Bravo Team13.03.2018, Michael Krosta

Im Test: Kein bravouröser Auftritt

Nach Until Dawn: Rush of Blood und The Inpatient schickt Supermassive Games mit Bravo Team (ab 19,61€ bei kaufen) die nächste Exklusiv-Produktion für PlayStation VR hinterher. Doch statt Grusel-Achterbahn oder dramatischer Flucht aus einer Nervenheilanstalt versucht sich das Team jetzt an einem Taktik-Shooter, bei dem auch der Aim-Controller vom Staub befreit werden darf. Erlebt man einen packenden VR-Einsatz mit intensiven Feuergefechten oder wartet eine billige Schießbude mit Platzpatronen?

Eingespieltes Duo

Die Hintergrundgeschichte ist schnell erzählt und tut auch nicht sonderlich viel zur Sache: Nachdem ein Konvoi von einer schwer bewaffneten Truppe attackiert und die Präsidentin eines fiktiven osteuropäischen Landes von den Angreifern geschnappt wird, müssen die letzten beiden Überlebenden als Bravo Team einen Ausweg aus dem Hexenkessel finden und sich gegenseitig den Rücken freihalten. Auf dem Weg über eine Brücke, durch verwinkelte Gassen, einen Marktplatz bis über die Dächer hin zum Botschaftsgelände nimmt man es entweder alleine mit KI-Unterstützung oder gemeinsam mit einem Online-Kameraden gegen die Schergen auf.

Man ist immer als Duo unterwegs. Den Partner übernimmt entweder die KI oder ein weiterer Online-Mitspieler.
Während man als Spieler-Team dank Sprach-Chat und einer Auswahl an aktivierbaren Gesten wunderbar untereinander kommunizieren kann, beschränkt sich die Interaktion mit einem KI-Mitläufer auf wenige Befehle per Tastendruck – eine Sprachsteuerung gibt es leider nicht. Allerdings leistet der künstliche Mitstreiter selbst ohne konkrete Anweisungen meist ordentliche Arbeit, auch wenn er manchmal und vor allem auf kurze Distanz etwas treffsicherer sein könnte. Hat man sich aufgeteilt, um die feindlichen Truppen zu flankieren, kann es außerdem passieren, dass er sich trotz Anweisung weigert, die Position zu wechseln oder zur Rettung zu eilen, wenn man niedergeschossen wurde – ärgerlich. Hin und wieder beobachtet man sogar Totalausfälle des Begleiters: Dann steht er nur regungslos in der Gegend, ignoriert sämtliche Anweisungen und schießt auch nicht länger auf die anrückenden Feinde. An einer Stelle ging es mir übrigens ähnlich und ich durfte meine aktuelle Position nicht mehr verlassen - warum auch immer.

Generell ist der Koop-Einsatz mit einem weiteren Mitspieler daher die erste Wahl und macht deutlich mehr Spaß als der Solo-Ausflug. Wobei Spaß bei dieser recht simpel gestrickten Ballerbude mit den gefühlt immer gleichen Gegnerwellen und Steuerungsproblemen ein relativer Begriff ist. Im Prinzip hockt man nur hinter der Deckung und dezimiert die Wellen an Klongegnern, deren ewig gleiche Routen sich genau so schnell offenbaren wie die Respawn-Punkte, an denen regelmäßig und teilweise sogar unendlich oft neues Kanonenfutter erscheint, bis man zu einem gewissen Punkt vorgerückt ist und das Areal komplett gesäubert hat. Da man sich dadurch ständig in Unterzahl befindet und sich die Angreifer zunächst häufig in einer besseren Ausgangslage befinden, ist es aber schon auf dem einfachsten der drei Schwierigkeitsgrade nicht immer leicht, sich erfolgreich gegen die Übermacht an Dummbeuteln zur Wehr zu setzen. Vor allem später, wenn neben dem Standard-Fußvolk auch Shotgun-Terroristen und Scharfschützen mitmischen, kann es zu haarigen Situationen kommen. Zumal die Gegner auf höheren Stufen teilweise selbst mehrere Kopfschüsse einstecken können. Ein realistisches Taktik-Geplänkel sollte man daher

Erst mit dem Ziel-Controller stellt sich ein ordentliches Shooter-Feeling ein.
nicht von Bravo Team erwarten, da der Spielverlauf trotz Deckungsmöglichkeiten mehr Ähnlichkeiten zu einer simplen Arcade-Ballerei aufweist.

Gemacht für den Ziel-Controller

Die grundlegende Mechanik dürfte nicht alle Spieler erfreuen und hat zudem mit allerlei Tücken zu kämpfen: Man bewegt die wahlweise männliche oder weibliche Figur nämlich nicht direkt, sondern visiert im Stil von Full Spectrum Warrior die nächste Deckung an und bestätigt anschließend den gewünschten Positionswechsel auf Knopfdruck. Dabei erweist sich sowohl die Zieloption per Kopfbewegung als auch die Alternative per Waffe als ziemlich fummelig. Doch das ist nicht das einziger Problem: Zum einen ist es ärgerlich, dass man während der automatisierten Sprints zur nächsten Stellung wehrlos ist und nicht ins Geschehen eingreifen kann. Zum anderen nerven die ständigen Wechsel zwischen Ego-Perspektive und statischer Außenkamera bei jeder Positionsveränderung. Das mag zwar einer möglichen Übelkeit vorbeugen, reißt einen aber immer wieder aus dem Geschehen und sorgt mitunter sogar für Orientierungsprobleme. Bei der Ankunft an der nächsten Deckung steht man z.B. manchmal ungewollt mit dem Rücken zu den Gegnern oder kann nicht schnell genug auf Beschuss von der Seite reagieren. In diesem Zusammenhang vermisst man auch häufig die Option, ob man sich vor oder hinter einer Barriere positionieren möchte. Alternativ zu Schusswechseln besteht bekommt man hin und wieder die Chance, Feinde mit einem unauffälligen Schleichangriff auszuschalten. Doch auch hier ist man viel zu häufig auf einen bestimmten Punkt innerhalb des Areals festgelegt und fragt sich, warum man an anderer Stelle oder bei ähnlichen Situationen keine Stealth-Attacke ausführen darf. So wirkt das alles nur wie ein halbherzig implementiertes Skript, um manchmal eine Alternative zu den Feuergefechten anbieten zu können.

Qual der Wahl?

Generell spielt die Wahl des Controllers eine entscheidende Rolle, wie gut sich die Terroristenjagd anfühlt: Genau wie bei Farpoint ist zwar das Nutzen des DualShock und dessen Bewegungssensoren grundsätzlich möglich, doch erst mit dem Ziel-Controller kommt bei den Feuergefechten zumindest im Ansatz Freude auf. Wären da nur nicht die massiven Probleme bei der Kalibrierung und beim Tracking, unter denen beide Steuerungsmethoden leiden. Dabei ist unter Umständen schnell der Punkt erreicht, bei dem das Zielen durch das Visier aufgrund der unsinnigen Positionierung der Waffe entweder gar nicht mehr funktioniert oder man sich unnatürlich verrenken muss, um die bösen Klon-Burschen überhaupt noch ins Fadenkreuz zu bekommen. Während man mit dem Sturmgewehr, der Shotgun oder Pistole zur Not noch blind feuern und zumindest Gegner in der Nähe erwischen kann, wird die mangelhafte Kalibrierung spätestens beim Einsatz des Scharfschützengewehrs zum gewaltigen Problem. Ich habe bisher selten ein VR-Spiel erlebt, bei dem die Erfassung von Waffe und Position so häufig verloren ging wie hier. Ob es vielleicht daran liegt, dass im Gegensatz zu FarPoint keine manuelle Kalibrierung beim Spielstart vorgenommen wird? Die Rekalibrierung mit Hilfe der Options-Taste trägt leider nicht zur Lösung des Problems bei und so hilft im schlimmsten Fall nur noch ein Neustart. Da Speicherpunkte rar gesät sind, muss man unter Umständen aber viele Passagen erneut meistern und kann nur beten, dass die Kalibrierung bis zum nächsten Checkpunkt halbwegs stabil bleibt. Ebenfalls unverständlich ist die Tatsache, dass man sich beim Spielen mit dem DualShock schrittweise um 360 Grad drehen darf, der Stellungswechsel mit dem Ziel-Controller aber auf eine 180-Grad-Drehung reduziert wird. Was soll diese künstliche

Die Innenstadt gehört grafisch zu den ansprechenderen Schauplätzen innerhalb der kurzen Kampagne.
Einschränkung? Gut dagegen, dass man mit einem einfachen Knopfdruck zur vorherigen Deckung zurückkehren kann, wenn es an der aktuellen Position zu brenzlig wird.

Eins, zwei, vorbei

Hinsichtlich Umfang und Inhalt bleiben ebenfalls viele Wünsche offen: Schon nach etwa drei Stunden ist der Kurz-Einsatz beendet und neben der Kampagne wird lediglich noch eine Punktejagd geboten. Dort besucht man bereits bekannte Abschnitte erneut und darf den Multiplikator mit einer Serie an guten Treffern in die Höhe treiben. Mit gerade mal vier Waffentypen fällt das Arsenal allerdings enttäuschend klein aus und man sucht vergeblich nach Splitter- oder Blendgranaten, die auch dem Spielverlauf sicher mehr Schwung verliehen hätten. Gehört das nicht eigentlich zur Standardausrüstung von Spezialeinheiten? Außerdem vermisst man eine zerstörbare Umgebung oder Objekte wie explodierende Fässer, die das Fehlen von Granaten zumindest ansatzweise ausgleichen könnten.

Immerhin macht die Kulisse trotz Flimmerkanten stellenweise etwas her. Vor allem beim Besuch der Innenstadt gibt es ein paar schicke Ecken, auch wenn die Beleuchtung generell etwas matt wirkt, die Areale oft künstlich begrenzt sind und die Wahl an alternativen Routen entsprechend niedrig ausfällt. Innerhalb von Gebäuden oder eintönig gestrickten Abschnitten fällt es manchmal schwer, ein lautes Gähnen zu unterdrücken. Zudem springen hinsichtlich der Kollisionsabfrage immer wieder Fehler ins Auge, wenn die beiden Soldaten bei gleichzeitigen Positionswechseln wie Geister durch die Körper des jeweils anderen hindurch laufen oder Überreste von Feinden durch Absperrungen oder Wände hindurch ploppen. Der Ton geht vor allem beim Spielen mit Kopfhörern überwiegend in Ordnung, auch wenn er hauptsächlich aus einfachen Schussgeräuschen besteht und weitestgehend ohne Musik auskommen muss. Die Kommentare des KI-Kameraden wirken allerdings häufig dämlich und zufällig eingestreut. Wenn es aus dem Funk „Ich bin hinter dir“ krächzt, er aber weit vor mir steht, passt das nicht unbedingt zum Geschehen, sondern reißt eher raus.

Fazit

Schon bei The Inpatient hat sich Supermassive Games nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert, konnte aber immerhin noch mit atmosphärischen Momenten punkten. Mit Bravo Team leistet sich das Team hinter VR-Highlights wie Until Dawn: Rush of Blood dagegen keinen bravourösen Auftritt, sondern eher einen Griff ins Klo: Zwar ist der Koop-Gedanke mit einer leichten Prise Taktik durchaus interessant, doch werden die gelungenen Ansätze von einer arg gewöhnungsbedürftigen Spielmechanik, langweiligen Moorhuhn-Gefechten in kleinen Arealen und vielen technischen Problemen zunichte gemacht, die sich von erschreckenden KI-Aussetzern über fummelige Positionsmarkierungen bis hin zu massiven Kalibrierungsproblemen erstrecken. Da kann man fast schon froh sein, dass die Kampagne so schnell vorbei ist. Und für dieses seichte Baller-Häppchen verlangt Sony 40 Euro? Eine Frechheit! Schlägt man sich gemeinsam mit einem Partner aus Fleisch und Blut durch, gewinnt die Terroristenjagd zwar an Reiz, aber viele der inhaltlichen und technischen Mängel bleiben weiter bestehen. In dieser enttäuschenden Form markiert Bravo Team leider den Tiefpunkt unter den bisherigen PSVR-Schießbuden!

Pro

stellenweise unterhaltsamer Koop-Modus
Areale bieten rudimentäre Flankierungsmöglichkeiten
tolles Shooter-Gefühl (mit Aim-Controller und funktionierender Kalibrierung)
optionale Schleichangriffe
Spähen an Deckung funktioniert gut
Gesten-Kommunikation möglich
meist folgsamer KI-Kamerad
stellenweise ordentliche Kulisse

Kontra

geringer Umfang
nervige Kamerawechsel bei Positionswechseln
katastrophale Controller-Kalibrierung, die ständig verloren geht
simpel gestrickte Kameraden
und Gegner-KI
spartanische Ausrüstung (z.B. keine Granaten etc.)
taktische Optionen halten sich in Grenzen
Zielmarkierungen vor allem per Kopfbewegungen oft fummelig
eingeschränkte Stellungsoptionen mit Aim-Controller
mitunter Orientierungsprobleme nach Positionswechseln
keine direkte Steuerung der Figur
mitunter massive KI-Aussetzer (kommt nicht zu Hilfe, reagiert nicht mehr)
fehlerhafte Kollisionsabfrage
z.T. unendliche Respawns von Gegnern
wenige Speicherpunkte
mitunter starke Kantenbildung

Wertung

VirtualReality

Bravo Team markiert mit seinen inhaltlichen und technischen Schwächen den bisherigen Tiefpunkt unter den PSVR-Schießbuden. Nur im Koop mit einem weiteren Mitspieler blitzt hin und wieder Potenzial auf.

PlayStationVR

Bravo Team markiert mit seinen inhaltlichen und technischen Schwächen den bisherigen Tiefpunkt unter den PSVR-Schießbuden. Nur im Koop mit einem weiteren Mitspieler blitzt hin und wieder Potenzial auf.

PlayStation4

Bravo Team markiert mit seinen inhaltlichen und technischen Schwächen den bisherigen Tiefpunkt unter den PSVR-Schießbuden. Nur im Koop mit einem weiteren Mitspieler blitzt hin und wieder Potenzial auf.

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