Im Tempel nichts Neues
Auch wenn Konami in den Pressemitteilungen vom "strategischen Dribbling" sowie "RealTouch+" spricht, was nach Neuheiten klingt: Es gibt wie schon letztes Jahr (!) keinerlei spielmechanische Änderung auf Knopfdruck. Richtig gelesen:
Pro Evolution Soccer 2018 steuert sich mit dem Gamepad exakt so wie der Vorgänger. Wer das komplette Training durchläuft wird also erneut ein Déjà-vu nach dem anderen erleben, denn bis auf weitere Optionen bei Standards für kurze Ecken sowie Laufanweisungen für indirekte Freistöße hat sich nichts getan - das ist für Veteranen nur noch öde Wiederholung. Und erneut muss man umständlich zig mal klicken, wenn man im freien Training die coolen Finten vom Übersteiger über Innenpreller bis zum Elastico lernen will.
Nichts Neues am Ball: Das Training dürfte für Kenner ein einziges langweiliges Déjà-vu sein.
Gäbe es denn kein Potenzial für weitere Schüsse, Flanken, Finten, Kopfbälle & Co? Oh doch! Natürlich ist das Angebot von PES in diesen Bereichen schon sehr umfassend. Aber wie wäre es mit dem manuellen Einsatz des Außenrist auch bei Zuspielen und Flanken? Wie wäre es mit aktiver einsetzbarem Körper oder manuellem Halten auch in der Verteidigung? Wie wäre es mit neuen Tempodribblings oder mit effizienteren Finten? Denn "strategisch" dribbeln wäre cool, nur ist es bloß eine Floskel. Wie wäre es mit gezielten Beinschüssen oder Kopfballaufsetzern? Auch wenn es auf Knopfdruck nichts Neues gibt, kann man trotzdem einiges Neues beobachten - nur dass es Konami selbst nicht anschaulich genug macht. Und wenn es nur subtile indirekte Auswirkungen gibt, empfehle ich für nächstes Jahr dringend kleine Videos à la NBA 2K, die auf alle Zusätze mit konkreten Spielsituationen eingehen.
Subtile Änderungen im Spielgefühl
Was sieht und spürt man also im Vergleich zum letzten Jahr? Ich bin ja noch eine negative Nebenwirkung schuldig, die eine Folge des neuen Abschirmens ist: Die Balleroberung ist deutlich kniffliger und verlangt besseres Timing. Das ist im Kern richtig, denn mir gefallen pure defensive Automatismen in Sportspielen grundsätzlich nicht, weil sie das Verteidigen entwerten. Aber manchmal fühlt man sich in der Defensive fast künstlich eingeschränkt, wenn man über Tackling oder Grätsche agiert, mit dem zweiten Mann presst oder selbst
Das neue kontextsensitive Abschirmen sowie das reduzierte Tempo tun dem Spielaufbau richtig gut - PES 2018 spielt sich hervorragend, weniger hektisch und sehr elegant.
wenn man über R1 und X auf den Gegner rennt - denn man hat das Gefühl, man kommt als Verteidiger nicht richtig in einen Spurt. Es gibt im Vergleich zu PES 2017 deutlich mehr Szenen, in denen die Stürmer einfach davonziehen, weil man sie nicht mehr so leicht stellen kann. Hier verhält sich die KI in der Innenverteidigung auch manchmal suboptimal.
Außerdem wird das direkte Anrennen dadurch entwertet, dass man so nicht sehr beweglich ist und sehr leicht umkurvt werden kann. Nicht falsch verstehen: Das ist theoretisch realistisch und richtig - außerdem sieht es toll aus, wenn der hetzende Innenverteidiger den Wendekreis eines LKW hat! Aber praktisch sind die defensiven Mechaniken einfach einen Tick zu träge, zumal das In-den-Mann-Gehen über Doppel-X meist zu Fouls führt - das ist ein Feature, das Konami wieder aufwerten sollte! Denn gerade da muss ich ja schon auf den richtigen Zeitpunkt achten und sollte öfter mit der Balleroberung belohnt werden. Was hilft? Erst wenn man in den defensiven taktischen Einstellungen das aggressive Pressing und hohen Druck forciert, und wenn man (ganz wichtig!) zusätzlich das "Gegenpressing" nach Ballverlust in den erweiterten Einstellungen aktiviert, fühlt sich das wieder an wie eine erfolgreiche Balljagd.
Diese schwierigere Verteidigung ist deshalb kein grundlegendes Problem für das immer noch sehr gute Spielgefühl, weil man in diesem PES 2017 nicht so leicht erfolgreich passen kann. Sprich: Ballverluste resultieren auch vermehrt aus Fehlpässen in der Offensive; zumal sich die Ausdauer deutlicher auszuwirken scheint und Spieler im letzten Drittel spürbarer die Kraft ausgeht.
Konami hat einige "Legenden" des BVB sowie Liverpool als spielbare Figuren integriert, darunter auch Michael Zorc, Lars Ricken, Michael Owen und Ian Rush.
Noch etwas Positives lässt sich beobachten: Dieses PES wirkt eleganter, abgestimmter und reifer in seinen Animationen - auch wenn Lippensynchronität vor dem Anpfiff definitiv nicht dazu gehört; selbst Boateng und Özil singen übrigens so kieferschief die Nationalhymne. Aber zurück zu den verbesserten Feinheiten: Dazu gehören Kleinigkeiten wie die coolen flachen Torwartabschläge, die richtig Tempo reinbringen, die natürlichen Kollisionen und Taumelbewegungen, das Ausrutschen und die körpebetontere Ballannahme. Dahinter verbirgt sich "RealTouch+", das theoretisch neben dem Fuß auch den Oberschenkel, die Brust und den Kopf bei der Annahme zeigt. Manchmal sieht das toll aus, vor allem wenn man den Ball über R3 aus der Luft antizipiert: Dann sieht man z.B. elegante Brustablagen für den Volley. Aber leider sieht man auch noch fiese Fehler in den Animationen - da nimmt ein Stürmer den Ball schonmal mit dem Rücken mit, was selbst Maradona in seinen besten Zeiten nicht fertig brachte. Auch hier gibt es noch Luft nach oben für eine Art "RealTouch++" - noch cooler wäre übrigens, wenn ich bei der Ballannahme vorher manuell festlegen könnte, ob ich es mit Bein, Brust oder Kopf versuche!