Astro Bot Rescue Mission08.10.2018, Jan Wöbbeking

Im Test: Kleiner Bot - Riesenspaß!

Sony versetzt PSVR-Besitzer mitten ins Geschehen: In Astro Bot Rescue Mission (ab 32,53€ bei kaufen) schwebt der Spieler durch eine bunte Plattformwelt und muss sich immer wieder umschauen, damit er den kleinen Rettungsroboter sicher durch alle Winkel, versteckte Grotten und Fallen steuert. Ein Kniff, der bemerkenswert gut funktioniert.

Dieses Kribbeln im Bauch...

Manchmal spürt man es einfach. Auch als abgebrühter Spieleredakteur im Jahr 2018. Dieses Gefühl, etwas vor sich zu haben, das man so noch nicht erlebt hat – und das auch noch so bemerkenswert gut und flüssig funktioniert, dass man einfach nicht mehr aufhören kann. Ähnlich wie bei Super Mario 64 im Jahr 1996 mit seiner neuartigen Perspektive. Auch hinter Astro Bot steckt ganz offensichtlich ein talentiertes Team, das nach zahlreichen Experimenten ein Spieldesign ausgetüftelt hat, das ideal zur neuen Technik passt – und Probleme wie Übelkeit elegant umschifft.

Spielt am besten auf einem Stuhl statt im Sofa zu versacken, damit ihr euch ordentlich umschauen könnt.

Als erstes fällt natürlich die charmante aufgedrehte Präsentation auf, wenn die hyperaktiven Knuddelroboter um den Spieler herumwuseln. Nachdem ein fieses grünes Alien ihr Schiff zertrümmert und ihre magische VR-Brille geklaut hat, hilft man natürlich gerne aus und begibt sich auf eine Rettungsmission nach verstreuten Robotern und Schiffsteilen. Nicht gerade eine komplexe Geschichte (die zudem ohne Sprache auskommt), aber sehr charmant animiert.

Ein erhebendes Gefühl

Wie bereits erwähnt, thront man als Spieler in der Mitte der Levels und schaut sich frei in alle Richtungen um. Mit dem Analogstick des gewöhnlichen PS4-Controllers steuert man währenddessen den Roboter durch sein dreidimensionales Jump-n-Run mit linearen Levels. Sobald er einige Meter gemeistert hat, schwebt auch der Spieler ein Stückchen mit nach vorne – wie auf unsichtbaren Schienen. Die Handhabung des Roboters bleibt einsteigerfreundlich: Er kann springen, ein Stückchen schweben und Gegner unter ihm mit den spitzen Düsen-Flammen erledigen. Für den Nahkampf beherrscht er einfache Schläge und eine kräftige Dreh-Attacke – das war's auch schon.

Das Spielgefühl mit seinen linearen Levels und zahlreichen Seitenpfaden erinnert ein wenig an Super Mario Galaxy.

Die Finesse des Spiels liegt allerdings nicht im Moveset des Roboters, sondern in der Einbindung des Spielers: Nur wer sich gründlich in alle Richtungen umschaut, entdeckt alle verwinkelten Grotten, versteckten Schalter und Mechanismen. Manchmal zertrümmert man sogar persönlich mit dem Kopf eine Wand oder köpft einen tödlichen Fußball zum Absender zurück. Eine wichtige Rolle spielen die Upgrades für den Dual-Shock-Controller, den man auch in der virtuellen Welt stets vor sich sieht. Mit der Harpune etwa schießt man auf Felshaken, um ruckartig einen Durchgang ins Gebirge zu reißen - oder um ein Seil zu spannen, über das Astro Bot balancieren kann. Ein schwungvoller Stoß nach oben und schon wird er vom Drahtseil in die Höhe auf eine Felsnadel geschleudert – praktisch!

Die Qual der Wahl

Währenddessen wuseln allerlei putzig designte, aber wütende Kopffüßer auf dem Weg herum, an denen man den Helden vorbei lotsen muss. Entweder durch eine seitliche Seilbewegung, einen Sprung oder eine Attacke: Oft entscheidet man selbst, auf welche Weise man die eigenen Bewegungen mit denen des Bots kombiniert. Auch beim Einsatz der Ninja-Sterne kommt es auf die Koordination an. Einfach mit dem Cotroller auf ein Holzbrett zielen, nach vorne über das Touchpad wischen – und schon bleibt der Wurfstern im Holz stecken, wo er als Plattform dient. Vergesst dabei aber nicht, auf die Gegner zu achten, die mit ihren ausfahrbaren Stacheln zum Roboter wackeln oder fliegen. Natürlich dienen die Wurfsterne auch der Zerstörung. Nach der Überquerung eines idyllischen Tümpels mäht man z.B. eine aufgetürmte mechanische Raupe Scheibe für Scheibe nieder, damit sie dem Helden nicht mehr mit ihrer rotierenden Stachelscheibe gefährlich wird.

Das Harpunen-Gadget...

Während der Blick umherwandert, ist immer wieder Multitasking gefragt: Werfen, Springen, ein paar Gegner abwehren, rechtzeitig von der abstürzenden Plattform hüpfen – ein Riesenspaß! Nebenbei sollte man in all dem Gewusel auch die Ohren offen halten, um keine verschütteten Bots zu übersehen. Hört man rechts neben dem Kopf einen piepsenden Hilfeschrei, könnte ein versprengter Verbündeter im Felsmassiv stecken. Einfach ein wenig den Kopf senken, um von unten in die Schlucht zu spicken – und tatsächlich: In einem Hohlraum kauert ein zitternder Bot. Manchmal lümmeln sie auch einfach am Rande des Weges auf einer Strandliege oder müssen mit Hilfe diverser Mechanismen aus ihrem Käfig befreit werden.

Wasser Marsch!

Oft spielt dabei auch die Wasserspritze eine Rolle, mit der sich Tümpel und Becken manipulieren lassen; später kommen noch weitere Gadgets hinzu. Wir verraten euch lieber nicht zu viele Einzelheiten. Die Überraschungen und Experimente gehören schließlich zu den schönsten Momenten im Spiel.

...und der Ninja-Stern lassen sich direkt vom Touchpad des Dual-Shock-Controllers aus abschießen.

Die an den Controller angeflanschten Multifunktionswerkzeuge kommen auch in den Gefechten gegen gigantische Bosse zum Einsatz, deren Ausmaße in VR besonders gut zur Geltung kommen. Mal lässt man den Oberkiefer eines mechanischen Riesenaffen auf den Boden krachen, um ihm die Zähne aus dem Mund zu prügeln, später hüpft man im Bosskampf sogar über mehrere Plattformen, um einen pickwütigen Vogel zu einem tückischen Untergrund zu locken. Die Gefechte sind allesamt schön ausbalanciert und liegen wie der Großteil des Spiels auf einem gemütlichen mittleren Schwierigkeits-Niveau. Damit man unterm Headset nicht unnötig gestresst wird, sind die zahlreichen Checkpoints sehr fair verteilt und die Menüführung einfach gehalten.

Lust auf eine Herausforderung?

Etwas knackiger wird es später in den zusätzlichen Challenge-Levels, in denen man in Bestzeit durch Hindernisparcours sprintet, Raupen zerbröselt oder sich erneut an Bosskämpfen versucht. Diese Herausforderungen wirken grafisch nicht ganz so aufwändig wie die Kampagne, bieten aber eine schöne Ergänzung, wenn man nach nur knapp fünf Stunden die Story beendet hat. Je nach Können sorgen die Challenges danach noch für einige unterhaltsame Stunden. Schade, dass die Entwickler nicht an eine weltweite Bestenliste gedacht haben. Vermutlich war das Team bereits mit dem Feintuning der Mechaniken stark ausgelastet. Sie greifen schließlich bemerkenswert gut ineinander und passen prima zu VR, ganz ohne Übelkeit zu verursachen. Von einer kurzen Aufzugfahrt abgesehen zeigte sich mein empfindlicher Magen hier nicht im Geringsten beeindruckt – nicht einmal, als ich rund hundert Meter in die Tiefe stürzte!

Die knackigeren Challenges werden von einem Chameleon freigeschaltet, das in jedem der Levels versteckt ist. Einfach das Geheimversteck freilegen, hinschauen - und schon hat man ein Level mehr.   

Auch in anderen Problembereichen der Technik haben die Entwickler tolle Lösungen entwickelt. Trotz des veralteten Tracking-Systems der PlayStation-Kamera geht die Bewegungssteuerung meist präzise von der Hand, zumal sie schön mit der klassischen Roboter-Steuerung per Stick kombiniert wurde. Die vorgegebene Position passt ebenfalls prima ins Konzept: Da sich der Spieler lediglich an seinem festen Platz umschauen kann, statt die Kamera zu manipulieren, schaffen es die Entwickler fast immer, die Aufmerksamkeit in die passende Richtung lenken.

Clevere Regie

Zusätzlich hat man aber rechts, links, oben und unten viel Platz, um mit Astro Bot die Umgebung zu erkunden. Eine geschickte Kombination aus dem geschliffenen Gefühl eines linearen Abenteuers und kleinen Entdeckungstouren! Einen Schönheitsfehler besitzt die Kameraführung trotzdem. Wenn man etwas übersehen hat und gerne noch einmal zurücklaufen würde, hat man Pech gehabt: Dann lassen sich die Pfade hinter dem Spieler oft nicht mehr richtig einsehen.

Nur keine Angst...

Lucky's Tale für Oculus Rift deutete bereits an, welche Richtung ein derartiger Plattformer in VR einschlagen könnte. Doch Astro Bot wirkt in jeder Hinsicht deutlich ausgefeilter, zumal der Ausflug nicht mit nerviger Fleißarbeit gestreckt wirkt. Wer nicht blindlinks durch die Levels hetzt und die Augen offen hält, hat schnell genügend Bots gefunden, um spätere Welten freizuschalten. Viel Liebe ist auch in die grafische Umsetzung geflossen. Die Reise führt über idyllische Wiesen in den Wolken, auf den Gruselfriedhof und über gefährlich brodelnde Lavabecken. Die wogende See wirkt mit ihrer Wellendarstellung und zahlreichen Lichtreflexionen so authentisch, dass wir manchmal intuitiv die Luft angehalten haben, sobald der Kopf unter Wasser ging.

Lebendige Technik

Die Bots, Gegner und sogar Blumen am Rand haben nicht nur viele putzige Animationsphasen bekommen, sondern reagieren auch oft auf den Spieler. Astro Bot winkt ihm immer wieder zu – oder packt selbst ein VR-Headset aus, wenn er zu lange allein gelassen wird. Auch die Bosse starten zwischen ihren Angriffs-Phasen derart viele Slapstick-Einlagen, dass man sich mitunter wie in einem Animationsfilm fühlt. Von der Physik-Engine bewegte Objekte lassen die Welt ebenfalls sehr lebendig wirken. Das bunte Treiben bleibt dabei stets perfekt sauber und flüssig. Besitzer einer Standard-PS4 müssen allerdings damit leben, dass die dynamische Auflösung in hektischen Situationen mit vielen Figuren oder Wassereffekten einige Sekunden lang sinkt, um die Bildrate zu halten. So wird es manchmal ein wenig unschärfer als auf der PS4 Pro, auf der das Bild allgemein einen Deut detailreicher und farbkräftiger wirkt. Vermutlich kommt auf der Pro allgemein eine höhere Supersampling-Stufe zum Einsatz. Von augenschonenden Details abgesehen hat man auf der Standard-PS4 aber genau so viel Spaß am Spiel.

Zeit für einen Boss...

Für gute Laune sorgt zudem der hyperaktive Soundtrack mit seinen Scratches, Sprachsamples und Vocoder-Melodien, die noch lange im Ohr hängen bleiben. An ruhigen Orten wie verlassenen Grotten scheut sich die Musikuntermalung aber nicht, auch mal komplett zu verstummen oder entsprechend mysteriöse Töne anzuschlagen. Zur Belohnung für den Hüpfmarathon gibt es im Bot-Raumschiff übrigens allerlei plastische Modelle aus dem Spiel zu gewinnen, die sich schön vor den eigenen Augen um die eigene Achse drehen lassen.

Lebendige Modelle

Nach dem Auspacken werden sie automatisch im Holodeck des Schiffs platziert, so dass man durch eine lebendige Minaturwelt der bekannten Levels hüpfen kann – eine nette Zugabe. Weniger nett ist der Umstand, dass man die Kapseln mit den Modellen erst mühselig aus einem Ufo-Catcher-Automaten mit Greifarm fischen muss – typisch Japan!

Fazit

Endlich hat es jemand geschafft: Ein VR-Spiel, das nicht nur Perspektiven eröffnet, sondern auch noch rundum geschliffen und ausgefeilt wirkt! Astro Bot Rescue Mission vermischt den klassischen 3D-Plattformer mit vielen coolen Gadgets, die den Spieler schön ins Geschehen versetzen: Vom Controller aus verschießt man Ninja-Sterne, einen Wasserstrahl oder spannt Seile, während man gleichzeitig per Stick mit dem Roboter durch die Welt spaziert und auf Gegner einprügelt – eine ungemein spaßige Kombo! All das greift so bemerkenswert gut ineinander, sieht so knuffig aus und läuft technisch so sauber, dass man förmlich spürt, wie viel Liebe und Aufwand ins Spiel geflossen ist! Durchdacht ist auch die Art, wie man den Spieler mittig auf unsichtbaren Schienen durch die Kulisse bewegt. So behält die Regie viel Einfluss aufs Spieltempo und ermöglicht trotzdem spannende Erkundungstouren in verwinkelte Grotten und Gerüste in den Randbereichen. Der Umfang der Story geht mit knapp fünf Stunden noch in Ordnung. Es macht schließlich auch hinterher noch Spaß, sich in kniffligeren Challenge-Levels zu verbeißen oder mit den interaktiven Modellen herumzualbern. Dann machen sich auch kleine Macken wie fehlende Bestenlisten oder die unter Zeitdruck nicht immer 100% präzise Bewegungssteuerung bemerkbar. Astro Bot Rescue Mission ist der rundeste und durchgehend spaßigste VR-Titel, der mir bislang untergekommen ist! Glückwunsch an Sonys Japan-Studio und ASOBI! Team für das erste VR-exklusive Spiel mit einer Platin-Wertung.

Pro

ideal auf VR zugeschnittener Mix aus Plattforming und Controller-Gadgets
bemerkenswert gut abgestimmte und polierte Spielmechaniken
cooles Mittendrin-Gefühl, während die Figuren um einen herumwuseln
knuffig designte Mini-Roboter und Mech-Gegner
detailverliebte Animationen
Figuren reagieren oft auf den Spieler oder interagieren sogar mit ihm
griffige Steuerung
faire Checkpoints
farbenfrohe, abwechslungsreiche Welten
plastische Beleuchtung
auch aus der Nähe meist detailreiche Texturen
überzeugende Wasserdarstellung
aufgekratzte, gutgelaunte Ohrwurm-Melodien
coole interaktive Modelle zur Belohnung

Kontra

Kameraposition lässt sich nicht mehr zurückbewegen, wenn man etwas verpasst hat
keine weltweiten Bestenlisten für Challenge-Levels
Belohnungs-Modelle werden mit nervigem Greifarm-Automaten freigeschaltet

Wertung

PlayStationVR

Unheimlich charmanter und ideal auf VR zugeschnittener Mix aus 3D-Plattformer und spaßigen Gadgets.

VirtualReality

Unheimlich charmanter und ideal auf VR zugeschnittener Mix aus 3D-Plattformer und spaßigen Gadgets.

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