Driv3r22.06.2004, Mathias Oertel
Driv3r

Im Test:

Es ist soweit: Mit Driv3r (ab 10,00€ bei kaufen) steht eines der am sehnlichsten erwarteten Spiele dieses Jahres in den Regalen. Doch hat sich die Wartezeit gelohnt? Kann Teil 3 das eher unrühmliche zweite Abenteuer von Undercover-Cop Tanner vergessen lassen? Und schafft es Reflections nach Stuntman einen Titel zu produzieren, der nicht nur von der Technik lebt? Fragen über Fragen, deren Antworten ihr im Test findet!

Ein kurzer Blick zurück

Die meisten von euch werden sich vermutlich noch an den ersten Teil der Driver-Serie erinnern: In einer Zeit, als die GTA-Serie noch aus der Vogelperspektive gespielt wurde, hat das Team von Reflections auf PSone und PC bereits lebendige 3D-Städte gezaubert, in denen der Undercover-Cop Tanner böse Buben gejagt hat.

Der zweite Teil, der der PSone vorbehalten blieb, konnte die Euphorie nicht ganz fortsetzen: Das Gameplay wirkte im Detail nicht schlüssig und die eingeschränkten technischen Fähigkeiten der ersten Sony-Konsole konnten mit den hehren Ansprüchen des Entwicklerteams nicht mithalten. Ergebnis: Verkaufserfolg, aber dennoch enttäuschte Fans.

Spektakuläre Verfolgungsjagden mit über 70 Fahrzeugen warten auf euch.

(PS2)

Tanner ist wieder da

Angesichts seiner nicht immer gesetzeskonformen Vorgehensweise ist es verwunderlich, dass der Undercover-Cop immer noch im Einsatz ist. Doch scheinbar ist er der einzige, der Calitas Autoschieberbande Einhalt gebieten kann. Und so macht er sich im Namen der Gerechtigkeit auf, um in Miami, Nizza und Istanbul der adretten Antagonistin und ihren Helfern das Handwerk zu legen. Dass dabei sowohl die Schrottplätze als auch die Friedhöfe in den entsprechenden Städten wegen Überbelegung schließen müssen, ist zwangsläufig...

Zugegeben: Die Story ist ein Sammelsurium bekannter Filmanspielungen.    __NEWCOL__Doch bei einem Titel, der sich als Vorbild die heißen Verfolgungsjagden bekannter Zelluloidstreifen auf die Fahne geschrieben hat, erwartet man eigentlich auch nichts anderes. Und immerhin wird die Story packend genug erzählt, um bei der Stange zu halten.

Teilweise kann die Umgebung formschön in alle Einzelteile zerlegt werden.

(Xbox)

Back to the Roots

Mit nahezu allen Gameplay-Elementen zeigt Reflections, dass man sich mit Driv3r eher am grandiosen ersten Teil orientiert als an der missglückten Fortsetzung. Allerdings hat man die heißen Verfolgungsjagden, die man in Driver kennen und schätzen gelernt hat, um das Element "Zu-Fuß-Action" ergänzt, wie es auch z.B. in der GTA-Serie und True Crime geboten wird.

Und dieser Schuss geht teilweise nach hinten los. Denn für ein Spiel, das sich heißen Verfolgungsjagden im Hollywood-Stil verschrieben hat, hat man über die Kampagne hin das Gefühl, dass der Fahrspaß zu kurz kommt.

Nach Angaben von Reflections Martin Edmondson soll das Verhältnis etwa 75 Prozent Fahren und 25 Prozent Missionen zu Fuß sein.

Doch die gefühlte Relation beträgt in etwa 50:50. Was an sich ja nicht schlecht wäre, wenn man der Third-Person-Action mit ihren Feuergefechten mehr Substanz gegeben hätte. Doch die Gegner verdienen den Begriff Intelligenz nicht, die Steuerung ist extrem haklig, das Bewegungsrepertoire recht eingeschränkt und die Zielhilfe gnadenlos schlecht.

   

Man merkt deutlich, dass Reflections mit der Darstellung von Fahrzeugen, ihrem Fahrverhalten und spektakulären Crashes mehr Erfahrung hat als mit handfester Action.

Die Xbox-Fassung sieht insgesamt besser aus, kämpft aber mit den gleichen Problemen wie der PS2-Kollege.

(Xbox)

Doch trotz der Mankos empfindet man die Abwechslung, die die Ballereien zu Fuß mit sich bringen, als willkommene Abwechslung. Wenn man sich allerdings vorstellt, dass die Gunfights eine ähnliche Intensität erreichen könnten, wie sie die letzten Fahrabschnitte in Istanbul bieten, weint man den vertanen Chancen hinterher.

Hollywood-Style

Bei den diversen Ausritten im Sattel zahlreicher Vehikel (insgesamt gibt es über 70 Fahrzeuge im Spiel) zeigt sich jedoch der alte Glanz der Driver-Serie: Angefangen von den spektakulären Crashs bis hin zum Fahrverhalten, das wie gehabt keinen Anspruch an totalen Realismus erhebt, sondern sich deutlich an einschlägigen Filme orientiert, lässt man altbekannte Muskeln spielen.

So richtig schätzen lernt man das Fahrverhalten allerdings erst in den Fahrspielen, die separat anwählbar sind und in denen ihr mal als Verfolger, mal als Verfolgter unterwegs sein könnt oder ganz einfach in den drei Städten Checkpoint-Rennen usw. durchführt.

Denn obwohl drei Städte mit insgesamt mehr als 250 km kartografierter Strecke (plus Nebenstraßen) zur Verfügung stehen, bekommt man in der linear ablaufenden Story nicht viel davon mit.      __NEWCOL__Denn hier heißt es knallhart, Missionsziele zu erfüllen und keine Zeit mit dem Touristendasein zu verbringen.

Das Design dreht sich zwar meist um ein gut kaschiertes Zeitlimit (statt eines Counters zeigt z.B. ein Lebensanzeiger der Geisel, wie viel Spielraum ihr noch habt, um ans Ziel zu kommen), doch kleine Variationen wie eine Hommage an Speed (Bombe im Auto detoniert unter 50 Meilen pro Stunde) und Abstecher in den Rail-Shooter (ihr müsst auf einem fahrenden LKW mit Waffen die Gegner davon abhalten, euch zu rammen) sorgen für Abwechslung.

Alle Elemente aus Driv3r sind auf diesem Bild festgehalten. Der Shooter-Part kann allerdings nur eingeschränkt überzeugen.

(PS2)

Doch auch wenn die straff erzählte Story keine Abstecher duldet und auf Grund ihrer Erzählweise auch deutlich an Spannung einbüßen würde, wünscht man sich ganz einfach nur Aufgaben, in denen man die Gelegenheit hat, etwas von der Stadt zu sehen.

Filmemacher

Der Anspruch, eine moderne Umsetzung bekannter Hollywood-Klassiker wie French Connection zu sein, erhält durch den wieder eingeführten Regisseur-Modus, zusätzliches Futter.

Vor allem bei den Ausflügen im Freifahrt-Modus oder den Fahrspielen bieten sich spektakuläre Szenen, die man für die Nachwelt festhalten kann – je nach Häufigkeit von Lenkbewegungen können gut zehn Minuten Verfolgungsjagd im Speicher gehalten werden.

Doch nicht nur das: In einem einfach zu bedienenden Menü könnt ihr Kameraperspektiven festlegen und den Film dann auf Memory Card (PS2) bzw. Festplatte (Xbox) abspeichern.

     

Auf der Xbox gibt es zusätzlich noch die Möglichkeit, die selbst erstellten Meisterwerke über Xbox Live der Öffentlichkeit anzubieten.

Alleine diese Möglichkeit dürfte für viele ein Grund sein, Driv3r nach dem Durchspielen der Kampagne (Dauer: ca. acht bis zwölf Stunden) nochmals aus dem Schrank zu holen.

Mit dem einfach zu bedienenden Regisseur-Tool könnt ihr spielend einfach eigene Mini-Filmchen erstellen.

(Xbox)

Am falschen Ende gespart

Eines muss man Reflections lassen: Die Rendervideos, die euch durch die Geschichte führen sind klasse. Gut geschnitten, hochwertig produziert und im Stil einschlägiger (britischer) Filme gehalten, sorgen sie umgehend für Stimmung. Gleiches gilt für die Wiederaufnahme der Kampagne: In einem kleinen "Was bisher geschah" bekommt ihr einen Überblick über die bis zur aktuellen Aufgabe erzählten Story, der zudem noch famos geschnitten wurde.

Diese Atmosphäre kann von der Spielgrafik jedoch nur eingeschränkt aufgebaut werden. Die Fahrzeuge als Hauptdarsteller sehen verteufelt gut aus und zusammen mit dem spektakulären Schadensmodell ist es fast schon schade mit anzusehen, wie die frisch aus der Waschanlage gekommenen Vehikel in alle Einzelteile zerlegt werden. Beim Look der Autos, Motorräder, Boote usw. hat man sich nicht auf Hochglanzpolitur festgelegt, wie sie normalerweise in Rennspielen üblich ist, sondern ihnen einen etwas abgedämpften Schimmer verpasst, der die Filmatmosphäre nochmals unterstreicht.

      __NEWCOL__Auch Details wie die realistische Schattenberechnung nahezu aller Fahrzeuge, Passanten und auch die der Gebäude kann überzeugen. Doch dieses kleine Zuckerstückchen kann nicht verschleiern, dass sowohl Schatten als auch die imposanten Vehikel sowohl auf Xbox als auch auf PS2 an der Performance nagen, wobei die Xbox-Fassung wieder einmal in einem klareren Licht strahlt und einen besseren Gesamteindruck hinterlassen kann.

Sporadische Ruckler, die nur selten spielbeeinflussend sind, kann man dabei ja fast noch in Kauf nehmen. Doch die Pop-Ups und Fade-Ins von Gebäuden, Fußgängern und teilweise sogar das Straßenverkehrs dämpfen den Spielspaß doch etwas. Vor allem, da die Pop-Up-Grenze teilweise deutlich unter 50 Meter fällt. Wenn man auf einer Schnellstraße mit Vollgas unterwegs ist, kann es unter Umständen passieren, dass ein vor euch fahrendes Auto mit unheimlicher Verzögerung aufpoppt und euch dadurch kaum noch Gelegenheit gibt, Ausweichmanöver einzuleiten.

Da rummst es gewaltig: Das Schadensmodell ist spektakulär und umfangreich!

(PS2)

Eventuell hätte man sich bei Reflections überlegen sollen, die Polygonanzahl bzw. Texturqualität im Bereich der Häuserdarstellung herunterzuschrauben. Denn obwohl alle Städte einen realistischen Eindruck machen, hat man während des Spiels kaum Gelegenheit diese Rechenzeit raubenden Details wahrzunehmen.

Zudem stören immer wieder auftauchende Aliasing-Probleme auf beiden Systemen das Gesamtbild.

      

Die Animationen der Figuren bei den Ausflügen zu Fuß gehen in Ordnung, kranken aber ab und zu an unnatürlichen Übergängen einzelner Phasen, so dass auch hier die Illusion eines Filmes wieder ins Wanken gerät.

Feine Explosionen, die Fahrzeugteile in alle Winde verstreuen, gehören zu den optischen Highlights.

(PS2)

So ist Driv3r ein gutes Stück davon entfernt, sich in punkto "Lebendiges Stadtbild" an die GTA-Serie anzunähern, bleibt aber auf Grund der in sich stimmigeren Gestaltung und des optisch exzellenten Schadensmodells und der spektakulären Schatten deutlich vor True Crime.

Was für die Ohren

Akustisch bekommt ihr ebenfalls viel geboten: Dröhnende Motorensounds, das Schrammen von Metall auf Metall und splitternde Scheiben lassen einen intensiv an den Verfolgungsjagden und den Unfällen teilhaben. Allerdings bleiben die hochtourigen Antriebsaggregate etwas schuldig: Selbst bei schweren Motorschäden suggerieren die Sounds, dass alles in Butter sei.    __NEWCOL__Ein Stottern oder lauteres Blubbern hätte auch hier die Atmosphäre nochmals nach oben drücken können.

Der Soundtrack kann sich ebenfalls hören lassen: Lizenzierte Tracks (auch als separate CD erhältlich) bekommt ihr zwar nur in den FMV-Videos, doch auch die für das Spiel komponierten Melodien verbreiten Stimmung.

Gleiches gilt für die Sprachausgabe, die ihr allerdings in Englisch genießen solltet (deutsche Untertitel sind optional möglich). Die deutschen Sprecher geben sich zwar Mühe, die Dramatik der Geschichte zu transportieren, doch so gut wie bei ihren englischsprachigen Kollegen (u.a. Michael Madsen, Michelle Rodriguez, Ving Rhames und Mickey Rourke) gelingt dies nur selten. Beiden Fassungen gemeinsam ist allerdings eine leichte Unterkühltheit, die wiederum ihren Filmvorlagen entspricht.

In Miami und Nizza seid ihr auch mit Booten unterwegs.

(Xbox)  

Fazit

Titel, die einen Hauch von Filmatmosphäre verströmen, sind in: Angefangen von True Crime über Rise to Honor bis hin zu Red Dead Revolver reicht das Spektrum. Und mit Driv3r wird auch das Genre der Cop- und Autoverfolgungsfilme wie French Connection und Ronin würdevoll abgedeckt. Doch auch wenn der neueste Driver-Teil als Action-Game durchaus zu faszinieren weiß, bleibt er als direkte Fortsetzung einiges schuldig und dürfte eingesessenen Hardcore-Driver-Fans etwas schwer im Magen liegen. Denn für ein Spiel, bei dem es schon im Titel um Fahren geht, kommen die Raser in der Kampagne zu wenig auf ihre Kosten. Und da die Action zu Fuß mit einer etwas behäbigen Steuerung versehen wurde und der KI-Quotient knapp über Zimmertemperatur liegt, gibt es zahlreiche Titel, die in dieser Hinsicht besser sind. Doch der Mix aus unausgegorener Third-Person-Action und feinen Verfolgungsjagden macht trotzdem eine Menge Spaß - was wiederum dem Over-the-Top-Fahrverhalten zuzuschreiben ist, das man vor allem in den separaten Herausforderungen genießen kann. Die Technik macht dank der hervorragenden FMV-Videos, der zahlreichen Effekte und der ausgeklügelten Physik anfänglich einen exzellenten Eindruck. In beiden Fassungen nagen jedoch sehr schnell Pop-Ups, Fade-Ins und Aliasing an der Grafikwertung. Doch allen technischen Mankos zum Trotz sorgt Driv3r für gute Unterhaltung – auch wenn das Design in einigen Punkten stark verbesserungswürdig ist.

Pro

herrliches Hollywood-Gefühl
feine FMV-Videos
schönes Schadensmodell
feine Fahrzeugmodelle
hervorragende Echtzeitschatten
drei Städte
diverse Mini-Spielchen
stimmige Story
gute Fahrsteuerung
über 70 Fahrzeuge
Regisseur-Modus
passender Soundtrack
englische Fassung enthalten
gute Sprachausgabe

Kontra

zu wenige Fahrmissionen
ungenaue „Zu-Fuß“-Steuerung
Pop-Ups, Fade-Ins, Bildratenprobleme, Aliasing
streng linear
schwache KI

Wertung

PlayStation2

XBox

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