Full Metal Furies23.01.2018, Mathias Oertel
Full Metal Furies

Im Test: Vier Furien auf dem Schlachtfeld

Rogue Legacy, das erste kommerzielle Projekt des Indie-Teams von Cellar Door Games hat mit einem interessanten Mix verschiedener Elemente auf sich aufmerksam gemacht und konnte in unserem Test 82% einheimsen. Full Metal Furies, das neue Spiel der Kanadier, soll an diesen Erfolg anknüpfen. Ob dem vorrangig auf kooperative Action ausgelegten Titel dies gelingt und ob man vielleicht sogar Castle Crashers & Co Konkurrenz machen kann, verraten wir im Test.

Inglorious Furies

Okay: Die vier Hauptdarstellerinnen von Full Metal Furies kämpfen nicht gegen Nazis wie die Helden aus Quentin Tarantinos Inglorious Basterds. Doch bei ihrem scheinbar aussichtslosen Kampf gegen die Titanen, die eine Armee um sich geschart haben, um die Welt zu erobern, gehen Alex, Erin, Meg und Triss ebenso kompromisslos vor wie die u.a. von Brad Pitt und Eli Roth dargestellten US-Soldaten im besetzten Frankreich. Kein Feind ist ihnen zu mächtig. Kein Trupp zu groß. Was sollten sie auch befürchten? Zusammen sind die vier schlag- und schusskräftigen Damen nicht zu unterschätzen. Es gibt zwei Nahkampf-Spezialistinnen (Tank, Fighter) und zwei, die sich vornehmlich auf Fernkampf konzentrieren (Sniper, Engineer). Doch auch die ähnlich scheinenden Klassen unterscheiden sich in der Handhabung mitunter massiv. Die Fury mit dem Scharfschützengewehr z.B. hat eine deutlich höhere Reichweite und Durchschlagskraft als ihre Engineer-Kollegin. Die wiederum kann in hoher Frequenz feuern und muss auch nicht für jeden Schuss stehenbleiben, während sie anvisiert. Die Tank-Heldin hat einen Schild, der mit dem richtigen Timing nicht nur Schaden blockt, sondern den Gegner verletzen kann. Und wenn die Kämpferin erst einmal ihren Kreiselschlag ansetzt und durch die feindlichen Reihen fegt, kann sich das Blatt schnell wenden.

Egal ob Solo mit einem Zweier-Team oder mit vier Mitstreitern: Die dynamischen Kämpfe fordern Fingerfertigkeit und Koordination.
Die prinzipielle Steuerung ist jedoch bei allen gleich: Es gibt einen Standardangriff pro Figur, eine Ausweichaktion, einen Sekundärangriff sowie eine starke Attacke wie z.B. ein fliegendes MG für die Ingenieurin, das kurzzeitig eigenmächtig die Gegner unter Beschuss nimmt. Je nach Klasse kann es sein, dass man auch noch eine Nachladetaste bedienen muss. Allen gemeinsam ist jedoch, dass die sowohl das Ausweichen als auch die starke Sonderattacke mit teils empfindlichen Abkühltimern versehen sind, so dass man diese Aktionen taktisch einsetzen sollte. Umso mehr, wenn man mit einem vollen Team unterwegs ist, was sowohl on- als auch offline ermöglicht wird. Dann nämlich lassen sich vor allem mit den mächtigen Angriffen auch aussichtlos scheinende Situationen bewältigen und die Bosskämpfe am Ende jeder Mission deutlich einfacher bewältigen.

Vier Freundinnen müsst ihr sein – oder zwei

Kulisse und Gegnervielfalt bieten angenehme Abwechslung.
Doch nicht nur hier muss man zusammenarbeiten. Immer wieder trifft man in den in alle Richtungen scrollenden sowie hinsichtlich der Größe angenehm variierenden 2D-Levels und -Arenen auf Gegner, die einen farbigen Schutzschild haben. Dieser kann nur von einer bestimmten Figur durchbrochen werden – die Angriffsversuche aller anderen perlen daran ab. Damit kann sich die Dynamik schlagartig ändern. Anstatt den Fokus auf den eigentlichen Endgegner legen zu können, muss der Trupp erst einmal die Kämpferin schützen, die die einzige ist, die den Schild der unterstützenden Feinde durchbrechen kann. Dass bei manchen Bossen die Schutzfarbe im Laufe der Auseinandersetzung wechseln kann, macht die Angelegenheit nicht leichter. Mit einer variantenreichen Gegnerauswahl, bei der auch die Zusammenstellung immer wieder durcheinandergewürfelt wird und so für neue Herausforderung sucht, wird der Adrenalingspiegel konstant hochgehalten. Allerdings auch die Hektik und Unübersichtlichkeit, die sich einstellt, wenn man mit einem Komplettquartett unterwegs ist.

Für Solisten ist die Hektik zwar meist genauso hoch. Doch da man sich hier nur um zwei Figuren kümmern muss, zwischen denen man umschaltet, um z.B. auf die Schildfarben reagieren zu können, ist es für Einzelspieler einen Tick übersichtlicher. Sehr schön: Egal mit welchem Duo man unterwegs ist, hat man stets eine valide Überlebenschance. Um diese nutzen zu können, sollte man allerdings tunlichst das in Kisten, Fässern und sonstigen zerstörbaren Behältnissen versteckte Gold einsetzen, um Eigenschaften oder Fähigkeiten der Figuren im heimischen Lager aufzuwerten. Mit jedem Upgrade wird die Charakterstufe erhöht, was an bestimmten Meilensteinen zu neuen Fähigkeiten führt. Doch damit nicht genug: Man kann sich auch neue Ausrüstung erspielen und bekommt für jeden Einsatz kontiniuerlich automatische Spezialisierungspunkte, die entsprechend angesammelt für mehr Gold, Lebenspunkte oder höhere Statistikwerte sorgen. So werden selbst Niederlagen noch ein wenig versüßt, falls man es nicht mehr schaffen sollte, die Kameraden wiederzubeleben. Und das wird man häufig genug erleben. Denn entscheidet man sich nicht für den „Story“-Tweak, der die Action ein wenig leichter gestaltet (aber dafür auch weniger Gold ausschüttet), wird man immer wieder an seine Grenzen geführt. Mitunter sogar darüber hinaus, was letztlich dazu führt, dass man ab und an nur über Grind das nötige Gold für die nächste Stufe bekommen kann.

Action mit Story

Wurde eine Kameradin erledigt, haben die anderen aus dem Team die Möglichkeit zur Wiederbelebung.
Doch das ist nur ein kleiner Wermutstropfen in der mechanisch ansonsten überraschend ausgefeilten Koop-Action, bei der die verschiedenen Elemente gut ineinander greifen. Und zusätzlich zu den Story-Missionen gibt es noch einen Haufen Geheimnisse zu entdecken oder Abschnitte zu bewältigen, die einen vor angenehm abwechslungsreiche Anforderungen stellen. Mal muss man „nur“ 60 Sekunden überleben, während um die Arena herum ständig neue Geschütztürme auftauchen und das Feld mit Leuchtspurgeschossen bedecken, denen auszuweichen zu einer großen Kunst wird. Oder aber man muss Minen entschärfen (sprich: zerstören), bevor deren Timer abläuft. Man kann nie sicher sein, was auf einen wartet – ob es nun zur Hauptkampagne gehört oder nicht. Und der Humor kommt auch nicht zu kurz. Dass die Dialoge nicht vertont sind, ist allerdings schade. Denn man ist versucht, die Texteinblendungen als „Störer“ auf dem Weg zum nächsten Abschnitt oder der nächsten Mission wegzuklicken. Doch wer sich die Zeit nimmt, um die nicht beeinflussbaren Gespräche zu verfolgen, wird nicht nur über zahlreiche Anspielungen auf Filme stolpern, sondern auch mit mal feingeistigen, dann wiederum sehr direkten oder schlichtweg platten Gags.

Abgerechnet wird zum Schluss: Selbst beim Scheitern würden sich die Werte kontiniuerlich verbessern.
Wie z.B. als das Quartett über ein Wurmloch stolpert, dass sie zu einem völlig neuen Gebiet führt und Erin „Wurmloch? Wir bewegen uns durch ein Wurmloch? Also den Arsch eines Wurms?“ fragt, bevor sie über die Raum-Zeit-Tunnel aufgeklärt wird. Doch ob Humor funktioniert oder nicht, liegt ja ohnehin im Auge des Betrachters. Und das gilt bei Full Metal Furies auch für die Kulisse, die sich für mich zu uneinheitlich präsentiert. Die Hauptfiguren, die zerstörbaren Objekte sowie die meisten Effekte bestehen ähnlich wie in Enter the Gungeon aus groben 16-Bit-Pixelansammlungen. Das ist per se für mich kein Problem. Doch da die abwechslungsreichen Hintergründe deutlich höher aufgelöst sind, weitaus mehr Details bieten und auch mit Feinheiten wie Tiefenschärfe oder sich behutsam im Wind wiegender Botanik auffallen, ist die Diskrepanz zu den Protagonisten sehr hoch. Während man in den Gefechten steckt, wird das Problem durch den Fokus auf die Action minimiert, doch sobald eine Ruhephase eintritt, werde ich durch diese Unterschiede immer wieder abgelenkt. Das hatte das angesprochene Enter The Gungeon deutlich stimmiger und vor allem kohärenter gelöst.

Fazit

Auf den ersten Blick ist Full Metal Furies nicht mehr als eine weitere Koop-Action à la Castle Crashers für bis zu vier Spieler on- oder offline, von der es in den letzten Jahren ein paar gab. Nur, dass man hier mit einem Trupp rachsüchtiger Pixel-Soldatinnen unterwegs ist, um einer Horde von Titanen in der überraschend langen Kampagne den Garaus zu machen. Doch schnell wird klar, dass Cellar Door Games (Rogue Legacy) einige Ideen untergebracht hat, die die Furien aus dem Durchschnitt hervorhebt. Die Anleihen aus Action-Rollenspiel und Twinstick-Ballerei sorgen zusammen mit den abwechslungsreichen Klassen und der eingängigen Steuerung für dynamische Gefechte, bei denen auch die Taktik nicht zu kurz kommt. Auf den Grind, der manchmal nötig ist, um das nötige Gold für die nächste Charakterstufe zu erreichen, hätte man allerdings verzichten können. Auch für Solisten geeignet sorgt die spannend sowie häufig humorvoll erzählte Story zusammen mit dem typischen Aufstiegskreislauf für hohe Motivation. Für mich ist Full Metal Furies eine der ersten größeren Überraschungen des noch jungen Jahres.

Pro

vier angenehm unterschiedliche Klassen
abwechslungsreiche Gegner
zig Geheimnisse
leichte Einflüsse aus dem Action-Rollenspiel
dynamische Kämpfe mit einem Hauch Fähigkeiten-Taktik (Stichwort: Abkühlzeit)
sowohl on- als auch offline mit bis zu vier Spielern möglich
auch für Solisten geeignet (Kontrolle über zwei Figuren im Wechsel)
vielfältiger Humor
umfangreiche Kampagne
abwechslungsreiche Missionen

Kontra

gelegentlich Grind nötig
keine Sprachausgabe
Kulisse mit starker Diskrepanz zwischen Figuren/Effekten und Umgebungen
unübersichtlich (proportional zur Spieleranzahl)
keine Mischung aus On
und Offline-Spielern möglich

Wertung

PC

Spannende Koop-Action mit durchdachtem Solo-Modus, dynamisch-taktischen Gefechten sowie Einflüssen aus Action-Rollenspiel und Twinstick-Shooter.

XboxOne

Spannende Koop-Action mit durchdachtem Solo-Modus, dynamisch-taktischen Gefechten sowie Einflüssen aus Action-Rollenspiel und Twinstick-Shooter.

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