Im Test: Der Sandkasten auf dem Roten Planten
Vor dem Raketenstart ...
Ziel ist es, den Mars zu besiedeln - und zwar in Sandkasten-Manier. Es gibt also weder eine storygetriebene Kampagne noch Szenarien, sondern nur den weitläufigen roten Planeten. Und mit den Spielzielen ist das so eine Sache.
Bevor die Kolonisierung beginnt, muss man einige Entscheidungen treffen und sich zunächst für einen Sponsor der Marsmission entscheiden - z.B. China, USA, Europa, SpaceY oder die Kirche der neuen Arche. Die Auswahl beeinflusst Schwierigkeitsgrad, Anfangstechnologien, die Anzahl der Startraketen, Forschungsetat, Geldmittel und bringt gewisse Nachteile mit sich - z.B. höherer Treibstoffverbrauch der Raketen. Im Anschluss legt man sein Kommandeursprofil fest, was abermals Boni einbringt. Gerade der Hydro-Ingenieur ist praktisch, da sofort alle Wasservorkommen auf der Karte angezeigt werden. Zu guter Letzt wird das optionale Geheimnis gewählt, das als Missionsziel-Ersatz fungiert;
allerdings wird man weitgehend im Unklaren gelassen, was dort in etwa passiert. Bei "Sphären" darf man sich z.B. mit mysteriösen Kugeln inkl. Kälteaura herumschlagen oder trifft auf automatisierte, außerirdische Baggerschiffe. Letztendlich steckt man sich die zu erreichenden Ziele vielmehr selbst.
Nun packt man Fertigbauten, Fahrzeuge und Ressourcen in seine Startrakete und sucht sich einen Ladeplatz auf dem Mars aus. Topographie, Ressourcenlage (Metalle, Beton, Wasser) und Bedrohungen (Staubteufel, Staubstürme, Meteoriten, Kältewellen) beeinflussen den Schwierigkeitsgrad. Katastrophen können übrigens nicht abgeschaltet werden. Sie sind ein fester Bestandteil der Marseroberung.
"Leichtes Spiel" oder YouTube-Tutorials?
Vor der ersten Partie sind eine Ladung Optionen abzuarbeiten oder man entscheidet sich gleich für das "Leichte Spiel", bei dem einige Spielmechaniken außer Kraft gesetzt sind - zum Beispiel produzieren die Raketen selbst Treibstoff. Für die erste Marsbesiedlung ist solch ein "Leichtes Spiel" eine gute Idee, um das grundlegende Geschehen zu verstehen, aber generell leidet Surviving Mars (ab 6,90€ bei kaufen) trotz vieler Tutorialtexte an einem ziemlich unausgegorenen und unnötig holprigen Einstieg, da manche Elemente schlecht oder gar nicht (Gebäude-Upgrades) erklärt werden.
Eine oder mehrere geführte Tutorial-Missionen hätten wesentlich besser als das "Leichte Spiel" funktioniert, zumindest um die wichtigen Aspekte rund um Drohnenkontrolle, Lebenserhaltung, Kuppelmanagement und Co. in Kurzform zu erklären. Stattdessen haben Haemimont Games und Paradox Interactive lieber in das Sponsoring von mehrstündigen YouTube-Tutorials investiert, wo das Spiel lang und vorgestellt wird.
Drohnen schaffen die Grundlage
Nun kann die Besiedlung beginnen. Auf der in Sektoren unterteilten Übersichtskarte sucht man sich den gewünschten Landeort aus, idealerweise befinden sich dort Beton, Metall und/oder Wasser. Mit der ersten Rakete betreten noch keine Menschen den roten Planeten. Zunächst hinterlassen nur Roboter in Form von Drohnen und ferngesteuerten Fahrzeugen (Erkunder, Transporter, Drohnenkommandant) ihre Fußspuren im roten Sand. Sie sollen die Kolonisierung vorbereiten.
Diese Roboter sorgen zunächst für Energie, in dem sie Solarzellen oder Windkraftanlagen bauen, wobei Speichergebäude essentiell wichtig sind, da die Solarzellen in der Nacht keinen Strom generieren, die Anlagen jedoch Strom benötigen. Woher und wann der Wind bläst ist übrigens nur schwer auszumachen. Weiter geht es mit der Betonversorgung, der ebenso langweiligen wie unspektakulären Produktion von Sauerstoff (ein schlichtes Gebäude) und der Bereitstellung von Wasser, was je nach Landeort wirklich ein Kraftakt werden kann. Stromleitungen und Rohre für Wasser und Sauerstoff müssen gebaut werden und je länger sie sind, desto anfälliger werden die Netze für Fehlfunktionen, weswegen sich kleinere Versorgungssysteme anbieten, was bei etwaigen Katastrophen ebenfalls hilft.
Die wuseligen Drohnen transportieren die unterschiedlichen Ressourcen (jeweils in ihrem Radius), bringen sie zu den Baustellen und bauen die Gebäude, was zumeist ganz ordentlich funktioniert. Nur mit zunehmender
Ausdehnung der Siedlung schleichen sich Probleme bei den Drohnenlieferungen ein. Manchmal werden Waren zum Beispiel trotz Drohnen-Rover nicht abtransportiert.
Das erste Ziel ist es, eine Kuppel zu erreichen, in der Menschen überleben, wohnen und arbeiten können. Menschliche Kolonisten sind zwingend erforderlich, da die Drohnen keine fortgeschrittenen Waren (Maschinenbauteile, Polymere etc.) produzieren oder effektiv forschen können. Sollte es trotzdem in der Frühphase an Materialen fehlen, können weitere Rohstoffe, Drohnen oder Fertigbauten von der Erde via Rakete angefordert werden, sofern genug Geld vorhanden ist.
Die ersten Marsmenschen
Sobald die Versorgungsgrundlagen und Wohnräume, Versorgungsgebäude und Arbeitsstätten in den begrenzten Bauflächen der Kuppel geschaffen wurden, darf man Menschen einfliegen. Aufgrund des gemächlichen und entspannten Spieltempos, das sich glücklicherweise beschleunigen lässt und den Bauambitionen des Spielers, kann es (weit) über eine Stunde dauern, bis der erste Mensch seinen Fuß auf den Mars setzt. Man kann entweder irgendwelche Leute auf den Mars schicken oder entscheidet sich für ausgewählte Personen, anhand von Geschlecht, Beruf, Stärken und Schwächen. So lassen sich gezielt Ingenieure, Wissenschaftler, Mediziner, Geologen, Botaniker oder Personen ohne Spezialisierung auswählen. Geologen sorgen zum Beispiel für einen Produktionsbonus in Bergwerken, Wissenschaftlicher forschen besser als andere Personen und Ingenieure produzieren zügiger Maschinenbauteile.
Management-Chaos
Nur irgendwie ist das mit dem Management der Leute eine Krux, denn die Kolonisten suchen sich in der Regel nicht die Arbeitsposition aus, für die sich besonders gut geeignet sind.
Meine Forscher arbeiten lieber in einer Bar, Geologen kümmern sich um den hydroponischen Garten um die Pflanzen oder züchten Pilze und Ingenieure leiten die Kindertagesstätte. Bis man die einzelnen Personen manuell zu ihrem angedachten Arbeitsplatz geschickt hat, vergeht viel unnötige und umständliche Klickzeit, da sich Wohnplatz und Arbeitsort manuell zuweisen lassen - und ändert man etwas an den Arbeitszeiten bzw. dem Schichtsystem, ist gleich wieder alles durcheinander.
Irgendwie wäre es schöner, wenn sich die Marsianer selbst die passende Arbeitsstelle aussuchen könnten, zumal es keine Übersichtsliste mit allen Kolonisten, Arbeitsplatz und Beruf gibt, was das Mikromanagement zumindest erträglicher gestaltet hätte. Das hätte bei der Erfüllung der Bedürfnisse der Kolonisten und der Verbesserung ihrer Lebenssituation auch geholfen, schließlich möchte man nicht, dass die Kolonisten irgendwann durchdrehen und Chaos anrichten. Hilfreiche Statistiken (gerade bei den Personen) oder Graphen über Zeit fehlen weitgehend. Es gibt nur eine rudimentäre Übersicht über Produktion, Verbrauch und Co.
Die Komplexität steigt mit den Kolonisten
Nach dem seichten und übersichtlichen Auftakt mit den Drohnen, sofern die Wassersuche gut funktioniert hat, nimmt die gebotene Spieltiefe (Produktion, Bedürfnisse, Versorgung) mit der Ankunft der Menschen zu. Hauptsächlich liegt das daran, weil die meisten Gebäude und Gerätschaften auf dem Mars verschleißen und
regelmäßig gewartet werden müssen, wofür oft fortgeschrittene Produkte wie Polymere oder Maschinenteile erforderlich sind, für deren Produktion man zwingend Menschen braucht. Deswegen sollte man nicht zu lange warten, um die Zweibeiner einzufliegen, denn sonst muss man teuer die Sachen mit Raketen einfliegen.
Komplexer als zweistufig werden die Produktionsketten nicht. Für Maschinenteile braucht man zum Beispiel Metalle sowie menschliche Arbeitskraft und für Elektronikbauteile sind nur Edelmetalle nötig, die man alternativ als Geldquelle zur Erde zurückschicken kann. An die Komplexität von ANNO-Produktionsketten kommt Surviving Mars nicht heran, aber die Kombination aus Menschen-, Drohnen- und Raketen-Management ist gut verzahnt und stimmig. Etwas mehr Ressourcen/Rohstoffe hätten dennoch nicht geschadet.
Forschung und seichtes Ende
Sehr umfangreich ist hingegen das Technologie-Erforschungssystem, das fast 100 Technologien in sechs Bereichen umfasst, die nicht immer linear erforscht werden müssen. Durch die Forschung werden neue Gebäude (zum Beispiel zentrale Kuppelbauwerke), Verbesserungen von bestehenden Produktionsanlagen, bessere Raketen und letztendlich Wunder freigeschaltet, wie zum Beispiel das „lokale Terraforming“ in einer großen Kuppel.
Elementar wichtig ist, die Erforschung des Abbaus von tiefergelegenen Rohstoffvorkommen, denn die oberflächlichen Ressourcen sind endlich und deshalb muss die Kolonie stetes weiter expandieren. Last but not least sind da die „wissenschaftlichen Durchbrüche“, die freigeschaltet werden, wenn man mit dem Erkundungsrover über die Planetenoberfläche fährt und Anomalien scannt. Pro Partie wird man immer nur einen Teil aller möglichen Durchbrüche erhalten, was den Wiederspielwert etwas erhöht.
Wunder lösen letztendlich viele der Ressourcenbeschaffungsprobleme und damit endet hier im Prinzip die Eroberung des Roten Planeten, sofern die Mysterien gelöst sind. Mitbewerber, mit denen man sich einen wirtschaftlichen Wettkampf liefern kann, gibt es übrigens ebenso wenig wie militärische Einheiten. Mehrspieler-Partien werden nicht geboten. Auf PC ist zudem ein Karten-Editor und Mod-Unterstützung geboten.
Mars-Eroberung auf PS4 und Xbox One
Die Konsolen-Umsetzungen von Surviving Mars sind durchaus Ordnung, jedoch kann es beim Spielstart und beim Laden eines Spielstandes längere Ladezeiten geben. Die Entwickler verzichteten zudem auf die für Konsolen üblichen Radialmenüs wie z. B. bei Cities Skylines. Stattdessen gibt es horizontale Menüs mit Untermenüs (vor allem beim Gebäudebau), die sich etwas umständlicher als Radialmenüs bedienen lassen.
Fazit
Surviving Mars weiß als gemächliches und entspannendes Aufbau-Strategiespiel in einem großen roten Sandkasten durchaus zu gefallen. Es wirkt jedoch an einigen Stellen nicht zu Ende durchdacht und unfertig, was bedauernswert ist, da der grundlegende Aufbau einer autarken Kolonie auf dem Mars eine tolle Spielidee ist. Sofern man vor dem ersten Raketenstart nicht von den ganzen Optionen erschlagen wurde, darf man nach der Landung die Grundlagen für das menschliche Leben schaffen. Diese Phase mit Drohnen und Fahrzeugen ist überaus gelungen, bis auf die enttäuschend einfache Sauerstoffgewinnung und manche Transportmacken bei den Drohnen. Sobald die ersten Menschen ihre Kuppel beziehen, wird alles komplizierter, weil ihre Versorgung sichergestellt werden muss und sich viele Ressourcen nur mit menschlicher Arbeitskraft herstellen lassen - das gilt auch für Materialen, die für die Wartung der Marsanlagen nötig sind. Ressourcen, Produktion, Bedürfnisse und Lebenserhaltung sind gut verzahnt, könnten trotzdem mehr in die Tiefe gehen. Die Menschen mit ihren Stärken, Schwächen und Ticks bereichern den Aufbau enorm. Blöd ist nur, dass das Management der Kolonisten furchtbar umständlich ist und die KI-Bewohner sich oft dämlich anstellen - von der Wegfindung bis zum Ersticken. Die meisten Kolonisten machen zum Beispiel nicht den Job, den sie aufgrund ihres Berufs übernehmen sollten, was zu nervigem Mikromanagement führt, weil Übersichten und Statistiken fehlen. Ansonsten gibt es haufenweise Technologien zu erforschen, aber nach dem "Wunderbau" ist irgendwie die Luft raus. Es gibt keinen Wettbewerb mit KI-Mitspielern, keinen Mehrspieler-Modus und die Mini-Quests in Form von Geheimnissen können echte Szenarien oder eine Story-Kampagne nicht ersetzen. Dekrete zur Kolonieverwaltung, eine umfangreichere Interaktion mit der Erde und bessere Erklärungen sowie ein echtes Tutorial hätten dem Spiel gut getan und daher bleibt Surviving Mars hinter seinen Möglichkeiten und den wirklich gelungenen Ansätzen zurück.
Pro
Kontra
Wertung
PlayStation4
Der gemütliche und entspannte Aufbau einer Kolonie auf dem Mars weiß durchaus zu gefallen, leidet aber an einigen Design-Macken. Auf Konsole wäre ein Radialmenü sinnvoller gewesen.
XboxOne
Der gemütliche und entspannte Aufbau einer Kolonie auf dem Mars weiß durchaus zu gefallen, leidet aber an einigen Design-Macken. Auf Konsole wäre ein Radialmenü sinnvoller gewesen.
PC
Der gemütliche und entspannte Aufbau einer Kolonie auf dem Mars weiß durchaus zu gefallen, leidet aber an einigen Design-Macken beim Kolonie-Management und unnötigen Ungereimtheiten.
Echtgeldtransaktionen
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- Die Deluxe Edition beinhaltet optische und akustische Veränderungen und weitere Zusätze, die keinen Einfluss auf das Spielgeschehen haben. Ein Season Pass ist angekündigt worden, der zwei Erweiterungen und zwei Inhaltspakete umfassen wird. Konkreter wurden die Entwickler bisher nicht.
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