Mothergunship17.07.2018, Benjamin Schmädig

Im Test: Entfesseltes Spektakel

Was für ein Name: Mothergunship (ab 6,99€ bei kaufen)! Ich weiß nicht genau, was es ist, aber allein das hat mir den Shooter schon schmackhafter gemacht als fast alle anderen Titel. Doom zergeht ähnlich gut auf der Zunge, BioShock auch, Quake vielleicht noch. Nur reden wir hier natürlich von Schall und Rauch, denn was im Test zählte, war die Frage: Schlägt das Spiel so gut ein wie sein Name?

Aus dem Turm wird ein Schiff

Neu ist dieses Spiel, bzw. sein Prinzip, schon mal nicht. Denn zum einen ist es nicht gerade das erste Spiel, in dem Levels aus zwar vorgefertigten, aber vom Zufall aneinandergereihten Räumen bestehen sowie mit ähnlich zufälligen Gegnergruppen bestückt werden. Und zum anderen gab es vor vier Jahren schon Tower of Guns. Das kam nicht nur vom selben Entwickler; Mothergunship ist in fast jeder Weise auch eine konsequente Weiterentwicklung des geistigen Vorgängers.

So reiht man auch hier Doppel- und Dreifach-Sprünge aneinander. Man schießt mit teils abgedrehten Waffen, darunter Sägeblätter sowie gigantisch große Kanonenkugeln, wie man sie als Gegner aus den Abenteuern eines gewissen Super Mario kannte. Über knappe Dialogfetzen wird zudem eine erstaunlich spritzige Geschichte erzählt und im Gegensatz zu anderen Titeln mit prozeduraler Komponente führt hier ein roter Faden über zwar stets variierende, aber aufeinanderfolgende Levels. Die Handlung ist freilich kaum der Rede wert – aber die sich gegenseitig auf den Keks gehenden Akteure durchaus gute

Frenetische Action: Mothergunship ist ein hochexplosiver Arcade-Shooter!
Komödianten.

Regelbrecher

Das Entscheidende ist aber: Hatte Tower of Guns im Rahmen eines Rogue-ähnlichen Shooters ganz gut funktioniert, durchbricht Mothergunship diesen Rahmen regelrecht. Sagte ich, dass man u.a. mit einer riesigen Kanonenkugel schießt? Lasst es doch einfach zwei sein! Oder drei. Wie wär’s mit vier? Und einem doppelten Raketenwerfer in der anderen Hand. Mit Sägeblatt-Abwurf obendrauf.

Erwähnte ich außerdem Doppel- und Dreifachsprünge? Macht fünf Hopser draus. Ach, was: sechs, sieben, zehn, zwölf, fünfzehn! Und die werdet ihr auch brauchen, während feindliche Kanonenrohre nicht nur vielleicht drei Mario-Geschosse in eure Richtung schmeißen, sondern etliche Dutzend. Bildschirmfüllend rasen die schwarzen Dinger aus allen Richtungen auf euch zu. Entweder wisst ihr dann, was ihr tut, oder ihr startet noch mal von vorn. Und eure selbst zusammengeschraubten Waffen sind dann futsch – großartig!

Grenzenlos kreativ

Mothergunship ist ein komplett entfesseltes Spektakel, das Grenzen überschreitet, weil es buchstäblich keine gibt. Man baut die Waffen ja selbst zusammen, indem man beliebig viele Rahmen und Steckverbindungen vor-, neben-, und übereinander klickt, ebenso beliebig viele Waffen in freier Kombination dort anbaut und das Ganze noch mit einmal mehr beliebig vielen Modifikationen versieht. Letztere erhöhen die Chance auf kritischen Schaden, die eigene Geschwindigkeit, die Anzahl der Geschosse, den Rückstoß oder sorgen dafür, dass beim Ausgehen der Munition sofort neue nachgeschoben wird.

Denn das muss man beachten: Jedes Geschoss kostet Munition. Die ist zwar unbegrenzt vorhanden, allerdings kostet das Nachladen eine empfindliche Menge Zeit. Wer mit einem Schuss gigantischen Schaden anrichtet, anschließend aber wehrlos umherläuft, hat es jedenfalls schwer. Nicht, dass das kein veritabler Plan wäre! Man sollte nur wissen, dass das so sein wird.

Sinnfrei? Egal!

Ich habe so viele Kombinationen ausprobiert. Klar: Zwei Arten von Granatwerfern, einer davon mit Energiekugeln, harmonieren hervorragend. Aber warum nicht mal eine Railgun mit einer schnellfeuernden Schrotflinte zusammentun? Ergibt eigentlich keinen Sinn? Haha, stimmt – egal! Oder wieso nicht die Schnellfeuerwaffen vernachlässigen, um die Feuerrate eines Mini-Raketenwerfers ins Unermessliche zu steigern und die müde herabfallenden Energiegeschosse einer anderen Waffe so modifizieren,

Nach dem Release ist vor dem Update

Wenn Mothergunship heute erscheint, soll es noch lange nicht fertiggestellt sein. Terrible Posture Games will u.a. Ranglisten sowie tägliche Herausforderungen einführen, die es zum Zeitpunkt des Tests nicht gegeben hat. Außerdem sollen Updates mit neuen Räumen, Waffen und sogar "gänzlich neuen Arten das Spiel zu spielen" folgen.

Ein großer Punkt auf der Agenda ist außerdem der verschobene Koop-Modus - immerhin soll man Mothergunship komplett zu zweit mit einem Online-Partner erleben können. Am 21. August soll der Modus nachgeschoben werden, PC-Besitzer können sich allerdings schon vorher einen Eindruck davon verschaffen: Wer im offiziellen Discord-Kanal danach fragt, soll Zugang zur aktuellen Beta-Version erhalten. dass sie am Ziel einen Feuerteppich ausbreiten. Rüstet man keine Waffe aus, kann man sogar in den Nahkampf gehen. Und natürlich gibt es auch dafür Verstärkungen.

Nach jedem Einsatz fängt das Basteln zwar von vorne an und das fand ich zunächst schade. Immerhin startet man fast jede Haupt- und Nebenmission mit unterschiedlich vielen frei wählbaren Teilen, doch den Großteil findet man in den vom Zufall bestückten Regalen ebenso zufällig platzierter Shops. Dann hat man hoffentlich genug zufällig ausgeschüttete Münzen gefunden, um gute Waffen, Rahmen und Modifikationen auch kaufen zu können. So ist man ständig am Überlegen, wie man seine Mittel am besten kombiniert – und auf Dauer ist gerade diese taktische Variation eine Stärke des Spiels. Was auch daran liegt, dass der eigentliche Shooter eine ebenso große Wohltat ist wie sein Baukasten!

Nicht einmal fliegen ist schöner

Erstens rennt und springt man nämlich ähnlich flott wie im aktuellen Doom durch teils gigantisch hohe Räume, wobei man die große Anzahl aufeinander folgender Sprünge hauptsächlich dadurch erreicht, dass man entsprechende Upgrades während einer Mission aufliest (und anschließend wieder verliert). Mitunter kann man quasi ewig schweben, da man verbrauchte Sprünge nicht nur beim Aufsetzen auf dem Boden sofort zurückerhält, sondern auch beim Berühren einer Sprungplatte. Auf die Art vereint Mothergunship frenetische Action mit luftiger Akrobatik in schwindelerregender Höhe – wer mich kennt weiß, dass ich das liebe.

Zweitens zwingt einen das Spiel nicht nur aufgrund der sehr aufdringlichen und herrlich abwechslungsreichen Gegner ständig in Bewegung zu bleiben, sondern auch weil man die von zerstörten Maschinen fallengelassenen Münzen und Erste-Hilfe-Kreuze dringend benötigt. Drittens ist Mothergunship nämlich angenehm oft eine verdammt harte Nuss!

Die Angst um das Hab und Gut

Hatte ich mich weiter oben darüber gefreut, dass man sämtliche Waffen und Modifikationen verliert, falls man das Zeitliche segnet? Genau deshalb braucht man diese Münzen. Schließlich behält man jeden im Einsatz erhaltenen Gegenstand und kann ihn auf spätere Missionen mitnehmen – dort aber eben auch verlieren. Und könnt ihr euch vorstellen, wie einem die Pumpe geht, wenn man für einen Auftrag der Kategorie Albtraum die jeweils letzten Exemplare seiner besten Waffen und Modifikationen dabeihat? Das „Albtraum“ steht ja nicht umsonst da...

Diese Spannung tut einem Roguelike, dessen Genrevetter oft von beliebiger Wiederholung gekennzeichnet sind, richtig gut. Freilich kauft man oder sammelt in Nebenmissionen einfach Nachschub, aber dass man im Handumdrehen wieder seine

Die grundlegenden Fähigkeiten entwickelt man stetig weiter - vorübergehende Boosts erhält man während der Einsätze.

Lieblingswaffe erhält, kann man dank der großen Vielfalt eigentlich getrost vergessen. Abgesehen davon muss man Risiken eingehen, um starke Beute zu erhalten; gemeint sind anspruchsvolle Einsätze sowie die Entscheidung einen Raum mit zusätzlichen Hindernissen zu betreten, anstatt durch eine normale Tür zu gehen.

Und weil man in anspruchsvollen Shootouts so um sein Hab und Gut bangt, ist sogar der scheinbar wilde Waffenbau viel mehr als ein beliebiger Spaßbaukasten. Ich kam jedenfalls ganz schnell ins Grübeln: Welche Waffen ergänzen sich am besten? Wie kombiniert man am effektivsten fünf Ballermänner mit drei Mods? Was sollte ich mit drei Münzen kaufen, wenn für mehr als zehn Taler Ausrüstung angeboten wird? Oder verzichte ich für den Moment lieber auf die angebotene Waffe, um im nächsten Raum auf mehr Münzen und ein richtig gutes Angebot zu hoffen? Risiko zahlt sich meistens aus. Man muss nur manchmal mächtig dafür schwitzen!

Fehlende Kontrolle

Gibt es an diesem fordernden Feuertanz denn überhaupt was auszusetzen? Leider ja. In der Tat gibt es ein paar Sachen, die der heißen Action nicht guttun, ganz besonders der Konsolenfassung. Da ist zum einen die Bildrate, die zwar fast

Medibots heilen ihre Kumpels. Meist solltet ihr sie deshalb zuerst ausschalten.

durchgehend die magische 60 erreicht, aber auf allen Plattformen im Angesicht sehr vieler Feinde und Geschosse schon mal deutlich abfällt. Dass PC-Spieler insgesamt einen schnelleren Bildaufbau genießen, versteht sich dabei von selbst, und das lässt den Windows-Shooter auch eine Idee besser dastehen als sein Gegenstück auf Konsole.

Dass man lediglich die Empfindlichkeit von Maus bzw. Analogstick einstellen, aber keine einzige Tastenbelegung verändern darf, ist hingegen mächtig schwach. Auf dem Gamepad fehlen zudem alternative Schemen, u.a. eins für Linkshänder. Das alles schränkt besonders die akrobatischen Bewegungen in luftiger Höhe für Gamepad-Spieler ein. Auf Konsole, und nur da, kann man nicht einmal die Invertierung umkehren - spätestens das ist ein richtig ägerliches Versäumnis. Ich war mal wieder froh mit einem Spezial-Controller zu spielen, aber das darf doch keine Systemvoraussetzung sein!

Und noch zwei Kleinigkeiten: Das Spiel könnte einem deutlicher mitteilen, wenn man Gefahr läuft bald das Zeitliche zu segnen, und Geheimtüren, die sich nur öffnen, wenn man direkt an sie herantritt, sind das Absuchen teils riesiger Räume kaum wert. Einfach, weil das keinen Spaß macht. Es gibt zwar auch anders versteckte Areale – das Entdecken von Geheimnissen gehört allerdings nicht zu den Stärken dieses Spiels.

Fazit

Dass dieses profane Feuerwerk so einschlagen würde... Ich hatte es jedenfalls kaum auf dem Plan; mir gefiel es lediglich auf Bildern und Videos – und dann zog es mich mit Hochdruck in seinen traumhaften Arcade-Rausch! Drei Dinge machen Mothergunship zu einem grandiosen Shooter: die rasante, teils akrobatische Action in luftiger Höhe, die fordernden Missionen, in denen man fast immer seine eigene Ausrüstung aufs Spiel setzt, und natürlich der famose Waffenbau. Famos, weil es etliche Schrotflinten, Laser, Raketen und mehr gibt, die man so lange beliebig zusammensteckt, wie man über die entsprechenden Teile verfügt. Dieses erfrischende „Lass mich doch machen!“ trägt spätestens dort Früchte, wo man die eigene Kreativität sinnvoll anwenden muss, um eine Herausforderung zu bestehen. Dann wird Mothergunship zur schweißtreibenden Beutejagd – deren Belohnung sich selten so verdient anfühlt wie hier! Umso bedauerlicher ist es, dass man auf Konsole abgesehen vom Regeln der Emfpfindlichkeit der Analosticks keine Möglichkeit hat die Steuerung anzupassen. Nicht einmal die wichtige Invertierung lässt sich aktivieren. Natürlich könnte dieses Fehlen mit einem kleinen Update blitzschnell behoben sein. Zum Start kostet es der unfertig erscheinenden Umsetzung allerdings den Award, weil manche Spieler ausgerechnet diesen schnellen Shooter dadurch nicht richtig unter Kontrolle haben.

Pro

extrem motivierendes Sammeln von Waffen und Modifikationen
praktisch komplette Freiheit beim Waffenbau
akrobatische Action, teils mit Doppel-, Dreifach-... Zehnfachsprung und mehr
mitunter sehr fordernde Missionen
aktuelle Ausrüstung geht bei jedem Bildschirmtod verloren
Wahl zwischen Haupt- und mehreren Nebenmissionen
weitere Spielmodi nach erstem Durchspielen
schicke Kulissen mit teils riesigen Räumen und ebenso belanglose wie unterhaltsame Story

Kontra

kein Invertieren der Steuerung und keine Tastenzuweisung auf PS4
abgesehen von Maus
und Stick-Empfindlichkeiten sowie Invertierungen keine Einstellmöglichkeiten der Steuerung (PC)
viele Geheimnisse entdeckt man fast nur durch Zufall jede Wand abzusuchen macht keinen Spaß
Bildrate gibt bei vielen Gegnern und Geschossen gelegentlich nach

Wertung

PC

Akrobatische Action, fordernde Missionen und Waffenbau der Marke Do-it-yourself machen Mothergunship zu einem erstklassigen Arcade-Shooter!

PlayStation4

Die kaum einstellbare Steuerung stört in der ansonsten nahezu ebenbürtigen Konsolenfassung. Es gibt weder alternative Schemen noch die Möglichkeit des Invertierens.

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