Colin McRae Rally 200503.10.2004, Paul Kautz
Colin McRae Rally 2005

Im Test: Der alte Rallye-König muss seinen Thron verteidigen - ob das nochmal klappt?

Rallye-Overkill: Richard Burns Rally und Xpand Rally buhlen gerade um die Gunst der über-Stock-und-Stein-Freunde, jetzt gesellt sich auch noch die fünfte Inkarnation des berühmtesten Rallye-Games dazu: Colin McRae Rally 2005 (ab 5,90€ bei kaufen).  Kann der alte König den Thron halten, oder wird es Zeit abzudanken?

Fern von jeder Autobahn

Gerade mal acht Monate ist es her, dass Colin Nummer 4 seine Kreise auf dem PC drehte, ein halbes Jahr zuvor eroberte er PS2 und Xbox im Flug. Und schon steht die neueste Version in der Testgarage. Auf den 

Die Wagenmodelle bestechen durch liebevolle Details und ein tolles Schadensmodell, das auch Lackkratzer beinhaltet.
ersten Blick hat sich nicht viel getan: Nach einem stylischen Intro könnt ihr einzelne Wertungsprüfungen abrasen (entweder eine Etappe oder als ganze Rallye), als Colin McRae die Meisterschaft gewinnen oder als kleiner Rallye-Neuling die Karriereleiter hinaufrasen. Der letzte Modus ist nicht nur der neueste, sondern auch gleichzeitig der interessanteste: Zwei Schwierigkeitsgrade lassen auch Einsteigern eine Chance: Ihr beginnt mit einem Kleinwagen und verdient durch erfolgreiche Rennen Karrierepunkte. Die könnt und müsst ihr später in neue Karren investieren, denn wie auch bei Xpand Rally erfordern bestimmte Rennen spezielle Wagen. Zwischendurch müsst ihr notwendige Reparaturen hinter euch bringen, für die ihr allerdings nur ein bestimmtes Zeitkontingent habt – benötigt ihr mehr als die vorgeschriebenen 60 Minuten (jede Reparatur zeigt vorher an, wie lange sie dauern wird), wird euch für das nächste Rennen Strafzeit aufgebrummt. So solltet ihr nicht nur allgemein vorsichtig fahren, sondern müsst auch immer wieder abwägen, welche Reparaturen notwendig sind, und welche warten können.

Vor jedem Lauf dürft ihr auch beim Tuning den Schraubenschlüssel schwingen: Ob Rahmenhöhe, Stabilisatoren, Reifen, Federung oder Lenkung – jedes Teil sollte gewissenhaft auf die nächste Strecke, deren Eigenschaften sich jederzeit überprüfen lassen, abgestimmt werden. Ab und zu wartet sogar eine Art Minigame auf euch, in dem ihr besondere Bonusteile gewinnen könnt: z.B. ein neuer Motor oder ein besserer Auspuff.

Grafisches Hickhack

Die größte Überraschung liefert Colin 2005 im optischen Sektor: Zwar kommt das Game nicht an Xpand Rally heran, lässt aber Richard Burns Rally und auch den eigenen Vorgänger locker hinter sich. Vor dem Rennen und in den Replays verzerrt ein stilvoller Unschärfeeffekt die Hintergründe, Bäume wiegen sich sanft im Wind, die Sonne strahlt hell, die Böden sind mit Gras bewachsen. Wälder sind tatsächlich dicht beholzt, die Umgebung spiegelt sich in Echtzeit 

Colins Regeneffekte sind ungeschlagen, und vermitteln speziell aus der Cockpitperspektive ein beklemmendes Rennerlebnis.
auf dem Wagenlack - und rasend schnell ist das Ganze auch noch, selbst auf Schmalspur-PCs. Die Wagenmodelle sind in ihrem Detailreichtum unerreicht, dazu gibt es ein mustergültiges Schadensmodell, welches nicht nur Einzelteile lose herumbaumeln und Scheiben Besorgnis erregend zersplittern lässt, sondern erstmals auch Lackschäden berücksichtigt: Härtere Kollisionen oder Schleifeinlagen am Straßenrand ziehen lange Kratzer, Dellen und Abschürfungen nach sich. Bei dickeren Rumplern an Bäumen oder Steinen wird das Bild übrigens ganz kurz verwischt – kaum merklich, aber dennoch ein cooler Effekt. Auch die Regendarstellung ist immer noch klasse: Dicke Tropfen pladdern auf die Scheibe, werden verwischt, wandern geschwindigkeitsabhängig auf dem Glas umher – klasse!

           

Doch wie so oft ist der Schatten sehr nah beim Licht: Die schöne neue Weitsicht offenbart in erster Linie die weite Ödnis der Landschaften, die Straßen sind speziell in Kurven sehr eckig. Das gilt auch für Räder und Radkästen an den sonst makellosen Fahrzeugen, welche ungute Erinnerungen an die kantigen Vehikel aus Enter the Matrix zurückrufen. Die Replays, auf den ersten Blick dank großartiger Kameras spektakulär in Szene gesetzt,

Steinzeit: Manche Levels sehen toll aus, manche lassen an der Grafikhardware zweifeln.
sind weder speicher- noch sonst wie bearbeitbar. Und schlussendlich hat sich auch am Publikum nicht viel getan, welches immer noch eine Mischung aus Pappkameraden und simpel animierten Polygon-Grinsebacken ist.

Dorf-Raserei

Die Jagd nach der Rallye-Krone führt euch über 75 Etappen, die auf neun Länder verteilt sind:  USA, Schweden, Japan, Griechenland, England oder neuerdings auch Deutschland! Knapp drei Dutzend Wagen aus acht Klassen wie »Vierradantrieb«, »Klassisch« oder »Spezial« schreien nach einer Testfahrt, wobei die meisten davon in der Meisterschaft erst freigespielt werden müssen – oder sich per Cheat freischalten lassen, der, wie bei Codemasters mittlerweile üblich, über eine teure 0190-Hotline verraten wird. Während die normalen Wagen wie Peugeot 206, Lancia Strato Ford Focus kaum zu überraschen wissen, findet sich mit den »4x4«-Karren eine interessante Klasse im Fuhrpark: Drei dicke Pickups wie der Mitsubishi Shogun, die normalerweise im Wüstenstaub von Dakar zu finden sind, bringen eine faszinierende neue Herausforderung ins Spiel, sind sie doch schwerer zu beherrschen als die weißen Tiger von Siegfried & Roy.

Die Steuerung ist unverwüstlich gut, und kommt sowohl Einsteigern als auch Rallye-Füchsen entgegen: Per Gamepad oder Lenkrad liegen die heißen Kisten gut in der Hand, selbst per Tastatur gelingen schnell punktgenaue Drifts. Jeder Straßenbelag wirkt sich spürbar unterschiedlich auf das Handling aus, leider gibt es kein wechselndes Wetter, welches die Sache noch mal spannender gemacht hätte: Zwar könnt ihr unter verschiedenen Bedingungen (sonnig, Regen, etc.) wechseln, aber die Wolkenfront bleibt das ganze Rennen über gleich. Ihr müsst allerdings keine Angst haben die Übersicht zu verlieren, denn natürlich werden vor jeder Kurve aussagekräftige Symbole eingeblendet, welche euch Stärke und Richtung der nächsten Abbiegung verraten. Und selbstverständlich werdet ihr pausenlos vom Copiloten zugelabert, dieses Mal sogar in verschiedenen Sprachen! Während euch im Englischen Colins bewährter Beifahrer Nicky Grist mit starkem 

Die neue Deutschland-Rallye führt euch u.a. durch einen engen Bauernhof.
britischen Akzent durch die Pampa leitet, bekommt ihr auf Deutsch eine unbekannte Stimme zu hören. Nichtsdestotrotz spricht euer Copilot sehr flüssig und kennt sogar verschiedene Tonlagen, wodurch er in bestimmten Situationen hektischer und höher klingt. Dazu gibt es noch gute Menümusik sowie etwas kraftlos brummelnde Soundeffekte – auf dem PC per EAX 4 (sofern hardwareseitig vorhanden), auf der PS2 in Dolby Pro Logic.

Habt ihr genug von den Fahrten gegen die Geisterwagen der Bestzeiten, erlaubt euch Colin 2005 den Hopser ins LAN oder Internet, wo ihr gegen sieben weitere Piloten antreten dürft – die ihr ebenfalls nur als Gespenster zu sehen bekommt, wodurch auch hier Xpand Rally die Stoßstange vorn hat.

   

Fazit

Colin McRae Rally 2005 liefert bewährte Qualität – bei diesem Spiel weiß man einfach, was man hat. Das Problem ist nur, dass mittlerweile die Konkurrenz ziemlich stark ist: Richard Burns Rally bietet knüppelharten Realismus samt toller Fahrschule, Xpand Rally dreht Colin grafisch eine lange Nase. Klar, der neue Schotte sieht besser aus als je zuvor, aber kann im Vergleich nur in Sachen Fahrzeug- und Schadensmodell punkten. So bleibt letzten Endes ein sehr gutes Rallye-Spiel mit motivierendem Karrieremodus, das euch aber die Wahl nicht einfach macht. Jedoch: Ein bisschen zu innovationsarm, ein bisschen zu konservativ - gerade angesichts der aufmüpfigen Rivalen wäre etwas mehr Mut zum Neuen seitens der Entwickler wünschenswert.

Pro

hübsche Grafik
zwei Schwierigkeitsgrade in der Karriere
intuitive Steuerung
jede Menge Wertungsprüfungen
motivierende Karriere
viele Fahrzeuge
coole Pickups
schöne Wagenmodelle
aufregende Replays
gute Copiloten-Durchsagen
mehrere Sprachen wählbar
toller Regeneffekt
detailliertes Schadensmodell
Lackkratzer möglich
einfaches Tuning

Kontra

Cheats nur per 0190-Nummer
fummelige Menübedienung
eckige Straßen
eckige Räder
über weite Teile leere Strecken
Replays nicht speicherbar
unaufregende Mehrspielermodi
extremer Platzbedarf auf der Memory Card (PS2)

Wertung

PlayStation2

PC

Bewährte Colin-Qualität mit gutem Karrieremodus.

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