Marvel's Guardians of the Galaxy: The Telltale Series10.11.2017, Michael Krosta

Im Test: Comic-Helden auf Rettungsmission

Die Guardians of the Galaxy haben mit der Veröffentlichung der fünften Episode „Don't Stop Believing“ jetzt ihr erstes Abenteuer unter der Regie von Telltale Games abgeschlossen. Kann sich die streitsüchtigen Chaos-Truppe rund um Star Lord, Rocket, Gamora, Drax und Groot nach dem etwas zähen Auftakt bis zum Finale noch ordentlich ins Zeug legen oder sollte man sich die episodische Rettung der Galaxis lieber sparen?

Gewohnte Telltale-Kost

Es ist so: Kann man der Telltale-Formel mit ihren interaktiven Filmen sowie Pseudo-Entscheidungsfreiheit etwas abgewinnen, kommt man auch hier auf seine Kosten, wenn man Fan der Marvel-Helden ist. Denn tatsächlich nimmt die Handlung mit den weiteren Episoden zunehmend Fahrt auf und bindet nicht nur weitere Figuren wie Mantis oder Nebula ein, sondern beleuchtet in Rückblicken auch die Vergangenheit der Protagonisten, ihre Konflikte untereinander, aber auch das Band von Freundschaft und Familie. Als Spieler sitzt man oft zwischen den Stühlen, wenn man in den vorgegebenen Dialogoptionen Partei für eine Seite ergreifen muss, doch läuft alles auf den großen Knall hinaus, dem die ebenso große Versöhnung folgen muss, wenn man die Galaxie retten will. Der Kampf gegen Thanos in der ersten Episode ist nicht mehr als ein Vorspiel, denn mit dem Auftauchen der Kree-Kommandantin Hala und ihren düsteren Plänen rund um ein mächtiges Artefakt ist die Gefahr noch längst nicht gebannt.

Es herrscht mal wieder dicke Luft!
Mehr soll an dieser Stelle aber nicht verraten werden. Es sei nur gesagt, dass die Handlung genug hergibt, um bei der Stange zu halten, auch wenn man Themen wie den Konflikt zwischen Gamora und Nebula schon ähnlich in den Filmen gesehen hat und die vielen Streitereien innerhalb der Truppe irgendwann zu redundant und nervig werden. Zeitweise hat man zudem das Gefühl, als würde die ohnehin etwas knapp bemessene Spielzeit manchmal künstlich gestreckt, während die Handlung an anderer Stelle zu flott und oberflächlich vorangetrieben wird - insbesondere in der letzten Episode.

Bei der Spielmechanik setzt Telltale erneut auf die bewährte Mischung aus Mini-Erkundung in eingeschränkten Arealen, massig Dialogoptionen mit Entscheidungen unter Zeitdruck und vielen Actionsequenzen, die häufig von Reaktionstests bestimmt werden. Mit Fähigkeiten wie den Düsen-Stiefeln oder dem Zeit-Scanner gibt es zwar ein paar besondere Elemente, doch bleibt man überwiegend der gewohnten Formel treu. Dabei kommt auch der Humor nicht zu kurz, obwohl hier die Qualität der Kinofilme trotz manch lustiger Momente nicht erreicht wird. Das gilt auch für den Soundtrack: Zwar fährt man den einen oder anderen lizenzierten Song wie Stone Cold Crazy von Queen oder Dancing in the Moonlight von King Harvest auf, doch wirkt die Auswahl in den Filmen insgesamt einen Tick „cooler“. Die Hintergrundmusik im Spiel ist dagegen kaum der Rede wert und plätschert eher unauffällig vor sich hin. Schade, dass nicht auch die Songs im Spiel enthalten sind, nach denen die fünf Episoden benannt wurden, darunter z.B. Don't Stop Believing von Journey oder More Than a Feeling von Boston. Dafür leisten die englischen Sprecher gute Arbeit. Auf eine deutsche Sprachspur wird leider verzichtet und man muss mal wieder mit den etwas holprig übersetzten Untertiteln leben.    

Eigenwilliges Figuren-Design

Mit der Kree-Kriegerin Hala ist nicht zu spaßen.
Ich hatte zunächst einige Probleme damit, mich mit dem Figurendesign anzufreunden – vor allem Peter Quill / Star-Lord weist im Spiel überhaupt keine Ähnlichkeiten zum Kinofilm-Vorbild Chris Pratt auf und auch Gamora ist mit ihren seltsamen Augenringen ähnlich gewöhnungsbedürftig wie Rocket, dessen Fell und Gesichtsanimationen zu starr wirken. Mit zunehmender Spielzeit lernt man zwar das Aussehen der Telltale-Guardians zu akzeptieren, aber eine virtuelle Versionen von Zöe Zaldana, Karen Gillan, Michael Rooker, Dave Bautista & Co hätten mir trotzdem deutlich besser gefallen – bei Game of Thrones ging es doch auch, auch wenn die Auftritte von Tyrion und Cersei Lannister, Jon Snow oder Daenerys eher unter kurzen Gastrollen verbucht werden konnten. Meist übernimmt man die Kontrolle über Star-Lord, doch zwischendurch liegen auch die Taten und Entscheidungen anderer Guardians in den Händen des Spielers.

Technisch befinden sich die Guardians etwa auf dem gleichen Niveau wie der Auftritt des Dunklen Ritters Batman unter Telltale-Regie. Für Besitzer einer Xbox One ist das sicher keine gute Nachricht, denn das bedeutet, dass man hier erneut mit den z.T. starken Problemen bei der Bildrate leben muss, die den Spielspaß spürbar mindern. Auf der PS4 läuft das Spiel durchweg runder, obwohl es auch hier vereinzelt kleine Darstellungsprobleme zu verzeichnen gibt. Seit dem Umstieg auf die neue Engine (Batman) hat man die Möglichkeit, dass Zuschauer über die Funktion Crowd Play die Entscheidungen mit beeinflussen können – so auch hier. Mehr als einen netten Bonus stellt das Feature allerdings nicht dar, das ich persönlich ohnehin immer deaktiviere.

Fazit

Ich bin froh, dass sich Guardians of the Galaxy nach dem durchschnittlichen Einstieg in den weiteren Episoden noch etwas gefangen hat. Vor allem die Abstecher in die Vergangenheit der Protagonisten waren interessant, doch auch die drohende Gefahr durch die Eternity Forge und die Kree sowie manch schwere Entscheidung haben dafür gesorgt, dass mich die Abenteuer der Truppe bis zum Finale gut unterhalten haben. Nur die zu häufigen und oft künstlich herbeigeführten Konflikte innerhalb der Guardians waren mir irgendwann etwas zu viel und wirkten zu aufgesetzt. Das Skript konzentriert sich für meinen Geschmack etwas zu stark auf den zunehmenden Zerfall der Gruppe und die spätere Wiedervereinigung. Trotz frischen Mini-Impulsen bei der Spielmechanik bleibt Telltale auch bei den Guardians of the Galaxy über weite Strecken seiner bewährten Formel treu. Da ich nicht jede Serie des Studios spiele, habe ich zwischendurch immer noch Spaß an dieser leichten Kost, zumal der durchschnittliche Soundtrack mit schönen Lizenz-Nummern aufgepeppt wird. Und auch wenn ich mit dem ungewohnten Figurendesign nicht ganz warm geworden bin, mag ich die Guardians als coole Heldentruppe, deren verschiedene Persönlichkeiten treffend eingefangen werden. Auf der Xbox One leidet die Inszenierung allerdings einmal mehr an technischen Problemen, die sich vor allem in der schwankenden Bildrate und daraus resultierenden Ruckeleinlagen äußern. Welchen Eindruck die erste Staffel hinterlässt, die in bester Marvel-Tradition mit einem Cliffhanger eine Fortsetzung in Aussicht stellt? Ich zitiere da einfach einen der Helden mit den passenden Worten: Ich bin Groot!

Pro

liebenswerte Marvel-Truppe
unterhaltsame Dialoge und Dialogoptionen
diverse Entscheidungen wirken sich (minimal) auf den Spielverlauf aus
nette Spezialmechaniken (Schwebe-Stiefel, Zeit-Scanner)
gelungene Mischung aus Actionsequenzen und Erkundung / ruhigen Momenten
gute (englische) Sprecher
passender Lizenz-Soundtrack
Crowd-Play lässt Zuschauer Einfluss nehmen
interessante Ansätze bei der Story

Kontra

gewöhnungsbedürftiges Figurendesign
kaum Rätselanspruch
kleine Areale
unvollständige Text-Lokalisierung
nur englische Sprachausgabe
Probleme mit der Bildrate (vor allem auf Xbox One)
kurze Spielzeit pro Episode

Wertung

PlayStation4

Die Telltale-Formel greift auch bei den Guardians of the Galaxy, doch an das Niveau der Kinofilme reicht das Episodenspiel trotz der unterhaltsamen Handlung und guten Inszenierung nicht heran.

XboxOne

Telltale schafft es immer noch nicht, seine Engine für den Einsatz auf der Xbox One zu optimieren. Die technischen Probleme wirken sich einmal mehr negativ auf das Spielerlebnis aus.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.