Landfall22.05.2017, Jan Wöbbeking

Im Test: Krieg im Miniatur-Wunderland

Oft sind es auch in VR die kleinen Dinge, die den größten Spaß bereiten - vor allem, wenn sie sich gegenseitig so effektreich zerbomben wie in Landfall. Im exklusiven Zweistick-Shooter für Oculus Rift entfesselt sich vor den eigenen Augen ein regelrechtes Explosionsgewitter - fast so, als würde man in einen futuristischen Krieg auf dem Modellbautisch eingreifen.

Besser spät als nie

Zum Release im Februar ist das Kleinod leider ziemlich untergegangen und kam auch in unserem Testbetrieb unter die Räder. Doch als ich neulich hineingeschnuppert habe, war mir auf Anhieb klar, dass unbedingt ein Nachtest her muss! So viel Spaß hatte ich schließlich schon lange nicht mehr an einem Zweistick-Shooter. Moment mal, Zweistick-Shooter? Ja, in Landfall steckt tatsächlich klassische SciFi-Action aus der Draufsicht, die an Helldivers, Cannon Fodder oder Halo: Spartan Assault erinnert. Aus mir unerfindlichen Gründen wurde der Titel zwar als Echtzeitstrategie vermarktet, in Wahrheit muss man im Gemetzel aber höchstens kleine taktische Entscheidungen treffen. Es gibt weder Einheiten zu kommandieren noch sonstige zu planende Elemente.

Nachdem die Klimakatastrophe einen Großteil der Erde überschwemmt hat, kämpfen zwei neue gegründete Fraktionen um die Ressourcen und die knapp gewordene Landmasse. Das Drumherum wirkt ähnlich kitschig wie ein Sonntagmorgencartoon aus den Achtzigern – inklusive übertrieben patriotischer Einsatzbesprechungen und Funksprüchen eines verschlagen grummelnden Bösewichts. Auch das Design des futuristischen Kriegsgeräts sieht auf den ersten Blick etwas generisch aus.

Fast wie im Miniatur-Wunderland: Statt DJ Bobo auf der Bühne steht hier allerdings Krieg auf dem Programm.
Doch sobald es aufs Schlachtfeld geht, entfaltet das Gemetzel eine erstaunliche Faszination. Wie so oft bei VR-Titeln lässt sich nur schwer vermitteln, wie cool es wirkt, wenn die vielen kleinen Soldaten, Mechs und Geschütze direkt vor der eigenen Nase zum Leben erwachen. Stellt euch einfach vor, euer Vater hätte in eurer Jugend eine große Modellbaulandschaft im Keller aufgebaut, auf der plötzlich Dutzende Figürchen zum Leben erwachen.

Mit dem linken Stick des Gamepads steuert man einen der Minikrieger über das Schlachtfeld und durch kleine Schluchten, während der rechte Stick die Schussrichtung vorgibt. Währenddessen kann man sich jederzeit umschauen, um frühzeitig zu entdecken, aus welcher Ecke gerade die gefährlichsten Mechs oder Truppen anrücken. Die Bewegungscontroller Oculus Touch werden nicht wirklich unterstützt: Man kann ihre Sticks und Knöpfe lediglich als Controller-Ersatz nutzen.

Schweißtreibende Missionen

Mal gibt es von Drohnen transportierte Container zu beschützen, später müssen einige Panzer bewacht werden oder man begibt sich selbst ins Feindesland, um Sprengsätze zu platzieren. Anderswo dezimiert man einfach nur die generischen Truppenverbände, bis sie den Rückzug antreten. Auch die Armee des Spielers besitzt oft nur eine begrenzte Mannstärke: Nach einem Tod steigt man als neuer Soldat ein. Jedes Level besteht aus mehreren zusammenhängenden Missionen, bei denen man auf angrenzende Kartenbereiche vorrückt. Daher verzichtet die Regie fast komplett auf Kamerafahrten, was das Spiel sehr komfortabel und komplett übelkeitsfrei gestaltet. Stattdessen befindet sich der Spieler in jeder Mission an einem statischen Punkt mit guter Übersicht, an dem sich das komplette Areal überblicken lässt. Viele liebevolle Details am Rande lassen die Bergwelt lebendig erscheinen: Am Himmel steigen Rauchschwaden und kreisende Vögelschwärme auf, es fliegen Flakgeschosse durch die Luft und am Rand des Areals entdeckt man versprengt kämpfende Einheiten.

Es hagelt - und zwar keinen Beifall: Mit einer der Spezialfähigkeiten startet man einen Luftschlag, der sich auf praktische Weise mit der Kopfbewegung steuern lätt.
Auch der Spieler darf immer wieder einen mächtigen Exo-Anzug herbeirufen, der hier „Strider“ genannt wird und wie in Titanfall von einem schwebenden Frachtschiff aus auf den Boden knallt. Je nach in der Mission verfügbarer Ausrüstung entscheidet man sich für einen von rund einem Dutzend Kombinationen aus Mech und Bodenkrieger, die beide ziemlich coole Waffen zu bieten haben. Eines der Strider-Modelle bombardiert entfernte Exoskellette mit effektreich detonierenden Granaten, ein anderes wird dank gefächertem Sprühschuss im Nahkampf nützlich.

Auch präzise Strahlenwaffen und Scharfschützengewehre gehören zum Repertoire. Je nach aktueller Klasse beschränkt man sich allerdings auf eine Waffe plus eine Spezialfähigkeit.  Manche dieser Extras erlauben es, Blasenschilde aufzubauen, kurzzeitig unsichtbar zu werden oder sich hinter feindliche Linien zu beamen, was sich vor allem beim Stibitzen von Dokumenten auszahlt. Mit einer Staubsauger-Fähigkeit werden lästige Trupps einfach zum Mech gesaugt, wo man sie genüsslich platttrampelt. Knirsch, knarsch, knirsch, und schon sind nur noch rote Flecken übrig. Praktisch, oder?

Lodernde Gemeinheiten

Die stampfende Jagd nach den kleine Männchen kann aber auch nach hinten losgehen: Die explosiven Flammenkrieger etwa hinterlassen nach der Explosion einen wild lodernden Ring of Fire, der einem in kritischen Momenten ziemlich schnell den Rest geben kann. Auch anderswo erweisen sich die Feuerteufel  als erfreulich hartnäckig. Immer wieder setzen sich einzelne Krieger von der Masse ab, um sich über Seitenpfade an den Spieler anzuschleichen. Die vorwiegend clevere KI leistet sich aber auch einige grobe Aussetzer: Lässt man seinen Strider z.B. in Feindesland stehen, wird er dort einfach in Frieden gelassen. Seltsam auch, dass kaum ein Gegner darauf aufmerksam wird, wenn man mit aktiver Tarnung den Großteil seiner Kameraden platt trampelt. Eine willkommene Abwechslung sind die Einlagen aus der Ego-Sicht: Auf einigen Flächen kann sich der Mech auf Knopfdruck in ein Geschütz umbauen, woraufhin man Gegnern oder taktischen Zielen per Kopf-Tracking erheblichen Schaden zufügt.

Für Egomanen: Ab und zu bedient man ein Geschütz aus der Ego-Sicht.
Vorher sollte man aber die direkte Umgebung von Bodentruppen „säubern“. Andernfalls wird man oft schon beim langwierigen Umbau vom Gewehrfeuer zermürbt. Auch der Granatenwurf wurde sehr schön per Kopftracking umgesetzt: Hält man den entsprechenden Knopf gedrückt, erscheint ein kleiner Bogen für die Flugbahn, den man einfach mit der Blickrichtung festlegt. Der Umfang wirkt mit rund zehn Missionen und vier bis fünf Spielstunden zwar nicht üppig, bewegt sich aber noch in einem akzeptablen Bereich. Schade, dass es kein Punkte-System mit Kombos oder weltweiten Bestenlisten gibt. Für Wiederspielwert sorgen allerdings die Multiplayer-Modi: Vor allem die kompetitiven Duelle für zwei bis vier Spieler können richtig spannend werden.

Intensive Online-Duelle

Dank der klaren Farbcodierung erkennt man auch in der niedrigen VR-Auflösung immer, welcher Soldat zu welchem Team gehört.
Während am oberen Bildrand das stilisierte VR-Headset des Gegners schwebt, fetzt man sich auf dem „Spielfeld“ in den bekannten Missionen. Diesmal übernimmt allerdings einer der Spieler die Aufgaben des Computers und beschützt z.B. die zu stehlenden Dokumente. Wer es einfacher mag, wählt einen Schauplatz, an dem man einfach nur die gegnerische Armee dezimiert. Mir haben allerdings die zielbasierten Missionen am besten gefallen. Alternativ darf man auch die Kampagne online kooperativ angehen, was sich in unserem Testmatch der letzten Mission angenehm knifflig gestaltete. Dank des eingebauten Rift-Mikrofons klappte die Verständigung währenddessen problemlos. Weniger praktisch ist natürlich, dass wir ohne vorige Absprache keine Gegner gefunden haben – was primär an der geringen Bekanntheit von Landfall liegen dürfte. Zudem ist die Menüführung etwas rudimentär geraten, da man während der langwierigen Spielersuche nichts nebenbei erledigen kann. Das wirkt gerade mit einem VR-Headset auf dem Schädel mühsam. Für ein wenig Extra-Motivation sorgt der steigende Spieler-Level, mit dessen Hilfe man einige Mechs und Ausrüstungen freischaltet.

Fazit

Landfall ist für mich die VR-Überraschung des Frühjahrs! Ich hätte nicht gedacht, dass mich der Miniatur-Krieg vor der eigenen Nase derart fesseln würde – und das sogar ganz ohne den Einsatz von Bewegungs-Controllern. Dank des fordernden Schwierigkeitsgrades entfalten sich richtig spannende, teils ausdauernde Scharmützel, bei denen der Gegner angenehm hartnäckig nachsetzt und man sich nach und nach über die Karte vorarbeitet. Die idyllische Postapokalypse wirkt nicht nur lebendig, sondern wurde auch toll auf die Erfordernisse der virtuellen Realität abgestimmt. Das freie Umsehen ist komfortabel und passt gut zu den überschaubaren Kartenabschnitten. Auch der Granatenwurf oder kleine Egosicht-Sequenzen im Geschütz funktionieren dank Kopftracking prima. Das Beste am Spiel ist aber das vielseitige Arsenal der Mech-Anzüge, die mit Granaten, fetten Energiestrahlen und Tricks wie Gefrierkanonen oder einem „Staubsauger“ loslegen. Zu bemängeln gibt es lediglich kleinere Schwachpunkte, darunter KI-Aussetzer, kitschige Zwischensequenzen, das Fehlen eines Punktesystems mit Bestenlisten oder der nicht all zu große Umfang (etwa vier bis fünf Stunden). Im Gegenzug sorgen aber die hitzigen Mehrspieler-Matches für Wiederspielwert. Rift-Besitzer und Modellbaufreunde sollten also unbedingt einen Blick riskieren! Da das Spiel von den Oculus-Studios unterstützt wurde, sind übrigens keine Umsetzungen für andere Systeme geplant.

Pro

faszinierende Immersion in der Miniaturlandschaft
sinnvoll designte Schlachtfelder
lebendige Hintergründe
aggressiv vorrückende und flankierende Gegner
abwechslungsreiche Missionen
saucoole, variantenreiche Waffensysteme
nützliche Spezialfähigkeiten
effektreiche Explosionen
spannende Multiplayer-Matches
sämtliche Missionen online kooperativ spielbar
Steuerung und Perspektiven toll auf VR abgestimmt
sehr komfortabel und ohne Übelkeit spielbar

Kontra

keine Punkte, Kombos oder Bestenlisten
gelegentliche KI-Aussetzer
kitschige Zwischensequenzen
Kampagne nur vier bis fünf Stunden kurz
Bewegungskontrolle per Touch wird nicht unterstützt

Wertung

VirtualReality

Furiose und liebevoll umgesetzte Miniatur-Action vor den eigenen Augen.

OculusRift

Furiose und liebevoll umgesetzte Miniatur-Action vor den eigenen Augen.

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