Project: Snowblind01.04.2005, Michael Krosta
Project: Snowblind

Im Test:

Stellt euch vor, in eurem Körper würden sich hoch entwickelte Implantate befinden, die euch mit ungeahnten Superfähigkeiten ausstatten, mit denen ihr z.B. durch Wände sehen oder euch mit einem undurchdringlichen Schutzschild ausrüsten könntet. So eine Mischung aus dem Sechs-Millionen-Dollar-Mann und Superman eben. Klingt cool?! Ja! Doch es gibt ein Problem: Den Snowblind-Effekt!

Unter Feuer

Als 2nd Lieutenant Nathan Frost im August 2065 als Teil der Friedenstruppe Liberty Coalition Army in China eintrifft, kann er noch nicht erahnen, welches Schicksal ihn in dem vom Bürgerkrieg zerrütteten Land erwarten wird. Doch schnell wird klar, dass es sich bei der Region um ein hochexplosives Pulverfass handelt, das die ganze Welt in einen Krieg stürzen könnte. Bereits kurz nach Frosts Ankunft wird das Lager der Friedenstruppen von feindlichen Helikoptern und Bodentruppen attackiert, überall hört man 

Die Riot-Wall schützt euch kurzzeitig vor den Angriffen der Gegner.
Explosionen, Schreie und Gewehrfeuer. Zwar werden die Angreifer zurückgeschlagen, doch sorgt ein letzter Bombenabwurf der Republik-Kämpfer für herbe Verluste unter den Soldaten der Liberty Coalition. Auch Frost ist unter den Opfern, sein Gesicht vollkommen zerfetzt. Er ist tot. Oder doch nicht?

Wiedergeburt als Universal Soldier

Hektisch wird eine Bare durch die engen Gänge des Krankenhauses geschoben, Ärzte schauen besorgt in unser Gesicht und brabbeln irgendetwas von einem Projekt, Implantaten und Scarecrow. Dann wird es dunkel und still. Das Schöne dabei: Ihr bekommt all das nicht nur in Form einer Zwischensequenz präsentiert, sondern erlebt alles selbst mit und könnt euch z.B. noch umsehen, während ihr – festgeschnallt auf der Trage – durch die Gänge transportiert werdet. Die anfängliche Attacke durch die republiktreuen Kämpfer dient in erster Linie als Tutorial, doch werdet ihr sofort ins kalte Wasser und damit mitten ins Kriegsgeschehen geworfen. Als Spieler fühlt man sich sofort mitten drin und hat gar keine Zeit zum Durchatmen. Eine Angriffswelle folgt auf die nächste, wild um sich feuernde Kampfroboter brechen durch die Wände und sogar ein mächtiger Hubschrauber ballert im Dauerfeuer auf euch und eure Kameraden. Puh! Etwas ruhiger wird es erst nach der wundersamen Wiedergeburt, nach der sich Nathan zunächst mit seinen neuen Fähigkeiten vertraut machen muss. Denn sein Körper ist jetzt voll gestopft mit High-Tech-Implantaten, die im Kampf gegen die Schergen der Republik eingesetzt werden müssen. Allerdings stehen Nathan zu Beginn noch nicht alle Systemressourcen zur Verfügung, so dass ihr erst während des Spiels nach und nach mit neuen Spielereien ausgestattet werdet. Mit deren Hilfe könnt ihr z.B. die Zeit verlangsamen, euch unsichtbar machen oder Gegner selbst hinter Betonwänden deutlich erkennen. Dazu braucht ihr lediglich genug von der so genannten Bio-Energie, die bei der Benutzung der Implantate stetig abnimmt, aber überall zu finden ist und wieder aufgeladen werden kann. Das hört sich jetzt natürlich alles dufte und nach einer unschlagbaren Ein-Mann-Armee an, doch leider haben die Implantate einen entscheidenden Nachteil: Setzten die Gegner einen elektromagnetischen Impuls in eurer Nähe frei, werden die elektronischen Bauteile in eurem Körper empfindlich gestört und es folgt der titelgebende Snowblind-Effekt. Ihr könnt nichts mehr machen, seid wie gelähmt und auf dem Display seht ihr nur noch Störstreifen – ihr seid schneeblind! Zwar erholt sich euer System recht schnell wieder, doch können wiederholte EMP-Attacken sogar bis zum Tod führen.

Riesiges Waffenarsenal

Nur gut, dass Nathan nicht nur seine Implantate, sondern auch ein reichhaltiges Waffenarsenal  in petto hat. Von der einfachen Pistole über Sturm- und Snipergewehre bis hin zu

Mit diesem Elektro-Schocker geht ihr hauptsächlich gegen mechanische Feinde vor. 
diversen Granaten und futuristischen Elektroschockern ist so ziemlich alles dabei, womit man sich tödlichen Respekt unter den Gegnern verschaffen kann. Da die meisten Waffen zusätzlich noch über einen sekundären Feuermodus verfügen, sind sie zudem vielseitig einsetzbar. Wirklich nett, was sich Crystal Dynamics hier so alles hat einfallen lassen. Neben den Ballermännern schleppt Nathan weitere nützliche Tools mit sich herum, mit denen etwa Gegenstände bewegt und angezogen werden können. Als extrem hilfreich erweist sich der Icepick, mit dem ihr Terminals oder sogar ganze Kampfroboter hacken könnt. So übernehmt ihr z.B. die Kontrolle über schwere MG-Geschütze oder schaltet hinderliche Laserbarrieren aus. Selbst in umherstehenden und teilweise bewaffneten Fahrzeugen dürft ihr Platz nehmen, wobei die Steuerung der Vehikel etwas zu wünschen übrig lässt und die räumlich arg begrenzten Locations keine langen Spazierfahrten zulassen. Trotz dieser Beschränkung wird gerade in den spannenden Außenleveln und dem Häuserkampf der Eindruck einer großen, chinesischen Metropole erweckt.

Ihr seid nicht allein!

Oft wird Frost bei seinem Kampf von weiteren Soldaten unterstützt, deren KI jedoch nicht über das Mittelmaß hinauskommt. So stürmen die Kameraden immer wieder gerne ins offene Feuer oder rennen einfach an bewaffneten Feinden vorbei, ohne von selbst auf die Idee zu kommen, diese vielleicht besser auszuschalten. Bei den Gegnern sieht es nicht viel besser aus, allerdings gleichen sie ihre mangelnde Intelligenz oft durch ein massenhaftes Auftreten aus. Andererseits scheinen die Kerle ein ausgezeichnetes Hör- und Sehvermögen zu besitzen, denn sie erkennen euch oft schon, bevor ihr sie selbst irgendwie ausmachen könnt – und das, obwohl ihr euch leise angeschlichen und euch gut geschützt hinter einer Absperrung versteckt habt. Gerade in den Missionen, in denen ihr möglichst unauffällig agieren müsst, kann dieser Umstand zu einem echten Problem werden. Natürlich könnt ihr euch den Weg dann immer noch mit roher Waffengewalt freischießen, doch wäre es anders sicher spannender und auch abwechslungsreicher geworden. 

     

So enden die gut gemeinten Stealth-Ansätze letztendlich doch wieder in einer Ballerorgie. Ein weiteres Manko bilden die Speicherräume: Manchmal erscheinen sie ziemlich überflüssig, da sie kurz vor Levelende platziert wurden, ein anderes Mal sehnt ihr euch einen Speicherraum regelrecht herbei – der natürlich nicht kommen wird. Ähnlich verhält es sich mit den wichtigen Medi-Packs, die ihr oft in Versorgungskisten oder Regalen findet, genau wie Munition und Granaten. So kommt es

Diese schweren Kampfroboter zählen zu den härteren Gegnern und können auch vom Spieler gehackt und übernommen werden.
vor, dass ihr stellenweise mit Medi-Packs zugemüllt werdet, doch wenn ihr’s wirklich dringend braucht, ist weit und breit nichts zu finden. Daher mein Tipp: Spart euch ein Medi-Pack, wenn ihr es nicht dringend benötigt und lauft dann später lieber wieder zu der Stelle zurück, um es einzusacken.

Wer ist der Feind?

Leider gibt es keine allzu große Vielfalt bei den Gegnern. Die feindlichen Soldaten sehen fast alle gleich aus und haben eine gewissen Ähnlichkeit mit den Helghast aus Killzone. Für etwas Abwechslung sorgen lediglich die vereinzelt auftauchenden Kampf- und Spionageroboter oder noch schwereres Geschütz in Form von Panzern oder Kampffliegern. Dennoch ist das Gegneraufgebot alles in allem etwas enttäuschend. Auch der Oberbösewicht General Yan-Lo spielt bis zum Showdown keine große Rolle und bleibt charakterlich sehr blass, da er lediglich in Funksprüchen erwähnt wird. Damit fehlt dem Spiel eine Figur, mit der man das Böse in Person identifizieren kann. Eine einführende Zwischensequenz und Cutscenes hätten dieses Manko einfach beheben können, auch wenn das Geheimnis über das überraschende Aussehen des Generals damit früher gelüftet worden wäre.

Schneeblind im Internet

Neben der relativ kurzen Einspieler-Kampagne habt ihr in Snowblind noch die Möglichkeit, in LAN- oder Online-Matches mit bis zu 16 Spielern gegeneinander anzutreten. Dazu stehen euch unter den neun Spielmodi alte Bekannte wie Deathmatch, Capture The Flag oder Assault zur Verfügung, bei denen ihr euch zunächst für eine Klasse entscheiden müsst. Die Klasse legt fest, mit welchen Bio-Mods und welcher Primärwaffe ihr ins Spiel einsteigt und kann in Spielpausen oder vor einem Respawn gewechselt werden. Auch Freundeslisten und die Möglichkeit zur Erstellung eines Clans sind enthalten, so dass dem Aufbau einer Community eigentlich nichts im Wege steht. Zwar wird spielerisch insgesamt nichts Neues im Multiplayer-Bereich geboten, doch sorgen die altbekannten Modi für kurzweilige Action und laden immer wieder zu einer bleihaltigen Onlinepartie ein. Schade nur, dass die Entwickler auf die Implementierung eines Koop-Modus und Splitscreenduelle verzichtet haben, denn ansonsten wäre Snowblind unser Multiplayer-Award sicher gewesen. 

Alles unter Kontrolle

Die Steuerung funktioniert eigentlich sehr gut und genau, sobald man sich an sie gewöhnt hat. Gerade in der Anfangsphase ist der Spieler allerdings etwas überfordert, da wirklich 

Meistens müsst ihr euch mit mehreren feindlichen Soldaten gleichzeitig rumschlagen.
jeder Knopf (und auch das Digi-Kreuz) mit einer Funktion belegt ist – beim linken Analogstick wird selbst der Klick noch genutzt, was in hektischen Situationen etwas nervig sein kann, da man aus Versehen schon mal den Analogstick drückt. Auch das schnelle Umschalten der Bio-Mods und Waffen via Digitalkreuz erweist sich während der Kämpfe als umständlich und unnötig hektisch. Glücklicherweise lassen sich sowohl die Implantate als auch die Waffen mit Hilfe eines Inventars anwählen, bei dem das Spiel automatisch in einen Pausenmodus geschaltet wird. Da das PS2-Pad im Gegensatz zu den Xbox-Controllern über zwei Paar Schultertasten verfügt, steuert sich die Sony-Fassung etwas intuitiver als das Xbox-Pendant, doch geht auch hier die Steuerung nach der Eingewöhnungszeit gut von der Hand. Die Analogsticks werden sauber abgefragt, so dass ihr auch ohne Snipermodus die Gegner genau anvisieren und ausschalten könnt. Lediglich das Umsehen mit dem rechten Analogstick ist standardmäßig etwas lahm, daher solltet ihr eine möglichst hohe Empfindlichkeit in den Optionen einstellen.

Starke Präsentation

Optisch macht Project Snowblind eine überdurchschnittlich gute Figur. Vor allem für PS2-Verhältnisse sieht das Spiel atemberaubend aus, auch wenn die Framerate ab und zu in die Knie geht. Zwar ist die Xbox-Fassung dank schärferer Texturen einen Tick schöner ausgefallen, doch fielen hier die ebenfalls selten auftretenden Ruckler während unseres Tests doch

Die Außenlevel wurden von den Entwicklern gekonnt inszeniert.
etwas deutlicher aus als auf der Sony-Konsole. Besonders die Außenlevel in der chinesischen Metropole können beeindrucken,  auch wenn die Szenarien aus Speichermangel durch abgesperrte Straßen und Trümmer sehr begrenzt wurden. Dennoch sind es gerade die Details wie blinkende Leuchtreklamen, Lichtspiegelungen auf nassem Asphalt und ansehnliche Partikeleffekte, die für eine authentische Atmosphäre in diesem futuristischen Szenario sorgen. Auch die Charaktermodelle sehen prima aus, doch hätten ein paar Gesichtsanimationen sicher nicht geschadet. Ein Highlight sind die filmreif inszenierten Zwischensequenzen, die mit der Engine dargestellt werden und durch herrliche Schnitte und Kamerafahrten begeistern.

Beim Sound stehen natürlich die Effekte im Vordergrund und es ballert, kracht und scheppert aus allen Richtungen, wenn ihr eine Dolby Pro Logic II (PS2) oder Dolby Digital (Xbox) Anlage angeschlossen habt. Wie von Eidos mittlerweile gewohnt, kommen für die Dialoge professionelle Sprecher zum Einsatz, die euch in der Solo-Kampagne auf Wunsch auch über ein angeschlossenes Headset auf dem Laufenden halten.

   

Fazit

Crystal Dynamics, vor allem bekannt durch die Legacy Of Kain-Reihe und Jump’n’ Runs wie Gex, hat mit Project Snowblind ein recht beeindruckendes Erstlingswerk im Egoshooter-Bereich vorgelegt. Zwar sind durch die Mitarbeit von Ion Storm die Parallelen zu Deus Ex 2 unverkennbar (ursprünglich wurde der Titel als Spin-Off entwickelt), doch setzt Snowblind den Schwerpunkt eindeutig auf Action und das ist gut so. Die Entwickler verstehen es von der ersten Minute an, euch in ein atmosphärisch dichtes Kriegsgeschehen zu katapultieren. Die Schleichpassagen sind dagegen kaum der Rede wert und werden schnell wieder vom Balleralltag abgelöst. Auch die Story kommt nur schwer in Gang, hebt sich aber erfreulich durch das noch unverbrauchte China-Szenario von der Konkurrenz aus dem Weltkriegs- und Vietnamlager ab. Insgesamt ist Project Snowblind ein grundsolider und schön präsentierter Shooter, der das Genre nicht neu definiert, aber sowohl in der Kampagne als auch in Multiplayer-Matches für gute Unterhaltung sorgt.

Pro

packende Kriegsatmosphäre
enorm viele Waffen und Gadgets
coole Bio-Mods
gute Präsentation (auch 60Hz)
hervorragend inszenierte Cut-Scenes
überwiegend gute Synchronsprecher
saubere Steuerung
Snowblind-Effekt
unverbrauchtes Szenario
Headset-Support auch im Singleplayer
spaßige Multiplayer-Modi

Kontra

<P>
mangelnde Gegnervielfalt
unauffälliges Vorgehen kaum möglich
Fahrzeugsteuerung gewöhnungsbedürftig
mitunter ungünstige Speicherpunkte
durchschnittliche KI
charakterlich blasser Schurke
minimal auftretende Slowdowns
weder Koop-Modus noch Splitscreen im Multiplayer</P>

Wertung

PlayStation2

Project Snowblind vereint bekannte Elemente in einem überdurchschnittlich guten Shooter.

XBox

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