Im Test: Plastik-Superhelden in Aktion
Als Pixar "Die Unglaublichen" in die Kinos schickte, war Traveller’s Tales mit der finalen Entwicklung ihres ersten Lego-Spiels beschäftigt, das ein Jahr später erscheinen sollte. Und seit
Lego Star Wars haben die charmanten Bauklotz-Abenteuer kontinuierlich kleine Schritte nach vorne gemacht. Ob Lego Die Unglaublichen (
ab 15,00€ bei kaufen) ebenfalls den Unterhaltunsgwert erhöhen kann, klären wir im Test.
Wir schreiben das Jahr 2004: Die Superhelden-Familie Parr kämpft gegen Syndrome und legt im sechsten Abend füllenden Streifen von Pixar die Messlatte für Animationsfilme aus dem Computer erneut höher. Parallel dazu arbeitet Traveller’s Tales, bis dahin in erster Linie durch Spiel-Umsetzungen von Disney- oder Pixar-Filmen aufgefallen, im beschaulichen englischen Knutsford an einem Projekt, das ein Jahr später erscheinen und die Weichen für die Zukunft der Firma stellen sollte: Lego Star Wars. Das erste Spiel, das die Briten in Zusammenarbeit mit dem dänischen Spielzeug-Giganten entwickelten, legte ein gleichermaßen erfolgreiches wie ungemein stabiles Fundament für eine Nebengattung des Action-Adventures. Vollgestopft mit satirischem Humor, der das Quellmaterial zielsicher aufs Korn nimmt, interessanten Umgebungsrätseln sowie dem Bauklotz-Charme hat man eine Blaupause geschaffen, von der Traveller’s Tales bis heute zehrt.
Die Superhelden-Familie liefert in Bauklotz-Form gute, allerdings auch schnörkellose Unterhaltung ab.
Im Laufe der Zeit kamen nicht nur weitere Marken wie
Indiana Jones, die Superhelden von
Marvel,
DC Comics,
Jurassic Park oder
Der Herr der Ringe hinzu. Gleichzeitig hat man über teilweise zwei oder drei Titel pro Jahr das Konzept immer weiter ausgebaut: Hub-Welten wurden größer; irgendwann kam Sprachausgabe hinzu, teilweise hat man sogar Original-Samples aus den entsprechenden Filmen verwendet. Und mit
Lego Dimensions unternahm man sogar einen äußerst gelungenen, aber mittlerweile in Rente befindlichen Ausflug in die Gefilde des Toys-to-Life. Über all die Jahre hinweg musste sich Traveller’s Tales aber trotz aller Fortschritte den Vorwurf gefallen lassen, dass die Schritte maximal für Fans der Lego-Spiele spürbar sind.
Auch Frozone ist mit von der Partie.
Das ist bei den Unglaublichen nicht anders: Vom Zertrümmern der Lego-Bauten und dem folgenden Einsammeln der zurück bleibenden Noppen über die simplen Kämpfe bis hin zum Bauen von Konstruktionen, die im Rahmen der gut eingesetzten Umgebungsrätsel genutzt werden können, bietet man all das, was bei einem Lego-Spiel zum guten Ton gehört. Allerdings nur selten mehr. Wo andere Plastik-Umsetzungen wie Jurassic World,
Ninjago oder
Star Wars: Das Erwachen der Macht zwar keinen Paradigmenwechsel, aber immerhin ein paar interessante Variationen mit sich brachten, zeigt man hier zumeist Bekanntes. Erschwerend kommt noch hinzu, dass der Humor nicht so zündet, wie man es von Traveller’s Tales gewohnt ist. Zwar durchweg in Ordnung, gibt es nur selten Momente, in denen man wie bei
Harry Potter, Indiana Jones oder einigen der Superhelden-Ableger lauthals lacht. Was vielleicht auch darin begründet ist, dass das Quellmaterial schon eine Agenten-Persiflage darstellt, die humoristisch zu überhöhen fast unmöglich ist. Und angesichts dessen scheint man hier schon das Maximum herauszuholen.
Immerhin nimmt man sich vor allem hinsichtlich der Umsetzung des 14 Jahre alten Originals auch einige erzählerische Freiheiten und wandelt einige der Story-Missionen leicht um – und genau in diesen Momenten zündet der Humor noch am ehesten. Dennoch fällt hinsichtlich des Umfangs auf, dass man nur zwei Filme zur Verfügung hatte, die sich die etwa sechs bis sieben Stunden Story-Missionen teilen und damit etwa 30 bis 50 Prozent geringer ausfallen als die Durchschnittslänge der jüngeren Lego-Titel. Auch die offene, in einzelne Bezirke unterteilte Hubwelt fällt kleiner aus, als man es von Traveller’s Tales zuletzt in Lego Marvel Super Heroes 2 gesehen hat. Doch die darin vorhandenen Aufgaben wurden gut an den veränderten Umfang angepasst und punkten mit recht hoher Vielfalt – auch wenn die Verbrechenswellen mittelfristig nach Schema F ablaufen. Immerhin vermittelt Lego Die Unglaublichen so das Gefühl, dass es nicht künstlich aufgeblasen wurde und ein kompaktes, schnörkelloses sowie unterhaltsames Paket geschnürt wurde.
Man spielt nicht nur die Ereignisse des aktuellen Kinofilms nach, sondern unternimmt auch einen Ausflug in die 14 Jahre alte Vergangenheit.
Denn natürlich hält man an bewährten Eckpfeilern der Lego-Motivation fest. Dazu gehört der Koop-Modus, der mit dem gemeinsamen Bewältigen der Umgebungsrätsel nach wie vor ideal für ungezwungene Spielsitzungen mit jüngeren Familienmitgliedern ist. Vor allem, wenn man im freien Spiel in die bereits bewältigten Abschnitte zurückkehrt, um alle Geheimnisse zu lüften, entwickelt sich immer wieder eine interessante "Lass-uns-doch-mal-das-probieren"-Dynamik, bei der das freie Umschalten zwischen allen bis dahin freigespielten Helden (und Bösen) zu interessanten Experimenten führt. Und natürlich darf man hier und in den Hubwelten mit selbst kreierten Figuren antreten. Der Editor erlaubt dabei zwar keine umfassende Individualisierung, wie es beim kommenden Lego DC Super Villains möglich sein wird. Doch mit einer breiten Auswahl an Bauteilen sowie wählbaren Fähigkeiten ist man für alle Hindernisse gewappnet. Schade ist allerdings erneut, dass Traveller’s Tales sich weiterhin beharrlich weigert, einen kooperativen Online-Modus zu spendieren.
Trotz angepasster Koop-Mechaniken kann Die Unglaublichen den Lego-Spielen keine neue Facette hinzufügen.
Zudem haben sie trotz der jahrelangen Erfahrung sowie Bauklotz-Titeln, die es besser gelöst haben, unerwartete Probleme mit recht hohen Ladezeiten, die bei jüngeren Spielern schon mal für Vorab-Frust sorgen können, bis es endlich losgeht. Was umso erstaunlicher ist, da die Kulisse ebenfalls an altbekannten Design-Entscheidungen festhält und "normale" Umgebungen mit Lego-Bauteilen verbindet. Doch unter dem Strich lohnt sich die Wartezeit: Die Kulisse ist durch die Bank ansehnlich, könnte bei Effekten aber durchaus zulegen, aber überzeugt bei den Figuren mit geschmeidigen Animationen. Ebenfalls nett: Hat man einen Bezirk komplett vom Verbrechen gesäubert, wird ein besonderer Bauplatz freigeschaltet, an dem man die teilweise gut versteckten „Bausteine“ für Bauten aus anderen Pixar-Filmen verwenden darf. So kann man u.a. das Riff aus "Findet Nemo" freischalten und ab dann auch mit Dory als spielbarer Figur unterwegs sein oder das Haus von Mr. Fredrickson aus "Oben" bauen und damit interagieren. Weniger schön und damit ungewohnt schwach ist die akustische Seite: Die deutsche Lokalisierung ist im besten Fall bemüht und erzeugt nur selten eine entsprechende Atmosphäre. Die englische Version ist zwar besser, allerdings fällt auch hier auf, dass im Gegensatz zu vielen der letzten Lego-Abenteuern nicht die Originalsprecher hinter dem Mikrofon standen, sondern nur ähnlich klingende Stimmgeber.
Fazit
Langsam erreichen die Lego-Titel von Traveller’s Tales einen ähnlichen Stellenwert und Polarisationsfaktor wie Koeis Musou-Action: Man mag sie oder man mag sie nicht. In meinem Fall werde ich trotz zahlreicher in den letzten Monaten und Jahren veröffentlichter Bauklotz-Spiele immer noch nicht müde, mich alleine oder kooperativ durch die ansehnlichen Welten zu kloppen, zu hüpfen und zu rätseln, während ich hunderttausende Plastiknoppen einsammle. Allerdings gehört Lego Die Unglaublichen im Gegensatz zu Das Erwachen der Macht oder Jurassic World zu den Titeln, die der bekannt unterhaltsamen Formel keine neue Facette hinzufügen können – ebenfalls eine Parallele zu einigen Musou-Spielen, die eher aufgrund ihrer Eingängigkeit sowie routiniert eingesetzter Elemente unterhalten, als dass sie frische Impulse setzen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Superhelden es nur selten schaffen, den Humor der Filmvorlagen zu übertreffen, während die deutsche Lokalisierung für Lego-Spiele ungewohnte Schwächen offenbart. Dennoch: Insbesondere gemeinsam mit einem anderen Spieler kann man hier ungezwungene sowie gerade noch gute Familien-Unterhaltung erleben.
Pro
add_circle_outline eingängige Steuerung
add_circle_outline kooperativ spielbar (Drop-in/Drop-out)
add_circle_outline ansehnliche Kulisse
add_circle_outline über 100 Figuren
add_circle_outline offene Hub-Welt mit haufenweise Aufgaben und Pixar-Geheimnissen
add_circle_outline eigene Figuren erstellbar
Kontra
remove_circle_outline keine neuen Impulse der Lego-Formel
remove_circle_outline schwache deutsche Lokalisierung
remove_circle_outline auch im englischen Original nicht die richtigen, sondern nur ähnlich klingende Sprecher
remove_circle_outline im Vergleich zu den letzten Lego-Spielen relativ kleiner Umfang
remove_circle_outline Humor zündet nicht immer
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