HTC Vive Wireless Adapter02.11.2018, Jan Wöbbeking

Im Test: Offizieller Start in die kabellose Zukunft

Zunächst förderte HTC kleinere Startup-Bastler wie TPCast – mittlerweile hat die Firma ihren eigenen Wireless-Adapter für HTC Vive veröffentlicht. Ein gelungener offizieller Start in die verzögerungsfreie VR-Freiheit – ganz ohne lästiges Kabelgewirr? Und hat man diesmal die Kinderkrankheiten der Technik im Griff? Wir überprüfen es im Test!

Weg mit der Leine!

Endlich frei! Keine Stolperfalle mehr, die bei Drehungen am Kopf zerrt oder sich um den Drehstuhl wickelt! Im Bereich der Premium-VR am PC war das bislang nur mit TPCast möglich, das vom gleichnamigen Startup entwickelt wurde – inklusive Förderung durch HTC. Das Problem an der Sache: Es musste ein richtiger kleiner Gerätepark mit Funkmodem und Komfort-Problemchen aufgebaut werden (zum Test). Der offizielle Wireless-Adapter von HTC soll die Kabelfreiheit nun eleganter umsetzen. Der Aufsatz wird entweder aufs gewöhnliche Vive-Headset oder auf die Premium-Variante Vive Pro montiert und per Akku-Powerbank, die man mit einem Clip bequem an oder in die Hosentasche klemmt, mit Strom versorgt. Der Tragekomfort war in unserem Test ziemlich angenehm; das Extragewicht ist mir kaum aufgefallen.

Auf der Pro...
Zudem steht neben dem Spielrechner diesmal deutlich weniger Gerümpel: Die unscheinbare Antenne wird auf den Rand des Monitors gesteckt, von dem aus sie das Video-Signal zum Spieler überträgt. Das Kabel der Antenne führt zur Rückseite des Rechners, in den eine schmale PCIe-Karte eingebaut wird. Sie arbeitet nach Intels WiGig-Standard. Insgesamt also tatsächlich eine schlanke Lösung, die zwar ein wenig Zeit zum Aufbauen benötigt, nach einer kurzen Installation des Tools sowie der Kopplung mit der Hardware aber relativ schnell und problemlos einsatzbereit ist. Die entsprechende App läuft übergeordnet zu Steam VR und sorgt dafür, dass das in der Grafikkarte berechnete Bild im Prozessor komprimiert und per WiGig-Karte ans Headset gesendet wird. Das funktioniert sowohl mit den alten als auch den neuen Base-Stations (2.0) von Valves Steam-VR-Tracking. Bis zu drei Wireless-Adapter lassen sich in einer Umgebung im Zimmermaßstab nutzen (1.0: bis zu fünf mal fünf Meter, 2.0: bis zu sechs mal sechs Meter). Dieses Mehrspieler-Potenzial ermöglichte bei unserem Probespiel auf der Gamescom bereits eine beeindruckende Koop-Demo von Arizona Sunshine.

Weitgehend verzögerungsfrei

In der Redaktion haben wir dagegen mit unseren ursprünglichen Base-Stations getestet, was zumindest vom Tracking her für ein gutes Ergebnis sorgte. Mit der Vive Pro bemerkten wir bei schnellen Bewegungen keinerlei Input-Lag und mit dem gewöhnlichen Headset war es so niedrig, dass es sich nur minimal wahrnehmen ließ – und daher auch nicht das Spielgefühl störte.

...und auf der gewöhnlichen Vive dauert die Montage der Riemen und Kabelstränge ein Weilchen, wird aber von einer anschaulichen Anleitung unterstützt.
Ob wir in Arcade Saga Bälle durch die Arena schlugen oder in Carpe Lucem Spiegel in die entlegensten Winkel der Spielfläche setzten: Das Signal blieb fast immer einwandfrei. Eine Ausnahme war lediglich, wenn jemand zwischen mir und dem Empfänger durchs Büro lief oder die Sichtlinie sogar absichtlich mit der Hand vor der Antenne unterbrach. Das Troll-Potenzial ist hier natürlich noch eine ganze Ecke höher als beim „verkabelten“ VR-Spielen! Abseits solcher Sabotage-Akte war es erneut ein cooles Erlebnis, ohne lästiges Kabel im Spiel zu versinken. Es zerrt nichts mehr im Schulterbereich und auch meine Schritte wurden schnell größer und selbstbewusster, weil ich nicht mehr die mögliche Stolperfalle im Hinterkopf behalten musste. So wird ein wichtiger Störfaktor eliminiert, der mich beim verkabelten Spiel immer wieder aus der Immersion reißt und daran erinnert, dass ich eigentlich nur mit einem ulkigen Helm durch mein Büro stiefle. Die Bildqualität blieb bei den oben genannten Spielen meist auf dem gleichen klaren Level wie verkabelt – nur manchmal bemerkten wir ein durch die Kompression ein etwas unschärferes Bild. Getestet wurde übrigens mit Windows 10.

Ziemlich hardwarehungrig

Es gibt allerdings einen großen Haken an HTCs Freiheit: Sie kommt zwar wie erwähnt mit weniger Gerätschaften aus als TPCast (und ohne Stativ) – im Gegenzug wird die Hardware im PC aber deutlich stärker belastet. Vor allem Besitzer einer Vive Pro sollten ohne einen leistungsstarken Spielerechner gar nicht erst über die Anschaffung nachdenken! Das Premium-Headset sollte laut HTC bereits im Kabel-Betrieb mindestens von einer GeForce GTX 1070 sowie einen Intel Core i5-4590 (oder vergleichbar flotten AMD-Komponenten) befeuert werden. Zusammen mit dem Wireless-Adapter steigt die Belastung noch einmal deutlich. Auch bei der normalen Vive kann es bei nicht mehr taufrischen Rechnern zu Problemen kommen: Mit einer GeForce GTX 980 und einem i5-4670 kam unser Rechner bei grafisch anspruchsvollen Spielen öfter mal ins Schwitzen.

Die PCIe-Karte im Rechner...
Das Ergebnis: In aufwändigen Kulissen oder in Szenen, in denen das Spiel häufig zwischen verschiedenen Szenen und Menüs wechselt, gab es kurzzeitig immer wieder fette pixelige Kompressions-Artefakte zu sehen. HTC empfiehlt auf der offiziellen Website für den Wireless-Adapter übrigens mindestens eine GTX 1060 sowie einen Core i5-4590 oder AMD FX 8350. Noch ekliger wurde es, wenn bei schnellen Kopfdrehungen gelegentlich das komplette Bild hängen blieb. Solche Momente verursachten ein leicht mulmiges Gefühl in meiner Magengegend - z.B. in den Adventures Twilight Path oder The Invisible Hours mit Nikola Teslas aufwendig gestalteten Anwesen. Das Problem hatten wir hier deutlich häufiger als mit TPCast, die meiste Zeit über blieb es aber auch diesmal zum Glück flüssig. An einem mittelmäßig oder eher schwach ausgestatteten VR-Rechner bleibt TPCast allerdings die beste Wahl.

Bequem aber kostspielig

Ein Vorteil gegenüber TPCast ist allerdings, dass weniger psychologische und haptische Problemchen dazwischenfunken: Da wäre z.B. das leise Hochton-Piepsen oder Kribbeln, wenn wir die Hand vor die Sendestation hielten. Ähnliches haben wir diesmal nicht erlebt. Zudem haben die aufs Headset geschnallten „Hörner“ von HTC bei einer längeren Spielsession nicht so viel Hitze abgegeben. Bei TPCast sorgte die gleiche Spielsituation auf Dauer für ein unangenehmes Gefühl auf dem Schädel – vor allem bei einer Glatze ohne schützenden „Haarpuffer“. Im Netz kursieren zwar Berichte über verbrannte Kopfhaut bei einer 90-Minuten-Session mit HTCs Lösung, ich habe allerdings nur eine leichte Erwärmung bemerkt – und zwar ausschließlich im Betrieb mit der Standard-Vive (ich habe allerdings wie üblich schon nach je 45 Minuten Pausen eingelegt, um die Augen zu entspannen). Bei der Montage gibt es nämlich entscheidende Unterschiede: Bei der normalen Vive liegen zwischen Kopfhaut und Hardware nur zwei bis drei Klettverschluss-Streifen. Für die Montage auf der Vive Pro ist dagegen ein einzeln erhältliches Montage-Kit nötig, welches das Kästchen mit einem zusätzlichen Schaumstoffblock vom Kopf fernhält und gesalzene 75 Euro zusätzlich kostet.

...wird mit der kleine Antenne verbunden, welche sich per Klemme platzsparend auf dem Monitor platzieren lässt.
Und damit wären wir bei einem weiteren Problem angelangt, welches vor allem Spieler mit einem begrenzten Budget abschrecken dürfte: Für HTCs Kabellos-Konzept addieren sich die Anschaffungskosten für den kompletten Fuhrpark schnell auf einige tausend Euro. Neben einem potenten Spiele-PC ist schließlich noch das Headset mit Tracking-Stationen und Bewegungs-Controllern nötig (Standard: 599 Euro, Pro: 1.399 Euro). Der Wireless-Adapter schlägt mit weiteren 345 Euro bzw. 420 Euro (inkl. Montage-Kit für die Pro) zu Buche. Zudem kann ein Extra-Akku zum Preis von grob 45 bis 65 Euro nicht schaden, wenn man längere Spielsessions nicht mit mehrstündigen Ladepausen unterbrechen möchte. Bei uns hielt der per USB angeschlossene Akku mit 10.500 mAh locker die versprochenen 2,5 Stunden durch. Der Ladevorgang zog sich allerdings trotz Quick Charge 3.0 viele Stunden hin, so dass wir das Päckchen lieber komplett über Nacht laden ließen. Alternative Modelle werden laut Anleitung ausdrücklich nicht unterstützt. Gerüchteweise sollen vergleichbare Akku-Packs von Anker & Co. mit Software-Tricks geblockt werden, was wir aber nicht überprüfen konnten. Der Wireless-Adapter lässt sich übrigens auch am separat erhältlichen Deluxe Audio Strap montieren.

Auch Konkurrent TPCast bessert nach

Das Dreispieler-Setup richtet sich vor allem an Freizeitparks, Lasertag-Hallen und ähnliche Unternehmen.
Alles in allem also nicht gerade ein Schnäppchen – bei TPCast liegt man momentan aber ebenfalls in Preisregionen von 349 Euro. Fairerweise muss man hinzufügen, dass mittlerweile eine TPCast-Revision mit einigen Verbesserungen erschienen ist, die wir allerdings noch nicht ausprobieren konnten: Im Vergleich zum vorherigen Modell wurde der "Router" durch einen USB-Dongle ersetzt, was sowohl die Installation als auch die Konnektivität/Neuverbindung erleichtern und verbessern soll. Die Power-Bank trägt man fortan auch am Kopf und nicht mehr an der Hüfte oder am Gürtel - zugleich soll man den Akku im laufenden Betrieb austauschen können: Interessant ist in dem Zusammenhang, dass Empfänger und Akku auf eine massive Kunststoffplatte geschnallt werden, was die Hitze-Problematik deutlich entschärfen dürfte. Außerdem ist TPCast mittlerweile auch für Oculus Rift erhältlich.

Fazit

Elegant, aber hardwarehungrig und teuer – so lässt sich HTCs offizieller Wireless-Adapter für sein VR-Headset Vive am ehesten beschreiben. Wer keine Bild-Hänger oder unschönen pixeligen Kompressions-Artefakte erleben will, muss schon etwas mehr Geld in einen aktuellen Spielrechner investieren als bei der Konkurrenz-Lösung TPCast. Hier wird das Bild schließlich erst einmal durchs Mainboard zum Prozessor geschickt und dort komprimiert, bevor es von der PCIe-Karte im Rechner mit der kleinen Antenne zum Spieler gesendet wird. Positiv ist allerdings der Tragekomfort – und dass wir beim Spielen keine (Vive Pro) bzw. nur eine extrem geringe (Vive) Latenz bemerkt haben. Kopfbewegungen werden direkt und verzögerungsfrei umgesetzt. Also wie man es in der Virtuellen Realität für flüssiges Spielen benötigt – und das mit deutlich weniger sperrigen Gerätschaften im Raum als bei TPCast. Unterm Strich ist HTCs Wireless-Adapter also in erster Linie für VR-Enthusiasten und Spieler interessant, denen die relativ hohe Investition nicht weh tut: Sie werden nach einer kleinen Montage-Session mit einem erfreulich freien Spielgefühl belohnt, bei dem man sich endlich keine Gedanken mehr um die lästige „Leine“ machen muss – nur noch darum, nicht versehentlich an die Wände zu stoßen oder auf trollende Büronachbarn einzuschlagen.

Einschätzung: gut

Wertung

HTCVive

Elegant, aber hardwarehungrig und teuer: Mit einem entsprechend schnellen Rechner ermöglicht der HTC Vive Wireless Adapter kabellose Virual Reality ohne störende Verzögerung.

VirtualReality

Elegant, aber hardwarehungrig und teuer: Mit einem entsprechend schnellen Rechner ermöglicht der HTC Vive Wireless Adapter kabellose Virual Reality ohne störende Verzögerung.

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