I Expect You to Die05.12.2016, Jan Wöbbeking

Im Test: "Escape the Room" in VR

Schell Games aus Pittsburg will VR-Nutzer mit dem Charme früher Agentenfilme ködern: In stilvollem Ambiente kann der Spieler auf mannigfaltige Weise den Löffel abgeben. Ob durch tödliches Gas, riesige Laserwaffen oder ausgestopfte Bären, die mit Dynamitpfeilen schießen: Stets muss man sich mit geschickten Handgriffen aus der Affäre ziehen. Das ideale Spiel für Oculus' neue Touch-Controller?

So viele Tode...

In der realen Welt erleben so genannte „Escape the room“-Spiele in letzter Zeit einen respektablen Beliebtheitsschub. Passend dazu kommt eine der ersten VR-Umsetzungen des Konzepts von einem Entwickler, der auch Attraktionen für Parks und Freizeiteinrichtungen entwickelt. Als Geheimagent muss man sich aus einer Reihe brenzliger Situationen befreien, um inmitten feindlicher Anlagen die Weltherrschaftspläne des Superschurken Dr. Zor zu durchkreuzen. So schmuggelt man sich z.B. als Fensterputzer vor die Fassade eines Labors, in dem an einer verheerenden Biowaffe gearbeitet wird. Schießt man mit der schallgedämpften Pistole die Scheibe in Stücke, wird der Raum danach natürlich standesgemäß mit sich kreuzenden Laserstrahlen vor Eindringlingen geschützt. Gut also, dass man geheime telekinetische Fähigkeiten mitbringt und mit Hilfe eines leuchtenden Strahls Objekte zu sich heran ziehen kann. Damit der Alarm deaktiviert bleibt, schnappt man sich vorher den Zerstäuber des Fensterputzers, so dass die Laserstrahlen kurzzeitig durch den Dampf sichtbar werden. Als nächstes mogelt man mit vorsichtigen Bewegungen allerhand Dokumente und Karten zu sich auf die Plattform – im Slalom durch die Lichtstrahlen.

Zeit fürs Mixen des Gegengifts.
Dabei wird deutlich, wie gut die Steuerung auf die Bewegungs-Controller Oculus Touch zugeschnitten wurde. Das ständige Greifen, Ziehen und Drehen von Hebeln und Werkzeugen geht intuitiv von der Hand. Die zwei Sensor-Kameras erfassen meist genug, um vor und neben sich mit den Armen nach Objekten zu greifen, allerlei Klappen zu öffnen, an Rädchen zu drehen und anderweitig herumzupfuschen. Komplett nach hinten muss man sich meist nicht umdrehen, also landet man dort auch nicht im toten Winkel der Sensoren. Wenn eine wichtige Karte direkt vor einem auf dem Boden liegt, kann es aber schon einmal passieren, dass die Sichtlinie unterbrochen wird und die virtuellen Handschuhe ein wenig zucken, herumspinnen oder hängen bleiben. Alternativ lässt sich der Ziel-Cursor auch per Kopftracking bewegen, während der Rest mit dem Controller der Xbox One oder der Maus gesteuert wird. Auch das klappt recht passabel, am meisten Spaß und Immersion entsteht aber mit den Touch-Controllern.

...so wenig Zeit

Immer wieder muss man mit Hilfe von geschickt versteckten Hinweisen Chemikalien brauen oder Bomben entschärfen, manchmal sogar unter dem Zeitdruck eines Countdown-Timers. Meist fliegt einem das Sammelsurium aus Handgranaten, Fallen und anderen Gemeinheiten erst einmal um die Ohren. Per Funk werden die Experimente von den süffisanten Kommentaren des Auftraggebers begleitet. Seine Sprüche lockern die Puzzles mit einsteigerfreundlichem Schwierigkeitsgrad schön auf. Auch überraschende Wendungen tragen viel dazu bei, dass die Rätsel in dem eigentlich statischen Raum (man bewegt sich nicht vom Fleck) dynamischer wirken. Immer wieder bauen sich vor den eigenen Augen neue abenteuerliche Maschinen des hinterhältigen Superhirns auf.

Vorsicht, Feuerteufel!
Ich will nicht zu viel vorwegnehmen, aber die Entwickler haben eine schöne Mischung unterschiedlicher Aufgaben gefunden, bei denen die spielerische Neugier fast immer die Spannung aufrecht hält. Hier noch ein paar Objekte aus dem Regal ziehen, dort ein wenig zündeln – und irgendwann kommt immer der rettende Einfall. Ein wenig nervig ist allerdings, dass man manche Puzzles zu Beginn eines Raums teils zehnfach wiederholen muss, weil es in den Levels keine Speicherpunkte gibt. Außerdem ist man grob geschätzt nur knapp zwei Stunden lang beschäftigt – je nach Knobelgeschick auch kürzer oder länger. Im Prinzip lassen sich die vier Levels in wenigen Minuten durchzocken. Da man meist erst eine Weile experimentiert und nach zahlreichen Toden viel wiederholen muss, nimmt der erste Anlauf aber deutlich mehr Zeit in Anspruch. Nach dem Durchspielen kann man sich lediglich noch mit der Jagd nach weltweiten Bestzeiten beschäftigen – oder man begibt sich auf die Suche nach kleinen Geheimnissen in den Kulissen, so dass eine kleine Fanfare ertönt. So kann man sich z.B. in einer Hütte des Bösewichts erst einmal einen Hut aufsetzen und standesgemäß eine Zigarre schmöken. Oder man verschüttet wertvollen Scotch über dem Kamin, um den Auftraggeber zu triezen, der nebenbei offenbar Spirituosenliebhaber ist. Auch ein kleiner Audiokommentar zu Herausforderungen bei der Entwicklung ist enthalten.

Fazit

Mein Glückwunsch an Schell Games: I Expect You To Die ist ein richtig unterhaltsames Rätselabenteuer geworden. Das „Escape the Room“-Prinzip passt mit seinen überschaubaren Arealen prima zu VR, zumal man mit den Bewegungscontrollern Oculus Touch intuitiv zwischen all den Maschinen und Fallen des gemeingefährlichen Dr. Zor herumpfuschen kann. Auch die Stimmung früher James-Bond-Filme wird sehr schön eingefangen und charmant auf die Schippe genommen. Schade nur, dass die vier kurzen Levels so schnell vorbei sind. Mit Speicherpunkten wäre die Spielzeit wahrscheinlich noch weiter geschrumpft: Da sie fehlen, strapaziert das ständige Wiederholen schon gelöster Puzzles mitunter die Nerven. Davon abgesehen bekommt man mit dem Spiel aber eine schöne und sehr vereinnahmende Knobelerfahrung, in der man die Außenwelt schnell vergisst. Ich freue mich schon auf weitere Räume und fiese Fallen im bereits angekündigten Nachfolger.

Pro

logisch auf Bewegungscontroller abgestimmte Fluchträtsel
charmante Präsentation im frühen James-Bond-Stil
sympathischer englischer Auftraggeber mit schwarzem Humor
viele manipulierbare Objekte mit netten kleine Geheimnissen
beschwingter Soundtrack
auch alternative Steuerungsmethoden funktionieren ordentlich

Kontra

mickriger Umfang mit nur vier kurzen Missionen
fehlende Speicherpunkte führen zu nervigen Wiederholungen schon gelöster Puzzles
Bedienung am unteren Rand der Areale mitunter etwas fummelig

Wertung

OculusRift

Charmante Fluchtpuzzles, die toll auf VR und die Möglichkeiten der Bewegungssteuerung zugeschnitten wurden.

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