Shadow Tactics: Blades of the Shogun02.08.2017, Jörg Luibl
Shadow Tactics: Blades of the Shogun

Im Test: Fernöstliche Infiltration

Vor einem halben Jahr konnte Shadow Tactics bereits auf dem Rechner unser Gold erobern. Wer Lust auf kooperative Manöver und Schleichspannung in der guten alten Draufsicht hatte, wurde sehr gut unterhalten. Das von Commandos (1998) inspirierte Abenteuer lässt euch ein fünfköpfiges Team aus Ninja, Samurai & Co jetzt auch auf PlayStation 4 und Xbox One durch Schauplätze des alten Japan führen. Ob auch die Konsolenversion überzeugen kann, verrät der Test.

Schleichen mit dem Sichtkegel

Es ist immer wieder ein Drahtseilakt: Sobald sich mein Ninja duckt, kann er die grau schraffierten Zonen im hinteren Bereich des Sichtkegels gefahrlos betreten. Aber wann soll ich ihn bloß losschicken? Weil sich die Wache aktiv umsieht, schwenkt diese Zone hin und her. Und weil noch eine zweite Wache aufpasst, überschneiden sich diese auch noch. Ich müsste also punktgenau zwischen den Schatten surfen, wenn ich es gerade so von einer in die andere Zone schaffen will. Zudem weiß ich, dass ein Konflikt nach der Entdeckung meist mit meinem Tod endet. Soll ich vielleicht erst eine Wache weiter hinten weglocken und ausschalten? Oder den Charakter wechseln und von einer anderen Seite loslegen? Während mein Ninja kauernd lauert, wäge ich ab zwischen sorgfältiger Vorbereitung und dreister Initiative.

Das Spiel wurde inhaltlich 1:1 für Konsolen umgesetzt.
Schaffe ich es mit einem frechen Manöver unbemerkt zwischen ihren Blicken in den Busch hinter dem Tor zu huschen, ist die Freude natürlich umso größer! Aber selbst dort bin ich nicht sicher - zumindest nicht im Winter: Es gehört auch auf PlayStation 4 und Xbox One zu den lobenswerten Finessen dieser Echtzeit-Taktik, dass sich die Wachen nicht nur über Geräusche oder fehlende Kollegen wundern, die man vielleicht gerade gemeuchelt und in einer Kiste versteckt hat - dann stehen sie dort und murmeln "He's missing." Schon auf dem zweiten von drei Schwierigkeitsgraden wird man auch als Genrekenner bereits in den ersten Missionen mit nur ein, zwei oder drei Helden richtig gefordert.

Denn die Wachen folgen z.B. auch Fußspuren, wenn diese für eine kurze Zeit im Schnee sichtbar sind. Schön ist, dass man sie damit auch gezielt in Fallen locken kann. Aber ich muss schnell raus aus dem Busch und per Kletterhaken auf das Dach, um mein Ziel zu erreichen. Kaum bin ich oben, bewege und drehe ich die Kamera, indem ich den linken Analogstick nutze und für einen Schwenk R2 gedrückt halte, um einen möglichen Weg auzukundschaften. Der Blick lohnt sich auch deshalb, weil die malerische Kulisse zum Hinsehen einlädt: Neben der authentischen Mode und Architektur freut man sich über im Wind wehende Banner, Kleidung, Fahnen oder Bäume sowie hübsch animierte Patrouillen und natürlich Kampfszenen - bis auf etwas längere Ladezeiten bietet auch die Konsolenversion sehr ansehnliche Szenen. Wenn Samurai Mugen seinen blutigen Doppelschlag ausführt, sieht das richtig gut aus.

Planung ist alles

Aber es geht hier nicht um Gemetzel, sondern clevere Infiltration. Wie soll ich in dieser dicht bevölkerten Stadt bloß eines der

Die Steuerung wurde optimal für PlayStation 4 angepasst und lässt sich modifizieren.
schwer bewachten Tore öffnen? Auf einen L3-Druck lasse ich mir alles Interaktive wie Türen, Leitern & Co anzeigen - aha, da hinten könnte ich über ein Seil die Straßenseite wechseln, dann durch ein Gebäude! Erschwerend kommt hinzu, dass auch Zivilisten aufpassen: Entdecken sie mich, eilen sie ängstlich zur nächsten Wache und geben Meldung - sehr schön. Einige Wachen setzen zudem auf weite Distanz schon Gewehre ein, andere mit Strohhüten sind immun gegen Ablenkungsmanöver und Samurai kann man nicht mit einfachen Attacken meucheln. Außerdem wird die Alarmbereitschaft nach ersten Vorfällen verschärft: Man kann hören, wie Offiziere die einfachen Wachen vor einem Eindringling warnen; außerdem ist klasse, dass man nicht so einfach eine Truppe dezimieren kann, denn manche Posten werden nach einem Kill ersetzt. Unterm Strich eine klasse KI mit vielfältigen Verhaltensmustern!

Als Spieler habe ich aber auch einige Optionen, die mir alle im Rahmen des Tutorials in Form kleiner Schriftrollen näher gebracht werden: Um im Vorfeld meine Route zu planen, kann ich z.B. irgendwo im Gelände einen Augenmarker platzieren, der die aktiven Sichtlinien an diesem Ort anzeigt. Das ist neben den einblendbaren Sichtkegeln ein weiteres nützliches Hilfsmittel in diesem gefährlichen Abenteuer - auch die Schnellspeicherfunktion ist ein verdammt guter Freund, denn jede kleine Situation kann in einem Alarm eskalieren. Und wenn man erstmal beschossen oder umzingelt wird, hat man selbst mit Heilung und doppelten Attacken keine Chance mehr auf eine Flucht.

Ähnlich wie auf dem Rechner informieren Tutorials über die Spielmechaniken.
  Es gibt auf den ersten Blick viele scheinbar aussichtslose Situationen aufgrund der Anzahl und Positionierung der Wachen. Hier hilft der coole Schattenmodus: Mit ihm lassen sich Manöver wie z.B. das Ausschalten von Wachen zeitgleich von mehreren Charakteren ausführen. Aus einem Busch heraus zückt der Samurai sein Katana, während der Dieb seine Dolche hinter einer Kiste aufblitzen und der Scharfschütze sein Gewehr krachen lässt - so schlägt man manchmal zwei, drei Fliegen mit einer Klappe, ohne dass eine Alarmkette ausgelöst wird. Diese simultanen Aktionen sind das Highlight in einem weitgehend sehr gut konzipierten Taktik-Abenteuer, das einem auf dem Weg zum Ziel viele Möglichkeiten bietet: Man kann auf Seilen balancieren, in Flüssen schwimmen, Schlüssel stehlen, Leichen oder Bewusstlose wegtragen, explosive Fässer detonieren lassen, sich in fahrenden Wagen verstecken oder Kräne & Co sabotieren, um Unfälle vorzutäuschen.

Ninja, Samurai, Geisha, Scharfschütze & Dieb

Bis zu fünf Helden können unterwegs sein, wobei man auf Knopfdruck zwischen ihnen wechselt. Jeder hat etwas andere Bewegungs- und Kampfaktionen sowie Finten zur Verfügung: Der Samurai kann zwar gar nicht klettern, aber dafür gleich zwei Feinde tragen oder auf einmal aufschlitzen sowie seine Flasche mit Hochprozentigem in ein Sichtfeld werfen, um Wachen wegzulocken - was gut funktioniert. Der Ninja und die Diebin sind agiler und gelangen auf Dächer, können es aber nur mit einem Feind aufnehmen und Steine oder eine Flöte zur Ablenkung einsetzen. Sehr schön sind auch hier Kleinigkeiten wie etwa austretende Rinder, die nach einem Steinwurf Zivilisten oder Wachenausknocken; oder die von der Diebin platzierte Falle, die

Man ist nicht nur in Siedlungen und Burgen, sondern auch in der Wildnis unterwegs - inkl. Schwimmeinlagen.
tödliche Klingen ausspuckt. Hinzu kommen ein alter Scharfschütze samt Marderhund sowie eine Männer bezirzende Geisha. Ersterer kann sein Haustier zur Ablenkung einsetzen, denn es wird bei Sicht geknuddelt; Letztere kann sich verkleiden und als Zivilistin in bewachte Zonen gelangen.

Nur wer ihre Fähigkeiten clever kombiniert, kommt erfolgreich durch die über ein Dutzend Missionen, die ganz unterschiedliche Herausforderungen bieten: Mal geht es um den Diebstahl heikler Unterlagen, das Eliminieren von Offizieren in einem Konvoi, die Sabotage von Türmen oder ganz einfach darum, zwei separat startende Helden an einen bestimmten Ort zu bringen, um dann weiter zu machen. Shadow Tactics ist ein angenehm offenes Spiel mit abwechslungsreichen Schauplätzen von Wald und Wildnis bis hin zu Stadt und Festung. Es lässt mir die Wahl zwischen subtiler Infiltration oder brutaler Vorgehensweise, wobei ich je nach Situation fließend wechseln kann. Weil das Gelände so weitläufig ist und ich teilweise alternative Zielorte aufsuchen kann, verbringe ich schonmal eine bis zwei Stunden in einer Mission.

Schade ist allerdings, dass einer speziellen Spielweise bis auf freigeschaltete Trophäen keinerlei Konsequenzen folgen - pflastert man seinen Weg mit Leichen, wirkt sich das z.B. nicht in späteren Missionen auf die Bevölkerung, die Sicherheit, den eigenen Ruf oder auf die Gespräche im Team aus; hätte man hier nicht auch den Shogun am Ende einer Mission einbinden können? Zwar gibt es ausführliche Statistiken, die die eigene Spielweise nach einem Kapitel illustrieren, aber wesentlich motivierender wäre auch eine Form von Charakterentwicklung gewesen: Ich kann weder die Fähigkeiten noch die Ausrüstung meiner Helden anpassen oder weitere Aktionen durch gutes Spiel gewinnen.

Inkonsequenzen im Gelände

Kleine Ereignisse sorgen für eine lebendige Atmosphäre.
Manchmal schränkt einen das Leveldesign auch hinsichtlich der akrobatischen Möglichkeiten künstlich ein: An der einen Stelle darf ich runterspringen oder von oben töten, an der anderen nicht; manche Tore bleiben unpassierbar, andere lassen sich öffnen - so wird man das Gefühl nicht los, dass man trotz der angenehm offenen Schauplätze zu Fokuspunkten gelenkt wird. Dazu tragen auch die leider nicht erkundbaren Gebäude bei, die nur manchmal als Verstecke oder Durchgangsstationen über Türen nutzbar sind. Aber warum kann ich trotz sichtbarem Ausgang nicht dort oder dort raus?

Die Steuerung ist auch auf PlayStation 4 und Xbox One sehr präzise, lässt sich zudem frei anpassen. Schade ist, dass es keine kooperative Akrobatik gibt - gerade eine Räuberleiter, die zwei Helden einsetzen können, vermisse ich an vielen Stellen, wo die Mauer kein wirklich hohes Hindernis darstellt. Außerdem ist es ärgerlich, dass man größere Tore nicht erstmal von außen öffnen kann, sondern dass man meist automatisch hindurch gelotst wird und dann sofort auf der anderen Seite hockt.

Man hat die Wahl, ob man tödlich attackiert oder Wachen nur bewusstlos schlägt.
Das Artdesign ist von der Charakterzeichnung bis zur Architektur sehr gelungen, auch die Musik sorgt für Stimmung. Das Storytelling ist zumindest bemüht, aber kann erzählerisch nicht überzeugen. Im Jahr 1615 ist man als Spezialkommando für den amtierenden Shogun unterwegs, um dessen rebellische Feinde zu sabotieren. Allerdings bleiben diese politischen Konflikte weitgehend Fassade, zumal weder der eigene Anführer noch der Antagonist als Persönlichkeiten überzeugend aufgebaut werden - man hat lange Zeit das Gefühl, dass man genauso gut auf der Gegenseite der Rebellen aktiv sein könnte. Es fehlt zudem eine zweite Ebene, die wie oben erwähnt dem eigenen Handeln auch politische oder moralische Konsequenzen oder eine Art von Charakterentwicklung folgen lässt. Das Drehbuch punktet letztlich mit den Biografien der fünf Helden, auch wenn die Zwischensequenzen in Spielgrafik wie überflüssige Fremdkörper wirken. Die Lebensläufe sind allerdings interessant, zumal durch die gelungene Konversation während der Einsätze Mugen & Co an Profil gewinnen, so dass sich schnell für den einen oder anderen Sympathien entwickeln - etwa als sich Yuki einen Shuriken vom Ninja ausleihen will, der aber ablehnt. Gerade diese an Rollenspiele erinnernde, in Ansätzen lebendige Partyinteraktion kann die Schwächen der politischen Hintergrundstory ausgleichen. Trotzdem wirkt auch hier einiges nicht ganz plausibel wie etwa die viel zu schnelle Aufnahme der jungen Diebin. Das Spiel wird wahlweise mit englischer oder japanischer Sprachausgabe sowie auf Konsolen mit deutschen Texten unterlegt; einen Mehrspielermodus gibt es nicht.

Fazit

Dieses gemütliche Grübeln in malerischer Draufsicht habe ich vermisst. Ist ja auch lange her: Ich hatte 2002 ähnlich viel Spaß mit Robin Hood von Spellbound. An die Tradition dieser klassischen Echtzeit-Taktik à la Commandos knüpft Shadow Tactics: Blades of Shogun auch auf PlayStation 4 und Xbox One überzeugend an. Mimimi Productions aus München inszenieren spannendes Infiltrieren im alten Japan. Zwar wirken die Level manchmal inkonsequent designt hinsichtlich akrobatischer Möglichkeiten, außerdem vermisse ich je nach subtiler oder blutiger Spielweise mehr Konsequenzen. Aber dafür ist das Gelände angenehm weitläufig, man kann die Vertikale über Dächer und Kletterhaken sehr gut ausnutzen, die Schauplätze sind thematisch abwechslungsreich  und man kann vieles wie Seile, Kräne, Wagen & Co interaktiv einsetzen. Auch wenn die Story nicht in Fahrt kommt, sorgen die Kommentare von Wachen und Helden für Stimmung. Eine motivierende Entwicklung der Charaktere hinsichtlich der Fähigkeiten sowie Ausrüstung fehlt zwar, aber das Katz-und-Mausspiel zwischen Büschen und Gassen sieht nicht nur klasse aus, sondern ist angenehm anspruchsvoll. Das liegt an der überaus aufmerksamen KI, die auf Geräusche und Fußspuren achtet sowie diese verfolgt. Es gibt nicht nur Patrouillen, sondern auch klare Befehlsketten und Verstärkungen. Hier muss man also richtig clever sein, wenn man seine Route plant und Aktionen kombiniert. Dafür geben einem die Entwickler mit den fünf unterschiedlichen Helden viele Möglichkeiten der Täuschung, des Anlockens sowie des Kampfes an die Hand - vor allem die simultanen Manöver machen Laune. Wer Lust auf kooperative Schleichspannung mit Samurai, Ninja, Geisha & Co hat, wird hier für etwa 15 bis 20 Stunden sehr gut unterhalten.

Pro

Echtzeit-Taktik à la Commandos in Draufsicht
hübsche Kulissen & Animationen im alten Japan
gutes Bewegungs- und Deckungssystem
Charaktere mit unterschiedlichen Stärken
zeitgleiche kooperative Manöver möglich
taktisch gut nutzbare Sichtkegel & Sichtmarker
gute Integration der Vertikalen über Dächer & Haken
coole Fallen, Finten, Täuschungen
Leichen oder Bewusstlose verstecken
gute Integration von Zivilisten inkl. Befehlskette
aufmerksame Wachen, reagieren auf Fußspuren
Umgebung lässt sich interaktiv einsetzen
sehr große Areale mit alternativen Zielen
frei belegbare Tasten; anpassbare Steuerung
dreh- und zoombare Kamera
gut integriertes Tutorial und Hinweise
englische oder japanische Sprachausgabe
jederzeit speichern und neu laden
drei Schwierigkeitsgrade

Kontra

Story kommt nicht in Fahrt
keine Entwicklung von Fähigkeiten/Ausrüstung
manchmal inkonsequente Beschränkungen beim Klettern/Springen/Türen öffnen
brutale/subtile Spielweise ohne Konsequenzen
Gebäude werden nur simuliert; keine Innenräume
keine deutsche Sprachausgabe

Wertung

XboxOne

Freut euch auch auf PS4 und Xbox One auf spannendes Infiltrieren in malerischer Draufsicht mit toller KI und fordernden Missionen.

PlayStation4

Freut euch auch auf PS4 und Xbox One auf spannendes Infiltrieren in malerischer Draufsicht mit toller KI und fordernden Missionen.

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