GoldenEye: Rogue Agent15.12.2004, Mathias Oertel
GoldenEye: Rogue Agent

Im Test:

Weit und breit ist kein neuer Bond-Film in Sicht und Pierce Brosnan hat den Anzug und die Walther PPK an den Nagel gehängt. Und was macht man mit der starken Spiel-Lizenz? Ganz einfach: Man kehrt zu den Wurzeln zurück, bastelt einen Ego-Shooter, lässt James Bond außen vor und versucht, mit dem zugkräftigen Namen GoldenEye, der bei Spieleveteranen wohlige Schauer der Erinnerung über den Rücken rieseln lässt, Kohle zu machen. Doch wie gut ist 007, wenn man 007 abzieht?

Bond-Spiel ohne Bond

Im Gegensatz zum letztjährigen 007-Abenteuer Alles oder Nichts gibt es zwei gewichtige Änderungen: Zum einen verzichtet man auf alle spielerischen Möglichkeiten, die die Third-Person-Ansicht bieten konnte und kehrt in bester GoldenEye-Manier zur guten alten Ego-Ansicht zurück.

Mit zwei Schrotflinten könnt ihr gehörigen Schaden anrichten.
Und zum anderen belässt man es für James Bond in einer extrem klein gehaltenen Nebenrolle. Stattdessen steuert ihr einen abtrünnigen MI6-Agenten, der bei Bond-Bösewicht Goldfinger anheuert, nachdem er unehrenhaft aus dem britischen Geheimdienst entlassen wurde.

Neben Goldfinger gibt es ein Wiedersehen mit zahlreichen anderen 007-Antagonisten wie z.B. Dr. No, Francesco Scaramanga (der mit dem goldenen Colt), Oddjob, Pussy Galore und als kleine Reminiszenz an das Original von GoldenEye gibt es auch Xenia Onatopp zu bestaunen.

Doch die Story wurde nur so weit wie nötig zusammen geschustert und trotz des versammelten Bösen bleibt sie erstaunlich stereotyp und vorhersehbar.

Um jedoch den Namen des Spiels erklären zu können, hat man tief in die Trickkiste gegriffen: Bei einem Auftrag von Goldfinger hat eure Spielfigur ein Auge verloren, das von Busenfreund Scaramanga durch ein künstliches, aber goldenes Auge ersetzt wurde, das zusätzlich noch einige Spezialfähigkeiten zum Einsatz bringt.

Das klingt nicht nur abstrus, sondern hat zudem keinerlei prägnante Einflechtungen ins Bond-Universum. Dementsprechend wirkt die ganze Kulisse, die für das Spiel aufgebaut wurde, austauschbar.

Die Effekte sind schön anzuschauen, der Rest der Grafik bleibt leider nur durchschnittlich.
Sicher: Es ist nett ein Wiedersehen mit den ganzen Film-Bösewichten zu feiern und hier und da einen Blick auf Film-Locations wie Goldfingers versteckte Kraterbasis zu werfen. Doch unter dem Strich bleibt alles atmosphärisch schwach und die Besetzung könnte auch durch andere, nicht aus dem Bond-Universum stammende Figuren ausgetauscht werden.

Zurück zur Ego-Ansicht

Leider setzt sich dieses Gefühl auch spielerisch fort. Denn euch erwartet nichts anderes als ein auf Dauer eintöniger, vorhersehbarer Shooter von der Stange. Anstatt euch wenigstens etwas an Freiraum in den streng auf Auseinandersetzungen gestrickten Abschnitten zu gönnen, werdet ihr dermaßen linear von einem Kampf zum nächsten geschleust, dass sich Ian Fleming im Grab umdrehen dürfte. Denn alles, was im Vorfeld als außergewöhnlich propagiert wurde, ist im Spiel kaum spürbar.

Nehmen wir z.B. die KI: Die Gegnerhorden verfügen über ein sehr eingeschränktes Verhaltensrepertoire, das je nach gewähltem Schwierigkeitsgrad unterschiedlich häufig zum Einsatz kommt. Ausweichmanöver kommen dabei zwar vor, doch selbst die nett animierten Sprünge hinter die Deckung nutzen sich schnell ab und werden genau so vorhersehbar wie der Rest.

Von intelligentem Gruppenverhalten hingegen findet sich kaum etwas: Meist gehen die Feinde sofort in den Angriffsmodus über, wenn sie euch sehen und spulen ihre Verhaltensweisen ab – gähn!

  

Dass man bei Rogue Agent das Bond-Universum von der bösen Seite kennen lernt, äußert sich in zwei Punkten, die jedoch durchaus etwas vom Spielspaß retten können. Zum einen könnt ihr Geiseln nehmen und sie als Schutzschild verwenden und zum anderen gibt es in den Abschnitten immer wieder Todesfallen, die aktiviert werden und eine ganze Gegnergruppe in den sicheren Tod reißen können. Ihr selber braucht jedoch kaum Angst haben, diesen Fallen zum Opfer zu fallen (haha, get it?). Denn die KI ist sich wohl nicht bewusst, wie man diese Schalter bedient.

Ihr kämpft als Böser gegen Böse: Und damit verfliegt der Story-Reiz des abtrünnigen Agenten schneller, als man 007 sagen kann. 
Wo wir gerade beim Thema "Böse" sind: Ihr kämpft zwar für einen Bösewicht, doch eure Gegner sind keine MI6-Agenten sondern Schergen anderer Möchtegern-Weltbeherrscher. Und damit hat EA eine Riesenchance verschenkt, sich wirklich von anderen Shootern abzusetzen, in denen ihr auch gegen eine graue, böse Gegnermasse kämpft.

Und der Punkt "goldenes Auge" ist ebenfalls nicht ausreichend genutzt worden. Die vier aktivierbaren Spezialfähigkeiten (darunter z.B. eine Art Röntgen-Sicht und ein Schutzschild), werden nur in den seltensten Fällen wirklich gefordert. So bleibt das Gefühl, die Entwickler hätten einen Namen und ein Gimmick zur Verfügung gehabt, aber keine Ahnung, wie man das Ganze effektiv ins Spiel einbauen kann…

Interessanter ist da schon das Dual-Waffen-System, das zwar auch nichts weltbewegend Neues mehr darstellt, aber mit seinen zahlreichen Kombinationsmöglichkeiten durchaus für Abwechslung in der Action-Tristesse sorgen kann. Doch letzten Endes greift man zumeist sowieso auf die Waffenkombo zurück, die dem eigenen Spielertypus entspricht. Da sich nur wenige Gegner anfälliger gegen bestimmte Kombinationen zeigen, ist allerdings auch fast unerheblich, welche Waffen ihr nun mit euch führt.

Doch unter dem Strich bleibt ein schales Spielerlebnis zurück – und das, obwohl die Zutaten durchaus schmecken. Doch die Köche haben nicht verstanden, das Drei-Sterne-Menü zuzubereiten: Nichts passt wirklich zusammen, die Versatzstücke werden ohne Zusammenhang aneinander geklatscht und selbst das Dessert Mehrspieler-Modus ist weit entfernt davon, an glorreiche N64-GoldenEye-Zeiten anzuknüpfen: Auf PS2 und Cube ist sogar nur das Spiel am Vier-Spieler-Splitscreen möglich – einzig die Xbox-Fassung bietet Online-Duelle.

Viel Bumm, viel Krawumm, viel Action von der Stange.
Doch ich wage zu bezweifeln, dass sich angesichts der Konkurrenz irgendjemand die Mühe macht, ein Spiel aufzusetzen. Die Möglichkeiten der Konfiguration sind zwar umfangreich, doch als Spielmodi werden nur Standards geboten. Da scheint der Griff zu Halo 2 (auf PS2 Killzone, GameCube: TimeSplitters 2) sinnvoller.

Technisch ok

Gemäß ihrer Grundhardware liefern alle Fassungen eine gleichwertige Leistung ab, die mit den üblichen Texturhighlights auf der Xbox ihren mittelmäßigen Höhepunkt erreicht. Passable Animationen, nette Texturen, in Ordnung gehende Explosions- und Waffeneffekte: Wo man hinschaut, wird eine grundsolide Leistung abgeliefert. Doch wie schon im Gameplay beißen sich die Entwickler an dem Versuch fest, etwas Außergewöhnliches zu schaffen, bleiben aber im Durchschitts-Morast stecken.

Bei den Render-Videos liegt man mit den niedrig aufgelösten, aber dennoch gut geschnittenen Filmen sogar unter dem Standard – angesichts der guten Videos in Alles oder Nichts nicht nur in dieser Hinsicht ein klarer Rückschritt.

Die Akustik gibt sich ebenso bieder wie Gameplay und Optik: insgesamt stimmig, aber ohne jeglicher Highlights wird hier Standardkost abgeliefert, die es nicht schafft, sich auf eine Stufe mit der Konkurrenz stellen zu können.   

Fazit

Wer hinter dem Rogue Agent mit dem goldenen Auge ein ähnlich gehaltvolles Spielerlebnis erwartet wie seinerzeit beim Namensvetter auf dem N64, wird herbe enttäuscht. Denn nicht nur, dass sich hinter dem glanzvollen Namen eine Mogelpackung verbirgt, die die unwissenden Spieler zum Kauf anregen und für EA das Huhn sein soll, das goldene Eyer legt,– auch das Gameplay enttäuscht auf breiter Front: Shooter-Ware von der Stange, simples Durchschleusen durch Levels und eine KI, die euch selbst auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad kaum fordert, lassen die in Ansätzen gute Technik vollkommen in Rauch aufgehen. Dazu gesellt sich noch eine an den Haaren herbei gezogene Story, die (und das ist schon der größte Vorteil des Rogue Agent) Bond-Fans wenigstens ein Wiedersehen mit alten Bösewichtern und vielen aus den Filmen bekannten Schauplätzen spendiert. Selbst der Multiplayer-Modus erreicht zu keiner Zeit die Spannung und Dramatik, die man mit dem Titel verbindet und die seinerzeit auf dem N64 durchweg gute Unterhaltung bot. Wer einen hirnlosen und uninspirierten Allerwelts-Shooter sucht, der ohne die Bond-Lizenz im Rücken kaum Überlebenschancen hätte, kann zugreifen. Wer ein gutes Spiel um 007 sucht, greift lieber zum letztjährigen Vertreter Alles oder Nichts und Shooter-Fans im Allgemeinen finden auf allen Konsolen attraktivere Alternativen.

Pro

Wiedersehen mit zahlreichen Bond-Bösewichtern
Goldeneye bietet zahlreiche Gimmicks wie Schild usw.
eingängige Steuerung
gute Kollisionsabfrage
Mehrspieler-Duelle über Xbox Live
diverse Konfigurationsmöglichkeiten für Multiplayer
nette grafische Spezialeffekte
Todes-Fallen
Dual-Waffen-System

Kontra

kein Online-Spiel (PS2)
schwache Story
Simpel-Gameplay
madige KI
reizlose Aneinanderreihung öder Feuergefechte
Standard-Mehrspieler-Modi
Durchschleusen durch Abschnitte

Wertung

PlayStation2

GameCube

XBox

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