Fallout 7616.11.2018, Mathias Oertel
Fallout 76

Im Test: Postapokalyptischer Super-GAU

Fallout hat sich bei Bethesda von einem Taktik-Spektakel vor dem Hintergrund einer Postapokalypse zu einem der Rollenspiel-Schwergewichte schlechthin gemausert – offline wohlgemerkt. Doch mit dem überraschend  im Frühjahr angekündigten Fallout 76 (ab 8,61€ bei kaufen) verabreicht man dem Ödland eine Online-Kur und hat sich wie seinerzeit bei The Elder Scrolls Online erst einmal den Groll der Community zugezogen. Im ersten Teil unseres Tests verraten wir, welchen Eindruck wir nach 15 Stunden im nuklear verseuchten Virginia haben.

Klassischer Beginn

Fallout 76 beginnt erzählerisch recht klassisch. Man erfährt wie immer, wieso man im Bunker aufwacht, in diesem Fall Nummer 76, bevor man sich im potenten Editor sein virtuelles Alter Ego erschafft und schließlich nach dem großen Krieg als "Wiederaufbauhelfer" in das Gebiet von West Virginia entlassen wird, das etwa vier Mal so groß ist wie das Fallout-4-Areal. Man marschiert an Mister Handys vorbei, die einen im ansonsten wie ausgestorbenen Bunker begrüßen. Sie sind es auch, die einen durch die Gänge leiten und mit den wesentlichen Änderungen der im Kern natürlich weiter auf den Offline-Fallouts basierenden Mechaniken bekannt machen. Und dann ist es soweit: Man steht vor dem Ausgang, der sich langsam und majestätisch öffnet. Das gleißende Sonnenlicht brennt sich auf die Netzhaut...

Eine gravierende Änderung: Das S.P.E .C.I.A.L.-System für die Charakter-Entwicklung wurde auf Karten umgestellt - was unter dem Strich allerdings weniger stört als gedacht.

... und dann ist man draußen. Und man fühlt sich sofort wie in einem echten Fallout – also einem Offline-Abenteuer. Der Blick schweift in die Entfernung. Sieht doch ganz nett aus. Noch bunter als Fallout 4 und damit definitiv einen deutlich freundlicheren Eindruck hinterlassend als das zumeist braungraue Fallout 3 werde ich vom altbekannten Erforschungsfieber gepackt, das für mich bei Bethesda-Rollenspielen quasi automatisch greift. Was verbirgt sich hinter der nächsten Kuppe? Hier ist ein Symbol auf dem Kompass aufgetaucht, dem ich nachgehen muss. Dort kommt ein weiteres. Und noch eines. Wie man es kennt, wird die Neugier durch diese sich stets erweiternde Welt angeheizt. Ein Blick auf die Karte, die hier von Beginn an komplett freigeschaltet ist, auch wenn entscheidende Entdeckungen und damit Orte für die kostenpflichtige Schnellreise erst nach und nach eingezeichnet werden, zeigt aber auch merkwürdige graue Punkte?!?

Das gemeinsame Offline-Erlebnis

Stimmt, da war ja was: Fallout 76 ist ein Online-Spiel. Man teilt sich die Welt mit anderen Bunker-Überlebenden, die wie man selbst den Wiederaufbau nach dem großen Krieg vorantreiben sollen. Im Gegensatz zu anderen, meist in der Fantasy angesiedelten Online-Rollenspielen, gibt es in der Welt von Fallout 76 allerdings keine unterschiedlichen Startgebiete. Alle starten in Vault 76, sprich: ist man mit keinem höherstufigen Spieler  in einer Welt, gibt es an bestimmten erzählerischen Knotenpunkten, die zumeist mit der Hauptmissionslinie der Bunker-Aufseherin zusammenhängen Ballungspunkte, an denen man mit anderen menschlichen Spielern zusammentrifft. Doch irgendwann bzw. spätestens, wenn man nach einem Ausloggen und Neustart in einer anderen Welt landet, verteilen sich die Spieler über die Karte. Und das bedeutet, dass man sich schon sehr alleine fühlt. Die Einsamkeit, die dem Ödland schon immer innewohnte, war noch nie so groß wie hier. Allerdings stelle ich mir schon die Frage, wieso es keine anderen Überlebenden gibt. Selbst die im Rahmen der Erzählung vor einem kommenden Ersthelfer und Wiederaufbauer haben bereits wieder das Zeitliche gesegnet. Ihnen begegnet man nur über Holotape-Audioaufnahmen und ihre zumeist in Computern versteckten Text-Journale, die auch gleichzeitig als Auslöser für Missionen dienen können. Da man allerdings ansonsten nur noch Robotern und Gegnern begegnet, darunter bekannten

West Virginia hinterlässt visuell einen ordentlichen Eindruck - kann aber auch nur selten beeindrucken.

Mutationen wie den Maulwurfsratten, Ghulen oder den orkhaften Mutanten, wirkt die Welt unnatürlich leblos auf mich. Ich stehe in einem Logik-Zwiespalt, ob die zeitliche Differenz von 170 bzw. 180 Jahren auf die Ereignisse in Fallout 3 und 4 das Fehlen menschlicher Bevölkerung adäquat erklären.

Gibt es keine "natürlichen" Überlebenden und werden die "Wiederaufbauer" der amerikanischen Zivilisation quasi doppeldeutig verwendet? Oder sollten nicht auch in dieser Welt andere "Überlebende" abseits der Spielercharaktere zu finden sein. Denn man darf sich nichts vormachen: Ein MMO (Massively Multiplayer Onlinespiel) ist Fallout 76 auf keinen Fall. Mit nicht einmal 30 Spielern pro Welt, die darüberhinaus aus allen Levelbereichen stammen können, wirkt West Virginia auf mich eher wie eine merkwürdige Symbiose aus Off- und Onlineelementen. Sowohl die soziale als auch die mechanische oder missionsbedingte Interaktion mit anderen Spielern kann man theoretisch ignorieren. Ja: Manche Aufgaben bzw. Dungeons und vor allem die in regelmäßigen Abständen stattfindenden Events lassen sich leichter bewältigen, wenn man mit anderen unterwegs ist oder sich in deren Schlepptau befindet. Doch in den ersten 15 Stunden, was für mich mit einer eher behäbigen Spielweise sowie wenig Teleportnutzung gleichbedeutend mit Charakterstufe 15 ist, hat mir Fallout 76 keine übermäßigen Anreize geboten, mich einem Team anzuschließen.  Natürlich habe ich hier und da mal eine Einladung eingenommen. Doch da die Gruppe sich nach einem erledigten Event wieder in alle Winde zerstreute und man nur per Zufall oder als Freundeseinladung mit Bekannten in der gleichen Welt landet, spielt sich Fallout 76 eher wie ein Offline-Spiel, in dem mal mehr, mal weniger häufig auch ein anderer Spieler eine Gastrolle übernimmt. Nicht umsonst hat Todd Howard auf einer E3-Präsentation gesagt, dass man zwar „online“ sein müsse, aber es auch komplett alleine spielen und Quests in der Welt ohne andere Mitspieler absolvieren kann.

Störende Online-Verpflichtung

Damit scheint man sich auf den ersten Blick nicht von einschlägigen Online-Rollenspielen wie Star Wars: The Old Republic, Tera oder Neverwinter, aber auch Bethesdas erstem reinrassigen Online-Versuch The Elder Scrolls Online zu unterscheiden. Auch dort war es möglich, einen Großteil der Quests solo zu erledigen, während man die Welt auf der Suche nach Abenteuern durchstreift. Doch mit der hier deutlich zurückgestuften Anzahl an Spielern fühlt sich diese Prämisse deplatziert an. Ist Fallout 76 ein Offline-Fallout Light, das eine Online-Komponente hat? Oder ist es ein Online-Spiel, das irgendwie nicht verstanden hat, wie es eigentlich funktionieren soll? Diesen Spagat kann das Abenteuer in West Virginia nur selten bewältigen. Abseits der fehlenden Bevölkerung fühlt sich die Welt von Fallout authentisch an, das Fundament entspricht dem, was man in den Offline-Teilen 3, New Vegas und 4 kennen-, lieben und/oder hassen gelernt hat. Man erforscht die Spielwelt, wobei gefühlt weniger Häuser eine Möglichkeit bieten, sie zu betreten. Man knackt Schlösser wie in Fallout (oder in Skyrim), man hackt Computer, wie man es kennt, öffnet Safes und sammelt alles ein, was nicht niet- und nagelfest ist. Man kämpft mit einer Vielzahl an Nah- und Fernkampfwaffen, von denen die meisten aufgewertet sowie angepasst werden können gegen die in regelmäßigen Abständen auftauchenden („spawnenden“) Gegner. Man kassiert nach deren Erledigung Erfahrung, steigt irgendwann im Level auf, kann irgendwann bessere Waffen oder Rüstung nutzen. Man folgt entweder den vorgegebenen Haupt- und Nebenmissionen oder folgt einfach seiner Nase, die einen zwangsläufig irgendwann zu neuen Aufgaben und Schauplätzen führt.

Da NPCs komplett fehlen, werden sowohl Story als auch Missionen über Computer-Logs und Holotapes erzählt.

Und doch bleibt alles irgendwie an der Oberfläche. Über die Audionachrichten der Holotapes, die Radiosender und die Textbausteine, die man über zurückgelassene Briefe oder Einträge in Computerdatenbanken findet, ergibt sich nach wie vor ein durchaus interessantes Bild der postapokalpytischen Welt. Doch im Vergleich zu den „großen“ Fallouts fehlt die menschliche Komponente. Betritt man einen der „Dungeons“, was mit den größeren Questreihen unvermeidlich ist, kommt 76 so nah an ein echtes Fallout-Erlebnis heran, wie es nur geht. Situative Spannung, Umgebungsrätsel und dazu auch wieder ein Haufen an sammelbarem Zeug haben in diesen Momenten immer wieder dafür sorgen können, dass die Motivation nach oben geht. Allerdings kann der „Shooter“ Fallout hier noch weniger überzeugen als bei den Offline-Brüdern. Theoretisch verwendet man das gleiche Echtzeit-System, so dass all diejenigen, die auch früher auf das taktische V.A.T.S.-System mit seiner Verlangsamung verzichtet haben, eigentlich den gleichen Spaß haben sollten.  Eigentlich: Denn die Action verliert hier durch mitunter große Verzögerung zwischen Eingabe und Umsetzung zunehmend an Reiz. Sowohl auf One als auch PS4 gibt es immer wieder Lags, die den Spielfluss hemmen und im Vergleich mit dem auch auf Action mit Rollenspiel-Unterbau setzenden Destiny den großen Unterschied bei der Netzcode-Qualität deutlich machen. Und das, obwohl man hier mit den gerade mal zwei Dutzend Spielern wahrlich keine Bäume ausreißt und die Welt trotz der Vergrößerung um den Faktor 4 im Vergleich zu Fallout 4 nicht sehr groß scheint. Das hat Bethesda bei Elder Scrolls Online deutlich besser gemacht.

Der Bethesda-Fluch

Machen wir uns nichts vor: Bugs sind angesichts der schieren Größe und der Ambition, die den Bethesda-Rollenspielen innewohnt, nicht vermeidbar. Doch während ich bei den teils mehrfachen Offline-Ausflügen in die Welten von Skyrim oder die Postapokalypse auf keinen Fehler gestoßen bin, der mir das Weiterspielen verleiden konnte, werde ich hier mitunter bis an den Rand der Geduldschwelle getrieben. Die Lags habe ich bereits erwähnt. Doch es gab auch vergleichsweise häufige Serverabbrüche (in den bisher etwa 15 Stunden Spielzeit gut zehn Mal), auf der One sogar komplettes Einfrieren (dreimal), das ein Verlassen des Spiels nötig machte. Dass man bei einem Neustart je nach Stand der Datenspeicherung ganze Storystränge neu machen muss oder Events, an denen man gerade teilnahm, bedingt durch eine andere „Welt“ in einem anderen Rhythmus stattfinden, ist ebenfalls nervig. Dazu gesellten sich Missionsbugs, die in einem Fall sogar dafür sorgten, dass bei

Seine stärksten Momente hat Fallout 76 bislang, wenn es sich in Dungeons wie ein "echtes" Offline-Fallout anfühlt.

einer „Event-Aufgabe“, in der man nur Essenscontainer in eine Maschine kippen musste, aus mir bis jetzt unerfindlichen Gründen, meine gesamte Munition für die gerade verwendete Waffe verschwand! In der Summe wirkt Fallout 76 überraschend unfertig.

Das wiegt umso schlimmer, da ich mich immer wieder dabei ertappe, wie ich Spaß in der Spielwelt habe – vor allem in den Momenten, in denen ich das Gefühl habe, ein Offline-Abenteuer zu spielen. Wie z.B. in dem Moment, als ich einen Flughafen von Mutanten befreite und im letzten Hangar eine Power-Armor entdeckte, die die Aufgabe stark erleichterte. Auf einmal fühlte ich mich ähnlich wie in der letzten Bethesda-Apokalypse, als ich dort das erste Mal mit der massiven Rüstung auf die Gegner zugestürmt bin.  In späteren Abschnitten wird zudem der Bau eines eigenen Lagers, das auch von Mobs angegriffen werden kann, zunehmend wichtiger. Nicht nur, weil das eigene Domizil als kostenloser Teleport-Punkt genutzt werden darf, der ähnlich umfangreich ausgestattet wird wie die Siedlungen in Fallout 4 und sogar als Blaupause gespeichert werden kann, damit man alles per simplen Knopfdruck umgehend aufbaut anstatt sich durch das Menü zu klicken. Apropos Teleport: Dass man sich zu Events teleportieren kann, die in einem Gebiet liegen, das man noch nicht zu Fuß erreicht bzw. erforscht hat, geht für mich komplett gegen das Fallout-Prinzip. Das Lager ist auch wichtig, weil man hier alle Crafting-Stationen gleichzeitig zur Hand hat, um seine Gegenstände zu zerlegen, seine Waffen und Rüstungen aufzuwerten oder sich um sein leibliches Wohl zu kümmern. Essen und Trinken ist in diesem Fallout wichtiger denn je. Doch der anfangs noch bedrohlich wirkende Überlebensaspekt verliert spätestens dann seinen Schrecken, wenn man seinem Lager eine Wasserpumpe hinzugefügt hat und das dort gewonnene Nass am Lagerfeuer abkocht. Essen findet man ohnehin genug, wobei die nach erst aufzufindenden Rezepten zubereiteten Gerichte mehr Vorteile vorsprechen – auch wenn man gelegentlich viel zu viel Zeit aufwendet, um die Zutaten zu suchen oder zu jagen.

Die Zukunft steht in den Sternen

Klar ist natürlich auch: Mit Level 15 bin ich noch weit vom gegenwärtigen maximalen Figurenlevel entfernt, wobei ab Level 50 das neuerdings auf Karten basierende S.P.E.C.I.A.L.-System seine Grenze erreicht und man ab dort nur noch die Kartenperks aufwertet. Und ich habe bei meinen Wanderungen erst etwa ein Drittel der Spielwelt gesehen. Auch die Auswirkungen von intensiven PvP-Gefechten habe ich noch nicht kennengelernt – was auch daran liegt, dass in den Welten, in denen ich bislang gelandet bin, ein bisher zivilisierter Umgang der Spieler miteinander gepflegt wurde und ich mich von den PvP-Events ferngehalten habe. Es gab in meinen Sessions bisher nur zwei Fälle, in dem ein Spieler, der andere Charaktere angegriffen und getötet hat, mit einem Kopfgeld markiert und damit zum Freiwild wurde. Wie die Jagd auf ihn ausging, habe ich nicht mitbekommen. Aber mit einem Zweit-Charakter (ich habe noch einen aus der Beta, der mir recht egal ist), werde ich in den nächsten Tagen mal einen auf Gunslinger machen. Ob das Kopfgeld ausreicht, um z.B. höherstufige Gruppen davon abzuhalten, auf andere Figuren Jagd zu machen oder ob Bethesda auch noch andere Schutzmechanismen eingebaut hat, um Spielverderbern das Handwerk zu legen, muss die Zukunft zeigen.

Der Gegner erledigt und noch bevor er den Boden berührt, ist sein Inventar schon fast leer geräumt...

Oder vielleicht komme ich auch an den Punkt, an dem Fallout 76 es verpasst, mich vor allem durch neue interessante Missionen sowie abwechslungsreiche Events abzuholen und mir dann die Lust vergeht. Doch bislang bin ich gespannt, wie meine Karriere als Wiederaufbau-Verantwortlicher auf die scheinbar unausweichlichen Duelle mit den Scorched-Biestern hinausläuft, die im letzten Trailer angedeutet wurde und die enormes Zerstörungspotenzial besitzen. Angelockt von einem in der Ferne stattfindenden Kampf habe ich versucht, einen genaueren Blick auf das eindrucksvolle Level-50-Viech zu bekommen, das Zerstörung in Charleston im Südwesten anrichtete. Dummerweise bin ich dabei erst in einen Pulk Mutanten geraten, die ich zwar noch besiegen bzw. den restlichen entfliehen konnte. Doch dann bin ich direkt in den toxischen Atem des unvermutet über mir auftauchenden Biests geraten – was natürlich meinen sofortigen Tod bedeutete. Daher ist mein derzeitig langfristiges Ziel, eines dieser Mega-Monster zu besiegen. Ob mit oder ohne Gruppe, ist mir gerade schnuppe. Wie es mir dabei ging und die weitere Detail-Analyse spielmechanischer Elemente gibt es im nächsten Teil des Tests, der gegen Ende nächster Woche zu erwarten ist.

Vorläufiges Fazit vom 16.11.2018:

Auch angesichts der Erfahrung, die Bethesda in den letzten Jahren mit The Elder Scrolls Online gewinnen konnte, sind die ersten 15 Stunden in den postapokalpytischen Appalachen West Virginias ein zweischneidiges Erlebnis. Im Kern fühlt es sich mit seinem Explorationsfokus immer noch wie ein klassisches Fallout an – wenngleich ein gestutztes, da der Verzicht auf jegliche menschliche NPCs zu einer erstaunlichen Leere der Spielwelt führt. Auch in emotionaler Hinsicht, da die erzählenden Audiologs und Texte trotz interessanter Ansätze die Figuren nicht komplett ersetzen können. Und in zahlreichen Momenten habe ich auch Spaß; in erster Linie, wenn ich in einem der Dungeons Missionslinien folge und dabei nicht gerade von Bugs bis hin zu Serverabbrüchen gepiesackt werde. Doch anstatt diese Welt für 24 Spieler zu öffnen, die sich irgendwann auf der Karte verstreuen, wären die Mannen um Todd Howard nach bisherigem Empfinden besser bedient gewesen, das Geschehen auf eine vernünftige PvE-Kampagne zu konzentrieren, die mit bis zu vier, sechs oder auch meinetwegen acht Spielern kooperativ erlebt werden kann – mit entsprechenden Anpassungen des Schwierigkeitsgrades bei den Kämpfen. Denn dieses Konzept einer geteilten Online-Welt geht für mich bislang nur eingeschränkt auf. Es gibt kaum Anreize, sich mit anderen zu verbünden und Freundschaften zu schließen, die ideologisch für den Wiederaufbau Amerikas nötig wären. Zudem sorgen Lag-Probleme dafür, dass der Shooter in diesem Action-Rollenspiel nur ansatzweise den Reiz entfacht, den man bei den Offline-Fallouts verspürt. Dennoch bin ich neugierig, wie es weitergeht und welche Überraschungen noch auf mich warten. In der Hoffnung, dass diese größtenteils positiver Natur sind und in den nächsten Tagen mit eventuellen ersten Patches einige Probleme ausradiert werden, die den entstehenden Spaß torpedierten, vergebe ich bis hierhin gerade noch ein „Gut“.

Update 19.11. 2018 - Test, Teil 2:

Die Motivation bröckelt

Ein Wochenende und damit etwa 14 weitere Stunden später ist meine Figur bei Level 23 angekommen. Und meine Motivation hat spürbare Dellen hinnehmen müssen. Unter anderem, weil zwei harte Abstürze, die einen Neustart erforderten sowie ein gutes Dutzend weitere Disconnects  mich immer weiter dazu trieben, Fallout 76 links liegen zu lassen, bis sich ein erster Patch der Performance-Probleme annimmt. Die äußerten sich übrigens auch immer noch in einer höchst unzuverlässigen Bildrate, die mit zunehmender Spieldauer stärker wurden – irgendwo ein Speicherleck? Doch ich habe den postapokalyptischen Appalachen immer wieder eine Chance gegeben. Auch wenn dies bedeutete, dass ich manche der „täglichen“ Missionen oder die unter „Verschiedenes“ laufenden Quests neu starten musste, nachdem ich neu geladen habe – selbst, wenn ich eigentlich schon auf der letzten Etappe war und ein Kontrollpunkt gesetzt wurde. Dass zu allem Überfluss eine Questreihe im Norden, der ich bedingt durch die offene Spielstruktur erst spät, aber dafür relativ viel Zeit gewidmet habe, kaputt ist und nicht beendet werden kann, nervt ebenfalls. Vor allem, wenn dieser Fehler bereits in der Beta-Fassung auftauchte und den Entwicklern bekannt war.

Die Questlinie der Feueratmer gehört erzählerisch zu den besseren in Fallout 76.

Dafür bin ich jedoch auf zusätzliche Missionsreihen gestoßen, in denen ich mir wirklich wie in einem Offline-Fallout vorkam. Wie z.B. bei der Aufnahmeprüfung zu den Feueratmern, den Brandbekämpfungsspezialisten, der Grundausbildung im Armeelager und vor allem der mehrteiligen sowie über ein breites Stufenspektrum laufenden Aufgaben, die man für den Orden der Mysterien erfüllt. Hier war die Fallout-DNA so intensiv spürbar, dass ich mir wünschte, Bethesda hätte schon die angedeutete Option eingebaut, dezidierten Serverbetrieb für Solisten oder Teams mit Freunden zu ermöglichen. Und in diesen Momenten konnte ich viele der technischen Mankos ignorieren. Mit Ausnahme des Lags, der sich beim Kampf gegen Gegner, die sich in meinem Stufenbereichen befinden, enorm negativ auswirkt. Ich habe meine Bewaffnung auf Distanz ausgelegt. Doch wenn ich mir die Gegner nicht effektiv vom Hals halten kann, weil sie bedingt durch Lag noch einen Nahkampfangriff vom Stapel lassen, obwohl ich eigentlich ihren Ansturm gestoppt habe, ist das nervig und sorgt für übermäßigen und eigentlich nicht nötigen Verbrauch an Stimpaks. Die Gefühlshöhen und –Tiefen und damit auch der Einfluss auf die Motivation, durch die mich dieses Fallout jagt, sind enorm. Und die Heiß-Kalt-Schere klafft immer weiter auseinander.

Vom Gejagten zum Jäger

Okay. Auf mich wurde ein Kopfgeld ausgesetzt, weil ich bei der Selbstverteidigung eine Ecke eines Zauns von einem Spielercamp getroffen wurde...

Meine ersten Berührungen mit dem „Gesucht“-System habe ich ebenfalls gemacht. Und während ich nach wie vor überzeugt davon bin, dass dieses Konzept gut geeignet ist, um Angriffe von Spielern auf andere Spieler oder ihr Eigentum zu bestrafen, hat die Umsetzung nicht nur Schönheitsfehler, sondern ein paar grundsätzliche Probleme. Eigentlich wollte ich mit einer Alterniv-Figur ganz bewusst Attacken auf andere Spieler durchführen. Doch wie der Zufall es so wollte, musste ich mit meinem Hauptcharakter den „Gesucht“-Status erleben. Beim Wandern durch die Umgebung bin ich auf ein recht weit ausgebautes Camp eines anderen Spielers gestoßen. Und während ich das Gebäude sowie das Umfeld bewunderte, griff mich ein Rudel Verbrannter an – eigentlich kein Grund zur Beunruhigung. Wenn, ja wenn ich nicht bei einem Gegner einen Fehlschuss gesetzt hätte, der im Zaun der Spielerbehausung einschlug. Das Ergebnis: Es wurden zehn Kronkorken auf meinen Kopf ausgesetzt. Hallo, Bethesda? Das war Kollateralschaden. Hätte man mir nicht eine Warnung geben können, dass wiederholtes Attackieren der gegnerischen Strukturen (in diesem Fall ein verdammter Schutzzaun) zu einem Wanted-Status führt und ich sofort mein Feuer einstellen soll? In diesem Fall hätte ich natürlich versucht, die Ghoule wegzulocken. Doch sei es drum, hab ich halt ein Kopfgeld. Doch diese Naivität sollte mich ebenfalls teuer zu stehen kommen. Denn es gibt tatsächlich nur eine Gelegenheit, diesen Status loszuwerden: Durch Tötung seitens eines anderen Spielers. Ich habe versucht, mich von einer Brücke zu stürzen. Hat nicht funktioniert. Ich habe mich von einer Todesklaue töten lassen – eher unbeabsichtigt, aber dennoch eine interessante Erkenntnis, dass ich nach der Wiederauferstehung immer noch gesucht war.

Da ich aber nicht auf irgendeiner wichtigen Mission mit Spielerangriffen rechnen wollte, brauchte ich einen anderen Spieler, die mich ohne Gegenwehr töten würde. Abgesehen davon, dass die Emoji-Auswahl diese Aufforderung nicht hergibt, hat es beim ersten Versuch ebenfalls nicht funktioniert. Nach dem durch den Spieler herbeigeführten Tod wurde ich mit dem Gesucht-Status wiederbelebt. Was zum…? Und da es sich mitunter echt ziehen kann, bis man andere Spieler trifft, hat es unverhältnismäßig lange gedauert, bis ich endlich jemanden gefunden hat, der effektiv den Status entfernen konnte. Eventuell hätte Bethesda hier auch ein System finden können, bei dem nach X Stunden ohne Verfehlungen das Kopfgeld entfernt wird. Doch sei es drum. So dachte ich zumindest bis zu dem Punkt, an dem ich ebenfalls eher per Zufall in die Jagd auf einen Gesuchten eingebunden wurde. Denn er wurde von einem zweiten Spieler beschützt. Rein technisch/mechanisch läuft ja alles richtig: Ich greife den Gesuchten an und eröffne damit die Möglichkeit, auch selber zu Freiwild zu werden. Dass allerdings der Bodyguard, der augenscheinlich nicht den Gesuchten, sondern mich angreift und sich damit als Komplize outet, nicht ebenfalls als „Gesucht“ markiert wird, ist ein fieser Exploit, der auch stellvertretend für viele andere nicht konsistent arbeitende Spielsysteme steht, die mir in den letzten zwölf bis 14 Stunden die Laune verhagelt hat und die Bethesda sehr bald in den Griff bekommen muss, wenn man mich auch nur mittelfristig in dieser Spielwelt halten möchte. Ich gebe unumwunden zu, dass ich momentan viel lieber in den Wilden Westen von New Hannover, die griechische Antike oder das südamerikanische Solís abtauchen würde, als in diesen Appalachen auf Spielspaß-Suche gehen zu müssen.

Summe an Kleinigkeiten und der Super-GAU

Dank zu kleinen Inventars sowie eingeschränktem Lagerplatz im Camp wird die Rohstoff- und Munitions-Sammlung zu einer logistischen Herausforderung

Dass die persönliche Lagerkiste, auf die man auch von einigen anderen Stationen in der Welt Zugriff hat, mit einer Beschränkung von 400 Pfund auskommen muss, ist das eine und nervig genug, da dadurch das Spiel irgendwann zu einem Logistik-Manager verkommt, wenn man Munition, Stimpaks und Nahrung hin und her schiebt oder tatsächlich wegschmeißt. Dass dies durch technische Beschränkungen erklärt wird, kann ich nicht akzeptieren. Die Behältnisse in der Spielwelt werden doch ohnehin immer wieder aufgefüllt. Also kommt mir doch nicht damit, dass ihr beachten müsst, was ausgeschüttet wurde! Wieso kann mein Lagerplatz nicht unendlich sein? Oder dass die Perks, die bei meiner Figur dafür sorgen, dass dies oder jenes weniger wiegt, auch auf den Lagerplatz angewendet wird. So kann etwas, das im Figureninventar nur gut 40 Pfund wiegt, in der Box auf 120 anwachsen und sämtliche Logistik-Planungen zunichte machen. Oder ermöglicht mir zumindest 400 Gegenstände bzw- Stapel mit Rohstoffen als diesen faulen Kompromiss zu bieten, der zusätzlich aufzeigt, wie unfertig Fallout 76 ist. Im Offline-Fallout hatte ich mir die Freiheit genommen, für nahezu jede Kategorie wie Waffen, Rüstungen, Drogen, Nahrung etc. eigene Lagerkisten aufzustellen. Und hier darf ich in meinem Allzwecklager nicht mal alles unterbringen, was ich habe. Dass zudem die Ökonomie im Spiel fehlerhaft ist und im Gegensatz zu den Offline-Apokalpysen, ein fairer Tausch mit den Händlern nicht möglich ist, nervt ebenfalls. Ich kaufe von dem Handelsroboter ein Pack Aluminium für 180 Kronkorken. Er hat drei davon vorrätig. Theoretisch würde ich erwarten, dass der Preis für das nächste Pack ansteigt. Tut es nicht, ok. Dass allerdings von den 180 Kronkorken, die ich gezahlt habe, nur 35 bei ihm in der Kasse auftauchen und damit meine Optionen, mein Zeug bei ihm zu verkaufen, massiv einschränken, ist pure Inkonsistenz.

Doch ganz ehrlich: Bis hierhin hatte ich trotz aller Defizite immer noch einen gewissen Spaß an Fallout 76. Das kehrte sich jedoch in einem Moment in maximalen Frust. Nachdem ich einen Dungeon verlassen und zu meinem Lager zurückteleportieren wollte, musste ich feststellen, dass mein Camp weg war. Weg. Verschwunden von der Karte. Wo eigentlich ein Zelt den Fixpunkt meines Fallout-Lebens markieren sollte, war nichts. Okay, dachte ich. Vielleicht hat ein Spieler in den 20

Doch das ist nichts gegen die Erkenntnis, dass das mühsam aufgebaute und mit allerlei Zusätzen versehene Lager von der Karte radiert wurde - und zudem auch alle Bauten nicht eingelagert sind und daher kosten- sowie zeitintensiv neu errichtet werden müssen. Vielen Dank für nix.

Minuten, in denen ich im Dungeon war, mein Lager angegriffen und sich an den sechs Geschütztürmen vorbeigemogelt, die meine Werkbänke, meine Felder oder meine Wasser-Reinigungsanlage bewachten. Für den Fall hätte ich allerdings gerne eine Bildschirmanzeige, auf der mir gesagt wird, dass mein Lager angegriffen wird. Vielleicht gibt es die auch, auf jeden Fall wurde nichts angezeigt. Und ein Blick auf die Karte zeigte mir, dass auch kein Spieler mit Gesucht-Status unterwegs ist, der vielleicht bei einem Amoklauf mein Lager dem Erdboden gleich gemacht hat. Einen Angriff durch Monster schließe ich aus – das Lager wurde bewusst in einem Gebiet gewählt, in dem die sechs Geschütztürme mit allen Gegnern in der Umgebung (mit Ausnahme eines wild fliegenden Brandbiests) fertig werden könnten. Na gut, baue ich das Lager wieder auf. Immerhin werden ja z.B. bei einem Verlegen alle bereits hergestellten Werkbänke, Generatoren etc. eingelagert. Doch ein Blick in den „Gelagert“-Reiter zeigte mir… Gähnende Leere. Alles war weg. Alles. Stunden, in denen ich Rohstoffen hinterher jagte – alles umsonst. Vielen Dank für gar nix, Bethesda. Vielen Dank. Jetzt habe ich kein vernünftiges Lager mehr, nicht einmal ansatzweise genug Rohstoffe, um die Basics wieder aufzubauen (bei mir herrscht notorische Aluminium- und Klebstoff-Knappheit) und unter dem Strich auch keine Lust mehr, nochmal so viel Zeit zu investieren. Fallout 76 ist extrem kurz davor, mein Interesse komplett zu verlieren. Da spiele ich momentan lieber nochmal Fallout 4. Wenn der für heute angekündigte Patch nicht einige wesentliche Mankos behebt, wird Fallout 76 nicht mehr aus dem Ausreichend-Bereich rutschen, in den es sich gut eine Woche nach Release mit seinen fehlerhaften Inhalten manövriert hat. Eine Art Kompensation für das verschwundene Lager (da Serverdaten abgelegt werden, müssten derartige Unregelmäßigkeiten in meiner idealistischen Welt doch irgendwo in einem Logfile aufschlagen?) halte ich ohnehin für unrealistisch...

Vorläufiges Fazit vom 19.11.2018

Ich möchte wirklich Spaß mit diesem Fallout-Ableger haben, der sich als Online-Shooter mit Rollenspiel-Unterbau präsentiert. Und theoretisch kann ich Spaß in vielen Bereichen vom Lager-Bau bis hin zu teilweise richtig guten Missionen sowie der Jagd nach stets besserer Ausrüstung finden. Dem stehen jedoch teilweise gravierende sowie aus der Beta bekannte Bugs u.a. bei Missionen sowie Inkonsistenzen gegenüber, die deutlich machen, dass Fallout 76 in dieser Verfassung eigentlich nicht hätte veröffentlicht werden dürfen. Bildratenprobleme? Check, aber darüber könnte ich hinweg sehen. Lags? Check, allerdings nicht so leicht zu ignorieren, da im Zweifelsfall die Gegner einen Vorteil daraus ziehen. Das Strafsystem für asoziales Spielerverhalten? Eigentlich cool, aber in dieser Form einerseits zu unflexibel, andererseits sehr leicht aushebelbar, wenn sich ein Freund als Bodyguard bereithält, der keinen „Gesucht“-Status trägt und ihn auch nicht nachträglich erhält. Unregelmäßigkeiten mit der Ökonomie und dem Inventar-Gewicht nerven ebenfalls, können aber durch diszipliniertes hin und her schieben noch einigermaßen minimiert werden. Das alles hätte bei mir in der Summe für ein Absinken der bisherigen Einschätzung von "gerade noch Gut" (also 75% oder 76%)  auf ein „solides unteres Befriedigend“, (60 bis 62%) gesorgt – mit Option, dass der heute (19.11.) erscheinende Patch einige der Mankos aus der Welt schafft. Doch nachdem mein Lager nach der Rückkehr aus einem Dungeon komplett mit allem bisher Gebauten verschwunden war und vor allem auch nicht in der Einlagerung für den Wiederaufbau zur Verfügung stand, hat meine Motivation einen gewaltigen Dämpfer bekommen. So weit, dass ich fast schon keine Lust mehr habe. Daher kann davon ausgegangen werden, dass der Test noch gegen Ende der Woche finalisiert wird – es sei denn, Bethesda zieht irgendein As aus dem Ärmel, um den Turbolader für die Lust auf das Spiel zu zünden.

Update vom 22.11.2018 - Test, Teil 3:

Vergebliche Liebesmüh

Angesichts der Tatsache, dass der Patch annähernd so groß wie das ursprünglich installierte Spiel ist, sind die angedeuteten Performance-Auswirkungen nicht komplett spürbar. Ja: Es wirkt, als ob die Landschaft insgesamt flüssiger aufgebaut wird. Und die Serverabbrüche haben abgenommen. An den Lags oder den plötzlich aufploppenden Gegnern bzw. unbeteiligter Fauna hat sich aber immer noch nicht viel geändert. Und damit wird das V.A.T.S.-System  vollends von einem taktisch enorm wichtigen Werkzeug in den Auseinandersetzungen der Offline-Fallouts von Bethesda zu einem unberechenbaren Glücks- und Reaktionsspiel degradiert, so dass ich es irgendwann nicht mehr genutzt habe. Mit dem Patch wurden auch einige nervige Bugs behoben – allen voran die fehlerhafte Questreihe des Bürgermeisters von Grafton. Und nachdem mir der Support freundlich (aber bestimmt) mitgeteilt hat, dass mein verlorenes C.A.M.P. (wie von mir vermutet) nicht wieder hergestellt werden kann, habe ich mich auch mit diesem Gedanken angefreundet und ein paar Stunden mit der Sammlung von Rohstoffen verbracht, um wieder einigermaßen auf dem Stand vor dem Verlust zu sein.

Hier war noch alles gut: Das wieder aufgebaute Lager ist zwar noch nicht perfekt, aber bietet alle Crafting-Möglichkeiten und ist gut geschützt...

Natürlich habe ich in dieser Zeit auch ein paar weitere Missionslinien weiter verfolgt. Und obwohl die für die Atmosphäre wichtigen NPCs natürlich weiterhin fehlen, sorgen die Audiologs und die Texte in ihren besten Momenten annähernd für bekanntes Fallout-Spielgefühl. Auch die neuen Gebiete, die ich auf der Reise durch die postapokalyptischen Appalachen kennengelernt habe, konnten punktuell immer wieder dafür sorgen, dass sich Fallout 76 langsam, aber sich wieder der Grenze zwischen ausreichend und befriedigend näherte. Es gibt immer noch genug Mankos, die mir eine „gute“ Unterhaltung verderben: Wie z.B. die auch nach dem Patch inkonsistente Ökonomie, bei der Händler auf ihrem Konto nur einen Bruchteil der Kronkorken gutgeschrieben bekommen, die ich ihnen bei einem Kauf gebe – wodurch der Tauschfaktor von u.a. Fallout 4 komplett ausgehebelt wird. Oder auch das Kartensystem für die Figurenupgrades im Rahmen des S.P.E.C.I.A.L.-Systems. Es gibt zwar an den Levelfortschritt gekoppelte Kartenfreischaltungen, doch die zufällig gefüllten Packs, die bei jedem Fünfer-Level verteilt werden, lassen mir keine Chance, mich gezielt zu verbessern. Ich warte ewig und drei Tage, um die Karten zu bekommen, damit ich meinen Hacken-Perk auf die Maximalstufe bekomme. 

Das Fass läuft über

Immerhin muss man dem System zu Gute halten, dass man jederzeit die Kartenzusammenstellung ändern darf. So kann man sich zwar auf besondere Situationen einstellen. Doch ein vollwertiger Ersatz für eine komplett vom Spieler vorgegebene Figurenentwicklung ist das nicht. Und noch während die Wertung je nach Missionsqualität, und Lag-Intensität sich irgendwo zwischen 55 und 65 einpendeln sollte, passierte etwas, was in mir nicht einmal mehr Frust und Wut, sondern schlichtweg nur noch Resignation auslöste. Nachdem meine Camp-Position offensichtlich in einem Einzugsgebiet für in der Nähe angesiedelte Super-Mutanten lag, hatte ich die glorreiche Idee, den Standort um gut 50 oder 70 Meter zu verschieben, damit sie mein Lager nicht mehr angreifen – oder zumindest die Chance darauf zu reduzieren. Es war zwar gut geschützt und ich habe auch die Gunst der Stunde genutzt, um den beständigen Einnahmestrom durch die in regelmäßigen Abständen vor den

... nach einem Umbau ca. 50 Meter entfernt war das Lager, in dem eigentlich die bislang errichteten Bauten, Mobiliar etc. bei einem Umzug aufbewahrt werden, erneut leer. Nicht zum ersten Mal. Und damit hatte ich genug von diesem Fallout 76, bei dem essenzielle Mechaniken mit schwerwiegenden Bugs die Motivation ins Nirwana prügeln.

Geschütztürmen liegenden Opfer zu optimieren. Doch auf Dauer war es nervig, alle Nase lang und ggf. beim Craften und Sortieren des Inventars angegriffen zu werden.

Gesagt, getan: Das Lager kurzerhand verschoben und dann war es soweit. Alle bis hierhin erstellten Lagerbauten waren wieder weg - alle Werkbänke, alle Wasseraufbereiter, alle Generatoren. Alles. Betten, Geschütztürme, Regale, meine Truhe. Alles. Und damit machte sich keine Aggression in mir breit. Das war vor ein paar Tagen. Jetzt fühlte ich einfach… gar nichts. Es war mir egal. Eine Serie, in der ich seit ihrer Auferstehung im Jahr 2009 offline hunderte Stunden investiert und emotionale Verbindungen zur Spielwelt und einzelnen Figuren darin aufgebaut hatte, hat mich schlichtweg verloren. Mit Bugs. Mit Inkonsistenzen. Mit einem Spielkonzept, das zwar versucht, die Essenz von Bethesda Offline-Fallouts in eine Online-Welt zu packen, aber krachend scheitert, da die schwache Technik mitsamt ihrem unzureichenden Netzcode nicht einmal in der Lage ist, eine Spielwelt mit 24 Spielern ohne Probleme darzustellen. Dementsprechend hat sich meine Enttäuschung in argen Grenzen gehalten, als ich bei einem weiteren Einloggen feststellen musste, dass mein Camp wieder weg war – vermutlich verdrängt von dem Bau eines anderen Spielers, der sich mit dem Standort meines Lagers überlappte. Bei der Weltauswahl achtet Fallout 76 offensichtlich nicht einmal darauf, ob die Standorte von Spielercamps miteinander kollidieren. Aber wisst ihr was? Es ist mir egal.  Man kann Bethesda-Rollenspielen sicherlich viel vorwerfen. Doch sowohl Skyrim als auch Fallout 3 oder 4 haben die Mankos durch inhaltliche Qualität aufgefangen. In Fallout 76 steht dies jedoch in einem krassen Missverhältnis. Mein Tipp an Bethesda: Repariert, was ihr könnt, damit zumindest zukünftige Spieler in vielleicht einem halben Jahr oder Jahr ein einigermaßen gutes Spiel vorfinden. Und hofft inständig, dass der Schaden, der durch dieses marode Machwerk der Marke zugefügt wurde, eine nur geringe Halbwertszeit besitzt. Immerhin scheinen mit Elder Scrolls 6 und vor allem Starfield die Bethesda Game Studios für die nächsten Jahre ausgelastet zu sein, so dass die vielleicht acht bis zehn Jahre zum nächsten richtigen Singleplayer-Fallout ausreichen könnten, damit die Spieler dieses Desaster vergessen.

Fazit

Das Experiment „Online-Fallout“ ist gescheitert. Zumindest im gegenwärtigen Zustand ist Fallout 76 nicht mehr als ein unfertiges Action-Spiel mit drögem Rollenspielunterbau sowie aufgezwungener Mehrspieler-Anbindung, das vergeblich versucht, die Essenz der postapokalyptischen Rollenspiel-Abenteuer in ein neues Gewand zu stecken. Es ist technisch marode und auch nach dem ersten Patch noch enorm laggy, wodurch der Shooter natürlich ad absurdum geführt wird. Es gibt mehr als genug Inkonsistenzen, die das Spielgefühl nachhaltig stören und zu denen u.a. der unnötig beschränkte Platz der Lagerkiste gehört oder der erzwungene Verzicht auf NPCs, der die Atmosphäre kippen lässt. Dass zudem fiese Bugs in unterschiedlichen Bereichen auftauchen, ist mehr als nur ärgerlich und sorgt auch dafür, dass das Erzählen einer Geschichte über die Umgebung, eigentlich eine der Stärken der Bethesda Game Studios, hier nur selten zur Geltung kommt. Und dennoch übt diese Postapokalypse einen Reiz auf mich aus, da die Essenz der Offline-Fallouts in entscheidenden Momenten immer wieder durchscheint und einen bei der Stange hält – als Folge wäre eine Wertung irgendwo im Bereich zwischen 57 und 62 Prozent möglich gewesen. Doch nachdem mein Lager mehrfach von der Karte verschwand und in einem Fall die bereits gebauten Inhalte nach einem Umzug erneut aus dem „Gelagert“-Reiter verschwanden, wird damit eines der vier auf der Packung beworbenen Kernelemente nicht nur gestört, sondern de facto unbrauchbar. Sprich: Ein wesentliches Element ist schlichtweg kaputt. Auch die vorhandenen richtig guten Missionslinien werden auf Dauer von mechanischen oder technischen Fehlern gestört. Wie groß der Schaden ist, den Fallout 76 der Marke per se zufügt, lässt sich nicht absehen. Doch nach fast 50 Stunden investierter Zeit war ich einem Bethesda-Spiel gegenüber noch nie so gleichgültig.


Zweites Fazit von Jörg Luibl:


Bethesda kann sich dieses seltsam vergeigte Online-Experiment leisten. Neben Rage 2 sind da ja noch ein The Elder Scrolls VI und ein Starfield in der Pipeline - zumindest zwei epische Rollenspiele für Solisten. Und genau für diese Art von Spieldesign habe ich mal eine Lanze für Bethesda gebrochen. Trotzdem muss das Team um Todd Howard aufpassen: Wenn selbst ein erklärter Fan dieser Rollenspiele vergrault wird, obwohl er noch betonte, dass man tatsächlich einsame Wölfe wie mich ansprechen will, stimmt etwas nicht zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Mal abgesehen vom Image-Schaden wächst nämlich auch die Skepsis hinsichtlich der zukünftigen Qualität. Man fragt sich, wie Bethesdas Abenteuer angesichts eines Red Dead Redemption 2 oder Cyberpunk 2077 künftig abschneiden? Kann dieser "größte unabhängige Entwickler", dem ich so viele unterhaltsame Stunden verdanke, auch so reifen wie ein Rockstar oder CD Projekt RED? Ich habe Fallout 4 geliebt, aber kann mit dieser halbgaren Mischung absolut nichts anfangen. Mein Lager ist übrigens nicht verschwunden. Aber dafür ganze Questreihen. Manche konnte ich partout nicht beenden. Das oberflächliche Koop- und Versus-System hat mich komplett gelangweilt. Ohne Nicht-Spieler-Charaktere und Begleiter wirkte alles wie entseelt. Und spätestens als ich mich im Kampf durch dahin ruckelnde Feinde stottern musste, verlor ich den Spaß an dieser fehlerverseuchten Endzeit. Dagegen wirkt Destiny wie ein durchdachtes Shooter-Epos! Das Beste an diesem Fallout 76 ist, dass sich in ein paar Monaten niemand mehr dafür interessieren wird. Und dass Bethesda aus diesem Fehler lernen kann.

Pro

Essenz der Offline-Fallouts scheint immer wieder durch
durchaus interessante Survival-Aspekte...
einige gelungene Questlinien
große Spielwelt
umfangreiches Crafting-System
mobiles Camp

Kontra

in dieser Form unbrauchbares Echtzeit-V.A.T.S.
... die aber sehr oberflächlich bleiben
schwere Bugs (u.a. dauerhaft verschwindende Campinhalte)
inkonsistente Ökonomie
überflüssige Mehrspieler-Komponente
PvP mit Bodyguard-Exploit
Lags stören das Spielgefühl bei Auseinandersetzungen massiv
Serverabbrüche
kartenbasiertes Fähigkeiten-System macht gezieltes Hinarbeiten auf Perks schwer
unzeitgemäße Kulisse
Verzicht auf NPCs sorgt für Atmosphäre-Verlust
nur noch der Schatten seines Fallout-Selbsts

Wertung

XboxOne

Selbst wenn alles einigermaßen funktionieren würde, wäre gegenwärtig maximal eine befriedigende Wertung drin. Doch mit schwer wiegenden Bugs und den Shooter zerstörenden Lags ist dieses Fallout 76 vor allem eines: absolut unfertig..

PC

Selbst wenn alles einigermaßen funktionieren würde, wäre gegenwärtig maximal eine befriedigende Wertung drin. Doch mit schwer wiegenden Bugs und den Shooter zerstörenden Lags ist dieses Fallout 76 vor allem eines: absolut unfertig.

PlayStation4

Selbst wenn alles einigermaßen funktionieren würde, wäre gegenwärtig maximal eine befriedigende Wertung drin. Doch mit schwer wiegenden Bugs und den Shooter zerstörenden Lags ist dieses Fallout 76 vor allem eines: absolut unfertig.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt Käufe nur für optionale Kosmetik wie Farben, Skins, Kostüme etc.
  • Man kann sich keine Vorteile im Wettbewerb oder der Karriere verschaffen, kein Pay-to-win.
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Kommentare

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