Smoke and Sacrifice21.06.2018, Jan Wöbbeking

Im Test: Suche nach dem verlorenen Sohn

Ein komplexes Ökosystem, mysteriöse Menschenopfer und eine persönliche Geschichte machten uns schon beim Anspielen von Smoke and Sacrifice (ab 1,29€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) neugierig. Gelingt es dem handgezeichneten Abenteuer aus der Flut der Survival- und Crafting-Spiele herauszustechen – und kann es auch auf Dauer fesseln?

Geheimnisvolle Mechanismen

Der Ausgangspunkt der Geschichte wirkt vielversprechend: Er entführt den Spieler in eine düstere Fantasiewelt, in der groteske Pflanzen und Tiere leben und zugleich harsche gesellschaftliche Gewohnheiten herrschen. Smoke and Sacrifice soll die "modernen Survivalspiel-Klassiker" aufgreifen, das Genre aber mit einer persönlichen Geschichte und einem komplexen Ökosystem erweitern: Kreaturen suchen nach Nahrung, paaren sich, brüten und dienen anderen Wesen als Beute. Hinter dem handanimierten Spiel steckt das Vier-Mann-Team Solar Sail Games aus dem Osten Londons. Mitgründer und Zeichner Tancred Dyke-Wells arbeitete in seiner zwanzigjährigen Entwickler-Karriere z.B. an der Battalion-Wars-Reihe. Man schlüpft in die Rolle von Sachi, einer jungen Mutter, die auf der Suche nach dem Schicksal ihres Kindes ist. Bereits im Einstieg macht sich eine mysteriöse und bedrückende Stimmung breit: Soll ich meinen erstgeborenen Nachkommen Lio wirklich auf den Opferaltar legen, wie es die Gebräuche der archaischen Gesellschaft verlangen?

Glubschige Biester!
Wir haben uns erst nach einigen Gesprächen mit anderen Einwohnern dazu durchgerungen. Ohne den herzlosen Akt gelangt man schließlich nicht in den zweiten Abschnitt, der die Hoffnung weckt, dass die Tat vielleicht gar nicht zum Tod des Sohns geführt hat. Sieben Jahre später belauscht Sachi nämlich einige Priester beim Gespräch über das Leben „dort unten“. Als kurz darauf das Dorf von Monstern angegriffen wird, die an eine Kreuzung aus Bär und Hund mit Schlappohren erinnern, schenkt ihr ein geheimnisvoller Kesselflicker einen magischen Umhänger. In der Hektik des Überfalls wird Sachi schließlich selbst in die düstere Parallelwelt transportiert, in der sie sich auf die Suche nach ihrem Sohn begibt.

Rauchige Unterwelt

In der Unterwelt fürchten sich die ums Überleben kämpfenden Bewohner vor allem vor dem tödlichen Rauch, der immer nachts aufzieht. Man sollte möglichst eine magische Laterne oder einen entsprechenden Umhänger parat haben, die Sachi vorm giftigen schwarzen Nebel schützen.

Schwein gehabt - oder auch nicht!
Zu dieser Zeit kriechen auch gefährlichere Wesen aus ihrem Versteck, die sich im Kampf als deutlich zäher erweisen. Im Gegenzug liefern sie aber auch andere Ressourcen als ihre harmloseren Gegenstücke, die bei Tageslicht unterwegs sind. Das Sammeln der Rohstoffe steht klar im Mittelpunkt, so dass die eigentlich interessante Geschichte leider schnell in den Hintergrund gedrängt wird. Natürlich hatte ich das Bedürfnis, Sachis Kind zu finden. Doch der Großteil der Figuren, die mir Hinweise auf seinen Verbleib geben, wirken lediglich wie ein Mittel zum Zweck, um den Sammelkreislauf am Laufen zu halten. Zunächst hilft man einem anderen verlorenen Sohn bei Alltagsproblemen wie der Reparatur der Werkbank oder der Produktion kandierter Früchte – oder man begibt sich auf Nebenquests, um etwa Pilze für die „trostlosen Sammler“ zu pflücken.

Abenteuer oder Sammelwahn?

Nach und nach gelangt man in kurzen Dialogen in Textform an Informationen über die nächste Kontaktperson, die einem wiederum Tipps zum Verbleib des Fertigungsmeisters oder dem Versteck des  Widerstands liefert – und so weiter. In der Stadt scheint sich eine Rebellion zu formieren, die gegen die herrschende Ordnung mit ihren lebensfeindlichen Zuständen kämpfen will. Schade, dass das kleine Team seinen Charakteren nicht mehr Leben eingehaucht hat. Subnautica etwa verstand es deutlich besser, den Spieler mit Funksprüchen, rätselhaften Unglücksfällen und ausgiebigen Expeditionen in die Story zu involvieren. Nebenbei begibt man sich natürlich ständig auf die Suche nach überlebenswichtigen Kräutern, Tierorganen und anderen Ressourcen, die schnell im etwas unübersichtlichen Inventar verrotten. Mitunter wird es etwas mühsam, mit neuen Blaupausen bzw. Rezepten rauchabweisende Laternen, schützende Stiefel, stachelige Keulen, Messer und verschiedene Frucht- oder Wildschweingerichte zu fertigen.

Ein Blick ins Inventar oder den Questlog pausiert das Gewusel.
Mit der Hilfe konstruierter Melkmaschinen wird man beispielsweise zum Käseproduzent. Reparaturen sind  ebenfalls möglich. Manche Dinge bastelt man sich direkt unterwegs zusammen, andere benötigen eine Werkbank oder den Kessel. Zwischendurch wechselt man mit Hilfe unterirdischer „Reiseröhren“ zwischen Gebieten voller feindlicher Auswüchse der Natur und bizarrer elektrischer Apparaturen. Klingelnde Windspiele und sporadisches Geflüster sorgen dabei für einen psychopathischen Soundteppich, der insgesamt aber zu leise und unaufdringlich bleibt.

Etwas hölzern

Erkundung und Kämpfe treten zu sehr in den Hintergrund, zumal die Gefechte etwas holprig ablaufen. Mit stärkeren Waffen und der passenden Taktik kann man auch angsteinflößenden Riesen oder Bossen entgegentreten. Die Hiebe und das Ausweichen fühlen sich aber stets ein wenig hölzern an. Auch beim Fangen von Glühwürmchen oder angriffslustigen Hornissen ist es schwer, die Biester vernünftig mit dem Netz anzupeilen. Spaß hatte ich dagegen am Einsatz gebastelter Brandsätze und am Kampf gegen Biester wie Stachelschweine: Letztere kugeln sich putzig durch die Botanik und verschießen ihre Stacheln in alle Himmelsrichtungen.

Was zum Henker ist das?
Allgemein wirkt das Design gelungen eigenwillig – von maskierten Steampunk-Bewohnern über Elektro-Ratten und bunt leuchtenden Pflanzen bis hin zu bizarren technischen Apparaturen. Die rätselhaften Mechanismen hinter dem Sonnenbaum etwa sorgen dafür, dass Sachis Dorf fruchtbare Felder nutzen kann, obwohl es von unwirtlicher Eiswüste umgeben ist. Die Switch-Fassung ähnelt der PC-Version stark. Ab und zu geht allerdings die Engine ein wenig in die Knie, so dass es zu kurzen Rucklern kommt - das Problem ist aber zu verschmerzen. Außerdem macht die zu kleine Schrift die Handhabung von Menüs und Inventar ein wenig anstrengend –  allerdings nur im Handheld-Modus. Zudem ziehen sich die Ladezeiten auf Nintendos Konsole stärker in die Länge.

Fazit

Schade um das hübsche eigenwillige Design der seltsamen Kreaturen und bizarren Apparaturen: Nach einem faszinierenden Einstieg konzentriert sich Smoke and Sacrifice zu sehr auf den Sammel- und Crafting-Kreislauf von Ressourcen, Rezepten und Werkzeugen. Auf der Reise durch den rauchigen Steampunk-Untergrund gibt es zwar hier und da stimmungsvolle Momente oder interessante Aufgaben, bei denen man die übermächtigen Gegner erst einmal mit den passenden Granaten schwächt oder betäubt. Doch bereits relativ früh habe ich mich nur noch widerwillig durchs Spiel geschleppt. Viele Figuren werden hier leider nur zum Stichwortgeber degradiert, um den Weg zur nächsten Kontaktperson zu weisen. Die Geschichte um Sachis verlorenen Sohn spielt dann nur noch eine untergeordnete Rolle. Zudem wirkt die Kampf- und Fang-Mechanik etwas holprig. Alles in allem wäre deutlich mehr drin gewesen als dieser Sammel-Marathon.

Pro

hübsch gezeichnete Kulisse
bizarre Wesen und Apparaturen
Opfer-Geschichte sorgt für einen faszinierenden Einstieg

Kontra

zu starker Fokus auf monotone Sammel
und Crafting-Aufgaben
Persönlichkeiten der Charaktere bleiben blass und austauschbar
etwas hölzerner Kampf
technische Problemchen wie leichte Ruckler und zu kleine Schrift im Handheld-Modus (Switch)

Wertung

PC

Ein interessanter Einstieg wird vom monotonen Sammel- und Crafting-Fokus und etwas hölzernen Kämpfen heruntergezogen.

Switch

Leichte Ruckler und zu kleine Schrift machen die Switch-Version ein wenig anstrengender.

Echtgeldtransaktionen

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