Rocky: Legends06.10.2004, Mathias Oertel
Rocky: Legends

Im Test:

Ende 2002 kam aus dem Nichts der italienische Hengst Rocky Balboa und riss auf Xbox und PS2 den Titel als bestes Boxspiel an sich. Die Freude währte bis Anfang 2004 - genauer: bis zu EAs Fight Night 2004. Doch nun meldet sich Philadelphias liebstes Kind zurück und steht mittlerweile in Diensten von Ubi Soft. Doch kann Rocky Legends den Thron zurück erobern?

Die Legenden leben

Da Rocky seinerzeit die Geschichte von Rocky Balboa durch alle fünf Filme hindurch verfolgte, hat das Team von Venom Games einen kleinen Griff in die Trickkiste getätigt, um im Karrieremodus für eine passende Story zu sorgen. Das Geheimnis?

Rocky hat ganz schön einstecken müssen. (PS2)
Ganz einfach: Man verlegt den Einstiegspunkt der vier Hauptfiguren Rocky Balboa, Apollo Creed, Clubber Lang und Ivan Drago vor die Ereignisse der Filme. So könnt ihr den Aufstieg der mittlerweile legendären Filmhelden bis hin zu den entscheidenden Kämpfen der Zelluloidwerke am eigenen Leib nachempfinden.

Vier Mal Murks?

Doch so gut, wie sich die Idee anhört und so passabel, wie die sporadisch in Spielgrafik erzählten Story-Elemente in Szene gesetzt sind, ist es im Endeffekt leider nicht. Denn die spielerischen Unterschiede der Boxer sind minimal und nur in leicht unterschiedlichen Trainingsmethoden zu finden.

Zusätzlich spielt sich die Karriere (egal ob Apollo, Clubber, Ivan oder Rocky) genau so wie das Pendant aus Teil 1: Kämpfen, trainieren, kämpfen usw.

Doch dies ist nicht der einzige Punkt, in dem Rocky Legends seinen Vorgänger recycelt: Auch die grundlegende Spielmechanik wurde mit einer Ausnahme 1:1 übernommen.

Mit den vier Grundschlägen rechter/linker Jab und rechter/linker Körperschlag, die mit Hilfe des Sticks und der Schultertaste modifiziert werden können, habt ihr zwar ein umfangreiches Schlagrepertoire zur Auswahl, doch wer Rocky gespielt hat wird ob der geringen Unterschiede eher zu den Enttäuschten zählen.

Die Trainingsmethoden wurden an den Story-Hintergrund der Boxer angepasst. (Xbox)
Wer hingegen noch nicht das Vergnügen hatte, seinerzeit mit Rocky in den Ring zu steigen, findet ein schnelles Arcade-Prügelspiel, das auf Grund der simplen Button-Mash-Mechanik und der zwar deutlich verbesserten, aber immer noch mit Schwachpunkten versehehen KI Schwierigkeiten hat, den Anschluss an die Genrespitze zu halten.

Im direkten Vergleich zum ärgsten Konkurrenten Fight Night 2004 mit seiner Total Punch Control wirkt das Knopfsystem einfach veraltet – auch wenn es hier seinen Zweck zufrieden stellend erfüllt.

Da hilft auch der mittlerweile einfacher abzurufende Power-Schlag nicht mehr, der erst aktiviert werden kann, wenn ihr über Kombos die entsprechende Leiste aufgefüllt habt.

Im Mehrspieler-Modus machen die Legenden aus den Rocky-Filmen etwas mehr Laune. Doch auch hier krankt der Titel an dem "Kenn-ich-schon"-Syndrom. Nach den spannenden Kämpfen in Rocky wirkt die Legends-Variante wie der Aufguss eines abgestandenen Teebeutels: Neueinsteiger werden den Geschmacksverlust kaum bemerken, doch die Kenner erinnern sich, wie das Spiel seinerzeit mundete.

 

Dafür allerdings gibt es wieder einen ganzen Haufen an Gimmicks und Goodies wie Boxer, Arenen und kleine Videoschnipsel freizuspielen. Doch dies allein sorgt nur mittelfristig für Motivation.

Die Modelle sehen klasse aus und bieten einen hohen Wiedererkennungswert. (Xbox)
Technisch Up-to-Date?

Ähnlich verbesserungsfreudig wie beim Gameplay sind die Entwickler auch bei der technischen Gestaltung zu Werke gegangen. Und selbst wenn die bekannten Boxer gut zu erkennen und die Animationen im Allgemeinen durchaus gelungen sind, wird deutlich, dass die grundlegende Engine sich seit 2002 nicht mehr viel verändert hat. Okay: Hier sind ein paar nette Blur-Effekte dazu kommen und da findet sich auch die eine oder andere Animation, die man noch nicht kannte – der große Wow!-Funke, der sich optisch bei Rocky zeigte, springt mittlerweile nicht mehr über. Und das, obwohl es zahlreiche neue Kampfarenen und gut gestaltete Trainingsräume gibt.

Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass die Echtzeit-berechneten Niederschläge in Fight Night 2004 ganz einfach die vorberechneten K.O.-Bewegungen in Rocky Legends wie Stop-Motion-Animationen im Vergleich zum neuesten Pixar-Film aussehen lassen.

Rocky als strahlender Sieger. Leider kann man dies vom Spiel nicht gerade sagen. (PS2)
Akustisch hingegen gibt man sich kaum eine Blöße. Zwar gibt es in der Original-Fassung keinerlei bekannte Stimmen, doch die gewählten Sprecher ähneln den Filmvorbildern wenigstens etwas, so dass hier der Anflug von Atmosphäre auf kommt.

Die deutschen Sprecher sind ebenfalls gut gewählt und erledigen ihren Job angesichts des Arcade-Hintergrunds des Spieles mit einem überzeugenden Maß an Dramatik.

Was die Sprecher nicht ganz schaffen, dafür sorgen Musik und Soundeffekte: Die krachenden Schläge dröhnen satt aus den Lautsprechern und die Kompositionen der Filme, allen voran das "Gonna Fly Now"-Thema berieseln euch mit purer Filmatmosphäre.  

Fazit

Im englischen Sprachgebrauch gibt es eine Redewendung, die Rocky Legends nahezu perfekt umschreibt: "More of the same!" Die vier Karrieren mit passabel eingebauten Story-Elementen kokettieren zwar anfänglich mit Abwechslung, doch letzten Endes spielt sich jeder Boxer nahezu identisch. Die Schlagmechaniken, die bis auf eine Ausnahme unverändert aus dem Vorgänger übernommen wurden, sind extrem auf Arcade getrimmt, lassen aber die Unterschiede zum deutlich ausgefeilteren Fight Night 2004 deutlich werden. Bei Rocky Legends ist taktische Vorgehensweise nur ansatzweise gefordert und wird durch Button-Mashen ersetzt. Damit muss sich Rocky Legends mit der eingesessenen Prügel-Konkurrenz à la Tekken messen – und zieht klar den Kürzeren. In gepflegten Mehrspieler-Duellen macht Rocky Legends dennoch annähernd so viel Spaß wie der Vorgänger – bietet allerdings auch in diesem Bereich nur erzkonservative Kost. Kurzum: Ein netter Arcade-Prügler, der es nicht schafft, aus dem Schatten des ersten Teiles herauszutreten und daher vermutlich nur eingefleischten Stallone-Fans zu empfehlen ist.

Pro

vier Karrieren
saubere Grafik
gute Steuerung
abwechslungsreiche Trainingsmethoden
gute Soundkulisse
Original-Musik
Zahlreiche Gimmicks und Goodies freizuspielen
umfangreiches Boxer-Arsenal
Wiederholungen speicherbar
schnörkellose Arcade-Prügelei
20 Arenen
über 40 Boxer

Kontra

spielerische Neuerungen Fehlanzeige
kaum taktischer Tiefgang
pures Button-Mashen
Recycling des Vorgängers
Karrieren in sich mit zu wenig Unterschieden

Wertung

PlayStation2

XBox

Nur kleine Detailverbesserungen - und das zwei Jahre nach dem Original!

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