Fe16.02.2018, Mathias Oertel
Fe

Im Test: Kleines Spiel - großes Erlebnis?

Nachdem die seinerzeit von John Riccitiello ausgerufene Qualitätsoffensive schon ein Weilchen her ist, finden sich im Portfolio von EA nur noch wenige ungewöhnliche Spiele wie das vor fast genau zwei Jahren veröffentlichte Unravel. Doch vielleicht kann das Action-Adventure Fe in die kreativen Fußstapfen des Wollknäuels treten?

Das neue Unravel?

Mitunter sind es vor allem die kleinen Titel, die aus dem Portfolio der großen Publisher herausstechen. So wie z.B. bei der E3-Präsentation von Electronic Arts aus dem Jahr 2015, als mit Unravel und seinem supersympathischen Hauptdarsteller Yarny ein Titel vorgestellt wurde, der so gar nicht in die ansonsten auf Fortsetzungen und Blockbuster ausgerichtete Strategie zu passen schien. Es war ein cleverer Schachzug, sich das vom schwedischen Team Coldwood Interactive entwickelte Spiel zu sichern. Zumindest konnte man den Eindruck erwecken, dass es vielleicht zu einer neuen Qualitätsoffensive kommt, deren erste Ausrufung immerhin Serien wie Dragon Age, Army of Two oder Dead Space hervorbrachte. Vor allem auch, da sich der gute Ersteindruck nach dem Release Anfang 2016 im Test bestätigte. Das klassische Jump&Run mit seiner emotionalen Erzählung und dem schnieken Artdesign konnte sich in unserem Test glatte 80% sichern.

Die stimmungsvolle Welt von Fe mit ihren Pastellfarben, Neon-Highlight sowie teils glatten Strukturen wirkt gleichermaßen ungewöhnlich und doch vertraut.
Lasst uns die Zeit vorspulen bis zur E3 2017. Wie zwei Jahre zuvor sorgt die Ankündigung eines „kleineren“ Titels für Furore. Sein Name: Fe von Zoink Games (Stick it to the Man, Zombie Vikings), das wie Coldwood Interactive in Schweden beheimatet ist. Dies soll das erste Projekt sein, das unter dem neuen Label EA Originals veröffentlicht wird. Hier möchte man unabhängigen Studios eine Veröffentlichungsplattform bieten. Der erste Trailer machte zumindest mit einem sehr interessanten Artdesign auf sich aufmerksam - dies ist nur eine weitere der vielen kleinen Parallelen zu Unravel. Wiederum nur ein paar Monate später, nur eine Woche nach dem zweiten Jahrestag von Yarnys Premiere muss sich das farbenfrohe Abenteuer beweisen.

Action-Adventure ohne Kampf

Per erlernbarem Gesang kann man mit der Umgebung interagieren und so vorher noch nicht zugängliche Abschnitte erreichen.
Hat sich Unravel am klassischen 2D- bzw. 2,5D-Plattformer orientiert, nutzt Fe traditionelle Action-Adventure-Elemente, wie sie von CastleVania bzw. Metroid etabliert wurden: Man ist mit der putzigen Hauptfigur Fe, die man sich vom Aussehen am ehesten als Mischung aus Eichhörnchen und Stachelschwein vorstellen kann, in sechs großräumigen Abschnitten unterwegs. Vorerst ist das Gebiet, in dem man in allen Dimensionen frei umherstreunen kann, allerdings beschränkt. Manche Vorsprünge lassen sich z.B. nur über bestimmte, einen Aufwind erzeugende Blumen erreichen, die einen nach oben treiben. Für deren Aktivierung muss man jedoch erst einen Wildtier-Gesang lernen – bis man diesen selbst intonieren kann, muss man die anderen Tiere dazu bewegen, einem zu helfen. Auch die natürlichen Hindernisse, die in den abwechslungsreichen und auch in der Vertikalen sehr clever designten Abschnitten aufgebaut wurden, benötigen entweder einen von sechs unterschiedlichen Gesängen oder eine der besonderen Fähigkeiten. Dazu gehört z.B. das Erklettern von Tannen bis hinauf zur Spitze, das vor allem im Zusammenspiel mit dem Gleitflug die zur Verfügung stehende Spielwelt massiv vergrößert und der Dynamik des Action-Adventures eine weitere Facette hinzufügt.  

Gegner- und Weltdesign machen neugierig.
Auf Kampf, wie man ihn normalerweise in einem 3D-Plattformer oder Action-Adventure à la CastleVania erwarten würde,  wird hier allerdings verzichtet. Man kann den zahlreichen zyklopenhaften Roboter-Insekten, die alle Lebewesen bei Entdeckung in merkwürdige Blasen einsperren und aus dem Wald entfernen, nur ausweichen, indem man sich in bestimmten Büschen versteckt. Wird man entdeckt, kann man zwar versuchen, die Sichtlinie zu unterbrechen und sich dann ein schützendes Versteck zu suchen. Doch zumeist führt mangelnde Vorsicht zu einem Bildschirmtod und dem Zurücksetzen an den letzten der automatisch sowie zumeist fair gesetzten Speicherpunkte. Wieso es sich die merkwürdigen Feinde zum Ziel gesetzt haben, die Natur zu zerstören und wieso ausgerechnet Fe vom Schicksal beauftragt wurde, dem ein Ende zu setzen, ist das große Geheimnis, das vom Spieler gelüftet werden muss und dessen mit einigen Überraschungen versehene Auflösung man nach gut sechs bis acht Stunden zu Gesicht bekommt. Je nachdem, ob man die Zielmarkierung für die nächsten sinnvollen Orte, die man besuchen sollte, deaktiviert und sich nur auf seine Instinkte oder andere Tiere verlässt, die einem gelegentlich den Weg weisen, kann die Spielzeit allerdings auch stark nach oben variieren. Und natürlich kann man nach dem Ende auch noch weitere Stunden in der Welt verbringen, um alle Geheimnisse sowie Fundstücke zu entdecken. Sehr schön: Selbst wer keine Lust hat, sich seinen Weg durch die markante Kulisse zu suchen, aber partout nicht die Kartenhilfe nutzen möchte, hat eine Option. Singt man mit Fe über einen längeren Zeitraum (egal welche Stimme man nutzt), kommt ein Vogel zur Unterstützung und gibt für kurze Zeit den Weg vor.

Wunderschön, bedrohlich, monumental

Doch egal ob mit oder Hilfe, ob mit oder ohne fliegenden Wegweiser: Allein die Kulisse sorgt bereits dafür, dass man seinem Entdeckerdrang nachgehen möchte und die Areale auf der Suche nicht nur nach Geheimnissen, sondern der Lösung für das aktuell nächste Problem  gerne durchstreift. Und je mehr Fähigkeiten bzw. Gesänge man bekommt, die zu großen Teilen gleichermaßen elementar wie unauffällig mit der Gebietserforschung verbunden sind, umso mehr kann man natürlich entdecken und sich an den schroffen Gebirgszügen, Höhlen, Wäldern, Seegebieten usw. erfreuen. Der abstrakte Grafikstil mit seinen Pastellfarben, die sich von Gebiet zu Gebiet unterscheiden und mal kühl-blau, dann wiederum giftig-grün erscheinen, aber stets von leuchtenden Neoneinsprengseln erhellt werden, tut das Übrige. Zoink kreiert hier eine gleichermaßen vertraut wie befremdlich sowie bedrohlich wirkende Welt. Steintafeln, die man mit Fe ansingen kann und die daraufhin ihre an Höhlenmalerei erinnernden Bilder offenbaren, vertiefen die interessante Geschichte, die komplett auf Worte verzichtet und nur aus dem Zusammenspiel von Kulisse und der sehr stimmungsvollen danymischen Musikuntermalung im Kopf des Spielers entsteht. Mal ist man nur mit sich und der natürlichen Akustik alleine. Dann wiederum wird das instinktive Entdecken von sphärischen Klängen begleitet, die sich zu einem gefährlichen Crescendo steigern, wenn man Gefahren begegnet.

Gelegentlich schlüpft man temporär in die Rolle der Bösen...
Da nun ein zentraler Kritikpunkt folgt, der mit der Dramaturgie zusammenhängt, lassen sich leider Spoiler im angeschlossenen Absatz nicht vermeiden. Denn es gibt wahrhaft monumentale Momente wie z.B. der riesige Hirsch, dessen Geweih auch das höchste Gebirge deutlich überragt und der befreit werden muss, damit man den Dammwildgesang von ihm erlernen kann. Hat man seine übernatürlichen Ketten gelöst, wartet er nicht einfach an der nächsten Klippe, um einem das Geheimnis seiner Intonation zu verraten. Er stolziert in seiner ganzen Pracht durch die Spielwelt und man muss erst einmal einen Weg an seinem Körper herauf zu seinem Kopf finden. Und auf einmal wird aus Fe ein kleines Shadow of the Colossus, wenn man in luftiger Höhe die Entfernung zu den Bäumen richtig einschätzen muss, die an seinen Flanken oder seinem Hals wachsen und die der einzige Weg nach oben sind. In diesem Moment dachte ich, dass der Gold-Award für Fe sicher scheint. Denn wenn Zoink schon nach gut einem Drittel der Spielzeit ein solches Kaliber auffährt, wie soll dann erst das Finale aussehen?

Stimmungsvoll auf allen Systemen

Über solche kryptischen Steinmalereien wird die Geschichte ebenfalls weitergeführt.
Doch leider ist dies der mit Abstand eindrucksvollste Moment. Die Wege zu den anderen Stimmen verlaufen deutlich unspektakulärer. Durch das Leveldesign und die phantasievollen Wesen, denen man begegnet, bleibt eine hohe Grundfaszination erhalten. Doch mechanisch verlaufen die anderen „Lernversuche“ zu gleichförmig, Es gibt drei oder vier Knotenpunkte, die man erreichen muss. Dann wird der letzte Zielort quasi freigeschaltet. Man geht dorthin, lernt eine neue Stimme, kommt in ein neues (ansehnliches) Gebiet und sucht wieder drei oder vier Knotenpunkte auf. Usw. Die Umgebungsrätsel variieren dabei sehr angenehm und beziehen auch ein, was man bis dahin gelernt hat. Dennoch verlaufen die letzten zwei Drittel von Fe etwas zu gleichförmig, beinahe schon vorhersehbar Mit Rückblenden, in denen man in die Haut der Roboinsekten schlüpft und damit nicht nur Zeuge, sondern auch Täter der Naturzerstörung wird. So wird zumindest erzählerisch immer wieder etwas Neues geboten, während man kontinuierlich mit den Steintafeln, die auch den Hinweis auf die eine oder andere Rätsellösung beinhalten können, weitere Infos erhält. Dass sich diese auch auf aktuelle weltpolitische Probleme wie die Zerstörung der Natur, Klimawandel etc. beziehen lassen, ist sicherlich nicht unbeabsichtigt. Doch es gibt auch noch viel Interpretationsspielraum und Fragen, die sich dem Spieler stellen und die jeder basierend auf dem in Fe Erlebten etwas anders beantworten dürfte. In jedem Fall ist Fe ein Erlebnis, das nicht nur spielerisch oder hinsichtlich des Weltdesigns, sondern auch mit seiner Art, die Geschichte zu erzählen, ungewöhnlich ist. Um außergewöhnlich zu sein, fehlt aber letztlich doch ein bisschen.

Überall können Gefahren lauern: Falls man im Wasser landet, kann man schnell das Opfer einer Art "Seeschlange" werden.
Angesichts der sowohl auf PS4 als auch One oder PC sehr stimmungsvollen, aber leicht surrealen Kulisse, wird die Auflösungsdebatte zweitrangig. Sicher: Fürs Spieler-Ego mag es angenehm sein, wenn man liest, dass die auf der One X eine native 4K-Auflösung möglich ist, während die PS4 Pro bei 1260p ihre Grenze hat. Doch weder visuell und schon gar nicht spielerisch ist dies letztlich relevant. Zumal alle Version sich das technische Problem teilen, dass es in seltenen Momenten beim Einladen eines neuen Spielabschnitts minimal stocken kann – was aber den Spielverlauf nur unwesentlich beeinflusst. Bei der Steuerung zeigt sich ebenfalls keine Variante im Vorteil. Für die Gesänge, die auf PS4 oder One per sensibler Nutzung der analogen Schultertasten auf das Gegenüber abgestimmt werden, nutzt man am PC die Position der Maus, die feinfühlig geändert werden muss, wenn man im Duett singen und kein Gamepad nutzen möchte. Die Switch-Version lag zum Testzeitpunkt nicht vor. Wir werden den Bericht in den nächsten Tagen zu den technischen sowie Kontrolleindrücken auf Nintendos Hybrid ergänzen.

Update vom 26.02.2018: Die Switch-Version

Die Switch-Version muss zwar mit einer leicht geringeren Sichtweite vorlieb nehmen, zeigt sich aber vor allem im Mobilbetrieb als kompetente Umsetzung.
Mittlerweile hat uns auch die Version für Nintendo-Switch erreicht, die sich im Großen und Ganzen als gleichwertig präsentiert. Technisch gibt es allerdings ein paar, meist nur geringfügige Unterschiede zu den anderen Version. Im Dock-Betrieb z.B. zeigen sich immer wieder Treppchen und bei weiträumigen Kameraschwenks die eine oder andere Bildraten-Instabilität, während die Sichtweite im Allgemeinen etwas zurückgefahren wurde - was sich allerdings angesichts der stilistisch nach wie vor außergewöhnlichen Kulisse nicht auf die Wertung auswirkt. Zumal im mobilen Betrieb deutlich weniger Ruckler zu verzeichnen sind und die Kantenbildung auf dem kleinen Bildschirm kaum auffällt.

Auch für die auf PS4 bzw. One auf den analogen Schultertasten liegenden Feinabstimmungen für die Gesänge hat man eine gute Lösung gefunden: Auf Switch wird der Gyro-Sensor von Joycon bzw. Pro Controller genutzt. Sprich: Die fehlenden Analogtasten werden durch Neigen der Controller bzw. der Switch (mit angeschlossenen Joycons) ersetzt - was unter dem Strich ebenso gut und akkurat funktioniert.

Fazit

Bis zu einem wahrhaft monumentalen Moment war Fe auf Goldkurs. Die Annäherung von Zoink Games an das klassische, von CastleVania oder Metroid geprägte Action-Adventure macht vor allem in der Anfangsphase neugierig. Dabei hält man daran fest, dass das Erforschen der clever designten großräumigen Spielwelt jedes Mal einen neuen Schub erhält, wenn man mit der sehr sympathischen Hautfigur neue Fähigkeiten erlernt, die bisher nicht zugängliche Abschnitte freigeben. Und mit der Abkehr von Kampf in jeglicher Form sowie dem erzählerischen Fokus, der ohne Worte auskommt und sich auch aus dem Zusammenspiel von abstrakter Pastellfarben-Kulisse sowie der stimmungsvollen dynamischen Musikuntermalung ergibt, wird eine hohe Grundmotivation aufgebaut. Jedoch verschießt Fe sein dramatisches Pulver zu früh. Der erwähnte Moment passiert etwa nach einem Drittel der Spielzeit und wird hinsichtlich der Intensität und seiner emotionalen Wirkung bis zum Ende nicht mehr erreicht. Auch spielerisch wird das stimmungsvoll inszenierte Abenteuer danach zu gleichförmig, in einigen Momenten sogar vorhersehbar. Dennoch hat sich EA für den Start seiner Indie-Plattform „Originals“ mit Fe ein durchweg unterhaltsames Erlebnis ausgesucht.

Pro

klassisches 3D-Action-Adventure im Stile von CastleVania oder Metroid
keine Kämpfe
durch neue Fähigkeiten bzw. Gesänge wird die weitgehend offene Spielwelt kontinuierlich vergrößert
simples, aber effektives Stealth-System
abstrakt-surreales Artdesign
sehr sympathische Hauptfigur
stimmungsvolle dynamische Musikuntermalung
geheimnisvolle Geschichte
Zielmarkierung auf Karte kann ausgeschaltet werden
logische Umgebungsrätsel
häufig führen mehrere Wege zum Ziel

Kontra

gelegentlich Steuerungsprobleme bei Plattformelementen
mechanisch verläuft es gegen Ende zu gleichförmig
nach etwa einem Drittel der Story spielerisch mit nur wenig Überraschungen oder Wow-Momenten

Wertung

XboxOne

Fe war als vom Kampf befreites Action-Adventure mit stimmungsvollem Artdesign eine Zeit lang auf Goldkurs. Doch dramaturgische Schwächen und mechanische Gleichförmigkeit gegen Ende verhindern den Award.

Switch

Fe war als vom Kampf befreites Action-Adventure mit stimmungsvollem Artdesign eine Zeit lang auf Goldkurs. Doch dramaturgische Schwächen und mechanische Gleichförmigkeit gegen Ende verhindern den Award. Die Switch-Version zeigt sich als kompetente Umsetzung.

PlayStation4

Fe war als vom Kampf befreites Action-Adventure mit stimmungsvollem Artdesign eine Zeit lang auf Goldkurs. Doch dramaturgische Schwächen und mechanische Gleichförmigkeit gegen Ende verhindern den Award.

PC

Fe war als vom Kampf befreites Action-Adventure mit stimmungsvollem Artdesign eine Zeit lang auf Goldkurs. Doch dramaturgische Schwächen und mechanische Gleichförmigkeit gegen Ende verhindern den Award.

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