Pinball FX 2 VR01.12.2016, Mathias Oertel
Pinball FX 2 VR

Im Test: Der Flipper im VR-Wohnzimmer

Auf Oculus Rift hat Pinball FX 2 VR vor ein paar Monaten einen guten Eindruck hinterlassen. Angefeuert von der bewährten Physik und dem ausgeklügelten Tischaufbau, der die Spielhallen-Realität um unmögliche Effekte erweitert, hat VR dem Sofaflippern eine neue Dimension hinzugefügt. Jetzt ist der Titel auch für Sonys Headset erhältlich. Wir sind für den Test erneut in die Flipperwelten abgetaucht.

Flippern im Penthouse

Ich schaue mich um. In dem geschätzt etwa 60 Quadratmeter großen, lichtdurchfluteten Raum ist rechts von mir ein interaktives Bild, mit dem ich die Ranglisten einsehen kann. Hinter mir  steht eine Vitrine, in der ich erreichte Erfolge betrachten darf. Der schwarzweiße Teppich unter mir wirkt flauschig. Doch der Star in dem schick, aber spartanisch eingerichteten Zimmer sind die drei Flippertische, die mich magisch anziehen. Allerdings kann ich mich nicht frei durch den Raum bewegen. Ich kann nur auf Knopfdruck zu den einzelnen Interaktionsmöglichkeiten springen und diese aktivieren. Und diese fehlende Bewegungsoption vermisse ich mehr als dass mich der gewählte Hintergrund stört. Klar wäre es stilvoller, wenn die Flippertische in einer Spielhalle auftauchen würden, in der sie von anderen Geräten eingerahmt werden. Doch da die Tische der Zen Studios bis auf ganz wenige Ausnahmen bekannt dafür sind, realistische Physik und Kugelverhalten mit unrealistischen Elementen wie das Spiel beeinflussenden Laserstrahlen, Gravitationsstörungen oder über den Tisch laufendes Wasser zu verbinden, kann ich auf die Arcade verzichten.

Die Tische stehen in einem ansehnlichen Penthouse. Man darf sich hier allerdings nicht frei bewegen und es werden nur drei Tische gleichzeitig gezeigt.
Denn Pinball FX 2 sorgt dafür, dass das Flippern auch im Umfeld zu einem Spektakel wird. Beim Tisch "Terror of the Deep" z.B. wird einem suggeriert, dass man von Wasser umgeben ist: Haie kreisen ständig um einen herum, Luftblasen blubbern nach oben. Beim "Mars"-Tisch krabbelt eine Roboterspinne ständig am Tisch entlang, allerdings löblicherweise ohne einen abzulenken oder zu nerven. Das kann ich vom Ritter in "Epic Quest" jedoch nur eingeschränkt sagen, der immer irgendwo auftaucht (teilweise mit seinem Besenstiel-Klepper) und meine Aufmerksamkeit auf sich zieht, die dann natürlich dem Geschehen auf dem Tisch abgezwackt wird. Dass man diese Ambientkulisse nicht optional abschalten kann, ist schade. Einerseits bleibt sich Zen zwar damit absolut treu, doch für Puristen, die ohnehin den hohen Unrealismusgehalt der Tische aus dem ungarischen Studio bemängeln (nahezu kein Tisch der Pinball-FX-Serie würde sich in der Realität nachbauen lassen), ist dies weiteres Wasser auf den Meckermühlen.

Magere Auswahl

Die Flipper werden von adäquaten Figuren bzw. Gegenständen begleitet.
Die Zen Studios haben auf allen bislang unterstützten Systemen eine sehr gute bis ausgezeichnete Flipperplattform aufgebaut. Sowohl bei Zen Pinball (Sony, iOS) als auch bei Pinball FX (Xbox, PC) kann man sich bei jedem Tisch auf eine überzeugende Kugelphysik und entsprechend akkurates Abprallverhalten von Bumpern, Flippern usw. verlassen. Die unrealistischen Elemente werden überzeugend und wie aus einem Guss eingebaut. Und mit mittlerweile über 60 Tischen, die teils auf starken Lizenzen wie Star Wars, Marvel, Plants vs. Zombies oder South Park aufbauen, hat man eine reichhaltige Auswahl. Hier allerdings nicht. Die oben angesprochenen drei Tische sind die einzigen, die man spielen kann. Und obwohl sie viel Variation bieten und einen guten Querschnitt der Zen-Tischphilosophie abbilden, ist der Umfang mau und die Tische sind letztlich nur recycelte Varianten. Immerhin sind zum Start auf PSVR mit dem Season 1 Pack sowie dem Solo-Flipper The Walking Dead sechs weitere Flipper erhältlich, mit denen wir uns gleich beschäftigen.

Was ist mit den Star-Wars-Flippern? Was mit den Marvel-Tischen? Und wieso wird das demnächst erscheinende Bethesda Pinball mit den Umsetzungen von Doom, Fallout und Skyrim nicht zeitgleich virtualrealisiert?  Natürlich ist mir bewusst, dass die Umarbeitung in VR einen erhöhten Arbeitsaufwand darstellt und nicht wie beim Umstieg von 360 auf One als Plattform vergleichsweise einfach vonstatten geht – zumal sich damit ein anderes Spielgefühl einstellt. Durch die realistische Position vor dem Flipper fühlen sich die drei Tische in der virtuellen Realität anders an. Man verfolgt die Kugel mit den Augen, wenn sie über die glaubwürdig dargestellten Rampen rollt, überall abprallt und Punkte ins Konto spült. Bewegt man den Kopf, verändert sich die Perspektive selbstverständlich entsprechend. Die Illusion ist gelungen. Schaut man allerdings auf die Flipperknöpfe an der Seite, stellt man fest, dass diese sich nicht bewegen, wenn man die Flipper über die Padtasten aktiviert. Schade, dieses Detail hätte Zen ruhig noch einbauen können. Und im Vergleich zur Rift-Version sorgen die zahlreichen Metallrampen und –Röhrchen auf den Displays der PSVR-Brille für störende Kanten. Und das auch auf der PS4 Pro, auf der Pinball FX 2 VR vom dort möglichen Supersampling massiv profitieren würde. Aber vielleicht wird dies ja noch per Patch nachgeliefert. Ungeachtet dessen interessiert mich brennend, wie z.B. die Aliens-vs-Pinball-Tische, Portal oder Guardians of the Galaxy in der virtuellen Realität wirken.

Die ersten Add-Ons im Visier

Clementine ist beim Flippern ständiger Begleiter.
Dass der VR-Flipper auf dem Sony-System später erscheint, hat für die Spieler einen Vorteil: Zum Start sind bereits andere Tische erhältlich. Um genau zu sein, hat Zen sein Archiv durchforstet und fünf folgende Tische im so genannten "Season 1 Pack" für den Preis von knapp 25 Euro geschnürt: Paranormal, Castle Storm, BioLab, Earth Defense sowie Wild West Rampage. Damit bietet man zwar abermals einen ordentlichen Querschnitt aus dem Repertoire, doch ein größerer Anreiz für einen VR-Tisch wäre für mich Exklusivität. Wo ist der Tisch, der nur im VR-Wohnzimmer aufgestellt wird? Ist Zen das Risiko und der Entwicklungsaufwand zu hoch? Zwar ist der Produktionsstandard wie bei den drei Basistischen gewohnt gut bis sehr gut, wenn die VR-Umgebung genutzt wird, um Eisenbahnen oder Cowgirls darzustellen (Wild West Rampage), die Monster und Kekse aus BioLab um einen kreisen zu lassen oder der Drache aus CastleStorm immer wieder Sturzflüge unternimmt und einen in die Flipperwelt zieht. Doch es ist nichts wirklich Überraschendes dabei – weder im Umfeld noch bei der Tischauswahl.

Fast so schön wie in VR Worlds - und deutlich weniger aggressiv.
Immerhin darf man mit The Walking Dead für ca. 6 Euro auch den ersten Lizenztisch im Flipper-Penthouse begrüßen. Die Umsetzung der ersten Staffel der Telltale-Adventures konnte bereits ohne virtuelle Realität Pluspunkte für sich verbuchen. Ein intelligenter Tischaufbau, einige Aufgaben wie Sniper-Missionen, die ohne klassische Flipperkugel auskommen sowie Entscheidungen, die auch die Telltale-Originale kennzeichnen, wurden von Zen sehr überzeugend verbaut. Und diese Qualität hat natürlich weiterhin Bestand. Und wie sieht es mit der VR-Einbindung aus? Zum einen ist die Umgebung leicht vermodert. Und schaut man sich um, drücken sich einige Zombies an den Fensterscheiben die Nasen platt, während der Flippertisch rechts von einem Zombie und links von der sich vor ihm versteckenden Clementine eingerahmt wird. Ein nettes Atmosphäre-Element, das sich sogar ab und an ablenkend auswirkt, wenn Clementine sich unter dem Tisch zu verstecken scheint oder den Untoten mit einem Ball ablenken möchte. Wenn ich mir jetzt vorstelle, was z.B. der Star-Wars-Flipper Starfighter Assault an Effekten abfeuern könnte, wird mir schwindelig.

Fazit

Das Flipper-Erlebnis in VR ist hinter der PlayStation-Brille ebenso überzeugend wie hinter der Rift-Hardware. Allerdings ist die Auflösung verringert, was wiederum dazu führt, dass die zahlreichen Metallstrukturen auf den Tischen von unschönen Treppchen gesäumt werden, an die man sich aber mit der Zeit gewöhnt. Daher bleibt es dabei, dass man in einer angenehmen, wenngleich etwas steril wirkenden Umgebung wie in der Spielhalle vor dem bzw. über den Tisch gebeugt steht. Man verfolgt mit den Augen die Bahn der Kugel, wie es in den "einfachen" Versionen von Pinball FX 2 oder Zen Pinball schlichtweg nicht möglich ist - ungeachtet der ausgewählten Kamera. Und dank der bewährten sowie nach wie vor überzeugenden Kugelphysik fühlt sich alles "richtig" an. Schade ist allerdings, dass die Detailfreude bei der Tischgestaltung nicht so weit ging, den Tastendruck am Pad visuell auf den Knöpfen der virtuellen Tische abzubilden. Und natürlich setzt Zen auch in der virtuellen Realität auf die unrealistischen Elemente, für die die Tische gleichermaßen berühmt wie berüchtigt sind – nur, dass diese auch im künstlichen Raum um einen herum auftauchen. Haie umschwirren einen bei „Terror of the Deep“, eine Robo-Spinne klettert bei „Mars“ am Gerät herum. Und der Ritter aus „Epic Quest“ reitet mit seinem Pferd auch immer wieder durch die Botanik. Immerhin gibt es für die PSVR-Flipperfreunde bereits zum Start ein erweitertes Angebot von insgesamt sechs weiteren Tischen, die allerdings nicht mit in die Wertung einfließen und bei denen abseits von The Walking Dead erneut keine der erfolgreichen Lizenzen bemüht wird. Langsam wird es Zeit, sich um die Star-Wars- oder Marvel-Tische zu kümmern, oder noch besser: einen exklusiven VR-Tisch anzubieten.

Pro

stimmungsvolles Ambiente
glaubwürdige Kugelphysik
bekannte Mischung aus realistischen und unrealistischen Elementen
überzeugendes Spielgefühl in VR

Kontra

nur drei bekannte Tische
keine freie Bewegung im Flipper-Penthouse
Metallstrukturen auf den Tischen mit unschönen Treppchen
es werden immer nur drei Tische aufgestellt, die danach ggf. ausgewechselt werden

Wertung

PlayStationVR

Trotz leichter visueller Abstriche im Kantenglättungs-Detail sorgt das Flippern mit realistischer Physik und unrealistischen Ereignissen auch auf PSVR für gute Unterhaltung.

PlayStation4

Trotz leichter visueller Abstriche im Kantenglättungs-Detail sorgt das Flippern mit realistischer Physik und unrealistischen Ereignissen auch auf PSVR für gute Unterhaltung.

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