Shadows: Awakening10.09.2018, Mathias Oertel
Shadows: Awakening

Im Test: Ketzerische Königreiche jetzt komplett

Als Shadows: Heretic Kingdoms Ende 2014 erschien, konnte es sich als passables Action-Rollenspiel beweisen und bei uns eine Wertung von 74% einheimsen. Kurz darauf musste der damalige Publisher bitComposer Insolvenz anmelden – das eigentlich für 2015 vorgesehene „Buch 2“ wurde nicht veröffentlicht. Nachdem die Marke den Besitzer gewechselt hat und bei Kalypso ein neues Zuhause gefunden hat, kommt mit Shadows Awakening quasi eine visuell runderneuerte sowie um frische Inhalte ergänzte Fassung heraus, die zudem ihre Konsolenpremiere feiert – Zeit für einen neuen Test.

Das kenn ich doch...

Seelenverschlinger? Ein jederzeit möglicher Wechsel zwischen der echten und der Schattenwelt? Haufenweise Figuren, die man für seine Party akquirieren kann und zwischen denen man als taktisches Element jederzeit umschalten darf? Rätsel und Fallen in Dungeons? Das kommt mir alles bekannt vor. Es ist allerdings keine Überraschung, dass die Fortsetzung des Spiels Shadows: Heretic Kingdoms aus dem Jahr 2014 auf die gleichen Elemente zugreift. Doch als ich auf der Xbox One mit den ersten Aufgaben konfrontiert wurde, hatte ich mehr als nur ein Déjà-vu. Denn hier wurden nach  harmlosen Tutorial-Kämpfen in der ersten größeren Siedlung Thole Missionen aufgerufen, die mir irgendwie bekannt vorkamen: Ein Geist, der eine Herberge heimsucht? Ein Trunkenbold, der mich bittet, den Leichnam seiner Frau im Totenreich „verschwinden zu lassen“? Es kam mir so vor, als ob ich vor vier Jahren am PC  genau diese Quests schon einmal bewältigt hatte. Eine Probe mit einem alten Spielstand hatte ein positives Ergebnis zur Folge. Und zu diesem Zeitpunkt dachte ich mir „Was hat die denn geritten? Awakening als neues Spiel feilzubieten ist starker Tobak...“

Die Kulisse hat seit der Urfassung "Heretic Kingdoms" vor etwa vier Jahren auf dem PC einen Schritt nach vorn gemacht, krankt aber immer noch an fehlernder Wucht und einigen kruden Animationen.
Erst dann fiel mir ein, dass der damalige Publisher bitComposer kurz nach der Veröffentlichung insolvent die Segel streichen musste – noch bevor die eigentliche Auflösung der Shadows-Hauptgeschichte mit dem zweiten Buch fortgesetzt und abgeschlossen werden konnte. Ich hatte vollkommen vergessen, dass Kalypso sich schließlich die Rechte an Shadows schnappte und vor etwas mehr als einem Jahr einen Teaser veröffentlichte, der auf das hinwies, was jetzt als Awakening veröffentlicht wurde. Und man muss Kalypso zu Gute halten, dass unter dem Strich mehr herauskommen ist, als eine nur um das zweite Buch (seinerzeit „Age of Demons“ betitelt) ergänzte Wiederveröffentlichung. Das Team von Gamesfarm hat an allen Ecken und Enden geschraubt. Der Prolog von Shadows: Heretic Kingdoms wurde entfernt. Die Kulisse wurde komplett überarbeitet. Die Benutzerführung wurde optimiert. Und es gibt Konsolenversionen.

Leicht verfremdete Wiedererkennung

Man kann jederzeit in die Schattenwelt wechseln. Dies wird sowohl in den Kämpfen als auch bei der Lösung der cleveren Rätseln zunehmend wichtig.
Diese sind allerdings trotz kompletter sowie großteils gelungener technischer Überarbeitung der PC-Version auf One und PS4 visuell eher spröde – irgendwie haben einige Entwickler nach wie vor Probleme, die Unity-Engine passabel auf Konsolen zu bringen. Während man am Rechner zwar auch die kruden Animationen und das insgesamt eher schwache Trefferfeedback kritisieren kann, das deutlich hinter der Wucht des mittlerweile auch schon fünf Jahre alten Diablo 3 zurückstecken muss, ist die allgemeine Qualität auf Sonys und Microsofts Flaggschiffen eher dürftig. Die Auflösung wirkt selbst auf One X und PS4 Pro sehr niedrig, das Bild wird dadurch unnötig dumpf und verwaschen. Eine saubere Konsolenoptimierung sieht anders aus – was angesichts der eher moderaten PC-Anforderungen einerseits sowie der zumindest passablen technischen Qualität der letzten Konsolenumsetzungen von Kalpyso (Vikings: Wolves of Midgard, Railway Empire) andererseits umso unverständlicher ist. Abseits der bereits erwähnten Animationen liefert der PC ein ansehnliches Bild ab: Die Kulissen sind im Großen und Ganzen schick, wobei man nach wie vor keine Anpassung der Kameraposition erlaubt. Die Perspektive ist fest – Schwenks,  Drehungen oder Zoom der Kamera sind auch mit Awakenings nicht möglich.

Inhaltlich jedoch bleibt man Heretic Kingdoms treu. Genauer gesagt sogar Elementen, die Kult, den ersten Abstecher in die ketzerischen Königreiche geprägt haben. Dazu gehört z.B. die Parallelwelt, in die man jederzeit abtauchen kann. Möglich macht dies die Hauptfigur des Seelenverschlingers. Dieser Dämon hat sein Zuhause in der so genannten Schattenwelt und wurde von einem Magier beschworen, um zu helfen, das führungslose Reich der Heretic Kingdoms wieder in sichere Fahrwasser zu leiten. Dass der Höllenfürst dies natürlich nicht aus freien Stücken macht, führt immer wieder zu absurden, manchmal auch zu witzigen Dialogen, die mitunter gegen die düstere Grundstimmung gehen, aber das erzählerische Fundament nie ins Wanken bringen. Die zweite Ebene ist die der menschlichen Bevölkerung, quasi die „Oberwelt“ mit ihren Städten, Landstrichen und Dungeons. Diese kann vom Dämon nur in Form einer seiner so genannten Marionetten betreten werden, besondere Seelen von Verstorbenen, die wiederbelebt werden können. Drei dieser Seelen stehen zu Beginn zur Verfügung, wobei mit der Magierin, dem Bogenschützen und dem Nahkämpfer klassische Hack&Slay-Archetypen angeboten werden.

Die Qual der Wahl

Das Ausrüsten von Gegenständen ist unintuitiv und sorgt immer wieder für Frustmomenten im Rahmen der überarbeiteten Benutzerführung.
Sehr schön: Mit der initialen Wahl legt man nicht nur quasi die „Primärklasse“ fest, sondern auch die zur Verfügung stehenden Nebenmissionen: Jede der Figuren hat ihre eigene Rachemär, der sie folgt und die mehr oder weniger parallel zu den Hauptgeschehnissen abläuft. Und die Gespräche zwischen Dämon und Vasallen, die neben Büchern und Briefen einen weiteren Einblick in die Historie der Heretic Kingdoms erlauben, sorgen für eine interessante Fortführung der Hauptgeschichte, die allerdings größtenteils spröde inszeniert wird. Insgesamt können einem in Shadows über ein Dutzend „Helden“ zur Verfügung stehen, von denen man neben dem Verschlinger als feste Figur drei weitere mitführen und sich ihre Spezialfähigkeiten im Kampf zu Nutze machen kann. Der Clou: Man kann jederzeit zwischen den Charakteren und ggf. sogar ad hoc zwischen den Welten springen. Und dieses Element nutzt Games Farm gut aus: Mal muss man Rätsel lösen oder Fallen ausweichen, die nicht nur Geschick erfordern, sondern die einen Wechsel der Dimension erzwingen – und sei es nur, um in Dämonenform einen Hinweis auf die Lösung zu bekommen. Ebenso wichtig ist der Wechsel im Kampf. Nicht nur, weil man auf eine andere Figur schalten kann, bevor die Lebenspunkte zu Ende gehen. Sondern auch, weil ein Magier oder Bogenschütze gegen diesen Gegnertyp effektiver sein kann und ein Nahkämpfer besser gegen jenen funktioniert. Darüber hinaus kann man den Ehrgeiz entwickeln, um besondere Kombos zu entdecken, bei der die einzelnen passiven oder aktiven Fähigkeiten in möglichst effektiver Reihenfolge eingesetzt werden. Wie z.B. das „Einfrieren“ des Verschlingers, der sämtliche Feinde auch in der Schattenwelt erreicht, bevor man in der „echten“ Welt den Kampf weiterführt und die Spezialangriffe noch effektiver einsetzen kann.

Falls man Schwierigkeiten mit den Gegnern hat, kann es helfen, die Welt zu wechseln.
Mit der in Awakening deutlich direkter reagierenden Steuerung als noch zu alten Shadows-Zeiten hat man einen mechanischen Kritikpunkt von damals aus dem Weg geräumt. In der Konsolenversion ist es dank der direkten Stick-Kontrolle (am Rechner darf auch wahlweise mit Pad gespielt werden) ohnehin kein Problem, gegnerischen Geschossen aus dem Weg zu gehen. Doch mittlerweile folgt die Figur auch auf dem PC dem Klickbefehl deutlich besser. Im Rahmen der entschlackten Benutzerführung, die auch im Hinblick auf die Konsolenversionen geplant und optimiert wurde, hat man mittlerweile schnell und komfortabel Zugriff auf alle wichtigen Funktionen wie die aufrüstbaren Fähigkeiten mit ihren Abkühlzeiten, von denen drei pro Spielfigur angelegt und im Kampf eingesetzt werden dürfen oder die Talente, von denen man im Laufe der Figurenaufstiege bis zu zehn einsetzen kann. Doch sobald es ans Inventar geht und man bei dem möglichen Quartett versucht, die Ausrüstung zu optimieren, gehen die Probleme los. Man kann bei den ohnehin eher spärlich ausgeschütteten sowie bei Händler zuhauf vorhandenen Rüstungen, Schmuckstücken oder Waffen zwar alles miteinander vergleichen und so das Inventar optimieren. Dennoch muss man immer wieder kompliziert hin und her springen, so dass man bei der „Pflege“ seiner Figuren immer wieder eine unnötige Frustgrenze überwinden muss. Zwar kann man seine Ausrüstung auch noch u.a. über Essenzen modifizieren und so z.B. zusätzlichen Elementarschaden verursachen oder Resistenzen erhöhen. Doch die unhandliche Benutzerführung beim Inventar im Allgemeinen ist immer wieder ein Ärgernis.

Fazit

Vor gut vier Jahren war Shadows: Heretic Kingdoms ein ambitionierter sowie in mancher Hinsicht interessanter Versuch, den Hack&Slay-Schwergewichten am PC den Rang abzulaufen, zu denen nicht nur Diablo 3, sondern auch u.a. Neocores Van-Helsing-Serie gehört. Mit Shadows Awakening wartet allerdings keine lupenreine Fortsetzung auf Jäger und Sammler mit PC, wobei neuerdings auch Konsolen-Slayer das Abenteuer angehen dürfen. Stattdessen ist Awakening nur eine rundum aufgewertete sowie inhaltlich erweiterte Neuauflage. Einige Schwächen von damals wie die manchmal zickende Steuerung wurden behoben sowie die Kulisse im Allgemeinen ebenso verbessert wie die Benutzerführung. Andere Punkte, die schon vor vier Jahren gestört haben, wie die schwache Inszenierung oder die fehlende Wucht bei den Kämpfen, bleiben unverändert. Und selbstverständlich hält Awakenings an den Stärken fest, die auch schon vor etwa vier Jahren überzeugt haben. Dazu gehört die nach wie vor interessante Option des Ad-hoc-Weltenwechsels sowie das Umschalten zwischen den Figuren, um deren taktische Synergie-Möglichkeiten bei Spezialangriffen nutzen zu können oder die Rätsel und Fallen in Dungeons. Erzählerisch präsentiert man sich nach wie vor interessant, aber konfus, bietet aber immerhin durchgängig saubere deutsche Sprachausgabe. Unter dem Strich schafft man es damit zwar nicht, an alter oder seitdem erschienener Hack&Slay-Konkurrenz wie Victor Vran, Diablo 3 oder Path of Exile vorbeizuziehen, aber kann sich nach vier Jahren immer noch auf einem soliden Niveau einpendeln. Zumindest am PC, denn mit den technischen Schwächen, die sich die Konsolen bei der Umsetzung der Unity-Kulisse leisten, ist man einen Tick schlechter.

Pro

interessante Story...
ansehnliche Kulisse
angenehm behäbiges Kampfsystem
Gesundheitssystem und Figurenwechsel bringen taktische Note in die Gefechte
jederzeit betretbare Schattenwelt sorgt für Variation und Spieltiefe
zahlreiche spielbare Charaktere, häufig mit eigenen Neben-Missionen und Geschichte
ausreichend Missionen
ordentliche Sprachausgabe
Rätsel und Fallen in Dungeons
gemeinsamer Stufenaufstieg der Figuren
stimmungsvolle Musik
keine Beuteflut
saubere Steuerung (auch auf Konsolen)

Kontra

... die aber inkohärent erzählt sowie schwach inszeniert wird
keine freie Kamera
mitunter krude Animationen
mäßiges Trefferfeedback
schwache Inventar-Führung
überschaubare Fähigkeiten
niedrig aufgelöste Videos in den Zwischensequenzen
Konsolenversion technisch mäßig

Wertung

XboxOne

Inhaltlich identisch zur PC-Fassung zeigen sich die Konsolen-Versionen von Awakening technisch schwächer als am Rechner.

PC

Trotz technischer Runderneuerung, nach wie vor guter Ideen, Detailverbesserungen sowie kompletter Story schafft es die erweiterte Neuauflage von "Heretic Kingdoms" nicht, sich als potenter Konkurrent für Diablo 3 oder Victor Vran zu etablieren.

PlayStation4

Inhaltlich identisch zur PC-Fassung zeigen sich die Konsolen-Versionen von Awakening technisch schwächer als am Rechner.

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