Conflict: Vietnam17.09.2004, Paul Kautz
Conflict: Vietnam

Im Test: Vier Mann hoch im Grauen Vietnams: Ergrünt der Spielspaß mit Conflict Vietnam, oder ist es ein Absturz in die Langeweile-Hölle?

In den Augen der Spieldesigner scheint der Zweite Weltkrieg als Szenario ausgedient zu haben, denn alle Welt stürzt sich neuerdings auf den Vietnam-Konflikt: Vietcong, Battlefield Vietnam & Shellshock Nam ’67 sind nur einige Beispiele. Conflict: Vietnam (ab 7,58€ bei kaufen) springt ebenfalls auf diesen Zug auf, und verlagert das Conflict: Desert Storm-Spielprinzip in die grüne Hölle. Ob das spielerisch gut geht, erfahrt ihr aus dem Test.

Gewohnter Krampf

Der junge Sanitäter Harold Kahler, genannt »Cherry«, findet sich im Januar 1968 mehr oder weniger ahnungslos in Vietnam wieder. Bislang haben ihn Baseball-Ergebnisse mehr interessiert als das Geschehen in Asien, aber er lernt sehr schnell, dass diese Art von Unaufmerksamkeit eventuell ein Fehler war. Doch zuvor steht anderes Lernen auf dem Programm: das Tutorial. In den Vorgängern wurdet ihr von einem stimmgewaltigen Spieß durch die einzelnen Stationen geschickt, hier trabt ihr relativ frei über euer Camp und lauscht den Lautsprecherdurchsagen, die euch zusammen mit einer Anzeige auf dem stets eingeblendeten Radar zum nächsten Zielort lotsen. Habt ihr Feuertraining, Zugführung und allgemeine Kontrolle gemeistert, befindet ihr euch auch schon mitten im Krieg: Die Tet-Offensive startet und ihr seid im Dschungel, begleitet von drei Kameraden, für die ihr nur ein weiterer nervender Frischling seid…

Im Tutorial werdet ihr eine Zeit lang von Station zu Station gehetzt.

Das grundlegende Spielprinzip der Conflict-Reihe bleibt erhalten: Ihr steuert einen Trupp aus vier Soldaten, die jeweils unterschiedliche Stärken und Schwächen haben. Der eine ist gut mit dem Scharfschützengewehr, der andere besser mit dem MG. Die Kombination aus den Kräften der einzelnen Mitglieder eures Squads ist der Schlüssel zum Sieg, und gleichzeitig auch der größte Knackpunkt des Spiels: Die Steuerung ist nämlich unverändert kompliziert geblieben. Theoretisch könnt ihr per Kombination aus Tastatur- und Mausbefehl bzw. mehreren gedrückten Pad-Buttons jeden einzelnen Soldaten beliebig in die Pampa schicken oder einen Kameraden heilen lassen. Praktisch gehen solche Aktionen mit derartig verknoteten Fingern einher, dass es in 90% der Fälle wesentlich einfacher und schneller geht, sich einfach per Tastendruck in den jeweiligen Soldaten zu versetzen, und die Aktion gleich selbst auszuführen.

Vietnamesische Hydra

Im  Dschungel erwarten euch 14 Missionen, die ihrerseits noch in viele Aufträge unterteilt sind, welche sich wiederum in Haupt- und Bonusaufgaben splitten. Während grundlegende Befehle wie »Sorg dafür, dass alle überleben!« oder »Erreiche die Abholzone!« immer ausgeführt werden müssen, sollt ihr in den Bonusaufgaben z.B. dafür sorgen, dass Dorfbewohner überleben oder die Hundemarken gefallener Kameraden gesichert werden. Je mehr Zusatzaufgaben ihr erledigt, desto mehr Erfahrungspunkte gibt es am Ende der Mission. Die könnt ihr dann nach Gusto auf eure Truppe verteilen, und somit Spezialisten heranzüchten. Nicht, dass das wirklich nötig wäre: Eure Jungs stellen sich von Anfang an ziemlich clever an, was das Finden und Ausschalten von Gegnern angeht. Nur was die eigene Verteidigung betrifft, haben die KI-Soldaten den Überlebensinstinkt eines betrunkenen Lemmings: Egal ob treffsicherer Scharfschütze aus dem Hinterhalt oder vorwitzig heranschwirrende Handgranate – eure Mannen bleiben felsenfest stehen, bis sie Sekunden darauf wimmernd am Boden liegen. Dann obliegt es eurer Verantwortung zu ihnen zu kriechen und etwas Verbandszeug zu spendieren. Dumm wird es natürlich, wenn ihr dabei auch erwischt werdet, denn dann ist die Mission verloren, da keiner mehr da ist, der den anderen heilen könnte – obwohl genug Medizin vorhanden wäre.

Eure Kameraden sind schnell mit der Waffe, aber langsam mit dem Gehirn.
In diesem Zusammenhang muss auf den dümmsten Gamedesign-Schnitzer im ganzen Spiel hingewiesen werden: Die Entwickler konnten es nicht lassen, das Spiel mit Stellen vollzustopfen, an denen die Gegner unendlich nachwachsen, bis ein bestimmter Trigger betätigt wird – etwa das Überschreiten einer unsichtbaren Linie. Nur: Manchmal steckt man derart in der Bredouille, dass man in einer engen Schlucht von beiden Seiten unter Beschuss genommen wird und keine echte Chance hat, da lebend rauszukommen – wie bei einer Hydra wachsen getötete Gegner ständig nach, was auf Dauer einfach nur nervt, nervt, nervt!

   

Kombiniert man das noch mit wirklich treffsicheren Feinden, die im dichten Dschungel bei weitem nicht mehr so einfach auszumachen sind wie im irakischen Wüstensand, ist Conflict: Vietnam deutlich schwerer als die Vorgänger – leider auf einer unfairen Basis.

In manchen Missionen erhaltet ihr fliegende Unterstützung.
Ich bin GI – holt mich hier raus!

Die Präsentation von Conflict: Vietnam folgt wie der große Rest des Spiels auch dem Credo des zweiseitigen Schwertes: Auf der einen Seite sind die Landschaften wirklich schön anzusehen; dichte Wälder, dreckige Lager, nette Effekte. Die Soldaten bewegen sich weich durch die Pampa, die Hardwareanforderungen sind recht niedrig angesetzt. In nahezu jeder Mission gibt es neue Wetterbedingungen zu sehen, außerdem stimmen schön geschnittene Renderfilme auf Missionen ein. Auf der anderen Seite: Die Levels sind extrem linear, vermitteln nur durch allerlei Buschwerk und eingestreute Dörfer ein falsches Gefühl der Freiheit – ihr werdet immer durch einen recht engen Schlauch, der durch unsichtbare Mauern abgegrenzt ist, zum Levelende geführt. So detailliert die Soldaten sind, so hässlich sind gerade die Gesichter geraten. Man kann nur wild raten, wieso ausgerechnet hier an Polygonen gespart wurde, da ihr in den vielen Echtzeit-Zwischensequenzen die Gesichter sehr oft zu sehen bekommt. Und so ansehnlich die Renderfilme im Allgemeinen sind, so plump sind die dort zu sehenden Figuren animiert.

Akustisch geht das Spiel den bekannten Weg aller Vietnam-Shooter: Viel gute 60er Klassiker wie »Paint it black« von den Rolling Stones oder »White Rabbit« von Jefferson Airplane passen hervorragend zum Spiel. Innerhalb der Missionen bekommt ihr allerdings meist Atmosphärensounds mit sporadischen Orchestereinspielungen zu hören. Erstaunlich gut geraten ist die deutsche Sprachausgabe (an der PS2 könnt ihr auch andere Sprachen auswählen), die mit guten Sprechern Atmosphäre aufkommen lässt – die allerdings durch die oftmals hohlen Dialoge wieder zunichte gemacht wird. Nichts auszusetzen gibt es hingegen an den wummernden Soundeffekten, die entweder in EAX (PC), Dolby Surround (PS2) oder Dolby Digital (Xbox) auf euch niederhämmern.

Die Umgebungen sind ansehnlich und realistisch designt.
Allein im PC-Wald

Im Gegensatz zu den vorherigen Conflict-Teilen habt ihr jetzt die seltene Möglichkeit der Interaktion mit NPCs: Im Ausbildungscamp könnt ihr mit jedem Soldaten ein kurzes Schwätzchen führen, was gelegentlich sogar in einer Bonusaufgabe endet. Überhaupt passiert sehr viel nebenher: Soldaten reden miteinander, Hubschrauber drehen über euren Köpfen ihre Runden, Kollegen stürzen sich unabhängig von euch ins Gefecht. Neuerdings dürft ihr dankbarerweise auf die Waffen gefallener Gegner aufsammeln, wobei allerdings nicht unbegrenzt viel davon auf euren Rücken passt. Geblieben ist außerdem die jetzt seltener gewordene Möglichkeit, in Fahrzeugen die eine oder andere Runde zu drehen sowie fest montierte Waffen zu bedienen. Und natürlich ist die Speicherfunktion gewohnt limitiert: Abhängig vom Schwierigkeitsgrad habt ihr mehr oder weniger Möglichkeiten, pro Level euren Fortschritt zu sichern. PC-Spieler werden sich über die komplette Abwesenheit einer Mehrspielervariante ärgern. Insbesondere, da Konsolen-Zocker bis zu vier Mann hoch (PS2-Version nur zu zweit) kooperativ die Missionen angehen dürfen. Allerdings auch nur am Splitscreen und nicht online.

 

Fazit

Conflict: Vietnam hat bei mir gleich von Anfang an ein Wechselbad der Gefühle ausgelöst: »Mmmm, toller Soundtrack. Uuuuh, was sind denn das für hässliche Gesichter? Hey, coole Umgebung! Wääääääh, hat das Tutorial denn gar kein Ende? Hoi, gute Sprachausgabe. Neeein, wer hat denn die Steuerung verbrochen?« - und das war gerade mal das Ende der ersten Mission! Danach war ich aufgrund des gemäßigten Tempos und der spannend designten Aufträge wirklich guter Dinge, aber es folgte doch nur ein Absturz. Liebe Pivotals: Die Unart der endlos nachwachsenden Gegner-Scharen fällt mittlerweile unter die Genfer Spielekonventionen, und wird mit »Wok WM« nicht unter zwei Wochen bestraft! Ernsthaft: An einigen Stellen hatte ich einfach keine Lust mehr, viertelstundenlang von mehreren Seiten unter Beschuss zu stehen, bis mir die Munition aus- und die Laune verging. All die Spannung, all die Motivation, all die aufgrund der gewöhnungsbedürftigen Steuerung heruntergeschluckte Wut wird durch diesen Design-Klops heftig in Mitleidenschaft gerissen. Wer damit kein Problem hat: Viel Vergnügen im Dschungel! Ich für meinen Teil widme mich wieder dem Wüstenausflug, mit dem hatte ich wesentlich mehr Spaß.

Pro

<P>
glaubwürdiges Dschungeldesign
spannende Missionen
nette Renderfilme
gute deutsche Sprachausgabe
toller Soundtrack
weiche Animationen
nettes Aufleveln
kooperativ spielbar (PS2, Xbox)
Sprachen wählbar (PS2)</P>

Kontra

<P>
teilweise sehr schwer
oftmals unfaires Gamedesign
gelegentlich unendlich nachwachsende Gegner
komplizierte Squad-Steuerung
detailarme Figuren
sehr linear
keine Selbstheilung bei Verwundung möglich
etwas langatmiges Tutorial
selbstmörderische Kameraden-KI
kein Mehrspielermodus&nbsp; (PC)
nur Splitscreen-Mehrspielermodi (PS2, Xbox)</P>

Wertung

XBox

PC

PlayStation2

Spannender Taktikshooter mit Designschwächen.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.