Ballern ohne Anspruch
Kein Schleichen mehr. Keine Stealth-Kills. Keine Taktik. Das ist schade, denn es waren nicht diese Elemente, die den Vorgänger scheitern ließen, sondern ihre missglückte Steuerung. Vielleicht hätte man für diesen Teil einen Kompromiss finden können? Aber weg mit den Konjunktiven: Die Jungs um Lead-Designer Riley Cooper haben sich für eine lupenreine Arcade-Ballerei entschieden - basta. Wichtig ist also nur: Wird sie gut inszeniert? Lara hat unendlich Munition für ihre
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Die Boden- und Wandtexturen auf der Xbox 360 sind körniger und plastischer. (360) |
Doppelpistolen, kann automatisch Ziele anvisieren und ohne große Probleme nach rechts, links oder hinten ausweichen. Die Seitwärtsrollen und Salti sehen gut aus und die Archäologin kann sogar in ihre Gegner hinein grätschen oder aus kurzer Distanz zum beherzten Tritt ansetzen. Sollte es größere Probleme geben, darf sie auch Schrotflinten, Sturmgewehre, stationäre Geschütze oder Granaten einsetzen. Das kleine Sahnehäubchen ist der Zeitlupensprung direkt am Mann mit anschließendem Projektilfeuer - auch der darf übrigens unbegrenzt ausgeführt werden. All das sieht gut aus und geht komfortabel von der Hand.
Aber die Verlangsamung aus
Max Payne setzt nach hundert Nachahmern langsam Staub an und kann die simple Third-Person-Ballerei nur kurz veredeln. Wenn man einmal den Dreh raus hat, wird die Action vorhersehbar und reine Routine. Das ist hübsch anzusehendes FastFood. Macht satt, ist lecker, hält aber nicht lange vor. Das liegt auch daran, dass es quasi keine KI gibt - sprich: eure Gegner sind strunzdumm, rennen blind in euer Feuer, suchen selten Deckung und alarmieren sich nicht. Sie haben nur zwei Stärken: Ihre Masse und ihre Granaten. Erstere habt ihr schnell im Griff, wenn ihr nur in Bewegung bleibt und die aufleuchtenden Benzinfässer oder anderes Explosives beschießt, Letzteren müsst ihr sofort per Rückwärtssalto ausweichen. Wer einigermaßen mit Videospielen und 3rd-Person-Action vertraut ist, sollte in den schwereren Modus wechseln: Hier treffen die Feinde genauer und ihr könnt weniger einstecken.
Unverständlich ist angesichts der sonst so gut genutzten Physik auf allen drei Schwierigkeitsgraden die katastrophale Kollisionsabfrage im Schusswechsel: Lara kann manchmal locker durch Felsen ballern, um höher stehende Gegner zu treffen. Das Spiel wirkt nicht nur in den Dialogen unnötig primitiv: Warum muss Lara Leoparden abknallen? Hätte man das nicht anders lösen oder wenigstens eine Alternative wie das geschickte Umgehen anbieten können? Die Wildkatzen verhalten sich zudem alles andere als tierisch, sondern bleiben manchmal wie blöde vierbeinige Roboter stehen, wenn man sie angeschossen hat.
Hilfsmittel & Bosskämpfe
Zur spärlichen Intelligenz der Feinde gesellt sich die üppige Flut an Hilfsmitteln: Es gibt weder Munitions- noch Heilpaketarmut. Bis zu drei Gesundheit spendende Päckchen darf Lara mitnehmen. Das ist auf der einen Seite entspannend für Einsteiger, aber auf der anderen Seite nicht gerade fordernd. Die Feinde bleiben zudem eine amorphe uniformierte Masse ohne individuelle Züge: gleich Kleidung, gleiche Gesichter, keine Abwechslung. Nur die Schlüsselfiguren sorgen für etwas Charakter, obwohl sie alles andere als eindrucksvolle Auftritte haben. Doch sobald diese Antagonisten auftauchen, gewinnt das Siel wieder etwas an Fahrt, denn in diesen Dialogen wird die Story vorangetrieben und danach gibt es endlich etwas anspruchsvollere Duelle. Die Bosskämpfe bieten zwar im Genrevergleich nur Durchschnittskost, aber sie sind nach den stupiden Ballereinlagen eine fordernde Wohltat. Hier geht es darum, die Schwäche des Gegners zu finden, mit der Umgebung zu interagieren und manchmal in mehreren Runden zum Sieg zu kommen: Mal muss man Vorsprünge mit gezielten Schüssen zum Einsturz bringen, einen Energieschild in zwei Phasen aktivieren oder ein Ungeheuer mit Tönen anlocken, um es dann in vier Dosen zu zerschmettern.
Böser Käfig-Bug
Apropos Töne und Monstrum: Wir haben einen ärgerlichen Bug entdeckt, der in England beim Bosskampf gegen jene riesige Wasserschlange zu einer Sackgasse führen kann. Auf dem PC kann das ein Patch beheben, aber auf den Konsolen? Dieser
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Zeitlupensprung à la Lara: Diese Manöver könnt ihr beliebig oft ausführen. (360) |
Fehler ist zwar nicht allzu tragisch, denn er lässt sich erstens umgehen und zweitens kann man jeden der nicht allzu weitläufigen Level wiederholen, aber er wird alle treffen, die neugierig experimentieren: Bevor man das Biest im unterirdischen Cornwall erweckt, kommt man in einen Raum mit vier Hebeln und vier großen Stahlkäfigen, die man später im Kampf unbedingt braucht. Denn nur, wenn man sie nach einem Magnethakenwurf auf den jeweiligen Hebel geschickt auf den Schädel des Monstrums fallen lässt, kann man es besiegen. Selbst eine Schrotflinte und Granaten helfen hier später nicht weiter.
Das Problem ist: Dieser Raum mit den vier Käfigen lädt schon lange vor dem Bosskampf zur Erkundung ein. Man will natürlich wissen, was passiert, wenn man die Räder aktiviert und so probiert man alles aus, um vielleicht einen Goldschatz zu ergattern. Man überlegt sogar, ob das gleichzeitige Fallenlassen aller vier Käfige einen geheimen Raum öffnet und gibt alles, um mit dem Magnethaken so schnell wie möglich zu sein - das ist alles vergebene Müh, denn da ist nichts. Dabei kann es dazu kommen, dass sich zwei Käfige plötzlich nicht mehr bewegen lassen; sprich: sie bleiben in ihrer erhöhten Position und lassen sich selbst durch mehrmaliges Hin- und Herziehen der Hebel nicht nach unten befördern. Da diese fehlerhafte Verankerung gespeichert wird, kann man den Bosskampf später nicht meistern. Man muss sich einen früheren Spielstand suchen, den Weg nochmals zurücklegen und den Raum bis zum Bosskampf am besten unangetastet lassen. Warum hat man hier nicht den Scanner oder den Funk genutzt, um den Spieler zu informieren?