Super Mario Run16.12.2016, Jörg Luibl
Super Mario Run

Im Test: Nintendo goes Appstore

Nintendo entert den AppStore: Kein Geringerer als Mario verlässt zum ersten Mal die exklusiven Gefilde von 3DS, Wii U & Co, um in fremden Gewässern nach Gold zu suchen und die von Bowser entführte Prinzessin Peach zu retten. Die Umsatzprognosen sind gewaltig, man rechnet mit weltweit über 70 Millionen Dollar. Für 9,99 Euro schaltet man nach drei kostenlosen Abschnitten alle sechs Welten frei. Kann Super Mario Run auf iPhone sowie iPad überzeugen?

Ein Jump'n Run im Korsett

Was ist eigentlich ein "Runner"? Ein Jump'n Run, in dem man automatisch von links nach rechts rennt, während man zwischendurch auf Knopfdruck Hindernisse überwindet  - und zwar so lange, bis man stirbt. Aus heutiger Sicht nicht mehr als eine kurzweilige Fingerübung in einem starren Korsett.

Für 9,99 Euro schaltet man nach drei Probeleveln alle sechs Welten frei und bekommt zwanzig Rallye-Tickets, 3000 Münzen sowie einen Zufallsblock.
Gerade deshalb erfreut sich dieses simpel gestrickte Genre sowie seine Variante "Endless Runner", bei dem es endlos ohne Etappenziele vorwärts geht, auf Smartphones großer Beliebtheit - "Canabalt" aus dem Jahre 2009 gilt als einer der Vorreiter.

Es gab in den letzten Jahren eine regelrechte Flut an Spielen, die meist auf "Run" oder "Dash" hörten - meist billig designt und vollgestopft mit Mikrotransaktionen. Auch Ikonen wie Sonic oder Rayman haben sich bereits hier ausgetobt. Einige Titel wie Jetpack Joyride sowie vor allem Rayman Jungle Run haben immerhin demonstriert, wie unterhaltsam das Spiel gegen den schnellen Hüpftod sein kann.

Drei Störfaktoren vor dem ersten Sprung

Aber Marios iOS-Premiere nervt schon vor dem Start - und zwar dreifach: Erstens muss man tatsächlich dauerhaft online sein, obwohl die Spielmechanik das absolut nicht nötig hätte oder gar davon profitieren würde. Das führte schon beim Probe spielen zu Unterbrechungen in der Bahn und wird das mobile Datenvolumen dauerhaft belasten; man schätzt es zumindest zu Beginn auf 75 Megabyte pro Stunde. Warum macht man das? Nintendo rechtfertigt diese unsinnige Maßnahme damit, dass man so der möglichen Software-Piraterie zuvorkommen wolle.

Mario hüpft automatisch über kleine Hindernisse, nur größere verlangen einen Tipper - je länger man gedrückt hält, desto höher springt der Klempner.
Zweitens wird man zum Beitritt des Nintendo Clubs animiert, mit Extras wie z.B. Toad als exklusive Spielfigur, weiteren Tickets, Karten etc. - hallo, ich hab doch schon zehn Euro gezahlt! Warum kann ich also nicht alles innerhalb des gekauften Spiels freischalten? Drittens kann man dieses Super Mario Run nur hochkant, aber nicht quer spielen, was gerade auf dem iPad unverständlich ist und dem horizontalen Lauf widerspricht. Dieser faule Kompromiss passt natürlich in Miyamotos Zielsetzung, die Ein-Hand-Steuerung so einfach und simpel wie möglich zu gestalten, aber ignoriert die Entwicklung des Jump'n Runs z.B. für Tablets, denn auch dort spielt man heutzutage natürlich auch quer.

Erst die Ernüchterung, dann der Anspruch

Nach dem Start macht man Bekanntschaft mit den Automatismen, die so gar nicht zur Tradition des Klempners passen wollen: Mario überspringt kleine Hindernisse, Abgründe und Gegner von alleine - man schaut nur zu. Erst wenn es um breitere Schluchten oder größere Figuren geht, muss man einmal irgendwo auf den Bildschirm drücken. Wenn man länger gedrückt hält, springt Mario auch höher und weiter. Das ist genauso simpel wie man es von diesem

Am Ende einer Welt wartet ein "Bosskampf" - der erste Bowser ist schnell erledigt.
Genre kennt. An roten Pfeilen stoppt Mario, so dass man sich einen Überblick verschaffen kann; manchmal zeigen Pfeile auch an, dass es zwei verschiedene Routen durch einen der sehr kurzen Level gibt. Und so kann man gerade die ersten Levels ratzfatz abschließen und hat alle sechs Welten in zwei, drei Stunden beendet...

...allerdings nicht gemeistert: Der motivierende Teufel liegt im stetig wachsenden Anspruch an die eigene Hand-Auge-Koordination, wenn man denn möglichst viel Gold und alle Extras wie die fünf rosa Münzen etc. einsammeln will. Dann muss man sein Timing perfektionieren, jeden Level mehrfach wiederholen - was allerdings ermüdend sein kann. Immerhin wird die Spielmechanik fordernder, denn das Einfache kann in bestimmten Situationen komplexere Wirkung zeigen: Wer rechtzeitig bei einem automatischen Sprung über einen Gegner, an einer Wand oder in der Luft zum Sprung ansetzt, löst zusätzliche Manöver wie Wandsprünge, Salti, Pilzwürfe oder Rückwärtsbewegungen aus. Letztere können helfen, dass man zunächst vergessene oder unerreichte Münzen ergattert, aber werden seltsam eingeschränkt, wenn sich Mario plötzlich wieder umdreht - spätestens hier nerven die Automatismen wieder gewaltig.

Was bringen einem all die jubelnden Toads?
Das Leveldesign ist so konzipiert, dass man im Laufe der sechs Welten einige zusätzliche akrobatische Bewegungen vom Hangeln über das Turbospringen einsetzen, Schalter oder Uhren für Zeitboni treffen und von mobilen Plattformen, Gegnern & Co immer mehr ins Schwitzen gebracht wird. Am Ende einer Welt gibt es einen Bosskampf, wobei sich Bowser in den ersten Gefechten so statisch verhält, dass man ihn locker besiegt.

Was macht man mit diesen Tickets? Überflüssigen Schickschnack, damit die Endlosschleife aus Belohnungen nicht versiegt. Man bezahlt damit eine so genannte Toad-Rallye, in der man gegen Nintendo oder die Geister anderer Spieler antritt. Wenn man diesen Lauf durch bekannte Level mit mehr Münzen und "cooleren Aktionen", die quasi einen monetären Boost auslösen, gewinnt, kommen auch die während des Durchgangs jubelnden Toads mit nach Hause ins Hauptmenü. Das wiederum erhöht mit der Zeit den Rang des dortigen Schlosses, so dass man sein Königreich mit an die 100 Elementen gestalten kann. Für Münzen kann man Dekorationen wie Blumen, aber auch Häuser kaufen und an bestimmten Stellen platzieren - berührt man diese, kann man in Bonuslevels weitere Münzen und Tickets ergattern. Klingt nach Abwechslung, aber sowohl die Rallye selbst als auch die Häuser bieten nur extrem kurze Abschnitte, die nicht kreativ genug vom bekannten Prinzip abweichen. Da ist es schon motivierender zu sehen, ob Freunde einen bestimmten Level besser gemeistert haben.

Fazit

Viel Lärm um so ein simples Spiel: Es ist zwar politisch wegweisend, dass Super Mario Run das erste Spiel von Nintendo für iPhone & Co ist. Die Japaner werden mit dieser Öffnung für den Smartphone- und Tablet-Markt noch sehr viel Umsatz machen.  Aber der Zwang zur Online-Verbindung nervt gewaltig, man kann nur hochkant spielen und die inhaltliche Qualität ist im Kontext dieser großartigen Tradition bescheiden. Innerhalb der "Runner" hinterlässt Mario eine solide bis gute Figur: Es macht kurzfristig durchaus Spaß von links nach rechts gegen den Tod zu hüpfen, zumal das Leveldesign abwechslungsreich ist und Perfektionisten trotz der ärgerlichen Automatismen aufgrund einiger akrobatischen Kombos gefordert werden - alle anderen sind in zwei bis drei Stunden durch. Aber selten hat mich ein Spiel von Nintendo so kalt gelassen, dass ich auf Extraschichten für mehr Münzen gar keine Lust hatte. Zum einen gibt es da draußen schon zig so genannte "Runner", zumal man mit Jetpack Joyride oder Rayman Jungle Run noch mehr Spaß haben kann. Zum anderen verbinde ich mit Mario natürlich seit Jahrzehnten mehr Qualität. Wer die Jump'n Runs des Klempners kennt, egal ob auf 3DS, Wii oder Wii U, wird sich beim Tippen auf den Bildschirm wie in einem Minispiel vorkommen. Und letztlich ist das auch nicht mehr, was man nach ein paar kostenlosen Probelevels für 9,99 Euro kaufen soll - innerhalb des AppStores übrigens eine hochpreisige Ansage. Ich liebe Jump'n Runs, ich mag Mario, aber nicht in dieser beschränkten Form.

Pro

solider Runner
präzise Steuerung
viel akrobatische Abwechslung
fordernde Level für Perfektionisten
typisches Mario-Flair in der Präsentation
Online-Ranglisten mit Freunden

Kontra

unsinnige Online-Pflicht
sehr kurze Abschnitte mehrfach spielen
ärgerliche Automatismen (Rückwärtsbewegung)
nur hochkant spielbar
"Toad Rally" bringt keine Abwechslung
überflüssiger Königreich-Deko-Kram
Nintendo-Mitgliedschaft für weitere Extras wie zusätzliche Spielfiguren

Wertung

iPhone

Ich liebe Jump'n Runs, ich mag Mario, aber nicht in dieser beschränkten Form. Diese iOS-Premiere ist spielmechanisch solide, aber Online-Zwang, Automatismen sowie Umfang sorgen für Unmut.

iPad

Ich liebe Jump'n Runs, ich mag Mario, aber nicht in dieser beschränkten Form. Diese iOS-Premiere ist spielmechanisch solide, aber Online-Zwang, Automatismen sowie Umfang sorgen für Unmut.

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