Test: Dragon Age: Origins (Rollenspiel)

von Jörg Luibl



Entwickler:
Publisher: Electronic Arts
Release:
05.11.2009
10.11.2009
19.11.2009
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Spielinfo Bilder Videos
Blutige Kampf-Choreografie

Der Kampfhund lässt sich streicheln, kann das Blut von eurer Rüstung lecken oder versteckte Gegenstände aufspüren...und natürlich hat auch er einige nützliche Angriffstalente.
Die Landschaftsgrafik ist schwach, aber die Visualisierung der Gefechte ist ausgezeichnet: BioWare setzt die animierte Kampftradition fort, die mit Neverwinter Nights ihren Anfang nahm. Schon damals wurden Attacken, Finten und Paraden, die ja quasi erwürfelt wurden, in entsprechende Bewegungen umgesetzt. In Dragon Age knüpft man daran an und inszeniert ebenso brachiale wie lebendige Kampfszenen, in denen eine Vielzahl an Hieb-, Stich-, Schlag-, Block-, Tritt- und Beißmanövern zu sehen ist.

Auch die wuchtige Musik, die mit der Frauenarie im Hauptmenü noch verdächtig nach Two Worlds klingt,  und die Soundeffekte tragen ihren Teil dazu bei, dass die Gefechte kernig wirken: Bären richten sich auf und knurren bedrohlich, Untote stöhnen schlurfend und wenn ein Krieger voll mit der Rückhand seiner Klinge durchzieht, dann schmatzt es regelrecht, wenn Stahl auf Fleisch trifft. Die Animationen sehen nicht nur sehr gut aus, sie sind auch je nach Gegner- und Waffentyp sehr individuell. Da wird mit einem weit ausholenden Rundumhieb mal eben glatt geköpft, da wird die Klinge beim Todeshieb elegant und gezielt in eine bestimmte Stelle gestochen und wer mit dem Bogen das genaue Zielen aktiviert, steht ein paar Sekunden länger mit gespannter, aber nicht sichtbarer Sehne da.

Er gibt auf: Nicht alle Kämpfe müssen bis zum letzten Mann ausgetragen werden, manchmal bitten die Unterlegenen um Gnade.
All das führt dazu, dass man immer wieder gerne pausiert, die Kamera dreht und an den Helden heran zoomt, der gerade ein neues Kamptalent erlernt oder eine neue Waffe ergattert hat. Allerdings landet die Sicht gerade auf dem PC auch mal hinter einer Mauer, Wand oder dem Gebälk, denn diese Hindernisse werden beim Rauszoomen weder immer transparent noch ausgeblendet. Auch auf dem Weg im Gelände ist die Kamera nicht immer optimal, denn ab und zu erkennt man genau das nicht, was gerade vor einem liegt - aber das sind Peanuts.

Keine Konsequenzen für Langfinger

Es gibt aber auch größere Probleme, die an der Glaubwürdigkeit der Spielwelt nagen. Zum einen das leidliche Thema Diebstahl (hier im Video), mit dem BioWare schon immer Probleme hatte: Wieso kann ich in die Küche einer Taverne marschieren und dort einfach so die Kisten plündern, obwohl mich die dort schuftende Frau samt ihrer Knechte schon beim Eintreten anpflaumt, dass ich ja nichts schmutzig machen soll? Noch schlimmer: Wieso kann ich trotz knurriger Warnung einfach so an
Die Karte der großen Stadt Denerim täuscht: Sie ist in kleine Module unterteilt.
einer Zwergenwache vorbei in fürstliche (!) Gemächer schlendern und dort alles vor Zeugen plündern? Das ist schlechtes Figurenverhalten! In diesem Bereich wirkt Risen trotz anderer Defizite wesentlich lebendiger.

Auf diese unrealistische Weise kann ich mich jedenfalls in vielen Privaträumen bedienen. Wenn das nur ab und zu möglich wäre und wenn es keine Schurken-Klasse gäbe, wäre das nicht so schlimm. Aber BioWare bietet eine komplette Karriere für Langfinger mit allen Möglichkeiten an - dann muss man das auch überzeugend inszenieren. Es gibt lediglich bestimmte Plot-Kisten, die realistisch als Eigentum bewacht werden: Wer sich daran vergreift, muss danach die Waffen zücken oder wird streng ermahnt. Ähnlich wie in Risen stehen auch hier einfach mal herrenlose Truhen in der Wildnis oder dem Dorf rum, in denen man dann eine Kostbarkeit wie einen Schuppenpanzer finden kann. Aber warum hat BioWare kein Straf- oder Wachsystem für Privaträume eingebaut, wenn man doch als Klasse einen Schurken anbietet und sowohl das Schlösser knacken als auch den Taschendiebstahl ermöglicht?

Damit sind wir beim nächsten Fauxpas: Es gibt ähnlich wie in Drakensang keine Konsequenzen bei einem gescheiterten Diebstahl. Sprich: Ich visiere als Schurke mein Opfer mit einem Fadenkreuz an und wenn es nicht klimpert, dann schaut sich der Betreffende höchstens mal irritiert um - aber er ruft weder die Stadtwache noch zückt er die Waffe. Ich kann auf diese billige Weise nicht nur alle (!) Passanten einer Stadt abklappern, sondern auch Fürsten ohne Konsequenzen betatschen. Warum hat BioWare hier keine lebendigen Reaktionen eingebaut? Warum gibt es nicht wenigstens nach erfolglosem Klau eine Strafe? Auch die eigenen Gefährten hätten darauf reagieren müssen: Immerhin betreibt man hier als Grauer Wächter und Anführer unehrenhaften Diebstahl! So lebendig und konsequent das Spiel manchmal ist, so steril und inkonsequent ist es hier.

Nur bestimmte Truhen gelten als Privatbesitz - ansonsten kann man alles öffnen.
Immerhin rettet man das Rollenspiel für Schurken in der Stadt auf höherem Niveau: Wer Quests für Einbrüche und Diebstahl annimmt, hat es erstens schwerer als oben beschrieben. Denn hier werden die Situationen etwas realistischer konstruiert, weil man vor dem Klau in den Schatten verschwinden oder eine Wache überlisten bzw. überreden muss - in diesen geskripteten Szenen macht das Schurkendasein Spaß. Und zweitens gibt es hier endlich Konsequenzen: Wer sich über Hehler-Quests zu oft bei den Reichen in Denerim bedient, bekommt es irgendwann mit der Stadtwache zu tun, die einem in den Gassen auflauert und als miesen Einbrecher zur Strecke bringen will - und das mit hohem Personaleinsatz, der harte Kämpfe zur Folge hat. Hier kann BioWare die angeknackste Atmosphäre für Schurken wieder etwas kitten, aber die handwerklichen Fehler sind unübersehbar.

Modulare Metropole

Apropos Stadt: Die Spielwelt ist ja nicht offen, sondern modular aufgebaut. Man reist von einem Punkt auf der Karte zum
Selbst wenn der Taschendiebstahl an einer Leibwache scheitert, gibt es keine Reaktionen - hier im Video.
nächsten, inklusive diverser Zufallsereignisse wie Überfälle oder Händler. Das ist im Rahmen eines großen Kontinents auch akzepatbel und verständlich.   Aber dieses System wird, abgesehen von Orzammar,  auch in der einzigen großen Metropole Denerim angewendet - und das ist ernüchternd. Denn wenn man das erste Mal die Stadtkarte sieht, denkt man sich noch: Wow, das kann ich alles erforschen? Aber praktisch kann man nicht einfach so von Viertel zu Viertel ziehen, sondern muss diese auf der Stadtkarte anklicken und dann dorthin - auch inkl. der oben erwähnten Zufallsereignisse. Spätestens hier wirkt das System antiquiert, denn obwohl die Karte eine gewisse Größe mit vielen Gassen und Straßen suggeriert, in die man gerne abtauchen würde, muss man sich mit sehr kleinen Gebieten oder gar einzelnen (!) Gebäuden zufrieden geben; ein Kartenpunkt ist z.B. ein Bordell, dessen Umgebung man nicht erkunden kann.

Hier fragt man sich dann wieder: Wenn man schon dermaßen kleine Areale anbietet, warum kann man die dann nicht wenigstens hervorragend visualisieren und mit Überraschungen garnieren? Schade ist nämlich auch, dass man in den relativ kleinen Orten kaum mit der Umgebung interagieren oder abseits von Quests Verstecktes entdecken konnte: Hier mal einen
Die Aussicht im Elfenwald ist alles andere als berauschend - Dragon Age punktet dafür mit inneren Werten.
Hebel bedienen, da mal eine Ballista abfeuern oder ein Kraut pflücken; ansonsten bleiben die Räume und Gebiete relativ interaktionslos. Und wenn etwas möglich war, wie etwa das spektakuläre Zerstören einer Tür, dann nur an speziellen Stellen. Immerhin hat BioWare die Dungeons üppiger gestaltet: Dort geht es dann schon mal verschachtelt und umfangreicher in die Tiefe, hier muss man auf einfache Fallen achten, diese per Klick entschärfen und seine Party geschickt positionieren - manchmal bietet sich auch das Kundschaften an: Den Schurken verdeckt um eine Ecke schicken, um den Feind auszuspähen. Allerdings wird das Labyrinthdesign im großen Ganzen keinen Fantasy-Veteranen von den Socken hauen, denn auch unter Tage vermisst man physikalische oder magische Fallen, die clevere Gegenmaßnahmen (Eis durch Feuer schmelzen etc.) verlangen, oder Überraschungen wie einstürzende Böden oder geflutete Gänge - schade, dass man nicht öfter so kreativ gefordert wird wie in der Parallelwelt des Nichts, wo man sich z.B. verwandeln muss, um vorwärts zu kommen. Es ist letztlich das große Drama auf der Bühne der Politik und der Persönlichkeiten das fasziniert, es sind die Dialoge, die dynamischen Beziehungen und die Konsequenzen, die gerade im Vergleich zur schwachen Rollenspielkonkurrenz hervorragend wirken - auf der Ebene des Spieldesigns und der Technik hätte man sich auch öfter diese Superlative gewünscht.                

Kommentare

WOOM schrieb am
Habe es gerade als PS+ bekommen und ausprobiert. Hat mich gleich gefesselt! Obwohl das Kampfsystem mich nicht anspricht.
FuerstderSchatten schrieb am
RIP Gracjanski, du warst mir wirklich der liebste der Frauenhasser hier, kein Thema um deine ultrakonservativen an den Salafisten (die du vermutlich seltsamerweise verabscheust) grenzenden Meinung herauszuposaunen, hast du ausgelassen. Du wirst mir fehlen, irgendwie.
Die ersten Beiträge des langjährigen und auch verdienten 4Players Veteran, die noch wie erste tapsige Gehversuche anmuten zu lesen, ist lohnenswert. Der spätere selbsternannte RPG Oldschool Guru, der BG 2 verehrte, nennt Vampire the Masquerade langweilig und hätte den Preis fürs beste RPG 2004 lieber Everquest 2 gegeben. Far Cry 1statt Half Life 2 sollte seiner Meinung nach Spiel des Jahres 2004 sein. Wie man daran sehen kann: Ja seine Expertise wird hier fehlen. Von seinem späteren Hass auf Schwule und Frauen ist in diesen noch unschuldigeren Tagen noch nichts zu lesen. Zum Glück! Im Geheimen (also hier in einer seiner Posts) gab er mir zu verstehen, dass ich noch zu jung um zu begreifen, was Frauen den Männern alles antuen und das sie Luzifer persönlich seien. Oder so ähnlich jedenfalls. Vermutlich eine postraumatische Störung.
Sorry Leute, der Nachruf musste sein. Katta fehlt übrigens auch, kann keiner eine Petition einreichen oder so?
Achja fast vergessen, das hier ist nur für dich: "Nur die besten sterben jung, du warst der beste." Sayonara, alter Freund.
-=Ramirez=- schrieb am
Gib es noch bis zum 14. Oktober 2014 KOSTENLOS auf Origin
gracjanski schrieb am
Das Game ist wirklich top. Und mit den Mods wird es fast perfekt. Fehlt nur eine Log um Kämpfe nachzuvollziehen. Habe vorgestern durch, dann noch alle Origins gemacht und das DLC Hexenjagd. Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich echt das Game zum zweiten mal spielen, denn Ideen hätte ich viele, aber nun reicht es. Ich glaube, ich habe 160-190 Stunden mit dem Game verbracht, nur Baldurs Gate 2, Morrowind und Everquest 2 haben mich länger gefesselt.
Awakening habe ich aber nicht angefasst, soll nicht sooo super genial sein. Habe eh genug das Gameplay genossen, nun sollte ich mal was anderes machen.
Dzharek schrieb am
Ich muss mich langsam aufraffen mit meinem Zwergenkrieger das Spiel zum 2. mal durchzuspielen, dann kann ich endlich Awakening anfangen. Teil 2 werde ich wohl etwas auf die lange Bank schieben, die demo war zwar nett, aber nichts was ich sofort haben müsste.
schrieb am