Rock of Ages 2: Bigger and Boulder12.09.2017, Mathias Oertel
Rock of Ages 2: Bigger and Boulder

Im Test: Die anderen Rolling Stones

Das chilenische Studie ACE Team ist immer für eine Überraschung gut. Und das nicht nur hinsichtlich des Artdesigns, das Titel wie Zeno Clash, Abyss Odyssey oder The Deadly Tower of Monsters auszeichnete. Denn dass etwa sechs Jahre nach der Marble-Madness/Tower-Defense-Mixtur Rock of Ages eine Fortsetzung erscheinen würde, hätte ich angesichts der eher soliden Qualität des Originals nicht erwartet. Im Test überprüfen wir, ob Rock of Ages 2: Bigger and Boulder aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat.

Der Felsen fällt nicht weit vom Stamm

Dass sich ACE Team beim mechanischen Fundament von Rock of Ages 2 treu blieb, ist keine Überraschung. Denn das war beim 2011 erschienenen Vorgänger eines der kleineren Probleme. Das Konzept, ein „Kugelrollen“ à la Super Monkey Ball bzw. Marble Madness mit Elementen der Tower Defense zu verbinden, indem man den ebenfalls einen Stein rollenden KI- oder menschlichen Gegner kostspielige Hindernisse in den Weg stellt, bevor er durch das Tor der Festung rollen kann, war damals schon interessant. Und das ist es immer noch – zumal bislang kein anderes Spiel auf die Idee kam, diese Verbindung aufzugreifen. Und jetzt hat man die Gelegenheit, die Redundanz des Vorgängers aufzubrechen, die sich in etwa ab der Hälfte der Spielzeit eingestellt hat und die auch vom Monty-Pythonesken Humor nicht aufgelöst werden konnte. Apropos: Ich als Fan der Mannen um Terry Gilliam, John Cleese oder Graham Chapman bin begeistert, dass ACE Team nicht nur hinsichtlich der Story ebenso durchgeknallt ist wie bei Teil 1, sondern auch den markanten Präsentationsstil beibehalten hat.

Auch "Der Schrei" von Edvard Munch ist nicht vor ACE Team sicher. Das Artdesign verbindet diverse Kunstformen bzw. -Stile und vereint sie in Monty-Pythonesken Zwischensequenzen.
Wer mit den ausgeschnittenen, verfremdeten sowie nur rudimentär animierten Gemälden, Statuen, Figuren aus über einem Dutzend Epochen usw. nichts anfangen kann, obwohl (oder weil) sie stark an die Zwischensequenzen in zahlreichen Filmen der britischen Kulttruppe sowie der TV-Serie Monty Python’s Flying Circus erinnern, wird vermutlich auch nicht mit dem Humor warm werden. Bei mir jedoch treffen die absurden Sequenzen genau ins Schwarze. Wenn in der Introsequenz der den Vorgänger-"Helden" Sisyphos ablösende Atlas die Erde fallen lässt, noch bevor Gott die Arbeit daran beendet hat und man schließlich mit Atlas in einer Art Schule landet, in der einige geschasste historische Gestalten wie Kleopatra nachsitzen müssen, ist das erst der Anfang. "Braveheart" William Wallace kriegt ebenso sein Fett weg wie Richard Löwenherz, Baba Jaga, Vincent Van Gogh, Johanna von Orleans oder Don Quijote, die allesamt als Gegner dienen und überrollt werden müssen, nachdem man das Tor plattgewalzt hat, hinter dem sie sich befinden. Nach dem Sinn, wieso all diese historischen oder fiktiven Figuren hier als Antagonisten auftauchen, sollte man nicht fragen. Denn spätestens wenn man der brennenden Giraffe gegenübersteht, kann diese Antwort nur noch mit "Gaga" oder ähnlich unartikulierten Lauten ausfallen.

"Like a rolling stone"

So sieht die Welt von Rock of Ages 2 im Stile eines Impressionisten wie Vincent Van Gogh aus.
Dementsprechend haben die Entwickler beim oftmals höchst surrealen Leveldesign oder bei der Auswahl der mitunter kostspieligen Hindernisse, die man platzieren kann, um den Gegner davon abzuhalten, durch den Schutzwall zu brechen, ebenfalls ihrer Fantasie freien Lauf gelassen. Kämpft man z.B. gegen Don Quijote, sieht man in den großräumigen und häufig alternative aber gefährlich zu erreichende Routen bietenden Gebieten in der Entfernung Giganten, die sich beim Nähern in Windmühlen verwandeln.  Und spätestens wenn man den Wal als "Turm" benutzen kann, der eine Art Staubsauger nutzt, um die Felskugeln einzusammeln oder die Ballons freischaltet, die versuchen, den Stein des Anstoßes mit Tieren wie Löwen als Köder am Haken zu fangen, wird die ganze Bandbreite deutlich, mit der ACE Team das Konzept des Vorgängers aufzuwerten versucht. Und das gelingt auch - in erster Linie durch die aufgebohrten Inhalte. Fast 20 freizuschaltende Hindernisse stehen schließlich zur Verfügung, während man auf der offensiven Seite aus 16 Steinen auswählen kann, um sie auf die Tore des Gegners zuzusteuern.

Da man aber nur einen Stein und maximal sieben Verteidigungsanlagen zur Verfügung hat, ist eine strategische Auswahl vonnöten, die es im Vorgänger nicht gab. Erschwert wird diese Entscheidung durch die Möglichkeit, zusätzliche Steintypen mitzunehmen, was allerdings zu Lasten der maximal nutzbaren Defensivstrukturen geht. Dies alles wird allerdings erst dann effektiv, wenn man den Abschnitt kennt, auf dem man zeitgleich zum Gegner versucht, sein Ziel zu erreichen. Erst, wenn man weiß, ob es Engpässe, Sprungmöglichkeiten, Abkürzungen usw. gibt, kann man sein Defensivarsenal entsprechend einrichten und z.B. Rampen installieren, um den Gegner von der Bahn zu treiben oder am Steinball festklebende Kühe aufstellen, um dem Kontrahenten die Geschwindigkeit vor einem abkürzenden Sprung zu nehmen.

Eine Vorabansicht der Strecke gibt es jedoch nicht, so dass man sich ein wenig auf sein Glück verlassen muss, wenn man vor allem die späteren Gegner beim ersten Versuch erfolgreich aus dem Weg räumen möchte. Auch die Auswahl der eigenen Steinkugel ist strategisch wichtig. Nicht nur, dass die Herstellungszeit gravierende Unterschiede aufweist, bevor man sich auf die Abfahrt machen kann – auch Geschwindigkeit, Durchschlagskraft und Steuerungsqualitäten zeigen mitunter happige Differenzen und können sich auf die Möglichkeit auswirken, Abkürzungen zu nutzen. Das war allerdings auch schon im Vorgänger so, wobei die sich dort zeigende Redundanz auch hier ab und an zu spüren ist, aber durch die offenere Levelstruktur und die non-lineare Freischaltung von Gegnern oder neuen „Türmen“ zumeist erfolgreich ausgeglichen wird.

Man kann sich auch mit mehreren Spielern online die Steine um die Ohren jagen, z.B. bei Rennen, die stark an Super Monkey Ball erinnern.
Frisch sind auch die dezidierten Bosskämpfe, die allerdings aus mehreren Gründen aus dem Rahmen fallen. Zum einen ähneln sie eher „klassischen“ Plattform-Bossen, wenn man sie mehrfach an ihrer Schwachstelle treffen muss. Zum anderen sind sie deutlich unspannender als die Standardabschnitte und von fiesen Spitzen im Schwierigkeitsgrad gekennzeichnet.

Allein oder zu zwein mit Stein

Der zeigt sich übrigens im Allgemeinen auf "Normal", es stehen auch noch eine Variante darüber und darunter zur Verfügung, angenehm fordernd. Die Gegner nutzen einerseits geschickt Lücken in der Verteidigung und verwenden auch risikoreiche Abkürzungen, wenn es sich anbietet. Und zum anderen bauen sie mitunter kompetent sowie zeitlich effizient ihre Verteidigungslinie auf. Da für die KI aber die gleichen Beschränkungen gelten wie für den Spieler, so z.B. ein knappes Budget, Anzahl an zur Verfügung stehenden Slots oder maximale Anzahl pro Defensivstruktur, hat man nie da Gefühl, zusätzliche Stolpersteine in den Weg gelegt zu bekommen.

Auf dem Weg zum Ziel müssen zahlreiche Hindernisse aus dem Weg geräumt werden.
Wer nicht alleine losziehen möchte, kann offline kooperativ versuchen, den Bösewichten ein Bein zu stellen oder online mit bis zu vier Spielern klassische Gefechte initiieren bzw. zu Rennen auf "zufällig" verteidigten Strecken aufrufen. Es kamen in der Testphase auf beiden Konsolensystemen zwar nur wenige Rennen zustande, da nicht allzu viele Spieler online zu sein scheinen. Der Spaß jedoch war ordentlich und wurde auch nicht durch Lags beeinträchtigt – hier ist Rock of Ages 2 deutlich näher an Spielen wie Super Monkey Ball als an dem Tower-Defense-Mix, den man in der Kampagne bzw. auch losgelöst in einzelnen Wettbewerben erleben darf.

Fazit

Wer mit "Rock of Ages" etwas anderes assoziiert als einen Song von Def Leppard, wird sich über die unerwartete Fortsetzung freuen. Die Stärken der vor gut sechs Jahren erschienenen Mischung aus Marble-Madness’scher Kugelrennen und Tower Defense bleiben erhalten. Dazu gehört nicht nur der absurde Humor à la Monty Python, sondern auch das nach wie vor einzigartige Artdesign, das haufenweise Kunststile und –Epochen mischt und karikiert. Während das damals wie heute interessante Konzept innerhalb der Kampagne zwar auch mit Rock of Ages 2 den Hang zur Gleichförmigkeit nicht ablegen kann, sorgen neue strategische Elemente bei der Auswahl von Offensiv- und Defensiv-Anlagen sowie eine größere Zahl an Inhalten dafür, dass sich Bigger and Boulder deutlich griffiger spielt als Teil 1. Die Mehrspieler-Modi sind zwar auch in dieser Ausgabe nicht mehr als schmückendes Beiwerk und nötigen einem online Geduld bei der Spielersuche ab. Doch unter dem Strich ist ACE Team mit Rock of Ages 2 ein Fortschritt gelungen. Mit der Fortsetzung haben sie endlich das Potenzial geweckt und ausgegraben, das bei Teil 1 bereits zu spüren war. Das dies seine Grenzen trotz aller Verbesserungen und Erweiterungen zu schnell aufgezeigt bekommt, liegt am Konzept per se, das letztlich nicht mehr herzugeben scheint.

Pro

unverbrauchtes Spielprinzip mit Mischung aus Kugelrennen und Tower Defense
herrlich absurder Humor à la Monty Python
einzigartiges Artdesign, das zahlreiche Kunstepochen karikierend einsetzt
saubere Steuerung
16 Steine
etwa 20 Defensiveinheiten
relativ offene Struktur bei Levelauswahl
strategische, hinsichtlich des Platzes eingeschränkte Auswahl von Steinen und Einheiten
solide Mehrspieler-Modi

Kontra

keine Vorabansicht der Karten, um eine Basis für strategische Entscheidungen zu haben
schwache Bosskämpfe
Humor und Artdesign können abschrecken
innerhalb der Kampagne immer wieder redundante Momente

Wertung

PlayStation4

Die Mischung aus Kugelrennen, Tower Defense und Artdesign-Experiment ist besser gelungen als im Vorgänger und lebt in erster Linie von dem Monty-Pythoneskem Humor.

XboxOne

Die Mischung aus Kugelrennen, Tower Defense und Artdesign-Experiment ist besser gelungen als im Vorgänger und lebt in erster Linie von dem Monty-Pythoneskem Humor.

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