Im Test: Thronfolge mit Hindernissen
Zwischen zwei Welten
Schicksal eines Königreichs spielt hunderte Jahre nach den Ereignissen aus Der Fluch der Weissen Königin. Und auch wenn die offizielle Zusammenarbeit mit Studio Ghibli im zweiten Teil der Saga nicht fortgesetzt wurde, sind mit Designer Yoshiyuki Momose (u. a. Chihiros Reise ins Zauberland) und Komponist Joe Hisaishi (u. a. Prinzessin Mononoke) erneut ehemalige Mitarbeiter des japanischen Animationsstudios an Bord.
Auch dieses Mal verschlägt es einen Menschen in die märchenhafte Parallelwelt von Miez, Mauß, Wauz und Co. Allerdings kein kleines Kind wie im ersten Teil, sondern einen Präsidenten, der auf dem Weg zu einem Gipfeltreffen einer gewaltigen Explosion zum Opfer fällt.
Zusammen mit Roland gelingt es ihm jedoch heil aus dem besetzten Schloss zu entkommen und Mut für einen Neuanfang zu sammeln. Mit Roland an seiner Seite beschließt Evan sogar die Gründung eines völlig neuen Königreichs, von wo aus er eines Tages alle Bewohner dieser Welt friedlich vereint sehen möchte - vom besetzten Katzbuckel über das abgeschottete Inselreich Quastenfloss bis hin zur Technologiehochburg Mechbaum. Große Ziele hat er also schon mal, jetzt müssen nur noch die anderen Völker von seinem Vorhaben überzeugt werden und das ist leichter gesagt als getan.
Auftakt einer kuriosen Reise
Schon bei seiner ersten Station im Glücksspielmekka Goldorado, wo selbst Gerichtsurteile ausgewürfelt werden, gilt es statt diplomatischer Gespräche vielmehr heikle Betrugsermittlungen bis in die höchsten Ränge zu führen. Doch trotz eigener Verschuldung samt anhänglichem "Krähdit"-Vogel im Schlepptau,
Im Lauf der Reise schließen sich sogar noch weitere Gefährten der illustren Gruppe an. Darunter nicht nur andere Personen, sondern auch kleine, Gnuffis genannte, Elementarwesen, die Evan auch im Kampf aktiv zur Seite stehen. An den je nach Schauplatz ähnlich wie in den Tales-of-Spielen direkt an Ort und Stelle oder vor thematisch passender Kulisse stattfindenden Kämpfen können bis zu drei direkt steuerbare Helden und bis zu vier indirekt beeinflussbare Gnuffi-Gruppen teilnehmen. Wächter Remmi ist meist ebenfalls mit von der Partie, agiert aber komplett eigenständig.
Zwar setzen auch die Gnuffis selbstständig Kampftechniken ein, gewisse Manöver wie das Installieren von Kanonen oder Heilflächen müssen allerdings manuell initiiert werden. Sobald eine solche Aktion bereit steht, erscheint ein Kreis um die entsprechende Gnuffi-Gruppe, den man Betreten und per Knopfdruck aktivieren kann.
Dynamische Keilereien
Doch auch abseits der Gnuffis versprühen die flotten Echtzeitkämpfe eine angenehm Dynamik. So kann man nicht nur jederzeit schnell zwischen den drei aktiven Heldencharakteren hin- und herspringen, sondern auch im Nu zwischen jeweils drei ausgerüsteten Nahkampf- und einer Fernkampfwaffe wechseln. Das ist nicht nur vorteilhaft, wenn man fliegenden Gegnern oder Feinden mit unterschiedlichen Resistenzen gegenübersteht, sondern erlaubt auch das gezielte Auf- und Entladen der Waffen, um die Durchschlagskraft individueller Kampffertigkeiten zu steigern.
Jeder spielbare Charakter kann im Kampf bis zu vier ausgewählte Fertigkeiten nutzen, sofern er über ausreichend Mana verfügt. Auch der Einsatz von Distanzwaffen wie Pistolen, Zauberstäben oder Bögen verschlingt Mana, das durch den Einsatz der drei Nahkampfwaffen wieder regeneriert werden kann. So entsteht ein steter Wechsel, der sich auf Wunsch auch teilweise automatisieren lässt, um möglichst immer eine voll aufgeladene Waffe im Anschlag zu haben. Vorübergehende Kraftschübe, Fluchtversuche sowie ein Fixieren einzelner Gegner oder Körperteile sind ebenfalls möglich.
Es gibt sogar einen Kampfequalizer, über dessen Regler man Widerstandskräfte, Schadensboni und Beutevorlieben vor jedem Kampf individuell anpassen kann. Neben generellen Vorteilen wie stufenweise steigerbarer Mana-Regenerierung, Schadensreduktion in Abwehrstellung oder längerer Unverwundbarkeit beim Ausweichen gilt es aber auch Grenzen und Wechselwirkungen abzuwägen:
Leicht gemacht
Schade nur, dass sich eine Einstellung überhaupt nicht regeln lässt: Der Schwierigkeitsgrad. Der ist nämlich fest vorgegeben und die meiste Zeit so harmlos, dass man die Vorteile des Equalizers und andere Elemente des Kampfsystems gar nicht braucht. Nur limitiert einsetzbare Heilgegenstände und Speisen ändern da auch nicht viel dran. Selbst Feinde mit einem deutlich höheren Level in dunkelroter Warnfarbe stellen meist kein Problem dar.
Auch die an sich interessant konzipierten Bosskämpfe sollten geübte Spieler vor keine größere Herausforderung stellen. Lediglich bei besessenen Monstern muss man etwas Acht geben, da die bei zu großen Stufenunterschied immensen Schaden verursachen können.
Zudem wird der Spielstand vor wichtigen Kämpfen und anderen Ereignissen automatisch gespeichert. Darüber hinaus kann seinen Fortschritt auch an klassischen Speicherpunkten mit zusätzlicher Heil- und Mana-Auffrisch-Funktion sichern. Ist man im Chibi-look à la World of Final Fantasy auf der Weltkarte oder im eigenen Königreich unterwegs, kann man sogar gänzlich uneingeschränkt speichern.
Royale Aufbaustrategie
Auf diesem eigenen Stück Land fernab der anderen Herrscherhäuser kann man aber nicht nur die Beine vertreten, auf Shopping-Tour gehen oder mit seinen Gefolgsleuten und Untertanen plaudern,
Sich aktiv um das Wohlergehen seines aufstrebenden Reichs zu kümmern, ist dank cleverer verzahnter Auswirkungen jedenfalls ungemein motivierend. So kann man mit im Magielabor entwickelten Zaubern zum Beispiel sonst unzugängliche Orte erreichen, mit Geistern reden oder Schlösser knacken, während man im Nautischen Institut neue Zusatzfunktionen für sein Schiff ausbaldowert. Auch Waffen, Rüstungen und Gnuffis kann man selbst herstellen und modifizieren bzw. aufziehen.
Strategische Rotation
Ähnlich verhält es sich mit den taktischen Schlachtfeldeinsätzen, die ebenfalls eine Art Spiel im Spiel darstellen und für zusätzliche Abwechslung sorgen. Darin kann Evan bis zu vier Mini-Armeen um sich scharen, um Räuber zu jagen, Invasoren abzuwehren oder feindliche Festungsanlagen zu stürmen. Die meist nur wenige Minuten dauernden Scharmützel setzen auf geschicktes Stellungsspiel und Ressourcen-Management. So kann man seine Armeen nicht nur bewegen und spezielle Manöver ausführen lassen, sondern sie auch blitzschnell rotieren, um anrückende Feinde in einer Art Schere-Stein-Papier-Prinzip auszustechen.
Ein mitunter etwas hektisches, aber durchaus kurzweiliges Unterfangen. Allerdings kommt die Bildrate auf der Standard-PS4 auf Schlachtfeldern und Weltkarte zum Teil etwas ins Stottern. Auch manche Texteinblendungen sind etwas klein und kurz geraten. Schade ist auch, dass die wahlweise englische oder japanische Sprachausgabe nur sporadisch zum Einsatz kommt. Die deutsche Übersetzung ist trotz Diskrepanzen zur englischen Synchronisation tadellos und in punkto Namensgebung und Lokalkolorit angenehm kreativ. Auch der orchestrale Soundtrack glänzt mit stimmungsvollen Kompositionen.
Tolles Anime-Flair
Die märchenhafte Inszenierung verdient ebenfalls Lob. Spielwelt und Charaktere wirken wie aus einem Anime. Das Glücksspielparadies Goldorado ruft gekonnt Erinnerungen an Chihiros Reise ins Zauberland wach. Liebevolle Details und Animationen lassen die Grenzen zwischen Spiel und Zeichentrickfilm immer wieder verschwimmen.
Doch so zauberhaft die meisten Story-Schauplätze sind, so schablonenhaft wirken die vielen Bonusdungeons, die man abseits der Hauptroute entdecken kann. Auch das Angebot an Nebenquests ist üppig, aber im Gegensatz zu den Hauptaufgaben sehr generisch. Immerhin lässt sich vieles nebenher erledigen und Fleiß zahlt sich vor allem dann aus, wenn man damit neue Untertanen mit einzigartigen Talenten für sein Königreich rekrutieren kann. Wer mag, kann seinem Koch auch neue Rezepte für aufputschende Speisen bringen, seinem Barden neue Lieder lehren, mit passenden Opfergaben seltene Gnuffis rekrutieren oder versteckte Traumportale ausfindig machen, in denen die Gegner mit zunehmender Aufenthaltsdauer immer stärker werden.
Viel zu entdecken
Orientieren kann man sich anhand einer automatisch mitzeichnenden Karte und Zielmarkern, die sich bei Bedarf auch deaktivieren lassen. Neben Fortbewegungsmitteln zu Land, Wasser und Luft können auch Schnellreisepunkte entdeckt und registriert werden. Zudem gibt es viele praktische Nachschlagewerke und Statistiken sowie eine Job- und Item-Börse.
Der Spielfluss kommt hingegen in der zweiten Spielhälfte etwas ins Strudeln, so dass man für manche Einsätze sogar grinden muss, um die etwas ruppigen Stufensprünge der Gegner auszugleichen. Am Umfang gibt’s aber nichts zu mäkeln und auch nach Spielende noch was zu tun. Zusätzliche Spielinhalte sind ebenfalls schon angedacht: So soll der bereits verfügbare Season Pass zwei kommende Spielerweiterungen umfassen. Darüber hinaus gibt es diverse Vorbestellerboni sowie HDR-Unterstützung. Auf der PlayStation 4 Pro kann man zudem in 4K spielen, worunter die Bildrate aber teils spürbar leidet. Auf dem PC hängt die auch auf "unbegrenzt" einstellbare Bildrate hingegen in erster Linie von den eigenen Systemspezifikationen ab und neben diversen Grafikeinstellungen kann dort auch die im Gegensatz zu Final Fantasy 15 sowohl mit Maus und Tastatur als auch vorzugsweise Controller gut funktionierende Steuerung frei konfiguriert werden.
Fazit
Ni no Kuni 2 entführt einmal mehr in eine märchenhafte Anime-Welt à la Studio Ghibli, deren Figuren, Schauplätze und Geschichten abgesehen von der leider etwas spärlichen Sprachausgabe ungemein charmant in Szene gesetzt werden. Themen und Erzählweise mögen eher kindlich, der Spielfluss nicht immer optimal und der leider nicht anpassbare Schwierigkeitsgrad zu harmlos sein. Doch der Magie dieses Abenteuers kann man sich nur schwer entziehen. Die später auch etwas anspruchsvolleren Kämpfe bieten dynamische Facetten, die Aufgaben sind zahlreich und meist liebevoll verzahnt, Leveldesign und Hindernisbewältigung abwechslungsreich, der Soundtrack ungemein stimmungsvoll. Die taktischen Schlachtfeldeinsätze, in denen man ein rotierbares Miniheer dirigiert, sind fast schon ein Spiel für sich. Und den Regierungsmodus, wo man Schritt für Schritt sein eigenes Königreich errichtet, will man teils gar nicht mehr verlassen. Mich haben Level-5 und Bandai Namco jedenfalls mehr als 60 Stunden lang sehr gut unterhalten und ich würde jederzeit wieder nach Katzbuckel zurückkehren.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Märchenhaft inszeniertes Anime-Rollenspiel mit toll verzahnten Aufgaben und eher moderatem Schwierigkeitsgrad.
PlayStation4
Märchenhaft inszeniertes Anime-Rollenspiel mit toll verzahnten Aufgaben und eher moderatem Schwierigkeitsgrad.
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Season Pass, dessen Inhalte keine bzw. nur minimale Auswirkungen auf das Spieldesign haben.
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