen die Wand gelaufen zu sein. Hier hat der Wahnsinn offenbar Methode. Um effektvoll abseits von Chloroform oder Garotte die große Meuchelkunst inszenieren zu können, muss man zusätzlich die Abschnitte haarklein abklappern. Denn erst wenn man in unmittelbarer Nähe von interaktiven Gegenständen steht, wird angezeigt, dass hier etwas möglich ist. So lässt sich Bicarbonat nicht in jede Weinflasche füllen, sondern nur in ein paar ganz bestimmte. Wo IO mit Blood Money und vor allem dem neuen episodischen Hitman einen kreativen Meuchelspielplatz mit viel Freiheit inszeniert, bleibt bei Alekhine's Gun das Gefühl, dass man trotz mitunter großräumig angelegter Abschnitte stark eingeengt wird.

Verschenktes Potenzial

Als Standbild mag die Kulisse gar nicht so schlecht aussehen - in Bewegung sorgen Räume wie dieser für deutliche Bildrateneinbrüche.
Höchst bedauerlich: Man kann Maximum Games nicht den Willen oder den Ehrgeiz absprechen - es fehlten wohl eher die finanziellen oder kreativen Mittel bzw. die technische Expertise. Denn in den wenigen Momenten, in denen die Planung des Spielers sich auszahlt, weil die KI einen fordert und „mitspielt“, anstatt einen mit unberechenbaren Aktionen in den Wahnsinn zu treiben, ist die Kalte-Krieg-Mär in der Tat ein kleines Hitman, das mit seinen bescheidenen (und vor allem allesamt bekannten Mitteln) unterhalten kann. Doch dann stolpert man über den nächsten KI-Faux-pas oder über den nicht lange auf sich warten lassenden technischen Malus und sowohl Illusion als auch Spielspaß gehen den Bach runter. Das beginnt bei fehlenden Optionen wie invertierter Steuerung oder Gamma-Kontrolle. Und das wiederum führt zu sehr merkwürdigen Kontrastverhältnissen auf dem Schirm. Diese machen es mitunter unmöglich, nicht nur die Feinde, sondern auch potenzielle Kostümgeber oder sonstige Figuren vor dunklen Mauern oder innerhalb von Schatten auszumachen. Abhilfe schafft die „Instinktsicht“, die aber kostbare sowie sich nur quälend langsam aufladende Energie kostet.

Agent 47 lässt grüßen: Die Schleich- und Meuchelmechaniken kennen Hitman-Fans aus dem Effeff.
Selbst damit könnten hartnäckige Stealth-Fanatiker vielleicht noch leben, wenn die Kulisse insgesamt einen ordentlichen Eindruck hinterlassen würde. Doch hier folgt die nächste Enttäuschung. Alekhine‘s Gun, dessen Entwicklung im Jahr 2010 als dritter Teil der Death-to-Spies-Serie begann, bevor 1C Company den Stecker zog und Maximum Games vor etwa zwei Jahren die Produktion federführend übernahm, wirkt wie ein Überbleibsel der letzten Generation. Doch selbst auf PS3 oder 360 hätte diese Kulisse keinen Hund hinter dem Ofen hervorgelockt. Schwache bis gar nicht vorhandene Mimik, hölzerne Animationen und obendrauf die Kontrastprobleme sorgen dafür, dass nicht einmal das Zuschauen Spaß macht. Darüber hinaus gibt es fast immer massive Bildratenprobleme, die sich nur dann nicht zeigen, wenn man alleine in einem kleinen Raum unterwegs ist. Dass die ohnehin nicht überzeugende Schussmechanik von der schwankenden Framerate zusätzlich torpediert wird, hilft nicht, um Motivation aufzubauen. Immerhin: Man kann jederzeit speichern. Sollte man auch, denn bedingt durch die schwache KI man unvorhersehbar und schneller scheitern als einem lieb ist - an ein automatisches Speichern wurde nicht gedacht.

Fazit

Wenn ihr unbedingt 50 Euro verschwenden wollt, dann macht das Fenster auf und werft die Scheine raus. Und wer ordentliche Stealth-Action möchte, sollte noch etwas drauflegen und sich Hitman besorgen. Oder irgendein anderes passables Spiel.  Denn ich kann euch keinen Grund nennen, sich das ohnehin nur über Importkanäle erhältliche Alekhine’s Gun zu Gemüte zu führen. Dass die Kulisse im Bestfall durchschnittliche Werte auf dem Niveau der letzten (!) Generation erreicht, aber meist drunter liegt und nur selten eine stabile Bildrate bietet: geschenkt. Dass die schrecklich abgemischte Akustik so klingt, als ob sie in einer ungedämpften Garage aufgenommen wurde: egal. Dass aber die vollkommen unlogische sowie inkonsistente KI sich derart schlecht präsentiert, macht das grundlegend interessante Schleichen, das nicht nur Mechaniken, sondern mitunter auch das Leveldesign von Agent 47 zu leihen scheint, zu einer Tortur. Daher: Finger weg von diesem Schleich-Murks.

Pro

Speichern jederzeit möglich
interessantes Setting
stimmungsvolle Zwischensequenzen
saubere Schleichmechaniken...

Kontra

auf Autospeicherung wurde verzichtet
keine Gamma-Kontrolle
keine Option auf invertierte Steuerung
... die allesamt aus IOs Hitman-Serie "entliehen" wurden
vollkommen unglaubwürdige und unberechenbare KI
schwache Shooter-Steuerung
schwache Kulisse mit horrenden Kontrast-Werten
Levels im WW2-Szenario wirken erzählerisch aufgesetzt
mitunter starke Bildratenprobleme

Wertung

XboxOne

Alekhine's Gun hätte eine nette kleine Alternative zu Hitman sein können, doch viele kleine und große technische Macken sorgen für eine Menge Frust.

PlayStation4

Alekhine's Gun hätte eine nette kleine Alternative zu Hitman sein können, doch viele kleine und große technische Macken sorgen für eine Menge Frust.

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