Brothers in Arms: Road to Hill 3016.03.2005, Marcel Kleffmann
Brothers in Arms: Road to Hill 30

Im Test:

D-Day. Es ist stockfinster, wir sitzen im Flugzeug, kurz vor dem Absprung. Die Kameraden sind nervös, müssen sich vor Angst übergeben. Ein Flak-Feuerwerk erhellt die Nacht, Explosionen lassen die Besatzung zusammen zucken. Alle nehmen Aufstellung, bis eine Salve die Wand des Flugzeugs wie einen Käse durchlöchert. Panik bricht aus, aber wir sollen an der Luke warten. Der Augenblick verharrt, bevor uns eine Erschütterung in die Normandie fallen lässt…

Der Runtergang

Während wir aus allen Wolken fallen und der Fallschirm den Sturz abbremst, erblicken wir ein Schauspiel der Extraklasse: Flak-Feuer steigt gen Horizont, ein Schwarm von Flugzeugen bevölkert das Firmament und überall um uns herum öffnen sich

Packender Auftakt am D-Day über der Normandie.
Fallschirme. Kaum satt gesehen am virtuellen Geschehen, landen wir mehr oder weniger unsanft auf dem Boden. Hier geht es erst richtig los…

So spektakulär beginnt Brothers in Arms: Road to Hill 30 (ab 4,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) - ohne großes Tutorial, nur mit einem kurzen, aber schockierenden Epilog. Statt euch durch ein Drill Camp zu schicken, erlernt ihr die Features des Spiels in den ersten Missionen und seid sofort mittendrin. Fortan erlebt ihr in der 18 Kapitel langen Kampagne die ersten Tage nach dem D-Day, basierend auf der wahren Geschichte der 101. Luftlandedivision. Zwar sind die Charaktere frei erfunden, aber die Missionen und Ereignisse haben die Entwickler akribisch genau recherchiert und rekonstruiert. Zeitzeugenberichte, Bilder der Luftaufklärung und originale Landkarten sollen die Vergangenheit zum Leben erwecken.

Echtes Europa?

Die Darstellung der Landschaft ist erstaunlich eindringlich: Matte Grün- und Grautöne sorgen für eine verraucht düstere Stimmung. Und vor allem der Himmel ist ein herrlich animierter Zeuge des Krieges - zahllose Flugzeuge und Flak-Salven

Zum Test empfehlen wir:

Interview: Col. John Antal

Bilderserie: Steuerung & Deckungsorgen für ein ständiges Rauschen, Donnern und Blitzen. Einen weiteren Schuss Authentizität bringt die 1:1-Umsetzung der Schauplätze ins Spiel: Egal ob es Städte, kleine Dörfer oder Felder sind. Selbst das Wetter der Vergangenheit wurde eingebunden. Diese Illusion der Glaubwürdigkeit ist eine der größten Stärken von Brothers in Arms.

Taktisches Geplänkel

Anders als Action-Ballerserien wie Call of Duty oder Medal of Honor bringt Brothers in Arms taktische Team-Würze ins Kampfgeschehen. Obwohl ihr in den ersten Minuten alleine in der Normandie unterwegs seid, trefft ihr schnell auf einen versprengten Kameraden, der sich euch anschließt. Fortan geht es ähnlich koordiniert in der Gruppe zur Sache wie in Full Spectrum Warrior. Im Gegensatz zu MoH: Pacific Assault ist euer Team keine Gratisbeilage, sondern essentieller Bestandteil.

Die Deckung ist das A und O.
Echte Militär-Taktiken sorgen z.B. dafür, dass niemand alleine durch die Gegend laufen kann, Hunderte von Soldaten erschießt und dabei von 243 Kugeln getroffen wird - wie es in vielen Actiontiteln zelebriert wird. Brothers in Armsstellt die realistischen vier "Fs" in den Vordergrund: Finden, Festhalten, Flankieren und Finishen.

Was bedeutet das? Habt ihr den Feind gefunden, könnt ihr eurem Team den Sperrfeuer-Befehl erteilen. Die KI-Kollegen stürmen daraufhin selbstständig zu einer gedeckten Position und schießen los. So wird der Gegner an seinem Ort festgehalten, obwohl er sich noch wehren kann - allerdings längst nicht mehr so effizient. Solch ein "gepinnter" Feind kann von uns flankiert werden. Das heißt im Klartext, dass wir den Kontrahenten von der Seite aus überraschen und ausschalten, während das Sperrfeuer den Vormarsch deckt. Details hierzu findet ihr in der Bilderserie .

Trotz des Team-Faktors wird das Spiel aus der Ego-Perspektive gesteuert - das ist viel intensiver als bei Full Spectrum Warrior. Mit Hilfe einer einfachen und wirklich gut designten Benutzeroberfläche schickt ihr eure Leute im Handumdrehen zu neuen Locations und gebt ihnen flott Befehle. Fehlt mal die nötige Übersicht, schafft ein Blick auf die dreh- und zoombare Taktik-Karte Abhilfe.

           

Double Team

Zunächst befehligt ihr nur einen Soldaten, danach ein eigenes Assault- und Fire-Team. Letzteres eignet sich hervorragend

Für Übersicht sorgt die taktische Karte in Schwarz-Weiß.
dazu, ein Sperrfeuer zu eröffnen. Ersteres ist effektiv im Angriff. Und ihr? Seid der Team-Führer. Selbstverständlich könnt ihr die Rollen umdrehen, den KI-Kollegen Feuerschutz geben und sie zum Angriff beordern - dies klappt erstaunlich gut. In manchen Mission dürft ihr anstelle des zweiten Teams einen Panzer ins Gefecht führen und prompt kommt mehr Taktik ins Gefecht, da solch ein Stahlkoloss quasi eine rollende Deckungsmöglichkeit bietet, solange die Feinde keine Panzerfaust oder großkalibrige Geschütze haben.

Das Flankieren-Konzept ist seit Full Spectrum Warrior bekannt. Dort gab es aber kaum Abwechslung und deswegen haben wir zu unserem Erstaunen festgestellt, dass die Missionspalette der Waffenbrüder wesentlich umfangreicher und dynamischer ist. Die ersten Aufgaben dienen zur Einarbeitung, bevor das Konzept geschickt variiert wird: So müsst ihr euch manchmal durch ein Gelände kämpfen, dann eine Stadt säubern, eine Kirche belagern und erobern (inkl. Gegenangriff) oder Mörser außer Kraft setzen. Danach folgt ein Einsatz auf einem offenen Acker, der mit stationären MGs gesichert ist - hier sollt ihr Holzstämme wegsprengen, damit alliierte Verstärkung landen kann. Später folgen die Panzer-Einsätze sowie heftige Scharmützel in der Grashölle der Normandie und Brücken-Sprengungen. Das taktische Konzept bleibt weitgehend gleich, wird aber mit frischen Szenarien variiert, so dass selten Langeweile oder Routine eintritt. Gleichzeitig offeriert das Spiel

Der rote Kreis über den Gegnern zeigt an, wie sehr sie unter eurem Sperrfeuer liegen.
offene Lösungen: Ihr könnt euch die Deckung selbst suchen oder eigens entscheiden, ob ihr den direkten Weg zum Feind nehmt oder lieber einen sichereren Umweg.

Gesundheit im Kampf

Somit verläuft jeder Versuch ein wenig anders, was ihr aber schnell selber merkt, da viele Einsätze recht fordernd und Neustarts vorprogrammiert sind. Schließlich haben die Entwickler nicht nur das Setting realistisch gestaltet, sondern auch das Gesundheits- und Waffensystem. Eine für Ego-Shooter typische Energie-Leiste gibt es nicht, stattdessen ist dort ein Icon, das euch mit verschiedenen Farben den Zustand signalisiert. Wurdet ihr mal heftig getroffen, spritzt Pixelblut auf den Monitor. Einige Kugeln haltet ihr jedoch aus, bei fetteren Geschossen hingegen geht es schneller abwärts. Erste-Hilfe-Pakete oder eine Gesundheits-Spritze gibt es nicht - weder für euch noch für das Team. Gleichzeitig sorgt das Checkpoint-Speichersystem für zusätzliche Spannung, da ihr in der Mission nirgends speichern könnt. Dieses deutlich realistischere Schadenssystem verknüpft mit der historischen Akribie macht die späteren Einsätze ziemlich knifflig, teilweise gar frustrierend schwer, ohne aber wirklich unfair zu werden. In den Gefechten wird außerdem schnell deutlich, dass sämtliche Waffen ziemlich ungenau schießen und ihr daher auf Taktik und Ideenreichtum angewiesen seid: Stumpfes Ballern bringt euch nicht weiter!

Die waldgrüne Normandie sieht umwerfend aus.
Künstliche Intelligenz

Solch eine Fokussierung des Teams steht und fällt mit der künstlichen Intelligenz und hier machen die Brüder eine gute Figur. Eure Mitstreiter verhalten sich clever im Kampf, gehen ständig in Deckung oder lehnen sich an Häuserwände und erspähen die Umgebung. Treffen sie auf einen Feind, geben sie erstmal Meldung und attackieren selbstständig, bis ihr neue Befehle gebt. Selbst beim Sturmangriff verhalten sich die Mitglieder klug. Leichte Abzüge in der B-Note gibt es bei der Wegfindung, da eure Kollegen nicht immer den sichersten Weg nehmen und schon mal durchs Kreuzfeuer laufen. Dies ist natürlich blöd, da eure Leute trotz "scheinbarer" Endlos-Munition, recht schnell über den Haufen geballert werden. Nur mit der richtigen Taktik kommt ihr verlustarm zum Sieg. Schade ist allerdings, dass unsere Mitstreiter nicht wissen, wo der Abzug bei einem stationären MG ist und nur ihr das Ding abfeuern dürft. Auf Seiten der Wehrmacht geht es auch intelligent zu: Die Soldaten bewegen sich klug in der Landschaft, nehmen permanent Deckung und versuchen euch zu überraschen oder zu flankieren. Kommt ihr um die Flanke geschlichen und schießt einen Soldaten nieder, dann wird sein Nebenmann nicht tatenlos zuschauen und euch sofort unter Beschuss nehmen.

    

Unreal Engine lässt es krachen

Zum Leben erweckt wird das hinlänglich bekannte, aber dafür einmalig in Szene gesetzte Szenario durch eine modifizierte

Schaut ihr beim Zoomen über den Lauf wird die gesamte Waffe "unscharf".
Unreal Engine. Dieser Grafik-Motor zaubert äußerst detaillierte Umgebungen auf den Bildschirm und verfeinert den Augenschmaus mit grandiosen Charakter-Modellen und lebensechten Animationen. Besonders angetan hat es mir aber die Darstellung der Natur, da nicht nur das Gras und die Bäume natürlich aussehen, sondern auch der Himmel. Spektakuläre Effekte bei Blutspritzern oder beim Zielen sowie coole Impressionen dank Pixel-Shader verfeinern die Kulisse. Virtuelles Blut und Ragdoll-Verrenkungen zeigen, dass der Krieg wirklich hässlich und nicht so klinisch sauber wie in vielen anderen Spielen ist.

Grafik auch auf Konsolen klasse!

Dass wir im Test vornehmlich auf die PC-Fassung eingegangen sind, heißt nicht, dass die Konsolen-Versionen den Blick nicht wert sind - ganz im Gegenteil: Sowohl auf PS2 als auch auf Xbox mit einer punktgenauen und hervorragend reagierenden Steuerung ausgestattet, ist man schneller im Geschehen, als einem lieb sein kann und hat fortan alle Hände voll zu tun, um sich und seine Kameraden am Leben zu halten. Die Xbox- als auch die vom Ubi Studio Shanghai produzierte PS2-Fassung brillieren mit einer fulminanten Grafik und scheinen das jeweilige System bis an die Grenze zu treiben. Im letzten Detail bleibt die Sony-Variante zwar etwas hinter den Versionen für Rechenknecht und Xbox zurück, doch der Gesamteindruck wird dadurch nicht geschmälert und ist immer noch hervorragend.

Beide Konsolenvarianten können im Bereich der Umgebungsgrafiken mit einer Detailverliebtheit punkten, die euch mitten ins Geschehen versetzt. Die Animationen, das Physiksystem und die Spezialeffekte können sich ebenfalls sehen lassen. Hier liegt die Xbox-Version allerdings relativ deutlich vor der PS2, deren Rechenpower zwar für ein weitestgehend ruckelfreies Gameplay ausreicht, dabei aber scheinbar nicht mehr die imposanten Explosionen darstellen kann, die euch auf PC und Xbox die Sicht erschweren.

Im Vergleich zum Rechenknecht etwas gestiegene Ladezeiten nimmt man dabei gerne in Kauf, denn zum einen gewähren sie einem eine etwas höhere Verschnaufpause zwischen der intensiven Taktik-Action, zum anderen bleiben sie immer innerhalb eines erträglichen Niveaus.

Auch Granaten sind äußerst effektiv.
Sound & Multiplayer-Modus

Ähnlich spektakulär wie die Grafik donnert der Sound über das Schlachtfeld: Schüsse, Explosionen und vor allem die realistisch nachempfundenen Kommentare der Soldaten sorgen für Mittendringefühl. Musik gibt es keine, außer im Menü. Dies unterstützt nochmals die Realitätsambitionen. Die Sprachausgabe in der englischen Version ist einsame spitze, obwohl der Monolog zu Beginn jeder Mission ruhig etwas emotionaler hätte ausfallen können. Die deutsche Lokalisierung konnten wir uns bisher nicht zu Gemüte führen.

Der Multiplayer-Modus ist für zwei bis vier Spieler ausgelegt. Auf insgesamt zehn Karten erfüllt ihr Missionsziele und erledigt Team-gegen-Team-Kämpfe - diesmal auch auf Seiten der Wehrmacht. Dazu bekommt jede Seite ein Assault- und ein Fire-Team mit KI-Soldaten spendiert und je nach Mitspieler-Zahl kommandiert ihr ein Squad oder beide. Diese Teams stehen sich auf den gut gestalteten Karten gegenüber; Standard-Modi à la Deathmatch gibt es bei Brothers in Arms nicht.

   

Fazit

Wahnsinn! Ich hätte nicht gedacht, dass Brothers in Arms so gut wird! Nach der Ankündigung des x-ten Ego-Shooters im Zweiten Weltkrieg stand ich dem Titel zunächst skeptisch gegenüber. Aber als dann die taktischen Elemente ins Spiel kamen, war ich gleich Feuer und Flamme. Mit einfacher Steuerung, guter KI und einer sensationeller historischer Authentizität schafft Gearbox Software etwas, was viele andere Spiele, z.B. MoH Pacific Assault, vergeblich versuchten: packende Team-Gefechte mit Militär-Taktik zu verbinden. Der Realismus sorgt zwar für einen knackigen Schwierigkeitsgrad, aber dafür gibt`s abwechslungsreiche und clever gestaltete Missionen, die oft mehrere Lösungswege bieten. Schade ist nur, dass die Kampagne mit 10-15 Stunden ein wenig kurz geraten ist. Aber dafür ist das Spielerlebnis ungeheuer intensiv und danach warten ja noch Team-Gefechte im Mehrspieler-Modus. Kurzum: Für mich ist Brothers in Arms das bisher beste Spiel im Zweiten Weltkrieg!

Egal, für welche Version ihr euch entscheidet: Euch steht ein spannendes und intensives, in manchen Momenten allerdings extrem forderndes Taktik-Action-Vergnügen ins Haus. Angefangen beim fulminanten Einstieg über die ausgefeilten Team-Befehle à la Full Spectrum Warrior bis hin zur gnadenlos realistischen Kriegesdarstellung konnte mich kein Medal of Honor und kein Call of Duty so sehr an den Bildschirm fesseln wie Matt Bakers Tagebuch. Optik-Fetischisten sind natürlich mit den PC- und Xbox-Fassungen am besten bedient, doch auch die PS2-Spieler können sich auf ein grafisches Erlebnis allererster Güte freuen. Kleinere Probleme wie die ab und an nicht immer den sichersten Weg suchenden Kameraden sowie minimale Ruckler nimmt man angesichts der Spannung in Kauf. Und auch die Bedenken, dass die Taktik den Shooter-Spaß mindern könnte, haben sich schnell zerstreut: Intuitiv und ohne die Action oder Dramatik zu zerstören, geht ein Element nahtlos in das nächste über. Gearbox hat das Unmögliche möglich gemacht und dem mittlerweile abgestandenen Zweiten Weltkrieg neues Leben eingehaucht.

Pro

Ego-Action und viel Taktik
nette Geschichte um die Soldaten
packende Team-Gefechte
intensives Mittendringefühl
einzigartige historische Authentizität
abwechslungsreiche Missionen
cleveres Level-Design
nicht-linearer Verlauf der Einsätze
realistische Gefechtsdarstellung
hervorragendes Interface
passendes Gesundheitssystem
gute künstliche Intelligenz
tolle Grafik
grandiose Charakter-Modelle
super Sound-Kulisse
tonnenweise Bonusmaterial
interessanter Multiplayer-Modus

Kontra

Kampagne könnte länger sein (10-15 Stunden)
streckenweise recht schwer
kleine Wegfindungsprobleme
Wegpunkt-System mit leichten Ungenauigkeiten
KI-Soldaten können kein MG-Nest benutzen
leichte Probleme mit der Framerate (Xbox)
kein Koop-Modus

Wertung

PC

XBox

PlayStation2

Bisher bester Ego-Shooter im Zweiten Weltkrieg mit tollen Taktik-Elementen und viel Realismus.

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