Last Day of June13.09.2017, Michael Krosta

Im Test: Kampf gegen das Schicksal

Carl und June sind das perfekte Paar, doch das Schicksal zerstört auf einen Schlag das Liebesglück der beiden. In Last Day of June (ab 17,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) von Entwickler Ovosonico setzt man mit einer emotionalen Reise in die Vergangenheit alles daran, um den beiden doch noch eine gemeinsame Zukunft zu ermöglichen. Ob sich der Aufwand lohnt? Unser Test liefert die Antwort!

Perfektes Glück weicht unsäglicher Trauer

Egal ob sie zusammen an einem Steg den idyllischen Sonnenuntergang genießen oder in ihrem gemütlichen Wohnzimmer auf den Sesseln nebeneinander sitzen: Carl und June strahlen in ihrem liebevollen Umgang miteinander eine wunderbare Harmonie aus, die auch auf den vielen Bildern heraussticht, die man bei der Erkundung der eigenen vier Wände auch genauer betrachten darf. Doch das Glück des Einstiegs währt nicht lange, denn durch eine Verkettung unglücklicher Umstände soll ein romantisches Picknick am See der letzte schöne Tag werden, den die beiden gemeinsam

Da haben sich die zwei Richtigen gefunden.
erleben. Und so bleibt der Sessel leer, die Bilder weichen kahlen Wänden und das vormals schöne Zuhause verwandelt sich in einen trostlosen Ort, in dem man nur noch in Einsamkeit und Trauer versinken kann.

Suche nach dem Ausweg

Höchste Zeit also, dem Schicksal ein Schnippchen zu schlagen und das Drama ungeschehen zu machen. Wie im Film Butterfly Effect erhält Carl, mittlerweile an einen Rollstuhl gefesselt, die Chance, durch das Betrachten von Bildern zurück in die Vergangenheit zu reisen. Und zwar genau zu jenem verhängnisvollen Tag, am dem die Tragödie ihren Lauf nahm. Dabei übernimmt man die Rollen eines spielverrückten Kindes, eines Jägers, eines älteren Herren mit Krückstock und einer guten Freundin des Paares, die gerade mit ihrem Umzug beschäftigt ist. Sie alle sind auf der einen Seite der Grund, wieso es überhaupt zu dem Unglück kommen konnte. Auf der anderen Seite sind sie aber auch der Schlüssel, um es zu verhindern. Dabei sind ihre Handlungen eng miteinander verwoben: Man kann zwar kaum mit der Umgebung und anderen Figuren interagieren, aber selbst kleine Änderungen können große Auswirkungen haben, die in diesem Fall über Leben und Tod entscheiden.

Gibt es noch Hoffnung, das Unglück wieder rückgängig zu machen?
Gleichzeitig führen die Eingriffe in die Vergangenheit zu neuen Problemen: Lässt man mit dem kleinen Jungen z.B. lieber einen Drachen steigen anstatt sich auf das gefährliche Ballspiel einzulassen, fehlt der Frau ein Befestigungsseil für ihre Umzugskartons, weil es jetzt als Halteschnur herhalten muss. Später kommen mit den beiden anderen spielbaren Figuren weitere Faktoren ins Spiel und man muss häufiger zwischen ihnen wechseln, um entweder weitere Bereiche zugänglich zu machen oder ein neues Unglück zu verhindern. Das führt leider dazu, dass man bestimmte Situationen ganz im Stil von „Und täglich grüßt das Murmeltier“ häufiger erlebt. Zusammen mit dem recht eingeschränkten Areal, das im Laufe der Zeitreisen nur minimal erweitert oder verändert wird, gestaltet sich die Rückkehr in die kleine Gemeinde zunehmend zäh und auf Dauer zu langweilig. Wobei nach etwa drei Stunden ohnehin schon der Abspann über den Bildschirm flimmert, der ganz am Ende noch mit einer berührenden Zusatzszene einen emotionalen Schlusspunkt setzt.

Mehr als nur eine Geschichte

Bis dahin erfährt man in nachgestellten Momenten nicht nur viel über den gemeinsamen Lebensweg von Carl und June, sondern bekommt durch das Aufsammeln von mehr oder weniger gut versteckten Fotos auch Einblicke in die persönlichen Geschichten der vier Menschen, die man bei den Reisen in die Vergangenheit kontrolliert. Sie bilden einen gelungenen Rahmen um das große Ganze und fügen sich dadurch klasse in die emotionale Aura ein, die das gesamte Spiel umgibt.

Kein großer Anspruch

Sonderlich anspruchsvoll geht es hier trotz der mitunter etwas komplexeren Konstellation der Figuren sowie dem Prinzip von Ursache und Wirkung nicht unbedingt zu. Wenn negativ behaftete Handlungen in einem neuen Zeitstrahl aber plötzlich positive Folgen haben sollen, tut man sich zunächst entsprechend schwer, sie erneut auszuführen. Die meisten Probleme hat man aber eigentlich nur dann, wenn man mangels eines Hinweis-Systems plan- und ziellos durch die Gegend rennt, weil man zunächst keinen Schimmer davon hat, was genau man jetzt eigentlich machen soll. Diese Momente sind zwar selten, weil man nur an wenigen Stellen mit anderen Figuren oder der Umgebung interagieren kann. Trotzdem können solche Irrläufe an den Nerven zerren, obwohl man sich an dem traumhaften Artdesign auch bei wiederholten Besuchen des Dörfchens kaum satt sehen möchte. Schon die Figuren sehen mit ihren übergroßen Schädeln trotz fehlender Augen in den ausgeprägten Höhlen

Durch das Betrachten von Bildern kehrt Carl in die Vergangenheit zurück und kann sie verändern.
extrem putzig aus und sind toll animiert.

Sie fügen sich damit super in die wunderschöne Kulisse ein, die fast wie ein lebendiges Gemälde wirkt. Dabei fängt vor allem die stimmungsvolle Beleuchtung mit ihrem bewussten Einsatz von warmen und kalten Farbtönen die gewünschte Atmosphäre klasse ein. Eine Sprachausgabe wird nicht gebraucht, um Gefühlsregungen und die Stimmung der Figuren zu transportieren. Die mitunter etwas nervigen Laute in Kombination mit einer ausdrucksstarken Gestik reichen dafür bestens aus.

Fazit

Last Day of June ist eine wunderbare emotionale Reise. Sie lebt vor allem von den berührenden Geschichten der Figuren und wühlt mit Themen wie Liebe und Verlust nicht nur die Gefühlswelt mächtig auf, sondern erfreut auch mit einem traumhaft schönen Artdesign sowie den ruhigen Klängen von Steven Wilson Augen und Ohren. Leider wird die mitreißende Erfahrung durch häufige Wiederholungen im Spielablauf, redundante Mechaniken und relativ anspruchslose Rätsel beeinträchtigt. Von daher ist es fast schon gut, dass man die knappe Spielzeit von etwa drei bis vier Stunden nicht noch künstlich in die Länge gezogen hat. Last of June ist daher mehr eine interaktive Kurzgeschichte, die emotionale Spuren hinterlässt, aber der Spielanteil kommt leider etwas zu kurz und es gibt zu wenig Abwechslung.

Pro

berührende Geschichte(n)
hübsches Artdesign
stimmungsvolle Kulisse
ungewöhnliche Figurengestaltung
toller Soundtrack von Steven Wilson
gelungenes Ende

Kontra

zu wenig Abwechslung und viele Wiederholungen
geringer Umfang (ca. 3-4 Stunden)
keine Hinweise
relativ anspruchslose Rätsel
z.T. nervige Sprach-Soundeffekte

Wertung

PC

Eine emotionale Spielerfahrung rund um Liebe und Verlust, der es an Abwechslung und einem höheren Rätselanspruch mangelt.

PlayStation4

Eine emotionale Spielerfahrung rund um Liebe und Verlust, der es an Abwechslung und einem höheren Rätselanspruch fehlt.

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