Im Test:
Das etwas andere Rennspiel
Über einen Mangel an qualitativ hochwertigen Rennspielen können wir uns wahrlich nicht beklagen. Gran Turismo, Forza Motorsport und Colin McRae Rally sind nur ein paar prominente Beispiele. Dennoch laufen die meisten dieser Titel nach dem gleichen Schema ab: Etwas Tuning hier, ein paar Einstellungen da und schon dreht ihr eine Runde nach der anderen, um Preisgelder und Pokale einzuheimsen. Um diese monotonen Spielkonzepte aufzubrechen und etwas frischen Wind ins Genre zu bringen, hat sich Milestone etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Squadra Corse Alfa Romeo (SCAR) ist kein gewöhnlicher Racer, sondern hebt sich durch eine gelungene Mischung aus Renn-
und Rollenspiel deutlich vom Einheitsbrei der Konkurrenz ab. Vergesst also eure Credits und Tuning-Teile – hier zählen Erfahrungspunkte und Ausrüstungen, mit denen ihr die gegnerischen Fahrer hinter euch lasst!In den Rennen geht es in den Kurven manchmal eng zu.
Aufstieg in der Dynastie
Neben der Möglichkeit zu einem Sofort-Rennen ist der Dynastie-Modus der eigentliche Kern des Alfa Romeo-Racers, denn hier treibt ihr in Touren und Herausforderungen eure Karriere voran, sammelt fleißig Experience-Points und schaltet neue Wagen und Ausrüstungsgegenstände frei, mit denen ihr euren Fahrer ausstatten könnt. Aufgestiegen wird rollenspieltypisch in regelmäßigen Abständen, indem ihr eine bestimmte Mindestanzahl an Erfahrungspunkten erreicht. Und wie und wo bekommt man diese so wichtigen Punkte? Ganz einfach: auf der Rennstrecke! Überholmanöver, schnellste und fehlerfreie Runden, Windschattenfahren und natürlich eure Endplatzierung schlagen sich in der Bewertung nieder, genau wie das Einschüchtern eurer Gegner. Einschüchtern?! Ja, ihr habt richtig gelesen: Rückt ihr dem Fahrer vor euch zu sehr auf die Pelle, schüchtert ihr ihn ein und die sichtbare Konditionsleiste über dessen Wagen nimmt ab. Dies führt sogar so weit, dass ihr die Konkurrenten mit einem K.O. in einen Fahrfehler treiben könnt. Doch auch ohne diesen psychologischen Druck neigt die KI gerne zu unvorhersehbaren Fahrmanövern und ist immer wieder für eine Überraschung gut. Wundert euch also nicht, wenn der Wagen vor euch ins Schlenkern kommt und plötzlich quer auf der Straße steht – da ist ein Unfall doch vorprogrammiert, oder?!
Tiger im Tank
Kann sein, aber das ist nicht unbedingt so tragisch wie in manchen anderen Rennspielen. Warum? Weil SCAR über den so genannten Tiger-Effekt verfügt! Genau wie bei Ubisofts Prince Of
Mit dem Tiger Effekt korrigiert ihr ganz einfach eure Fahrfehler. |
Fähigkeitspunkte
Mit zunehmender Erfahrung bekommt ihr immer wieder die Möglichkeit, Punkte nach eigenem Belieben auf insgesamt neun Fähigkeiten zu verteilen. Diese haben z.B. Auswirkungen auf die Länge des Tiger-Effekts, eure Kondition, Regeneration usw. Hängt euch ein Verfolger im Heck, geht es euch natürlich genau so wie der Konkurrenz und ihr verliert stetig an Kondition und Konzentration. Seid ihr bei Null angekommen, schaltet das Bild einige Sekunden in einen verstörenden Tunnelblick um, die kernigen Motorengeräusche um euch herum verschwinden und ihr hört nur noch laut euer Herz pochen – ein toller Effekt. Leider hat dies jedoch keinen Einfluss auf das Handling des Fahrzeugs, so dass es kein großes Problem ist, auf der Strecke zu bleiben, wenn man einfach cool weiter fährt. Neben den Auswirkungen auf den Fahrer können die Fähigkeitspunkte auch zur Leistungssteigerung der Fahrzeuge
eingesetzt werden. Da es in der Welt von SCAR keine Tuning-Optionen gibt, gleicht man dieses Manko durch die Förderung bestimmter Fähigkeiten aus. Weist ihr eure Punkte z.B. der Option "Beschleunigen" zu, werdet ihr wesentlich schneller starten und aus Kurven herauskommen, während sich viele Punkte beim "Handling" in einem gutmütigeren Fahrverhalten bemerkbar machen. Die richtige Ausrüstung kann euch Vorteile auf der Strecke verschaffen.
Ausrüstung als Schlüssel zum Sieg
Neben diesen Standardfähigkeiten ist es hauptsächlich eure Ausrüstung, die über Sieg oder Niederlage entscheidet. Die diversen Rennanzüge, Handschuhe, Helme und Stiefel wirken sich auf einzelne Aspekte aus und verstärken z.B. Fähigkeiten oder bescheren euch höhere Erfahrungspunkte. Voraussetzung für das Tragen einer Ausrüstung ist jedoch der jeweilige Erfahrungslevel, den euer Fahrer bereits erreicht haben muss. Habt ihr als Level 8-Fahrer z.B. schon Level 12-Stiefel gewonnen, könnt ihr diese noch nicht tragen. Gerade das Experimentieren mit den verschiedenen Ausrüstungen sorgt auch abseits der Rennstrecke für viel Spaß.
Anspruchsvolle Rennen
In den Rennen selbst geht es dann richtig zur Sache. Ihr startet immer auf dem letzten Platz und müsst euch gegen sieben Konkurrenten durchsetzen, um bis an die Spitze zu fahren. Das Fahrverhalten bietet eine gute Mischung aus Arcade- und
Simulation und ist besonders mit den ausgeschalteten Fahrhilfen ABS und Traktionskontrolle durchaus anspruchsvoll. Mit der hervorragenden Pad-, Tastatur- oder Lenkradsteuerung hat man die Boliden nach etwas Übung aber gut im Griff. Damit für alle Fahrer die gleiche Ausgangssituation herrscht, starten alle mit dem gleichen, vorgegebenen Wagen, so dass sich Vorteile nur durch die Fahrer-Ausrüstung ergeben. Die insgesamt fünf Touren (vom Anfänger bis zum Profi) laufen immer nach dem gleichen Prinzip ab: Zunächst werden vier XP-Events absolviert, in denen massig Punkte gesammelt werden. Danach folgen drei Ausrüstungs-Events, die neue Klamotten als Belohnung für euch bereithalten. Anschließend folgen zwei Turniere und die Meisterschaft, in der satte neun Runden gefahren werden müssen. Daneben gibt es noch die so genannten Herausforderungen, die ebenfalls einem bestimmten Schema folgen: In fünf Wettbewerben (Stahl bis Platin) müsst ihr einer Radarfalle entkommen, dürft in bestimmten Teilabschnitten der Strecken eine Mindestgeschwindigkeit nicht unterschreiten, ein Rennen ohne Totalschaden überstehen und müsst sowohl einem Verfolger entkommen als auch selbst die Jagd aufnehmen. Genau wie bei den Touren sind auch hier Strecken und Fahrzeuge bereits festgelegt. Zwar gibt es keinen Rückspiegel, doch behaltet ihr mit einem Blick zurück die Gegner im Auge.
Da jedes dieser Events aus nur einem Rennen besteht, ist SCAR verglichen mit Genre-Kollegen wie Gran Turismo 4 oder Forza Motorsport nicht gerade umfangreich ausgefallen. Habt ihr erst mal ein Händchen für die passende Ausrüstung entwickelt, hält sich auch der nicht einstellbare Schwierigkeitsgrad in Grenzen, so dass ihr schnell alle Touren und Herausforderungen meistern werdet. Doch selbst dann braucht ihr das Spiel nicht
im Regal verstauben zu lassen. Fahrt einfach weiterhin Rennen und sammelt fleißig Punkte, um weitere Gegenstände, Wagen und Strecken freizuschalten, die euch eventuell noch nicht alle zur Verfügung stehen, wenn ihr das Spiel beendet habt.Die Replays sind mit einem Unschärfe-Filter gut inszeniert.
Kopf an Kopf
Außerdem gibt es auch noch den Multiplayer-Part, in dem ihr zusammen mit einem weiteren Spieler drei verschiedene Arten von Rennen austragen könnt: Zum einen gibt es das gewohnte Standardrennen, bei dem ihr leider ohne zusätzliche CPU-Fahrer auskommen müsst. Bei der fehlerfreien Fahrt wird dagegen nicht der Spieler zum Sieger, der als erster die Ziellinie überquert, sondern derjenige, dessen Wagen am Ende weniger Schaden aufweist. Richtig spaßig ist der Kopf an Kopf-Modus, in dem ein Fahrer in die Rolle des Jägers schlüpft, während der andere entkommen muss. Sämtliche Multiplayer-Rennen werden selbst am PC via Splitscreen ausgetragen. Spannende Auseinandersetzungen im Netzwerk sind leider nicht möglich. Doch wie sieht es online aus? Sehr bescheiden: Ihr dürft lediglich Ghosts für die Zeitrennen hoch- oder runterladen und versuchen, euch in der Bestenliste zu verewigen – das war’s. Direkte Internet-Duelle sind leider nicht möglich, weshalb der Onlinemodus insgesamt enttäuscht
Was steckt unter der Haube?
Alles andere als enttäuschend ist dagegen die Präsentation: Gerade auf dem PC bestechen die Pisten mit ihren fast schon fotorealistischen Hintergründen und Boliden, die trotz oder wegen des leichten Cell-Shading-Looks einen gewissen Comic-Charme versprühen.
Vor allem die City-Kurse sehen grafisch imposant aus. |
Fazit
Ganz ehrlich: Ich als alter Rollenspiel-Muffel und bekennender Freund realistischer Fahrsimulationen im Stil von GT4 und Forza ging sehr skeptisch an diesen Test ran. Doch schon nach kurzer Spielzeit verflog die anfängliche Skepsis und Spielspaß pur machte sich breit: Die Rollenspielelemente in Form von Erfahrungspunkten und Ausrüstungen fügen sich sehr gut ins Renngeschehen ein und motivieren ungemein. Dazu gesellt sich eine gelungene Streckenauswahl, die nicht nur bekannte Strecken wie Hockenheim, Donington & Co bietet: In welchem anderen Rennspiel rast man sonst durch das so liebevoll nachgebildete Florenz, Mailand oder die Toskana? OK, in Sachen Online ist der Titel kaum der Rede wert und auch die Beschränkung auf die Marke Alfa Romeo mag nicht jedem Autonarren liegen, obwohl sich der Fuhrpark aus gut 25 Karossen unterschiedlicher Epochen durchaus sehen lassen kann. Ich kann SCAR jedem Rennspiel-Fan ans Herz legen, der offen für neue Ideen ist und Spaß daran hat, seinen Gegnern nicht nur in einem Prügelspiel einen K.O. zu verpassen.
Pro
Kontra
Wertung
PlayStation2
Schönes »CaRPG« mit interessantem Spielkonzept.
PC
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