Moss28.02.2018, Jan Wöbbeking

Im Test: Märchenhaftes VR-Diorama

Auf der letzten E3 hatte Sony einen ungewöhnlich niedlichen Geheimtipp im Programm: In Moss (ab 81,95€ bei kaufen) steuert man mit dem linken Stick ein Mäuschen durch seine Märchenwelt, während man per Bewegungssteuerung Brücken und Fallen durch die Kulisse schiebt. Wir haben den exklusiven VR-Hoffnungsträger aus der Nähe angeschaut.

Mit Schwert und Trippelschritten

Seltsam, dass sich Entwickler Polyarc für eine derart kindgerechte Präsentation entschieden hat - PS4-Besitzer unter zwölf Jahren dürfen schließlich noch gar kein VR-Headset benutzen, doch auch ältere Spieler sind nicht immun gegen den Niedlichkeitsfaktor von Moss. Wir zumindest haben der kleinen Heldin Quill immer mal wieder mit dem leuchtenden Cursor über den Kopf gewuschelt - einfach weil es möglich ist und weil die kleine Maus so unheimlich niedlich animiert ist. Die Interaktion mit dem Headset-Träger hat auch einen spielerischen Nutzen: Weiß man mal nicht weiter, rudert Quill z.B. wild mit den Armen, um einen Hinweis zu geben. Zudem lässt sie sich mit bloßem Handauflegen heilen – oder besser gesagt mit der Berührung der blau leuchtenden Kugel, die man per Bewegungssteuerung durch die Kulisse schweben lässt.

Der mysteriöse maskierte Spieler bzw. "Leser" des magischen Buchs hilft Quill mit seiner blauen Cursor-Kugel, mit der sich Hindernisse, Toren oder Brücken bewegen lassen.
Move-Controller werden nicht unterstützt, stattdessen setzen die Entwickler voll und ganz auf den Dualshock-Controller. Mit dem linken Stick und einigen Knöpfen hüpft man ganz klassisch über Plattformen, schwingt das Schwert oder legt Schalter um. Gleichzeitig bewegt man mit Hilfe der Controller-Leuchte eine blau glühende Kugel durch die Luft. Mit ihr lassen sich allerlei glänzende Mechanismen in der Welt manipulieren: Mal zerrt man eine Plattform nach vorne, damit Quill eine Abgrund überqueren kann, später zieht man ganze Metallzylinder mit kleinen Treppen oder Durchgängen aus dem Boden. Viele Mechanismen müssen gleich mehrmals bewegt werden, damit die Heldin schließlich sicher ans Ziel trippeln kann. Das Prinzip erinnert ein wenig Sonys PS3-Spiel Sackboy's Prehistoric Moves.

Kleine Maus, großer Helfer

Auch die Geschichte bindet den Spieler schön in die Handlung ein. Als mystischer „Leser“ greift man wie in der Unendlichen Geschichte von außen in ein Märchenbuch ein, um Quill als auserwählte Kriegerin zu adeln. Beugt man sich am Ufer eines Sees über die Wellen, bekommt man sogar das eigene maskenhafte Spiegelbild zu Gesicht. Bei der Präsentation der Geschichte haben sich die Entwickler allerdings für eine Erzählform entschieden, die denkbar schlecht zum Medium VR passt: Immer wieder harrt man minutenlang vor den leicht animierten Seiten eines Buches aus, während die Erzählerin Einzelheiten über die Einwohner, Quills Verbündete und eine finstere Bedrohung herunterbetet. Wer möchte, kann aber immerhin schnell zum Spiel weiterblättern.

Nicht nur unterhaltsam, sondern auch haptisch ein Genuss: Wenn nicht gerade das Tracking herumspinnt, ist es ein tolles Gefühl, persönlich Zylinder zu drehen, Bahnschranken zu bewegen oder mit dem Headset in versteckte Winkel zu schauen.
Der Fokus von Moss liegt klar auf den einsteigerfreundlichen Rätseln, die auch fortgeschrittenen Spielern schöne Aha-Momente bescheren. Zunächst hüpft und hantiert man nur direkt vor den eigenen Augen herum; später wechselt man auch mal zwischen verbundenen Grotten oder Tempeln, um versteckte Teile großer Maschinen aufzuspüren. Einer der größten Motivationsfaktoren ist die beeindruckende Kulisse: Schon auf dem Social-Screen (also dem Fernsehbild) sehen die verwunschenen Wälder, Schlösschen und Tempel richtig hübsch aus, doch unterm Headset fühlt man sich wie in einem geräumigen Diorama mit vielen feinen Details und hochaufgelösten Texturen. Manchmal muss man sich sogar zur Seite zu lehnen oder aufzustehen, um einen besseren Blick auf versteckte Gänge zu erlangen. Empfindliche Spieler brauchen sich dank der festen Perspektive nicht um Übelkeit zu sorgen: Das komplette Spiel bleibt sehr komfortabel und entspannend.

Erstaunlich scharf und sauber

Vorbildlich ist auch die technische Umsetzung mit der Unreal Engine 4: Auf beiden PlayStation-4-Modellen wirkt die Kulisse erstaunlich scharf und beinahe frei von Alias-Treppchen oder anderen VR-typischen Schwächen. Auf der PS4 Pro wirkt das Gesamtbild noch einen Deut sauberer und die Farben ein Bisschen kräftiger, doch auch auf der Standard-Konsole wird man technisch verwöhnt. Nicht ganz so gelungen gelungen wirken die gelegentlich eingestreuten Kämpfe gegen Metallkäfer und andere aggressive Wesen. Ihre Angriffsroutinen sind schnell durchschaut, so dass man die Gefechte gegen größere Grüppchen in Arenen irgendwann nur noch lustlos abarbeitet. Zudem wirkt Quills Schlagrepertoire mit nur einer Kombo ziemlich eingeschränkt. Schade auch, dass es fast keine größeren Bosskämpfe gibt.

Gut gefallen hat uns allerdings, wie die herumwuselnden Käfer in die Rätsel einbezogen werden. Per Bewegungssteuerung und rechtem Stick kann man sie betäuben, an bestimmte Orte führen und sogar ihre Projektile einsetzen, um Schalter umzulegen. Oder man entführt einen der Metallkrabbler mit dem leuchtenden Cursor in eine andere Ecke des Raums und ballert wie in einem Zweistick-Shooter auf andere Feinde. Hat man sich erst einmal gründlich per Kopftracking umgeschaut, entdeckt man meist schnell die passenden Wege, so dass man die Biester nur noch zu den passenden Maschinen führen muss. Manchmal funkt dabei allerdings das zickige Tracking der PS4-Kamera dazwischen.

Ein kurzes Abenteuer

Auf in den Kampf!
Die arme Quill ist einige Male im Kugelhagel verendet, weil unsere Leuchtkugel plötzlich zur Seite wegdriftete. Vor allem an den Rändern des Spielbereichs spielt der blaue „Cursor“ gerne mal verrückt. Wirklich frustriert haben uns diese Macken und aber nicht, da man schnell wieder an den großzügig verteilten Speicherpunkten einsteigen darf. Ein wenig traurig war ich darüber, dass das Abenteuer schon nach knapp drei Stunden vorbei war. Der fette Boss beschert dem letzten Kapitel zwar einen würdigen Abschluss, doch das Ende der Geschichte hat mich ein wenig ratlos zurückgelassen. Insgesamt ist Moss aber eine schöne Rätselreise durch märchenhafte Dioramen, die noch viel Potenzial für einen Nachfolger besitzt.

Fazit

An realistisch animierte Menschen hat man sich im Zeitalter von Schauspiel-Capturing mittlerweile gewöhnt. Doch wenn eine Maus derart liebevoll animiert durch ihre Welt trippelt wie in Moss, sorgt das vor allem in VR für eine enorme Faszination! Heldin Quill hüpft, klettert und fuchtelt derart putzig mit dem Schwert, dass es seine echte Freude ist, sie durch ihre zauberhafte und erfreulich sauber dargestellte Märchenwelt zu lotsen. Auch spielerisch passt der Mix aus Puzzles, hüpfen und kämpfen bestens zu VR - vor allem, weil sich die Gegner so schön per Bewegungssteuerung durch die Dioramen führen lassen, um sie für eigene Zwecke zu benutzen. Ähnlich viel Potenzial besitzt die Manipulation beweglicher Plattformen und Maschinen, die allerdings häufig von Tracking-Problemen gestört wird. Auch andere Baustellen halten Moss davon ab, sein Potenzial voll zu entfalten, darunter die kurze Spielzeit von knapp drei Stunden, die schlecht für VR geeignete Präsentation der Story in Buchform oder einige simpel gestrickten Kämpfe. Unterm Strich steckt in Moss aber trotzdem ein bezauberndes und herrlich entspannendes Action-Adventure, dass dank seiner ruhigen, komfortablen Präsentation auch für VR-interessierte mit empfindlichen Mägen interessant ist.

Pro

unterhaltsame Rätsel mit vielen kleinen Aha-Effekten
zauberhafte Märchenwelt
unheimlich liebevolle, detailgetreue Animationen
Diorama-Perspektive weckt die Neugier und animiert zum Umschauen
viele urige Details in den Kulissen
sehr saubere, augenschonende Grafik
feste Perspektiven machen das Spiel auch für übelkeitsempfindliche Naturen sehr komfortabel

Kontra

manchmal unsaubere Bewegungssteuerung, vor allem in Randbereichen
Kämpfe oft zu simpel gestrickt
keine echten Zwischenbosse
Story-Sequenzen auf animierten Buchseiten ziehen sich nervig in die Länge
Potenzial wird in den knapp drei Spielstunden noch nicht genug ausgenutzt

Wertung

PlayStationVR

Moss verzaubert mit niedlichem Design und kreativen Puzzles - Feinheiten bei Kämpfen oder der Bewegungssteuerung wirken aber noch nicht ganz ausgereift.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

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  • Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.
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