The Inpatient26.01.2018, Michael Krosta

Im Test: Eine intensive VR-Therapie?

In Inpatient schickt uns das Team vom Supermassive Games zurück ins Blackwood Sanatorium. Dort erlebt man als Amnesie-Patient die dramatische Vorgeschichte zu den schrecklichen Ereignissen, mit denen die Teenie-Truppe im Horror-Überraschungshit Until Dawn konfrontiert wurde. Ob der erhoffte VR-Schocker für intensive Spannung sorgt oder man sich die Einweisung in die Nervenheilanstalt sparen kann, klären wir im Test.

Wer bin ich?

Hat man sich vor dem Spielstart für das Geschlecht und den Hautton entschieden, landet man auch schon in seiner ersten Therapiesitzung, in der man nicht nur Erinnerungsfetzen aufschnappt, sondern auch die Fragen des Arztes wahlweise mehr oder weniger kooperativ beantwortet. Cool: Alternativ zur einfachen Auswahl lassen sich die vorgefertigten Antwortmöglichkeiten auch per Sprachsteuerung aktivieren. Das funktioniert nicht nur erstaunlich gut und zuverlässig, sondern trägt zum Gefühl bei, dass man sich tatsächlich mit den Leuten unterhält. Schön wäre es gewesen, wenn man in manchen Situationen auch durch Gesten wie Kopfnicken oder Armbewegungen non-verbal kommunizieren könnte, doch lassen die Entwickler diese Chance leider weitestgehend ungenutzt.

Gibt es in der Klinik ein Problem mit Ungeziefer?

Wer man ist? Warum man eingewiesen wurde? Als Spieler tappt man zunächst genauso im Dunkeln wie der Amnesie-Patient, in dessen Körper man hier schlüpft. Dass man an den Rollstuhl festgeschnallt wurde, dient allerdings nicht unbedingt als eine gute Vertrauensbasis. Auch das Krankenzimmer, in  das man anschließend von einem Pfleger geschoben wird, weckt mit vergitterten Fenstern und verschlossenen Türen eher Erinnerungen an eine Gefängniszelle.

Surreale Alpträume

Da verwundert es kaum, dass man im Schlaf schnell von surrealen Alpträumen heimgesucht wird, in denen man erste Bekanntschaft mit fiesen Schockeffekten macht, die in VR und im Zusammenspiel mit der beklemmenden Klangkulisse entsprechend intensiv wirken. Zurück im Wachzustand wartet dagegen bald die erste reale Bedrohung: Nein, es ist nicht der neue Patient, der überraschenderweise ins gleiche Zimmer einquartiert wurde. Nach einem mysteriösen Zwischenfall scheint die Klinik plötzlich wie ausgestorben zu sein, denn nach dem bedrohlichen Poltern und merkwürdigen Schreien herrscht eine ungewöhnliche Stille und auch vom Personal lässt sich niemand mehr blicken. Droht den eingesperrten Patienten jetzt etwa der Hungertod?

Ein Kammerspiel

Über die Figuren erfährt man nur wenig und sie wirken nicht sonderlich interessant.

Thematisch ist der Abschnitt durchaus interessant, auch wenn er spielerisch nicht viel zu bieten hat und bis auf die Traumausflüge lediglich auf das kleine Areal des Zimmers beschränkt ist. Aber das kleine Kammerspiel fängt den verzweifelten Kampf gegen den Hunger und die zunehmende Resignation ganz gut ein. Trotzdem wird es deutlich interessanter, wenn der Zimmergenosse irgendwann verschwunden ist und die Tür nicht länger nur in den verstörenden Träumen, sondern auch in der Realität plötzlich offen steht. Aber ob der Weg durch die verlassenen Gänge der Klinik tatsächlich in die Freiheit führt? Blutverschmierte Wände und grausam entstellt Leichen lassen berechtigte Zweifel aufkommen... Die Interaktionsmöglichkeiten halten sich aber weiterhin in Grenzen: Abseits der Dialoge öffnet man im Prinzip lediglich Türen und hält die Augen nach blinkenden Hinweisen sowie Gegenständen offen, die beim näheren Betrachten Flashbacks auslösen, mit denen sich die Puzzleteile der eigenen Identität und Vorgeschichte langsam aber sicher zusammenfügen.

Welche Ziele verfolgt der Leiter der Anstalt mit seiner Therapie?

Doch das Vergnügen währt nicht lange, denn nach dem durchaus atmosphärischen Einstieg geht es ab dem Zusammentreffen mit anderen Überlebenden dramaturgisch rasant bergab. Denn zum einen wirken die Charaktere erschreckend blass und sind einem fast schon egal – das war bei Until Dawn noch anders. Zum anderen leidet auch die Spannung am kollektiven Voranschreiten und die Dialoge sowie Vorkommnisse innerhalb der Gruppe wirken ebenfalls zunehmend belanglos oder gekünstelt. Spätestens beim zweiten Durchlauf wird man außerdem feststellen, dass sich die Entscheidungen kaum auf den Handlungs- oder Spielverlauf auswirken. Selbst wenn z.B. eine Aktion das Überleben einer Figur beeinflusst, spielt es für den Ausgang und sogar die weitere Entwicklung der Geschichte keine bis kaum eine Rolle. Das ist extrem enttäuschend – vor allem, weil der Schmetterlingseffekt und dessen starke Auswirkungen erneut propagiert werden. Auch hier war Until Dawn besser, obwohl Supermassive Games schon dort zu viel versprochen habt, was die Konsequenzen von Handlungen und Entscheidungen angeht. Trotzdem können einem unter Umständen coole Situationen durch die Lappen gehen: Die Konfrontation mit einem der Monster, bei der man sich nicht bewegen darf, erlebt man z.B. nur unter bestimmten Voraussetzungen.

Männlein oder Weiblein?

Interessant ist tatsächlich die Auswahl des Geschlechts, denn spielt man als Frau, hat man in den Gesprächen teilweise völlig andere Dialogoptionen und auch einen neuen Zimmergenossen, was durchaus zu einem erneuten Durchlauf motiviert. Unabhängig von der Geschlechterwahl kommt das Ende nach zweieinhalb bis drei Stunden allerdings viel zu abrupt und wirkt trotz einer zusätzlichen Szene nach dem Abspann unbefriedigend. Vor allem angesichts des angesetzten Preises von knapp 40 Euro ist die geringe Spielzeit ein schlechter Witz, zumal sie durch das schnarchige Tempo beim Gehen auch noch künstlich gestreckt wird. In rasanten Momenten wie Fluchtsequenzen hört man lediglich den Ton und starrt unter dem Headset in eine schwarze Leere, weil man dem Spieler hektische Szenen unter dem Headset offenbar nicht zumuten will. Davon abgesehen wird das Auge allerdings mit einer sehenswerte Kulisse verwöhnt, die vor allem von der stimmungsvollen Beleuchtung und tanzenden Echtzeit-Schatten lebt. Die detaillierten Figuren mit ihrer überzeugenden Mimik sind den Entwicklern ebenfalls wieder exzellent gelungen. Im Gegensatz zu Until Dawn wirkt mittlerweile auch die Mundpartie deutlich natürlicher – ein Fortschritt, den man bereits bei Hidden Agenda bemerkt hat. Selbst beim Spielen auf der PS4 Pro muss man aber stellenweise mit auffälligen Flimmerkanten leben.

Move-Controller als Alternative           

Dank VR und der großartigen Soundkulisse entsteht teilweise eine tolle Spannung.

Nutzt man zwei Move-Controller eröffnen sich mehr Möglichkeiten hinsichtlich der Interaktionen, obwohl sie keine große Rolle spielen. So kann man u.a. Lichtschalter betätigen oder einzelne Schachfiguren auf einem Spielbrett greifen, was mit dem DualShock nicht funktioniert. Davon abgesehen ist die Steuerung mit den Bewegungs-Controllern allerdings gewöhnungsbedürftig: Mit dem linken bewegt man sich auf Knopfdruck nach vorne, während man mit dem rechten die Kamera steuert, indem man in die gewünschte Richtung zeigt und den Move-Knopf drückt. Im Gegensatz zum klassischen Controller ist es außerdem nicht möglich, einfach rückwärts zu gehen – hier hilft dann nur die 180-Grad-Drehung, die man relativ simpel initiieren kann. Insgesamt erhöht die Steuerung per Move zwar durch die separate Steuerung der beiden Arme die Immersion, ist aber insgesamt zu fummelig. Doch auch mit dem DualShock ist nicht alles perfekt: Zum einen bleibt man aufgrund der seltsamen Kollisionsabfrage teilweise hängen und zum anderen erweist sich auch das Führen der Taschenlampe mit Hilfe der Bewegungssensoren als suboptimal. Schön dagegen, dass man wieder die Wahl zwischen einer schrittweisen und freien Drehung hat, um gegebenenfalls den Magen zu schonen.

Fazit

The Inpatient fängt gut an, lässt dann spürbar nach und ist plötzlich vorbei! Zu Beginn ist man noch gespannt, genießt vor allem in den verstörenden Alptraumsequenzen die beklemmende Atmosphäre und freut sich über die ansprechende Grafik sowie gelungene Funktionen wie die optionale Sprachsteuerung. Doch im weiteren Verlauf stören trotz einer grandiosen Klangkulisse zunehmend die blassen Figuren innerhalb der mageren Story, die eingeschränkte Interaktion und das enorm langsame Spieltempo. Den Tiefpunkt markiert schließlich das abrupte und unbefriedigende Ende. Dafür verlangt Sony tatsächlich 40 Euro? Eine Unverschämtheit, denn bereits nach zwei bis zweieinhalb Stunden ist die insgesamt durchwachsene Flucht aus der Nervenheilanstalt plötzlich vorbei! Hinzu kommt, dass die Entscheidungen den Handlungsverlauf kaum beeinflussen und damit auch der Wiederspielwert entsprechend gering ausfällt. In seinen besten Momenten ist The Inpatient der Horrorhaus-Bruder der spaßigen Grusel-Achterbahn Until Dawn: Rush of Blood. Doch von diesen gibt es hier leider zu wenige. 

Pro

mitunter beklemmende Atmosphäre
großartige Klangkulisse
visuell ansprechend
optionale Sprachsteuerung
detaillierte Figurenmodelle
überwiegend gute Sprecher
Wahl des Geschlechts wirkt sich auf Dialoge und Figuren aus
ein paar gelungene Schreckmomente
optionale Move-Unterstützung
Drehung lässt sich anpassen um VR-Übelkeit zu unterbinden

Kontra

sehr geringer Umfang (Spielzeit: 2,5 bis 3 Stunden)
Entscheidungen wirken sich kaum aus
blasse Charaktere
sehr langsames Spieltempo (nicht anpassbar)
zu wenige dramatische Momente
zum Teil zähe Dialoge
mitunter fummelige Bewegungssteuerung
plötzliches Ende
unverschämt hoher Preis

Wertung

PlayStation4

Die Vorgeschichte zu Until Dawn hat ein paar gute Momente, doch der geringe Umfang, blasse Charaktere und die mageren Auswirkungen von Entscheidungen enttäuschen.

PlayStationVR

Die Vorgeschichte zu Until Dawn hat ein paar gute Momente, doch der geringe Umfang, blasse Charaktere und die mageren Auswirkungen von Entscheidungen enttäuschen.

VirtualReality

Die Vorgeschichte zu Until Dawn hat ein paar gute Momente, doch der geringe Umfang, blasse Charaktere und die mageren Auswirkungen von Entscheidungen enttäuschen.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt keine Käufe.
  • Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.
0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.