Dropsy21.09.2015, Alice Wilczynski

Im Test: Tragischer Clown zum Anfassen

Publisher Devolver Digital ist bekannt für sein Repertoire an kuriosen Spielen. Neben dem Tauben-Dating-Simulator Hatoful Boyfriend oder dem Pixel-Shooter Hotline Miami findet mit Dropsy auch ein liebevoller Clown seinen Platz. Im Point&Click-Adventure des Studios Tendershoot schlüpfen Spieler in die Rolle eines pummeligen Clowns, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, nicht mehr gefürchtet zu werden. Ob Dropsys schwitzige Umarmungen auf Dauer begeistern können, verraten wir im Test.

Ein Spiel mit Tiefgang

Der Clown Dropsy mag auf den ersten Blick abschreckend wirken, ist aber eigentlich sehr freundlich.

Beim Betrachten der ersten Videos und Bilder gewinnt man zunächst den Eindruck, dass Dropsy nur ein weiteres albernes Pixel-Spiel ist. Zwischen den Zeilen wird allerdings schnell deutlich, dass die Entwickler auch schwere Themen wie Fremdenhass, Umgang mit Behinderten, Nächstenliebe und persönliche Schicksale thematisieren.

Dropsy kann die Sprache seiner Mitmenschen nur symbolhaft verstehen. Immer wieder überlege ich, ob Dropsy vielleicht eine Behinderung hat, oder ursprünglich aus einem anderen Land kommt. Ist die Abneigung, die er von allen erfährt ein Hinweis darauf, dass er etwas Schlimmes getan hat, oder ist es vielleicht doch nur seine Andersartigkeit, die alle verunsichert? Sogar ich bin von dem schrägen Clown zuerst ziemlich abgeschreckt und gebe ihm erst eine Chance, nachdem ich ihn etwas kennengelernt habe. Es stellt sich die Frage, ob die Entwickler vielleicht sogar genau diese Reaktionen hervorrufen wollen.

Obwohl Dropsy jedes Mal sichtlich traurig auf die hasserfüllten Symbole reagiert, bleibt er positiv und versucht alles, um seine Mitmenschen aus ihrer Trauer zu holen. Das Lösen von Rätseln abseits der Hauptaufträge wird somit umso motivierender und seine naive Gutmütigkeit wächst einem verdammt schnell ans Herz.

Ein tragischer Anfang

In den Albtraum-Passagen muss Dropsy durch sein zerstörtes Zimmer laufen und wird von einem Monster verschluckt.

Das Spiel beginnt mit einem Rückblick in die tragische Vergangenheit des Clowns. Während eines Zirkusauftritts seiner Eltern kommt es durch eine heruntergefallene Zigarre zu einem Brand, der das gesamte Zelt zerstört. Die erste Interaktion mit Dropsy findet in seinem brennenden Zimmer statt, das mit lauter Bildern von Monstern und Fratzen ausgestattet ist. Eine Vision zeigt einen weinenden Jungen, der sich von seiner Mutter verabschiedet, die danach in Flammen aufgeht. Am Ende des Zimmers wird Dropsy von einem furchteinflößenden Mund verschluckt und befindet sich wieder in der Gegenwart.

Stummer Clown hilft gegen Trauer

Diese wirkt überraschend fröhlich und ist mit gemütlicher Jazz-Musik unterlegt. Dropsys Story bietet überraschende Wendungen und wird durch das Erledigen der Hauptaufträge nach und nach enthüllt. So muss Dropsy als Erstes mit seinem Hund, der ihn stets begleitet und bei Rätseln hilft, das Familienportrait zum Grab seiner verstorbenen Mutter bringen.

Dropsys Umwelt reagiert negativ auf ihn. Erst nachdem er die Probleme der Anwohner löst, mögen sie ihn.

Auf dem Weg dorthin wird man erneut mit seinen Problemen konfrontiert. Seit dem Brand scheinen alle Anwohner eine große Abneigung gegen den Clown zu hegen, der die Sprache seiner Mitmenschen nur über Symbole wahrnimmt.

Um ihn wieder beliebter zu machen, gilt es als Spieler zunächst die Wünsche der traurigen Stadtbewohner zu interpretieren, bevor ihnen geholfen werden kann. Als Dropsy auf einem Spielplatz ein weinendes Mädchen sieht, erscheint über ihrem Kopf das Symbol einer traurigen Figur und einer verwelkten Blume, die vor ihr in der Erde steckt.  Im Verlauf des Spiels wird es jedoch immer schwieriger die Hieroglyphen, die durch das Pixel-Design manchmal fast nicht erkennbar sind, in den Kontext zu bringen. Ein leerer Teller über dem Kopf eines Obdachlosen steht natürlich für Hunger, aber was bedeuten merkwürdige bunte Symbole über dem Kopf eines Polizisten? Und wie kann man der predigenden Frau in der Kirche helfen, die nachts traurig auf dem Spielplatz sitzt und tagsüber über Heavy Metal schimpft?

Das erfolgreiche Lösen von Rätseln wird mit einer herzlichen Umarmung gefeiert.

Um dem Mädchen zu helfen ihre Blume zu pflanzen gilt es den im Genre eher selten genutzten Tag- und Nachtwechsel zu verinnerlichen. An verschiedenen Stellen kann sich Dropsy schlafen legen, um entweder nachts oder tagsüber zu agieren. Nach einiger Zeit verstehe ich, dass ich meinen Hund auf die Stelle der verdorrten Blume pinkeln lassen muss, um morgens eine frisch aufgeblühte Pflanze vorzufinden, um die das Mädchen freudig herumspringt. Nachdem ich das „Umarmen“-Symbol nutze, schwingt Dropsy auch schon liebevoll seine Arme um das Mädchen und eine Animation bestätigt den Erfolg: Er wird gemocht. Schafft man es die Anwohner glücklich zu machen, begegnen sie einem zukünftig nur noch mit einem lachenden Smiley-Symbol über dem Kopf.

Viele unnötige Wege und Kopfnüsse

Dropsys Möglichkeiten sind eingeschränkt: Er kann herumlaufen, Leute umarmen und Gegenstände aus seinen Taschen nutzen. Zum Lösen der Rätsel müssen häufig viele Abläufe beachtet werden. Es gibt keine Hotspot-Taste, die aufzeigt wo Dinge versteckt sind, kein Tutorial und keine Tipps. Hat man endlich eine ungefähre Idee davon, was eine Person benötigt, ist man viel zu oft genötigt doppelte Wege auf sich zu nehmen, um endlich den richtigen Gegenstand zu finden.

Die Inhalte in Dropsys Hosentaschen müssen genutzt werden, um die Anwohner glücklich zu machen.

Auf der Suche nach einem Hühner-Kostüm muss ich Dropsy zuerst schlafen legen, damit die Person von der ich das Kostüm erhalte vor dem richtigen Laden steht. Nachdem ich nach Ewigkeiten darauf gekommen bin, dass man sein Kostüm dadurch erhält, dass man ihn zweimal hintereinander umarmt, muss ich mit dem Kostüm den kompletten Weg aus der Stadt zurück zu Dropsys Wohnzelt gehen.

Zu viele Rätsel wirken willkürlich und ergeben im Kontext des Spiels nicht genügend Sinn. Als zwei Frauen einen wichtigen Zugang versperren, kann ich der einen mit einer Blume eine Freude machen. Was die andere Frau benötigt, ist nicht zu entschlüsseln. Erst nach einer ganzen Weile finde ich heraus, dass ich zunächst eine Rockband am anderen Ende der Karte treffen muss, um sie von mir zu überzeugen. Man hat oft das Gefühl die Entwickler von Tendershoot hätten sich etwas übernommen und bei der Planung der Rätsel um zu viele Ecken gedacht. Auf der offiziellen Twitter-Seite des Spiels trudeln täglich viele Fragen von Fans ein, die an genau denselben Stellen wie ich einfach nicht weiterkommen. Spieler helfen sich gegenseitig mit Tipps und auch die Entwickler sind bemüht auszuhelfen.

Mehr Gefühl statt Größe   

Die große offene Welt bietet viele unterschiedliche Kulissen, jedoch muss man die gleichen Wege zu häufig ablaufen.

Der Tag- und Nachtwechsel, als auch das ewige Hin und Herlaufen wirken wie nervige Routinen. Viel lieber hätte ich auf meinen Wegen noch mehr Hinweise über Dropsys Vergangenheit erhalten. Jedes Mal wenn er sich schlafen legt, muss er die Albtraum-Vision der Anfangssequenz durchleben. Dabei erscheinen in jedem Traum andere Visionen, die uns etwas über seine Vergangenheit erklären. Aufgaben, in denen ich seine Mutter am Grab besuche oder alte Fotoalben finden, lösen immer wieder Mitgefühl aus und brechen durch ihre melancholische Stimmung mit der kurios bunten Welt. Diese sich langsam aufbauende Empathie und Bindung motivieren immer wieder weiterzusuchen. Aber planlos in der viel zu großen Welt rumzulaufen hat den gegenteiligen Effekt.

Schöne neue bunte Welt

Die Spielwelt führt Dropsy immer wieder an abwechslungsreiche Kulissen, wie diese ominöse Fabrik.

Auch wenn die Größe der Karte manchmal ein Hindernis darstellt, weiß die abwechslungsreiche Gestaltung der Welt jedes Mal aufs Neue zu überzeugen. Neben dem Stadtzentrum, wo Dropsy im Nachtclub auf der Tanzfläche eine Runde sein Gesäß schwabbeln lässt, oder Obdachlose mit Sandwiches aus der Kirche versorgt, gelangt man mit wenigen Klicks zu einer verlassene Alien-Ruine, einem eher ländlichen Raum oder einem geheimnisvollen Labor, das man nur mit dem richtigen Begleiter erreicht. Der grobe Pixel-Stil ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, ist man mittlerweile doch sehr an knackige Kontraste gewöhnt, passt jedoch sehr gut zum naiven, fast kindlichen Wesen Dropsys. Der von Chris Schlarb komponierte Soundtrack reicht von gemütlicher Jazz-Musik über Progressive-Rock zu Electro-Beats und untermalt die abwechslungsreichen Kulissen sowie das positive Wesen des Clowns hervorragend.

Fazit

Dropsy beweist endlich, dass es auch freundliche Clowns gibt. Das Point&Click-Adventure inszeniert auf sehr unkonventionelle Weise die Geschichte eines ausgestoßenen Clowns, der seine Mitmenschen nur symbolhaft versteht. Erfolge werden nicht etwa durch ein gefülltes Auftragsbuch oder Erfahrungspunkte besiegelt,  sondern mit einer herzlichen Umarmung und dem Gefühl etwas wirklich Bedeutsames erzielt zu haben. Diese schönen Erfahrungen werden jedoch zu oft durch Frust-Momente gestört, da viele Rätsel willkürlich wirken und zu oft die gleichen Wege auf der großen Karte bestritten werden müssen. Obwohl Dropsy von allen Hass erfährt, möchte er helfen und verlangt dafür keine Gegenleistung. Ein Spiel, das so eine tolle Botschaft ohne gehobenen Zeigefinger, sondern mit bunte Farben und fröhlicher Musik hinterlässt, verdient eine Umarmung.

Pro

lustige Rätsel, die Empathie fördern
abwechslungsreiche, große Spielwelt
Kommunikation nur durch Symbole
kurioser Clown als Protagonist
Auseinandersetzen mit tiefsinnigen Themen wie Verlust, Behinderung, Ausgrenzung und persönliche Schicksale
surreales Pixel-Art-Design

Kontra

... oft aber zu schwer und willkürlich sind
... in der man leider zu oft die gleichen Wege abläuft
... die teilweise schlecht zu erkennen sind

Wertung

PC

Tiefsinniges Point&Click-Adventure mit liebevollem Clown, dessen Rätsel jedoch teilweise zu Frust-Momenten führen.

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