SteamWorld Dig 209.10.2017, Jan Wöbbeking

Im Test: Entspannt in die Tiefe

Entwickler Image & Form hat das ideale Reha-Programm für gestresste Cuphead-Spieler: Das Grubenabenteuer Steamworld Dig 2 (ab 4,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) verströmt von Beginn an eine derart entspannende Atmosphäre, dass man es beinahe schon als spielbares Therapeutikum anpreisen könnte. Stimmt auch der spielerische Anspruch?

Rundum relaxt

Bereits mit dem ersten Serienteil erschuf das schwedische Team eine ganz eigene Interpretation von Urahnen wie Boulder Dash, Spelunker oder Metroid. Auch Erinnerungen an den Amiga-Oldie Diggers werden wach, wenn man unter sanften Ambient-Klängen in Bergbau-Abenteuer startet. Als eine alte Handelsstadt von mysteriösen Erdbeben heimgesucht wird, liegt es an einem einzelnen Steambot und ihrer ungleichen Begleitung, die tief unter der Erde lauernden Schrecken aufzudecken: Der sanftmütige Roboter Dorothy und ihr schnippischer, sadistischer Waldgeist Fen machen sich auf die Suche nach dem Protagonisten des Vorgängers Dusty. In einer kleinen Bergarbeiterstadt erfahren sie, dass er nicht mehr von einem Trip unter die Erde nach Hause kam – also begeben sich die beiden in die gefährlichen Stollen.

Alltag unter Tage.
Unsere Leser aus dem Süden Niedersachsens dürfte die Ausgangslage bekannt vorkommen: Bereits vor langer Zeit hatten menschlichen Vorfahren hier wilden Bergbau betrieben. Dabei hatten sie auch Aufzugschächte angelegt, welche den Spieler nach ihrem Freischaufeln blitzschnell zurück an die Oberfläche bringen. Der Großteil der Stollen in der postapokalyptischen Steampunk-Welt wurde allerdings verschüttet, so dass der Pickel und der Presslufthammer des Spielers viel zu tun bekommt. Sogar ein gigantischer Schutzwall wurde einst im Erdreich errichtet, um die als gefährlich angesehenen „Schnapsis“ fernzuhalten. Außerdem wird die Gegend von mysteriösen Erdbeben heimgesucht, deren Auswirkungen der schmierige Bürgermeister lieber unter den Teppich kehren würde. Auch ein obskurer Selbstmordkult der Roboter treibt im Einzugsbereich eines benachbarten Tempels sein Unwesen.

Minimalistisch aber charmant

Solche Details der Geschichte werden leider nur kurz in Textkästchen angerissen, statt vollwertige Zeichentricksequenzen o.ä. zu bieten. Auch die Animationen der Akteure sind ziemlich simpel gehalten. Doch trotz des Minimalismus verströmen die Welt und ihre Bewohner erstaunlich viel Charme. Überall trifft man auf neurotische Figuren wie die Raketen-Lady oder humorvoll dargestellte mutierte Wesen, auf deren Charaktereigenschaften ich aus Spoilergründen noch nicht näher eingehe. Auch das mystische Design der Unterwelt hüllt den Spieler sofort in ein relaxtes Entdeckergefühl ein. Mit der Spitzhacke gräbt man sich unterschiedlich flott durch verschiedene Gesteinsschichten und hüpft über Lücken. Gelangt man mal nicht zur gewünschten Wand, hilft eine Art wassergetriebener Sprengsatzwerfer weiter. Ein Schuss mit dem explosiven „Haftpfeil“ und schon hat man eine Nische ins Massiv gesprengt, in der man weitermeißeln kann.

Den schnippischen Waldgeist Fen muss man erst einmal in Bossform besiegen, bevor er Dorothy begleitet.
Als ähnlich nützlich erweisen sich der Presslufthammer, ein Jetpack oder der Greifhaken, mit dem man flott in die Höhe oder in geheime, abgelegene Höhlen zischt. Diese Gadgets finden sich in den uralten, geheimnisvollen Schmieden, welche die Vorfahren zurückgelassen haben. Zusätzlich lassen sich Dorothys Fähigkeiten beim Schmied an der Oberfläche aufmotzen. Die kleinen Upgrades wurden so sinnvoll aufeinander abgestimmt, dass sie immer wieder zu Experimenten einladen. Bei Nichtgefallen entfernt man die zum Freischalten nötigen Rädchen einfach wieder und platziert sie in einem anderen Slot. So verliert man nach einem Tod plötzlich nicht mehr sämtliche Schätze der Tour, reduziert den Fallschaden oder vergrößert Tanks und Taschen.

Stopf dir die Taschen voll!

Als nützlich erweisen sich auch Tricks wie die automatische Schädigung attackierender Schädlinge. Als ich auf dem Weg zu einer tiefen Bergbaustation in einer glitzernden Diamantenhöhle von allerlei Killerschnecken überrascht wurde, war ich heilfroh, vorher diese Modifikation ausgerüstet zu haben. Als ich gerade in Sicherheit gesprungen war, geriet ich ungünstig ins Sichtfeld eines Käfers, der mir postwendend entgegen schnellte und mit mir ungünstig in einer schmalen Grube landete. Gut, dass nur noch zwei Hiebe mit der Axt nötig waren, um ihn niederzustrecken, denn so hatte ich noch ein halbes Energieherzchen übrig und verlor nicht das wertvolle Gold in der Tasche. Noch inspirierender sind die schön in die Unterwelt eingeflochtenen Puzzles, welche den Spieler hinter Durchgängen in kleinen Grotten erwarten. Sucht man ein wenig die Gegend ab, kommt man meist genau im richtigen Moment auf die passende Lösung.

Oooh, shiny!
Mal müssen z.B. Findlinge durch geschicktes Wegkloppen von Erdmassen auf Schalterplatten plumpsen. Manche der Felsen erreicht man allerdings nur über einen Geheimgang.  Anderswo sind Loren involviert, die sich mit einem Hieb des Pickels in die passende Richtung bugsieren lassen. Am coolsten sind aber diejenigen Rätsel, in denen man seine Geschicklichkeit beweisen und seine Zerstörungswut befriedigen kann. Nach einem Schuss oder Hieb auf explosive Sprengsätze zerbröseln ganze Blockreihen. Auf ihnen muss man mitunter über hunderte Meter hinweg im richtigen Timing springen, um den nur kurzzeitig begehbaren Untergrund zu erwischen – ein Riesenspaß!

Vorsicht, Sprengung!

Auch im gewöhnlichen Stollen macht es Laune, den besten Weg durch unterschiedlich harte Gesteinsklötze auszutüfteln, ohne unnötig viele Gegner aus ihrem Winterschlaf zu holen. Von Bosskämpfen abgesehen sind die Gefechte zwar eher simpel gestrickt, fügen sich aber schön in die Erkundung ein.  In der Regel geht es darum, die Angriffsmuster zu lernen und adäquat zu reagieren. So gesehen ähnelt das Spiel ein wenig Spelunky – wobei der Schwierigkeitsgrad hier um Welten niedriger liegt als in Mossmouths Rogue-like-Plattformer. Zu leicht wurde es mir übrigens trotzdem nicht: Wer zu unaufmerksam ist, kann schließlich schnell unter einem tödlichen Felsbrocken landen und viel von seiner momentanen Beute verlieren. Gegen Frust sorgen aber viele Speicherpunkte sowie das erwähnte Aufzugsystem. Immer wieder fallen einem neue Passagen ein, an denen man mit frisch erlangten Gadgets weiterkommen könnte, so dass sich die Welt immer weiter in alle Richtungen öffnet.

Der elektronische Soundtrack wurde von Niklas Åkerblad (Hotline Miami) beigesteuert.
Eine gute Nachricht ist auch, dass das Spiel auf allen getesteten Plattformen sauber und flüssig umgesetzt wurde. Hier spielt sich zwar alles in zwei Dimensionen ab, die 3D-Engine reichert die Welt aber mit netten räumlichen Panoramen an, z.B. in der weiten Ebene der Wüste oder in mit Pflanzen überwucherten Arealen. Trotz des Bergbauthemas gibt es also genügend Abwechslung, um keinen Tiefenkoller zu bekommen. Lediglich auf dem PC kam es einmal zu einem Soundbug, bei dem manche Geräusche stumm blieben. Im Gegensatz zur leuchtstarken Switch-Umsetzung bleibt auf dem Bildschirm der Vita die Farbgebung etwas zu dunkel, was sich im Optionsmenü leider nicht korrigieren lässt. Doch das sind Kleinigkeiten, die so wenig ins Gewicht fallen, dass sie mir nicht einmal einen Eintrag in die Liste der Kontrapunkte wert sind. Käufer der PS4-Version bekommen die Vita-Fassung übrigens gratis, einen gemeinsamen Speicherstand per Cross-Save haben sich die Entwickler aber gespart.

Fazit

Als Serien-Neuling hatte ich bereits einen gemütliches Action-Adventure unter Tage erwartet - aber dass Steamworld Dig 2 derart gut wird, hätte ich nicht gedacht! Vom charmanten Figurendesign über toll designte Rätsel bis hin zu den motivierend eingebundenen Upgrades wirkt hier alles unheimlich geschliffen, so dass dem entspannenden Graben, Rätseln und Kämpfen nichts im Wege steht. Hier wird man von Anfang an in eine mysteriöse, humorvolle und unheimlich entspannende Atmosphäre eingelullt, der man sich mit jeder weiteren Spielstunde immer schwerer entziehen kann. Vor allem mobil ist der Trip eine schöne Sache. Das Switch-Lineup ist nach Mario + Rabbids: Kingdom Battle um einen weiteren Titel reicher, bei dem man nicht jede Sekunde hochkonzentriert aufpassen muss – und die Vita bekommt ein von der Stimmung her ähnliches Gegenstück zu Metroid: Samus Returns inmitten mysteriöser Katakomben.

Pro

urige Steampunk-Minen und Tempel
toll ausbalancierte Puzzles
unheimlich entspannend
charmante Figuren, Blecheimer und "Schnapsis"
einfach gehaltene aber sympathische Hintergrundgeschichte
Upgrade-System motiviert zu Abstimmungs-Experimenten
relaxter Ambient-Soundtrack

Kontra

Geschichte hätte ruhig mehr Raum einnehmen können
Großteil der Kämpfe etwas simpel gestrickt

Wertung

Switch

Sehr geschliffenes und herrlich entspanntes Action-Adventure unter Tage.

PlayStation4

Sehr geschliffenes und herrlich entspanntes Action-Adventure unter Tage.

PC

Sehr geschliffenes und herrlich entspanntes Action-Adventure unter Tage.

PS_Vita

Sehr geschliffenes und herrlich entspanntes Action-Adventure unter Tage.

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