Im Test: Auf den Spuren der alten Götter
The Frostrune vom norwegischen Studio
Grimnir wurde gerade digital für neun Euro veröffentlicht. Es entführt mit handgezeichneten Kulissen in die Welt der Wikinger und altnordischen Mythologie. Man landet nach einem Sturm als Schiffbrüchige auf einer Insel und findet dort ein verlassenes Dorf. Was dort geschehen ist, gilt es in klassischer Point&Click-Manier herauszufinden.
Irgendwann im Sommer 965...
...strandet ein 13-jähriges Mädchen auf einer Insel vor der Küste Norwegens. Man untersucht in Egosicht per Mausklick das erste Treibgut und begibt sich dann ebenso weiter an Land. Das Dorf ist verlassen, aber die Menschen müssen relativ plötzlich geflohen sein. Überall finden sich Spuren einer überhasteten Flucht. Wem gehören die Banner im Dreck? Wo sind alle hin? Und schon nach ersten Erkundungen rund um die Langhäuser, wird es mysteriös: Die Runensteine und manche Opferplätze sind von dichtem Eis überdeckt, obwohl es doch Sommer ist. Schnell wird klar, dass es hier um mehr geht als einen irdischen Überfall, sondern auch um einen göttlichen Konflikt.
Man strandet als Mädchen auf einer einsamen Insel vor der Küste Norwegens.
Mit der Taufe des dänischen Königs Harald Blauzahn sowie seiner Expansion nach Norden konnte sich das Christentum zwar schon ein wenig in Skandinavien ausbreiten. Aber in dieser frühmittelalterlichen Periode beherrschten noch weitgehend die alten Götter, Sagen und Bräuche den Alltag der Menschen. Und es gelingt den norwegischen Entwicklern von Grimnir, viele Aspekte dieser Wikingerwelt authentisch abzubilden: Man findet Stickereien mit kriegerischen Motiven, geschnitzte Artefakte, aufgebockte Langboote, Hügelgräber, Opferplätze, Zitate aus der Edda und Runeninschriften, während man Gegenstände einsetzt, um neue Bereiche freizuschalten. Und das Beste für Freunde des Altnordischen: es wird stimmungsvoll in der alten Sprache gesprochen!
Altnordische Sprache, Mythen & Gebräuche
Warum sind so viele Plätze vereist, obwohl es doch Sommer ist?
Der Rätselanspruch ist nicht besonders hoch, zumal man Gegenstände nicht näher als 3D-Objekte untersuchen kann und es keine komplexen Kombinationen gibt: Man schneidet mit dem Messer ein Seil durch, man zieht mit der Schmiedezange einen Ziegel aus einer blockierten Tür oder setzt gefundene Schlüssel ein. Der Anspruch steigt lediglich ein wenig an, wenn man z.B. Schließmechanismen oder Gesänge in der richtigen Reihenfolge anordnen muss. Und in diesem Zusammenhang sorgt die Anderwelt für etwas Würze: Auf Knopfdruck kann man irgendwann in die grauschwarze Welt der Toten und Landgeister wechseln, was zum einen die Story vorantreibt und zum anderen die Rätselvielfalt über wechselseitige Bezüge erhöht.
Der Rätselanspruch ist eher gering.
Es gelingt den Entwicklern über diese zweite übersinnliche Ebene eine zwielichtige bis apokalyptische Stimmung zu erzeugen, die mit den Ragnarök-Motiven der Wikingerzeit verbunden wird. Braut sich das Schicksal der Götter etwa über dieser kleinen Insel zusammen? Öffnen sich die Tore Hels und sind die Frostriesen im Anmarsch? Und was haben "eidgebundene Männer" verbrochen, dass Midgard so heimgesucht wird? In der Rolle des Mädchens verfügt man jedenfalls über das zweite Gesicht und kann auf die Hilfe einer geisterhaften Völva zurückgreifen, die einem ab und zu erscheint und Hinweise für die nächsten Schritte zuraunt.
Angesichts der inneren Monologe des Mädchens bleibt es immer angenehm logisch sowie nachvollziehbar, so dass Veteranen kaum ins Stocken geraten dürften; Einsteiger können aber optional Hinweise dazuschalten, die leider sehr direkt sind - da hätten man vielleicht erst subtiler sein können. Zwar vermisst man 3D-Objekte und mehr Bewegung in den recht statischen Gebieten, aber die Kulissen werden malerisch inszeniert, bieten handgezeichnete Motive, tolle Lichtstimmungen und kleine Animationen von flirrendem Staub bis hin zum glitzernden Wasser in der Ferne.
Fazit
The Frostrune ist ein recht einfaches, aber auch sehr gemütliches Point&Click-Adventure mit malerischen Kulissen. Es richtet sich nicht an Knobelveteranen der alten Schule, sondern vor allem an Freunde der Wikingerzeit, die stimmungsvoll etwas rätseln und einer mysteriösen Story folgen wollen. Die norwegischen Entwickler entführen trotz einiger übersinnlicher Ausflüge angenehm authentisch in die Zeit der alten Götter, Skalden und Runen. Und die geisterhafte Anderwelt sorgt immerhin für etwas mehr Anspruch über wechselseitige Bezüge sowie apokalyptisches Raunen im Kontext der Ragnarökvorstellungen. Alle Gegenstände wurden übrigens aus archäologischen Funden repliziert und das Spiel komplett auf Altnordisch vertont - allein deshalb musste ich das Geheimnis dieser Insel lüften. Die knapp drei bis vier Stunden vergingen leider wie im Flug. Für einen Nachfolger würde ich mir mehr Interaktion durch z.B. untersuchbare 3D-Gegenstände sowie kniffligere Rätsel wünschen. Schließlich haben sich die alten Wikinger auch gerne literarisch die Köpfe zerbrochen - wie u.a. die Alvíssmál mit ihren Spruchweisheiten zeigt. Bis dahin: Takk skal du ha, Grimnir.
Pro
add_circle_outline malerische Kulissen
add_circle_outline Point&Click-Gemütlichkeit alter Schule
add_circle_outline mysteriöse Story weckt Neugier
add_circle_outline viele authentische Bezüge zur Wikingerzeit
add_circle_outline stimmungsvolle altnordische Sprachausgabe
add_circle_outline deutsche Texte aktivierbar
add_circle_outline optionale Hilfen
Kontra
remove_circle_outline relativ leichte Rätsel
remove_circle_outline nur wenige Animationen
remove_circle_outline Gegenstände nicht als 3D-Objekte untersuchbar
remove_circle_outline Hinweise sind sehr direkt, keine Abstufung
Wertung