The Park03.05.2016, Benjamin Schmädig

Im Test: Fantasy und Grauen

Eine Mutter ruft nach ihrem Sohn: Callum ist in einem Vergnügungspark verschwunden, nachts und außerhalb der Öffnungszeiten. Die Prämisse klingt vertraut, auch weil der Park ein Schauplatz aus dem Online-Rollenspiel The Secret World ist – seines Zeichens eine Art Best-of fantastischer Monster, Mythen und Legenden. Im Fahrwasser von Dear Esther und Gone Home nutzen dessen Entwickler jetzt dieses unheimliche Szenario für einen psychologischen Horror-Trip. Eigentlich eine klasse Idee...

Flüstern aus der Dunkelheit

Dass die Dinge nicht so sind, wie sie scheinen, wird schon am Eingang klar. Später beobachtet Lorraine, Callums Mutter, immer unwirklichere Erscheinungen. Wir wollen die Geschichte nicht vorweg nehmen, manche Einzelheiten muss die Besprechung aber erwähnen. Spoiler-Scheue sollten deshalb zum Fazit springen.

The Park (ab 4,90€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) ist kein großes Spiel, keine andauernde Suche nach Hinweisen wie Gone Home, kein Erforschen einer halbwegs offenen Welt wie Everybody's Gone to the Rapture, es versucht sich nicht an dynamischen Dialogen wie Firewatch. Stattdessen folgt man als Lorraine sehr engen Wegen. Mal findet sie den Schuh ihres Sohns, mal deckt

Ein halbes Jahr, nachdem Lorraine ihren Sohn auf PC dort gesucht hat, öffnet der Atlantic Island Park auch auf Konsolen seine Tore.
eine Notiz einen Teil der Geschichte auf. Immer wieder kehrt sie in den Atlantic Island Park zurück – das sind Lorraines erste Worte. Warum? Das findet sie selbst im Verlauf ihres höchstens zweistündigen Aufenthalts heraus. Denn natürlich dreht sich die Erzählung auch um sie selbst.

Manches gelingt Funcom dabei richtig gut: die trotz viel zu spät auftauchender Details eindringliche Kulisse etwa, das Flüstern in den Lautsprechern des Parks sowie zwei, drei gelungene Schreckmomente. Beeindruckend sieht es aus, wenn sich der Wald auf einem Hügel auftut und den Blick auf ein hohes Riesenrad freigibt: Wie ein Ehrfurcht gebietender Koloss thront es über nächtlichen Nebelschwaden. Interessant auch, wenn Schattenbilder zu Mussorgski von Hänsel und Gretel erzählen, während Lorraine an Bord eines Fahrgeschäfts durch eine Höhle fährt. Sie kann verschiedene der Attraktionen nutzen; in allen erhält sie ein Puzzlestück ihrer Geschichte und der ihres Sohns.

Schablone statt Eigenbau

Wer die Wahl hat, das Spiel auf Playstation 4 oder Xbox One zu spielen, sollte zur Version für Sonys Konsole greifen: Auf Xbox One kostet die schwache technische Umsetzung der ursprünglich auf PC veröffentlichten Gruselgeschichte ausgerechnet der gelungenen Atmosphäre wichtige Punkte.

Sehr lange Ladezeiten, eine vergleichsweise niedrige Bildrate sowie ein unscharfes, milchiges Bild trüben den Eindruck. Genau wie auf PC tauchen zudem grafische Details wie größere Rasenflächen auf beiden Konsolen erst in unmittelbarer Nähe auf.

Dadurch wirkt die Erzählung aber auch angestrengt: Funcom verlässt sich fast ausschließlich auf geradlinigen "Frontalunterricht". Im letzten Abschnitt reihen die Entwickler sogar dermaßen viele – und wichtige – Notizen aneinander, dass das ständige Lesen ermüdend wirkt. Wer mit Horror-Abenteuern und dem durch Dear Esther geprägten Erzählspiel vertraut ist, läuft in The Park lediglich Stichpunkte einer Konzeptschablone ab.

Die Entwickler zitieren im zweiten Teil außerdem Kojimas Silent Hills, ohne dem Prinzip auch nur eine Überraschung abzugewinnen. Noch dazu lässt der klare Schnitt zwischen den beiden Abschnitten die Inszenierung brüchig erscheinen.

Abgesehen davon hätte es gar nicht dieser Vergnügungspark sein müssen. Die bedrohliche Umgebung gibt zwar den gruseligen Ton an, ist Lorraines Erzählung aber nicht zuträglich. Tatsächlich lenkt das Fantastische in dieser Form sogar von ihrer sehr persönlichen Geschichte ab. Kein Wunder, dass die letzten Minuten in

Ein packendes Erlebnis ist The Park trotz der emotionalen Geschichte leider nicht.
einem ganz anderen Szenario stattfinden – darauf hätte sich Funcom von Beginn an konzentrieren können.

Experiment oder Spiel?

Dabei ist die Geschichte selbst in sich stimmig – vielleicht zu vorhersehbar, aber durchaus bewegend. Nur die Inszenierung wird dem Medium nach Everybody's Gone to the Rapture und Sunset nicht mehr gerecht. Zu allem Überfluss ist ausgerechnet das auf dem Papier dramatische Finale lediglich eine Filmszene. Ein umfassendes interaktives Erlebnis erschaffen die Spiele-Entwickler leider nicht.

Mag sein, dass das Ergebnis den experimentellen Anfängen des Park-Ausflugs geschuldet ist. Immerhin probierte zunächst ein kleines Team, wie gut es mit Unreal-Technologie innerhalb eines knappen Zeitplans ein Projekt fertigstellen könnte. Erst im Verlauf der Entwicklung wurde daraus ein komplettes Spiel – und dieser letzte Schritt hätte größer ausfallen müssen.

Fazit

The Park ist auch auch Playstation 4 und Xbox One ein unterhaltsamer Ausflug in die Welt des psychologischen Horrors. Funcom inszeniert mithilfe der fantastischen Legenden seines Online-Rollenspiels The Secret World ein stimmungsvolles Erzählspiel. Das wirft vertraute Fragen auf und gibt vorhersehbare Antworten, die es vor allem grafisch und akustisch ansprechend verpackt. Spielerisch steht der Freizeitpark allerdings auf dünnem Eis, denn das Ablaufen eines engen Pfads voll einschlägiger Klischees ist ermüdend. Die emotionale Erzählung folgt stur der von Dear Esther etablierten Formel, bevor es leidlich erfolgreich Silent Hills nachahmt. Das Anklicken starrer Hinweise ist dabei eine viel zu begrenzte Interaktionsmöglichkeit, als dass man sich spielerisch in dem unheimlichen Vergnügungspark verlieren könnte. So hat es immerhin sein Gutes, dass der Spuk nach spätestens zwei Stunden vorüber ist.

Pro

Grafik und Ton erzeugen unheimliche Atmosphäre
gruseliges Szenario...
persönliche und bewegende Geschichte

Kontra

geradliniges Abklappern von Hinweisen
... das allerdings nicht zwingend zur Erzählung passt
eingeschränkte Interaktionsmöglichkeiten und Vorkauen der Geschichte
Kopieren verschiedener Vorlagen statt eigener Konzepte
mit ein, zwei Stunden sehr kurzes Abenteuer
viele grafische Details erscheinen erst in unmittelbarer Nähe
unscharfes Bild und relativ niedrige Bildrate
keine deutsche Lokalisierung

Wertung

PlayStation4

Stimmungsvolles, spielerisch aber oberflächliches Erleben menschlicher Abgründe.

XboxOne

Auf Xbox One ist der Grusel inhaltlich ebenso schwach - und technisch eine ganze Ecke schlechter als auf PS4.

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