Keep Talking and Nobody Explodes14.12.2015, Marcel Kleffmann
Keep Talking and Nobody Explodes

Im Test: Bombenspaß beim Bombenentschärfen

Man muss also einfach nur weiterreden und dann explodiert auch niemand? Ah, ja! Was ist das denn für ein bescheuerter Titel? So seltsam er klingt, beschreibt der Name des Spiels vortrefflich, worum es geht: Kommunikation und Koordination beim gemeinschaftlichen Entschärfen einer tickenden Bombe. Ein Spieler entschärft, der andere darf die Anweisungen geben. Ein kooperativer Bombenspaß?

Das rote Kabel durchschneiden?

*Beep*Beep* Der Countdown tickt … *Beep*Beep*

Er: „Im letzten Bauteil der Bombe sehe ich fünf farbige Kabel, die horizontal untereinander liegen.“

Ich: „Moment. Ich blättere zum entsprechenden Abschnitt im Handbuch zur Entschärfung. Okay! Ist das unterste Kabel schwarz? Falls ja: Ist die letzte Ziffer der Seriennummer ungerade?“

Er: „Nein und warte ... nein“.

Ich: „Ist da genau ein rotes Kabel?“

Er: „Nein.“

Der Spieler am PC (oder mit dem VR-Headset) sieht die Bombe, kann mit den einzelnen Modulen interagieren und das tickende Paket von allen Seiten betrachten.

Ich: „Ist da mehr als ein gelbes Kabel?“

Er: „Nein! Mach hin! Wir haben nur noch 20 Sekunden!“

Ich *schneller*: „Gibt es ein schwarzes Kabel?“

Er: „Nein. Hattest Du das nicht schon gefragt?“

Ich: „Nein! Dann schneid' das erste Kabel durch!“

Er: „Sicher?“

Ich: „Ja! Echt jetzt!“

*Stille*Stille*.

Er: „Entschärft“.

Beide: „Puuhhhh! Nein, es ist nicht immer das rote Kabel ...“

Eine Aufgabe für (mindestens) zwei Personen

Die grundlegende Idee des Spiels mit dem komischen Titel „Keep Talking and Nobody Explodes“ ist schlichtweg großartig, denn es geht um das gemeinschaftliche Entschärfen einer Bombe - natürlich unter Zeitdruck, denn der Countdown tickt unaufhaltsam runter. Zwei Personen übernehmen dabei verschiedene Aufgaben. Ein Spieler sieht die Bombe auf dem Monitor, kann sie von allen Seiten genau betrachten, die Module des Sprengkörpers anklicken und dort Aktionen durchführen. Der andere Spieler wühlt sich durch das Handbuch zur Bombenentschärfung (digital oder analog) und darf die Anweisungen geben bzw. den Umgang mit dem Sprengkörper erklären. Dabei muss sich der „Handbuchtäter“ auf die Beschreibungen und die Informationen von dem „Entschärfer“ verlassen, denn der „Handbuch-Spezialist“ darf nicht auf den Monitor schauen und der Entschärfende darf nicht ins „Bomb Defusal Manual“ gucken.

Der andere Spieler darf im 'Bomb Defusal Manual' nachschlagen, wie das Bombenmodul entschärft werden kann und die Anweisungen geben bzw. die Fragen stellen.
„Keep Talking and Nobody Explodes“ ist also ein kooperativ spielbarer Titel mit asymmetrischer Gestaltung, weil die Spieler verschiedene Aufgaben übernehmen, aber trotzdem gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten. Und weil es auf die möglichst effektive Kommunikation zwischen zwei Personen ankommt, denen unterschiedliche Informationen zur Verfügung stehen, ergibt sogar der ungewöhnliche Titel durchaus Sinn.

Gute Module, schlechte Module

Im aktuellen „Bomb Defusal Manual - Version 1“ (nur in englischer Sprache) werden elf Module beschrieben, die in den zufällig generierten Bomben in zufällig generierten Varianten vorkommen können. Die Entschärfung jedes Moduls ist ein eigenes Minispiel aus den Kategorien „Merken“, „Koordination“, „Konzentration“ und natürlich „Kommunikation“. Während das Durchschneiden von Kabeln wohl die klassischste Version beim Bombenentschärfen ist und mit abzuarbeitenden Anweisungen in Textform einhergeht, muss man gelegentlich mit einem großen Knopf mit wechselnder Aufschrift wie „Detonate“ oder „Press“ hantieren. Hierbei berichtet der „Entschärfer“, was er sieht und der „Handbuchexperte“ stellt Fragen basierend auf der Dokumentation. Und dann ist mehr oder weniger klar, was zu tun ist.

Von Kabeln, Knöpfen und Codewörtern

Neben einfachen Kabeln und dicken Knöpfen darf man eine Variante des Farbmerkspiels „Simon says“ spielen, seltene bis ungewöhnliche Zeichen in eine Reihenfolge bringen, sich die Zahlen von eins bis vier auf den Positionen eins bis vier in je vier Varianten merken oder Passwörter mit fünf Zeichen knacken. Herausforderung, Schwierigkeitsgrad und auch der Spaß beim Entschärfen schwanken je nach Modul. Während das Eins-bis-Vier-Merken mit Papier-und-Stift ziemlich simpel ist, aber viel Zeit durch die Trägheit der simulierten Anzeige kostet, entpuppt sich die Passwort-Variante als schlicht gestrickt und die "Complicated Wires" sind nur durch die Darstellung im Venn-Diagramm (Mengendarstellung) kompliziert - und dies auch nur für den Lesenden des Manuals.

Leider recht schnell durchschaut: das Passwort-Modul.
Nicht so gelungen ist hingegen das Morsecode-Modul, weil der Code ziemlich schwer an der Signallampe abzulesen ist. Da hätte eine akustische Untermalung mit Pieptönen zusätzlich zur Lampe wahrhaft geholfen. Deutlich besser sind das (blinde) Lotsen durch ein Labyrinth, die Kabelsequenzen und „Who‘s on First“. Bei letzterem müssen bestimmte Wortkombinationen abgeglichen werden und weil die notwendigen Begriffe unter Umständen ziemlich gleich klingen (z.B. you, you’re, you are, your, ur oder see, c, cee), muss man sich entscheiden, wie man die Begriffe möglichst effizient kommuniziert. Und immer wenn beide Personen gleichermaßen gefordert sind, entfaltet das Spiel erst seine Faszination.

Fehlende Vielfalt bei den Kellerbomben

Insgesamt müssen in der „Kampagne“ 32 Bomben entschärft werden. Umfang, Schwierigkeitsgrad und Zeitdruck steigen mit der Zeit. Abseits davon gibt es den Freeplay-Modus, in dem Bomben mit bestimmten Optionen (Modulzahl, Zeit, Needy, Hardcore) erstellt werden können - hierbei lassen sich praktischerweise manche Module dauerhaft ausschließen. Elf verschiedene Bombenmodule klingen zwar nach ordentlich viel Abwechslung, aber da sich beim Entschärfen bei manchen Vertretern ziemlich zügig Routine einstellt, hätte etwas mehr Vielfalt sicher nicht geschadet.

Ein Fehler beim Entschärfen ist (außer bei Hardcore-Bomben) nicht gleich das Ende. Manche Bomben verzeihen bis zu drei Fehler. Die gemachte Fehlerzahl hat stellenweise sogar Einfluss auf die notwendigen Anweisungen.
Gleiches gilt für das Szenario, das der Entschärfende sieht, denn der Bomben-Bändiger sitzt stets an einem Tisch in einem maroden Keller, während zunehmend treibende Musik im Hintergrund düdelt. Auch die eine oder andere und ggf. sehr nervige Überraschung ist vorhanden. Ein zweites Szenario, z.B. mit der Bombe unterwegs in einem Transporter oder das Entschärfen an belebteren Orten mit mehr Ablenkungspotenzial, hätte „Keep Talking and Nobody Explodes“ zusätzlich aufgewertet.

Fazit

Wenn man sich auf die Aufgabenteilung bei „Keep Talking and Nobody Explodes“ einlässt, hat man in den ersten Stunden erstaunlich viel Spaß - vor allem wenn beide Spieler aktiv in die Entschärfung eines Moduls einbezogen sind. Unter Zeitdruck des tickenden Countdowns und mit stellenweise ziemlich guten Fallen bzw. Rätseln kann es schon hektisch, laut, ruppig und bisweilen ziemlich lustig bis ernst werden. Die grundlegende Idee des Spiels ist großartig, aber die Umsetzung könnte dennoch mehr bieten. Während die kooperative Entschärfung einiger Bombenbauteile (wie z.B. das Labyrinth oder Who's on First) richtig gut ist, sind manche Module eher ungeschickt gestaltet (Morsecode), zu schnell durchschaut (Passwort) oder erfordern nur die Aufmerksamkeit von einem Spieler (Complicated Wires). Etwas mehr Abwechslung und Vielfalt wären wünschenswert gewesen. Gleiches gilt für das Szenario, schließlich müssen Bomben nicht ausschließlich in maroden Kellergewölben entschärft werden. Die Steel Crate Games hätten aus der großartigen Idee noch mehr rausholen können!

Pro

hervorragende Spielidee
zufällig generierte Bomben und zufällig generierte Modulinhalte
stellenweise sehr gut gestaltete Module mit fiesen Fallen
zusätzliche Optionen und Überraschungen
stimmige Soundkulisse
Spieldesign erlaubt neue Manuals etc.
Freeplay-Modus

Kontra

mehr Module und mehr Ideen für das Manual hätten nicht geschadet
schwankende Qualität der Module
sich einstellende Routine bei manchen Bauteilen
Szenario bietet nicht sonderlich viel Abwechslung

Wertung

PC

Bombig! Die grundlegende Idee ist großartig, aber das Spiel bietet etwas zu wenig Vielfalt.

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