True Crime: New York City24.12.2005, Jens Bischoff
True Crime: New York City

Im Test:

Der anhaltende Erfolg von Rockstars GTA-Serie ruft nach wie vor regelmäßig Nachahmer auf den Plan. Die Entwickler von True Crime: New York City (ab 11,88€ bei kaufen) steigen sogar schon zum zweiten Mal gegen den Genre-Primus in den Ring. Zunächst schlägt sich der Herausforderer auch tatsächlich äußerst wacker, aber schon nach wenigen Runden zeigen sich deutliche Abnutzungserscheinungen und es hagelt Verwarnungen wegen schwerwiegender Regelverstöße, die am Ende sogar zur Disqualifikation führen - wir liefern euch die genaue Kampfanalyse.

Vom Gangster zum Cop

Nach Nick Kangs Verbrechensbekämpfung in den Straßen von L. A. geht es dieses Mal den bösen Buben in Manhattan an den Kragen. Dazu schlüpft ihr in die Rolle von Ex-Gangster Marcus Reed, der nach einem blutigen Rachefeldzug gegen seine ehemalige Gang sein Leben komplett umkrempelt und unter Aufsicht eines alten Familienfreundes in die Dienste der New Yorker Polizei tritt.

Original: In der englischen Version glaubt man Marcus, dass er schwer verletzt von einer Bandenschießerei zurück kommt...
Doch als er nach jahrelangem Abrackern endlich die begehrte Dienstmarke in seinen Händen hält, wird sein Mentor überraschend Opfer eines Sprengstoffattentats. Ehrensache, dass Reed dem Vorfall persönlich nachgeht und nochmals in die New Yorker Unterwelt eintaucht, um die Täter ausfindig zu machen. Aber schon bald wird klar, dass nicht nur Verbrecher die Finger im Spiel hatten...

Und ewig grüßt das Murmeltier

Anfangs zieht einen die dank prominenter Sprecher wie Laurence Fishburne, Christopher Walken oder Mickey Rourke hollywoodreif inszenierte Story trotz abgedroschener Versatzstücke und stereotyper Charaktere

...und Fälschung: In der deutschen Fassung wirkt es hingegen so als wäre er im örtlichen Waschsalon gestolpert. (beides Xbox)
durchaus in ihren Bann, doch schon bald  beginnt die Jagd nach einem Maulwurf in den eigenen Reihen leer zu laufen. Grund dafür ist vor allem das sich ständig wiederholende und - von Duellen wie dem gegen ein feuerspeiendes Bühnenschiff ganz abgesehen - immer unglaubwürdigere Missionsdesign: Ihr bekommt einen Hinweis auf einen in die Verschwörung verwickelten Bandenführer, macht ihn ausfindig, legt seine Handlanger um, verhört ihn, erhaltet Hinweise auf einen weiteren Drahtzieher und das ganze Spiel beginnt von vorn. Und nachdem ihr diese Schleife vier Mal durchlaufen habt, ist der Fall dann auch schon gelöst.

Zwar könnt ihr bei Bedarf nebenher noch Jagd auf Kleinkriminelle machen, Informanten rekrutieren, Turnschuhe für ein Bonusoutfit einsammeln sowie an illegalen Straßenrennen oder Kampfturnieren teilnehmen, um die jeweiligen Veranstalter hochzunehmen und Polizeikarriere zu machen, aber auch hier beginnen sich die Ereignisse schnell zu wiederholen. Gerade bei Razzien betretet ihr immer wieder die gleichen Gebäude, macht identisch handelnde Verbrecher dingfest und findet an exakt den selben Stellen die exakt selben Beweisstücke wieder. Beim ersten Mal ist das ja noch ganz spannend, beim zweiten Mal wirds jedoch schon langweilig und später ists einfach nur noch lästige Routine.

Wozu Qualitätsprüfung?

Zudem kann es passieren, dass während der optionalen Verbrechensbekämpfung plötzlich der Hauptplot einfriert und ihr keine Chance mehr habt, die Story fortzusetzen. Wer das zu spät bemerkt und den Spielstand zwischenzeitlich gesichert hat, kann seine bisherige Karriere gleich an den Nagel hängen und das Spiel nochmals von vorn beginnen. So etwas ist natürlich völlig indiskutabel und bricht dem Spielspaß nicht nur wertungstechnisch das Genick. Hinzu kommt, dass sich der Titel selbst in der Verkaufsfassung mehrfach aufgehängt hat und nur durch einen Neustart der Konsole wieder in die Gänge kam - wodurch jeder nicht gespeicherte Fortschritt natürlich ebenfalls verloren war.                

Doch damit nicht genug: Auch unerklärliche Todesfälle wie unvermittelte Teleportationen auf den Meeresgrund oder das Explodieren des Dienstwagens ohne jegliches Fremdeinwirken haben den Spielspaß immer wieder zerstört.

Riskanter Ritt: Auf Motorrädern heizt ihr besonders schnell und unkontrolliert durch Manhattan. (PS2)
Es ist auch öfters passiert, dass plötzlich keine Verbrechen mehr begangen wurden und wir das Spiel beenden und neu laden mussten, um wieder Karrierepunkte sammeln zu können. Da fragt man sich natürlich, ob es die Entwickler einfach nicht besser konnten -oder wollten.  Doch Unfähigkeit hin, Zeitdruck her, ein so verbugtes und unausgereiftes Spiel zu veröffentlichen, ist eine Frechheit. Und selbst wenn alles planmäßig verlief, gab es immer wieder unnötigen Ärger: So wurden wir z.B. bei Verfolgungsjagden trotz Blaulicht regelmäßig durch Rammattacken unbeirrter Zivilisten oder Streifenkollegen zur Aufgabe gezwungen. Oder es sprangen uns Passanten ohne eine Ausweichchance für uns im Zuge eines spontanen Selbstmordversuchs vors Fahrzeug, was von den Kollegen gleich als Amokfahrt gewertet und mit Beschuss geahndet wurde. Kurios ist auch, dass man sich in solchen Situationen nicht einfach verhaften lassen kann, um den obligatorischen Strafdienst in Uniform anzutreten, sondern warten muss, bis einem die KI-Zombies die komplette Lebensenergie weggeballert haben...

Groteske Freakshow

Apropos KI: Das Verhalten der New Yorker mag ja teilweise sehr eigen sein, aber was ihr in True Crime mitunter zu sehen bekommt, ist geradezu grotesk bzw. so albern, dass das ganze Setting unglaubwürdig wird: 

Fies: Wer will, bedroht unschuldige Passanten, jubelt ihnen Drogen unter und verhaftet sie. (GC)
Da rennen schwere Jungs wie Volltrottel ihre Schädel an parkenden Autos ein, bevor sie wie Geister regungslos durch ganze Fahrzeugkolonnen gleiten. Betrunkene Großmütter torkeln in klonartigen Grüppchen durch die Straßen bis sie in irgendwelchen Zäunen verhängen. Harmlose Touristen beschimpfen euch mit erhobenem Mittelfinger, Prostituierte balancieren hektisch auf Mauervorsprüngen hin und her. Yuppies setzen euch nach einer ergebnislosen Leibesvisitation mit einem Elektroschocker zu. Und Polizisten steigen mitten auf einer Kreuzung aus ihrem Wagen, gehen abwehrend in die Knie und schluchzen alle paar Sekunden Oh no!. Letzteres haben auch wir uns gedacht, als wir Zeuge von alledem und vielen weiteren skurrilen Verhaltensweisen wurden.

Feuer frei!

Andere Dinge sind wiederum einfach nur nervig wie die teils haarsträubende Kollisionsabfrage oder die bockige Kamera, die es immer wieder schafft, in die ungünstigsten Blickwinkel abzudriften. Mitunter beamt sie sich sogar direkt in euren Kopf und pflastert den Screen mit halbtransparenten Augäpfeln und Gebissquerschnitten zu, während sich die Gegner aus dem Staub machen. Wer gerne eine der verfügbaren Martial Arts-Stile anwenden will, wird jedenfalls schnell verzweifeln und dank automatischer Zielaufschaltung und manueller Trefferzonenwahl in Zeitlupe doch lieber zu einer der zahlreichen und mitunter beidhändig einsetzbaren Schusswaffen greifen.

Ödes Werbespiel: Wer alle zehn Puma-Treter findet, schaltet ein gesponsortes Bonus-Outfit frei. (Xbox)
 Die Ballerabschnitte machen jedenfalls bei weitem am meisten Spaß und das nicht nur, weil dort dank der hochgradig zerstörbaren Umgebungen so richtig die Fetzen fliegen.

Rote Farbe, böse Farbe

Schade nur, dass sich deutsche Spieler wieder einmal bevormunden lassen müssen und weder das komplette Waffenarsenal nutzen dürfen, noch auch nur einen Spritzer Blut zu sehen bekommen. Flammenwerfer und Molotov-Cocktails bleiben hierzulande jedenfalls trotz einer Altersfreigabe ab 18 Jahren im Schrank und selbst Reeds blutverschmiertes T-Shirt zu Beginn des Spiels präsentiert sich nur leicht verschmutzt (PS2) bzw. weiß gewaschen (GC & Xbox). Nicht einmal die Blutspuren im Schnee, anhand derer ihr euren flüchtigen Bandenchef im ersten Spielabschnitt verfolgt, haben es in die deutsche Fassung geschafft, was natürlich nicht nur an der Atmosphäre zehrt, sondern auch die Wegfindung erschwert. Aber seis drum, da die Sprachausgabe im Spiel ohnehin auf Englisch belassen wurde und die deutschen Untertitel mehr als lückenhaft bzw. unglücklich sind, gibt es ohnehin keinen Grund, sich die deutsche Version zuzulegen.              

Portierung mit Hindernissen

Bleibt natürlich die Frage, ob man sich den Titel überhaupt ins Haus holen will, denn die teils massiven Mängel sind natürlich auch in der englischen Version vorhanden, wobei die PS2-Fassung noch am ausgereiftesten wirkt. Das liegt aber sicherlich daran, dass diese von Luxoflux selbst produziert wurde, während die Versionen für Xbox und GameCube bei Exakt Entertainment entstanden, die bereits mit der PC-Konvertierung des Vorgängers wenig ruhmreich auf sich aufmerksam machten.

Schauen ja, kaufen nein: In den Sexshops könnt ihr lediglich ein paar schräge Outfits erwerben. (PS2)
Besonders GameCube-Besitzer bekommen ein optisch stark kastriertes Szenario und eine steuerungstechnisch völlig verkorkste Spielerfahrung vorgesetzt, bei der selbst einfachste Aktionen wie das Öffnen von Türen oder ziehen der Handbremse nur durch gleichzeitiges Drücken mehrerer Tasten zu bewerkstelligen sind. Aber auch auf der Xbox haben Präsentation und Steuerung Federn lassen müssen. Es werden sogar Tastenkombinationen verlangt, die rein anatomisch gar nicht möglich sind - es sei denn, ihr seid ein dreidäumiges Alien...

Unmöglich ist es teilweise aber auch, euer mitunter wie ein Stück Butter durch die Straßen flutschendes Fahrzeug unter Kontrolle zu halten. Das Fahrverhalten mancher Boliden ist nämlich der reinste Horror und auf dem Cube dank völlig indiskutabler Analogstick-Abfrage ein Frustmarathon ohnegleichen. Mit massiven Rucklern, Fade-Ins, Pop-Ups und Clippings müssen hingegen alle Spieler leben, wobei das Einblenden der Texturen auf der Xbox seltsamerweise am auffälligsten ist und manchmal sogar irgendwelche pink-blauen Pixelsuppen an Stelle von Asphalt auf die Straßen gepinselt werden. Auf PS2 und GameCube verfällt Reed dafür häufiger in vorübergehende Lethargie und lässt sich nur noch im Schneckentempo bewegen. Akustisch gibts hingegen nicht viel zu meckern: Der Soundtrack bietet knapp 100 namhafte Lizenz-Tracks aus den Bereichen Punk, Rock, HipHop und Dance, die gelungene Sprachausgabe glänzt je nach Aufenthaltsort sogar mit fremdsprachlichen Charakteren und die Soundeffekte gehen bis auf wenige Totalausfälle ebenfalls in Ordnung.

Moralische Augenwischerei

Nicht in Ordnung ist hingegen das willkürliche Verschwinden eures Dienstwagens, der dummerweise gleichzeitig euer Waffen- und Munitionsdepot ist, sowie der Umstand, dass man ungeachtet der Speicher-Location immer wieder im Hauptrevier startet und jeglichen Fortschritt während einer Mission verliert. Was man allerdings nicht verliert, sind die angesammelten Strafpunkte des einseitigen Moralsystems, bei dem fast alle bösen Aktionen früher oder später bestraft werden. Für den Story-Part spielt eure Gesinnung allerdings überhaupt keine Rolle. Egal, welchen Ruf ihr genießt, die örtlichen Verbrecherbosse lässt das völlig kalt. Es gibt lediglich mehr Müll auf den Straßen und Graffitis an den Wänden, wenn ihr nebenher Ladenbesitzer erpresst, konfiszierte Drogen vertickt oder Bestechungsgelder annehmt. Manchmal kommt es sogar vor, dass irgendwelche Läden dicht machen, aber davon gibt es in New York glücklicherweise mehr als genug.

Außen hui, innen pfui

Samurai mit Dienstmarke: In den städtischen Dojos kauft ihr neue Martial Arts-Stile ein. (PS2)

Ihr könnt unzählige Gebäude betreten, um Energie spendende Zwischenmahlzeiten einzuwerfen, euch neu einzukleiden, frisieren zu lassen sowie zusätzliche Waffen, Musikstücke oder Autos zu kaufen. Besonders üppig oder abwechslungsreich ist das Angebot zwar nicht, aber zumindest müsst ihr nie lange fahren, um zu finden, was ihr sucht. Und falls doch, greift ihr einfach auf eines der zahlreichen Taxis oder die U-Bahn zurück, die euch Zeit sparend und frustfrei durch den akkurat nachgebildeten und sehr lebendig wirkenden Big Apple chauffieren - auch wenn es mitunter etwas skurril wirkt, wenn ihr bei einer Geiselnahme mit der Metro an- und abreist. Wer will, kann aber auch einfach nur auf Sightseeing-Tour gehen, den dynamischen Tages- und Wetterwechsel beobachten, Passanten ärgern oder sich durch den stimmungsvollen Soundtrack wühlen. Alternativ gibt es sogar die Möglichkeit, diversen Straßenmusikern zu lauschen oder sich in Kneipen, Restaurants oder Table Dance-Lokalen berieseln zu lassen. Das Erkunden der Stadt ist für eine gewisse Zeit jedenfalls weitaus interessanter als der eintönige Kampf gegen Klein- und Schwerverbrecher, die so viel Dynamik versprühen wie ein Joyride in einer Asphaltiermaschine...       

Fazit

Ich habe noch nie ein so detailliertes, lebendiges und atmosphärisch umgesetztes Manhattan gesehen. Auch die Story, die euch in den Big Apple entführt, macht mit einem furiosen Auftakt und namhaften Charaktermimen Lust auf mehr. Doch schon bald beginnt die Fassade zu bröckeln: Die Handlung, sofern sie nicht schon durch fahrlässige Programmierung unwiderruflich stecken geblieben ist, wiederholt sich immer und immer wieder, nur mit anderen Gesichtern und Schauplätzen. Auch die Dinge abseits der Storyline entpuppen sich bald als ewige Wiederkehr des Gleichen. Zudem sorgen technische Unzulänglichkeiten und Schlampereien regelmäßig für ungläubiges Staunen, Ärgernis und Frust: Warum steuern sich die fahrbaren Untersätze wie havarierende UFOs? Warum werfen sich Fußgänger wie todessüchtige Lemminge vor eure Motorhaube? Warum wirbelt euch ein Touchieren des Randsteins in Schrittgeschwindigkeit zwei Blöcke durch die Luft? Warum hat die Kamera ein so gutes Gespür für völlig unbrauchbare Blickwinkel? Warum löst sich mein Dienstwagen immer wieder in Luft auf? Warum kann ich mein Spiel nicht dort fortsetzen, wo ich es gespeichert habe? Warum hat man sich mit der GameCube-Umsetzung so wenig Mühe gegeben? Und wo um alles in der Welt war die Qualitätsprüfung, um all das zu vermeiden? Eigentlich müsste das Spiel ja True Crime: New York Beta heißen. Überlegt euch also gut, ob ihr so viel Geld für ein dermaßen unfertiges und obendrein geschnittenes Spiel ausgeben wollt, das einem GTA San Andreas weder in punkto Abwechslung noch Umfang das Wasser reichen kann...

Pro

60Hz-Modus (GC & Xbox)
komfortable Zielerfassung
üppiger Lizenz-Soundtrack
lebendiges Großstadtszenario
umfangreiches Waffenangebot
Progressive Scan-Modus (PS2)
interaktive & zerstörbare Umgebungen
unkompliziertes Upgrade- & Skillsystem
prominente englische Synchronsprecher
dynamischer Tageszeiten- & Wetterwechsel

Kontra

teils groteske KI
hakelige Steuerung
einseitiges Moralsystem
lauer & kurzer Hauptplot
lückenhafte Lokalisierung
unzählige Bugs & Glitches
optische Kastrationen (GC)
wahnwitziges Fahrverhalten
unausgereifte Kameraführung
deutsche Version geschnitten
unkomfortable Speicherfunktion
haarsträubende Kollisionsabfrage
abwechslungsarmes Missionsdesign
teils übles Tastenlayout (GC & Xbox)
fatale Storyaussetzer & Systemabstürze
massive Fade-Ins, Slowdowns & Clippings

Wertung

GameCube

Cop-Abenteuer mit stimmungsvollem Szenario aber unzähligen Bugs und nervigen Spielspaßbremsen.

PlayStation2

XBox

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