Test: Shenzhen I/O (Logik & Kreativität)

von Benjamin Schmädig



Shenzhen I/O (Logik & Kreativität) von Zachtronics
Read the fucking manual!
Entwickler:
Publisher: Zachtronics
Release:
06.10.2016
06.10.2016
06.10.2016
Erhältlich: Digital (Steam)
Spielinfo Bilder Videos
Vor mir liegt ein Hefter, darin Listen elektronischer Bauteile sowie die Grundlagen einer maschinennahen Programmiersprache. Grußworte hat mir mein neuer Arbeitgeber beigelegt, Papiere zum Beantragen der Einreise ins chinesische Shenzhen sowie Produktvorstellungen elektronischer Gadgets. Denn die herzustellen ist mein neuer Job. Also konzipiere ich Designs, indem ich Mikrocontroller mit anderen Bauteilen verbinde und programmiere. Sämtliche Grundlagen bringe ich mir mithilfe des Handbuchs selbst bei. Es gibt kein Tutorial, kein An-die-Hand-Nehmen – Shenzhen I/O macht mich auf umfassende Art zu einem beinahe realen Elektroniker, wie ein Spiel fühlt es sich kaum an. Und gerade deshalb ist es eines der besten seiner Art!

Made in China

Dabei ist Shenzhen I/O kein kompliziertes Spiel: Seine Geschichte ist flott erzählt, sein Inhalt schnell beschrieben. Es spielt in der nahen Zukunft der chinesischen Metropole Shenzhen. Als Angestellter eines Longteng genannten Unternehmens setzt man Schaltkreise aus verschiedenen Bauteilen zusammen und programmiert deren Mikrocontroller so, dass sie verschiedene Eingaben an gewünschte Ausgabegeräte weiterleiten. So entstehen Displays, die auf Knopfdruck einen Betrag addieren oder subtrahieren, sowie Module, die den Klang eingehender Musik verändern.

Land und Leute lernt man durch E-Mails kennen – erfreulich gut geschriebene von erstaunlich greifbaren Charakteren. Auch Aufträge erhält man per Elektropost, wobei man fast immer zwischen verschiedenen Projekten wählen darf. Auf dieser einfachen Benutzeroberfläche entwickelt Shenzhen I/O ein überraschend glaubwürdiges Eigenleben. Mit der
Über den E-Mail-Orden erhält man nicht nur Aufträge, sondern lernt auch Land und Leute kennen.
Per E-Mail erhält man nicht nur Aufträge, sondern lernt auch Land und Leute kennen.
Gruppendynamik eines Rollenspiels hat das natürlich nichts gemein! Weil Inhalt und Darstellung aber sinnvoll zusammenpassen, fühle ich mich stärker als Teil des Longteng-Kollektivs, als ich vor dem ersten Hochfahren des virtuellen Rechners vermutet hatte.

RTFM!

Es ist also ganz einfach: Man zieht ein Bauteil auf die Blaupause, verbindet Schalter, Ausgabegerät sowie Mikrocontroller durch Verbindungskabel und gibt den Befehl „mov p0 x1“ ein. Das transportiert den an p0 eingehenden Wert zu Ausgang x1 – I/O steht für Input/Output, also Eingang/Ausgang. Das Programmieren erinnert an TIS-100, das ebenfalls von Zachary Barth erdacht wurde und für das er eine ganz ähnliche Programmiersprache erfunden hatte.

Aber natürlich reicht hier wie da das Verschieben von Werten selten aus. Sie müssen umgewandelt werden, dürfen ausschließlich unter bestimmten Bedingungen verarbeitet werden, oft sollen verschiedene Signale unterschiedliche Funktionen auslösen usw. Ein profaner Zähler sieht etwa so aus:
Links das Listing, rechts die praktische Anwendung.
Links das Listing, rechts die praktische Anwendung.

tgt p0 0
+ add 1
tgt p1 0
+ sub 2
tlt acc 0
+ mov 0 acc
mov acc x1
slp 1

Schnell werden die Abhängigkeiten zahlreicher, das komplette Design komplexer. In vielen Geräten müssen mehrere Bauteile mit jeweils eigenen, voneinander abhängigen Programmierungen verknüpft werden. Und genau wie in TIS-100 ist das Handbuch dabei die wichtigste Hilfe, weil nur dort sowohl Bauteile als auch die Assembler-ähnliche, frei erfundene Programmiersprache beschrieben sind. Die Oberfläche weist zwar auf Fehler im Code hin, führt aber nicht wie ein interaktiver Lehrer außerhalb des Spiels an dessen Funktionsweise heran. Entweder druckt man sich das Handbuch also aus oder liest das stets im Hauptmenü verfügbare PDF, um sich wie ein echter Elektroniker der Materie zu nähern.

Kommentare

Sir Richfield schrieb am
Hmm, nee, komm wieder, wenn du einen mittleren, dreistelligen Betrag an "4P Wertung stinkt!" Beiträgen hast.
Vielleicht reagiert dann einer.
breakdaahncer schrieb am
nur 90? da fehlt doch sicher eine Null, dass ist doch das absolute Spielehighlight des Jahrtausends. Achwas, es ist das absolut beste Spiel aller kommenden und vergangenen Zeiten. Ein geradezu magisch minimalistisches Götterwerk. Es geht überhaupt nicht ohne dieses super, fantastische, außergewöhnlich hervorragende, perfekte, extrem vollendete, genial wahnsinnige Hammerspiel. Kauft Leute kauft es, gleich mehrfach. Zur Sicherheit, ihr werdet nicht mehr ohne es existieren wollen und können. Es ist einfach die absolute Erlösung, eine neue und die einzig wahre Religion. Es ist sooooo Müll!
PfeiltastenZocker schrieb am
GrinderFX hat geschrieben:Naja, Arbeiten ist nicht Knobeln.
Und wenn ich auf Arbeiten stehen, dann suche ich mir eine Arbeit und werde dafür bezahlt.
Das ist doch eine reine Milchmädchenrechnung. Nur weil du beide Dinge als anstregend empfindest sind sie doch nicht das Gleiche.
Bei der jobbedingten Arbeit hast du eben sehr oft nicht in sich geschlossene "Prüfungen", die dir das Gefühl geben mit jeder neuen Aufgabe etwas neues zu lernen, mit enstsprechender Schwierigkeitskurve. Der komplette Rahmen den dir ein Spiel vermitteln kann, fällt vollkommen weg und tatsächlich richtet sich dein Aufgabenfeld nach der Willkürlichkeit des Alltags.
cHL schrieb am
warum machen die sowas? ich hab mir doch erst vor vor kurzem vorgenommen bis weihnachten kein neues spiel mehr zu kaufen :/
Sir Richfield schrieb am
GrinderFX hat geschrieben:Naja, Arbeiten ist nicht Knobeln.
Wie Usul schon sagte, wat den Eenen sin Uhl, is den Annern sin Nachtigall.
Und wenn ich auf Arbeiten stehen, dann suche ich mir eine Arbeit und werde dafür bezahlt.
Wie ist denn so deine Einstellung zu Let's Play YouTubern? :) :) :)
Ansonsten weiß wohl jeder von uns, was du meinst.
Ich würde mich privat auch nicht aus Spaß hinsetzen und Dokumente zerlegen oder Dinge beschreiben.
Da mein "Programmieren" sich auf das Zusammenstümpern von VBA Zeugs beschränkt, kann ich dem Semiassembler Ansatz von Shenzen IO halt was abgewinnen. Ist für mich entfernt genug.
(UND ich hoffe damit mein logisches Denken ein wenig zu verbessern...)
Andere können sich dabei entspannen, nach acht Stunden auf dem Baggerbock drei Stunden virtuell Gabelstapler zu fahren. Sollte man auch meinen, dass denen das zu nahe ist, aber vielleicht isses anders genug, wer weiß?
(Man könnte behaupten, die versuchen auch sich fortzubilden und endlich die Bescheinigung zum Führen von Flurförderfahrzeugen erreichen zu können. ;) )
schrieb am