Train Sim World20.08.2018, Mathias Oertel
Train Sim World

Im Test: Sklave des Fahrplans

Nicht nur diverse Landwirtschafts-Simulatoren haben auf Konsolen ein neues Zuhause gefunden. Auch die Darstellung des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs macht sich auf, die Hobby-Lokführer in den Bann zu ziehen. Die Spezialisten von Dovetail Games (Train Simulator, Euro Fishing) laden mit Train Sim World (ab 43,13€ bei kaufen) auch auf PlayStation 4 sowie Xbox One dazu ein, Schienentrassen zu folgen und mit den Tücken eines Fahrplans zu kämpfen. Wir haben uns für den Test in den Führerstand begeben.

Besser als Die Bahn?

Als Pendler im öffentlichen Nahverkehr werde ich immer wieder von Tücken und Ärgernissen begleitet, die Verspätungen und Zugausfälle mit sich bringen. Auch Kollegen, die häufiger den Schienenfernverkehr nutzen, schimpfen häufig wie ein Rohrspatz. Dass die Lokführer dafür meist am wenigsten können, sondern zumindest laut Durchsagen meist "Betriebsstörungen" verantwortlich sind, ist durchaus denkbar. Was soll man auch großartig falsch machen, wenn man (zumeist) alleine auf dem Führerstand hockt und ein paar Schalter bedient? Sicher: Man sollte auch wissen, was die diversen Schilder und Signale bedeuten, die entlang der Schienen die Sicherheit regeln sollen. Doch unter dem Strich stelle ich mir den normalen Tagesablauf recht ereignislos und entsprechend langweilig vor, so dass ich gespannt war, wie Train Sim World dieses Geschehen abbilden würde.  

Die Kabinen, in denen man als Lokführer Platz nimmt, wurden detailreich gestaltet.
Beim erstmaligen Betreten der zahlreichen Lokomotiven aus den USA, England und Deutschland (hier ist man z.B. mit einer S-Bahn unterwegs) wird man stets mit den grundsätzlichen Schaltern und Hebeln vertraut gemacht, damit man den jeweiligen Zug beschleunigen, abbremsen und die Türen öffnen kann, damit Passagiere ein- oder aussteigen dürfen. Betreten ist übrigens wörtlich gemeint. Man kann und muss in Egosicht herumlaufen. So kann man nicht nur die meist eher unspektakulär sowie häufig mit Klonfiguren bevölkerten Bahnhöfe aus nächster Nähe betrachten, sondern auch um die Züge spazieren oder sich in bestimmten Szenarien als Gast in den Zug setzen. Angst vor Unfällen braucht man dabei nicht haben. Mitunter werden die Bahnhöfe zwar auch von anderen Lokomotiven samt Waggons zur Durchfahrt benutzt. Dies ist jedoch gefahrlos für den Spieler. Doch zurück zum simulierten Dasein als Zugführer: Auf Dauer sind die Einführungen in die jeweiligen Schalter zwar nervig. Dennoch sollte man sie über sich ergehen lassen, da die Anordnungen der jeweiligen Schalter und Hebel durchaus stark variieren können. Zudem wird man feststellen, dass diese oder jene Lok mitunter eine andere Vorgehensweise erfordert, bis man sie endlich bewegen kann, so dass man sich nicht sicher sein kann, ohne die Einführung sofort das Vehikel in Bewegung setzen zu können.

Das große Warten

Und in einem Punkt nötigt mir Train Sim World sogar einen neu gewonnenen Respekt vor dem Lokführer-Beruf ab: Schon in den jeweils zwischen 15 Minuten und über einer Stunde dauernden Szenarien fiel es mir zunehmend schwer, die Konzentration aufrecht zu erhalten. Man muss zwar einerseits auf Geschwindigkeitsbegrenzungen und andererseits auf die zeitliche Einhaltung des Fahrplans achten, während die simulierte Fahrphysik einen sauberen Eindruck hinterlässt und das Gewicht der Züge ordentlich vermittelt. Doch abseits des „richtigen Knopfs oder Schalters zur richtigen Zeit“ bietet Train Sim World nicht viel, so dass der mechanische Anspruch sich eher darauf konzentriert, eine alternative Beschäftigung zu finden, wenn man sich gerade in einer Phase befindet, in der man absolut nichts tun muss, da man seine Reisegeschwindigkeit erreicht hat. Immerhin wird man schon in einer der Anfangsmissionen darauf vorbereitet, in der man erst als Passagier für einige Minuten zu einem Bahnhof kutschiert wird, wo man dann in eine Lok einsteigt, die man lt. Fahrplan erst einige weitere

Man ist auch in Deutschland mit einer S-Bahn-Linie unterwegs.
Minuten (Echtzeit) später aus dem Bahnhof bewegen darf. Das mag in der Realität ja zum Berufsstand gehören, in einem Spiel schießt es für mich etwas über das Ziel hinaus. Im Landwirtschaftssimulator muss ich ja auch nicht erst ein paar reale Monate zwischen Aussaat und Ernte warten.

Zudem ist die visuelle Umsetzung sowohl auf PS4 als auch auf One mitunter spröde - trotz Nutzung aktueller Unreal-Technologie. Während die Führerstände mit vielen Details punkten, ist die Umgebungsgrafik trotz ihrer Reduzierung auf das Gebiet rechts und links der Schienen eher mager. Statt mit Details zu überzeugen, ist die Sichtweite nicht all zu hoch, gibt es Probleme mit der Darstellung des Gleisbetts, spät aufgelegte Texturen, Pop-ups oder Fade-ins sowie eine mitunter instabile Bildrate. Auch die sich in Stahlbürsten verwandelnden Räder der schnell fahrenden Züge wirken in der Detailansicht sehr grob. Sprich: Selbst wenn man sich die Wartezeit bis zum nächsten Verlangsamen oder Bremsen damit verschönern möchte, die vorbei rauschende Landschaft zu genießen oder mit einer der zahlreichen Kameraeinstellungen eine neue Perspektive zu gewinnen, bleibt Train Sim World einiges schuldig. Und dennoch entbehrt es nicht eines gewissen Reiz, sich auf den Strecken des Northeast Corridor New York, dem Great Western Express in England sowie mit  einer S-Bahn in Mitteldeutschland entweder mit dem Fahrplan oder Szenarien auseinanderzusetzen. Doch für mehr als ein entspanntes Spielchen zwischendurch sind die Schienenausflüge nicht zu empfehlen - auch weil der Umfang unter dem Strich eher überschaubar ausfällt.

Fazit

Als Pendler war ich neugierig, wie sich das Leben mit Train Sim World auf dem Führerstand anfühlen würde. Doch zuerst musste ich verdauen, dass die Kulisse auf Konsolen abseits der Fahrzeuge (und selbst dort gibt es z.B. bei bewegten Rädern Probleme) nicht nur in vielerlei Hinsicht unsauber läuft. Zudem entspricht sie nicht dem, was mir mit der Verwendung der aktuellen Unreal-Technologie suggeriert wird. Geringe Sichtweite, detailarme Gleisbetten, sterile Bahnhöfe: Hier lässt Train Sim World einige Atmosphäre-Punkte liegen. Zumal eine ansehnlichere Kulisse auch die Lust erhöhen würde, sich in den USA, England oder Deutschland als Lokführer zu betätigen und sich mit den Schaltern und Hebeln auseinanderzusetzen, während man Szenarien bewältigt oder versucht, den Fahrplan einzuhalten. Denn das wiederum ist strukturell gut gelungen – auch wenn spielmechanisch die Herausforderung eher darin besteht, den richtigen Knopf oder Hebel zur richtigen Zeit zu verwenden. Doch die Anforderung, die Konzentration stets hoch halten zu müssen, während man auf Signale etc. achtet, wird gut vermittelt – inkl. der Tatenlosigkeit über mehrere Minuten, wenn man entweder irgendwo wartet oder signalfreie Strecke vor sich hat.  Als Einblick in den Arbeitsalltag von Lokführern weltweit ist Train Sim World ganz nett, als Spiel bietet es mir nicht genug Substanz, um mich länger damit beschäftigen zu wollen.

Pro

ansehnliche Zugmodelle
detailliert gestaltete Führerstände
passable Pad-Steuerung
"Einsamkeit" des Lokführers wird ordentlich vermittelt
glaubhaftes Physiksystem

Kontra

visuell trotz Nutzung von Unreal 4 spröde sowie unsauber
mechanisch nicht herausfordernd
geringe Zeichendistanz von Gleisbett und Umgebung
sterile Bahnhöfe
nur wenige Loks
oberflächliches "Erfahrungs"-Modell

Wertung

XboxOne

Ein passabler Zeitvertreib, der einen mit den Anforderungen des Lokführer-Berufsstandes bekannt macht. Die Kulisse hat allerdings noch Luft nach oben.

PlayStation4

Ein passabler Zeitvertreib, der einen mit den Anforderungen des Lokführer-Berufsstandes bekannt macht. Die Kulisse hat allerdings noch Luft nach oben.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

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  • Man kann die Spielzeit über Käufe nicht verkürzen, kein Pay-to-Shortcut.
  • Man kann sich keine Vorteile im Wettbewerb oder der Karriere verschaffen, kein Pay-to-win.
  • Käufe können minimale Auswirkungen auf das Spieldesign haben.
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