Full Spectrum Warrior: Ten Hammers09.07.2006, Jens Bischoff
Full Spectrum Warrior: Ten Hammers

Im Test:

Full Spectrum Warrior sorgte vor zwei Jahren für ein einzigartiges Taktik-Shooter-Erlebnis. Die einstige Trainings-Simulation der US Army war nicht nur ein spielerisch ungewöhnlicher, sondern auch ungemein realistischer und intensiver Military-Leckerbissen, der weder so richtig in die Shooter- noch Echtzeitstrategie-Schublade passen wollte. Nun geht die strategische Squad-Action mit Ten Hammers in die zweite Runde. Kann die Fortsetzung an die Erfolge des Erstlings anknüpfen?

Der Tyrann ist tot, der Krieg geht weiter

Auch wenn das Szenario fiktiv ist, ist es doch offensichtlich, dass Full Spectrum Warrior mit den Ereignissen des Irak-Kriegs kokettiert.

Bla, bla ,bla: Trotz Medienpräsenz bleibt ihr von plumper US Army-Propaganda nicht verschont (PS2).
Hat man im Erstling noch gegen das Terrorregime von Zekistans Diktator Al-Afad interveniert, ist der Despot mittlerweile gestürzt und zivile Unruhen plagen das Land, da lange unterdrückte ethnische Feindseligkeiten in offene Gewalt umschlugen. Natürlich liegt es einmal mehr an den USA und ihren Alliierten den Konflikt zu beenden und die Lage zu stabilisieren. Euch verschlägt es dabei in die Namen gebende Provinz Tien-Hamir (Ten Hammers), wo Separatisten mit Gewalt eine Unabhängigkeitsbewegung forcieren, die es zu stoppen gilt.

Dazu übernehmt ihr die Kontrolle über ein vierköpfiges Squad-Team, dessen Auftrag es ist, Rebellennester in Tien-Hamirs Hauptstadt Khardiman auszuheben. Oft dirigiert ihr sogar mehrere Teams, wobei ihr euer eigenes Team neuerdings auch jederzeit zweiteilen könnt. Neu ist diesbezüglich auch die Möglichkeit einen einzelnen Soldaten als Späher vorauszuschicken, um mögliche Hinterhalte zu entlarven. Full Spectrum Warrior-Veteranen werden sich trotzdem schnell zurechtfinden, während euch ein Spiel begleitendes Tutorial mit sämtlichen Neuerungen sowie dem unveränderten Grundprinzip des Spiels Schritt für Schritt vertraut macht.

Play it again Sam!

Am bekannten Spielablauf hat sich nicht viel geändert. Nach wie vor schickt ihr euer Team per intelligentem Bewegungscursor von Deckung zu Deckung, nehmt auftauchende Rebellen unter Beschuss und versucht heil am nächsten Zielort anzukommen. Verletzte Kameraden können zwar geschultert und an fixen Sani-Stationen wieder fit gemacht werden, aber sobald mehr als zwei Teammitglieder getroffen wurden, heißt es in einer martialischen Zeitlupensequenz - inklusive gelegentlicher Clippingorgien - Game Over und ihr findet euch am zuletzt passierten Checkpoint wieder.

Innere Anspannung: Noch ist alles ruhig, doch schon hinter der nächsten Ecke könnte der Tod lauern (Xbox).
 Das Vergießen roter Lebenssäfte wurde dieses Mal übrigens komplett aus der deutschen Fassung verbannt, obwohl die Altersfreigabe die gleiche ist wie beim "blutigen" Vorgänger. Da hätte man lieber Zeit in eine optionale deutsche Synchro investieren sollen, um Englischlaien den Zugang zu erleichtern.

Am englischen Originalton gibt es jedoch generell nicht viel auszusetzen, außer dass sich einige Sprachsamples ständig wiederholen und die Dialogsequenzen teils von äußerst plumpem Patriotismus und aufdringlicher Armeepropaganda durchzogen sind. Weiß doch jeder, dass die USA jedem Konflikt gewachsen sind und das Leben erst in der Army einen Sinn bekommt... Übertrieben haben die Entwickler teils auch beim Schwierigkeitsgrad. Selbst auf der niedrigsten Stufe wird euer Team oft in Nullkommanix ausgelöscht, bevor ihr überhaupt wisst, was los ist. Das liegt vor allem daran, dass eure Recken immense Probleme mit beweglichen Zielen und Feuergefechten auf kurze Distanz haben - eure Gegner allerdings nicht! Das ist unfair und sorgt trotz fair platzierter Speicherpunkte für frustrierendes Trial&Error.       

Xbox vs. PS2

Wer sich den Ärger mit anderen Spielern teilen will, kann die zwölf Einsätze umfassende Kampagne aber auch kooperativ angehen - allerdings nur via Internet bzw. Systemlink. Eine interessante Erweiterung im Multiplayer-Bereich stellt übrigens der Vs-Modus dar, bei dem man auf acht speziellen Maps erstmals auch auf der Seite der Rebellen aktiv werden kann. Während sich auf der Xbox bis zu acht Spieler erbitterte Scharmützel liefern können,

Hoch hinaus: Durch das Einnehmen von Gebäuden bieten sich aussichtsreichere Schusspositionen (PS2).
ist auf der PS2 allerdings schon bei der Hälfte Schluss.  Auch Content-Downloads und Ranglisten gibt‘s nur auf der Microsoft-Konsole, weshalb gesellige Multiplattformer auf jeden Fall der Xbox-Version den Vorzug geben sollten. Doch auch in punkto Grafik, Sound und Ladezeiten hat die Xbox deutlich die Nase vorn: Die Texturen sind wesentlich detaillierter, die Lichteffekte imposanter, die Bildrate stabiler, die Ladeunterbrechungen kürzer und auch die in Dolby Digital 5.1 abgemischte Soundkulisse wirkt fulminanter. Rein akustisch braucht sich die PS2-Umsetzung jedoch alles andere als zu verstecken, da auch hier eine sehr authentische Geräuschkulisse samt gelungener Orchestrierung am Start ist. Grafisch sind die Abstriche hingegen zum Teil enorm, weshalb Spieler, die beide Konsolen besitzen, unbedingt zur Xbox-Fassung greifen sollten.

Amis hui, Araber pfui

Die Charaktermodelle und Animationen sind hingegen auf beiden Plattformen topp - zumindest was die eigenen Mannen betrifft. Rebellen und Zivilisten wirken dagegen fast schon lieblos und im ersten Moment meint man fast, dass da animierte Bitmap-Sprites auf einen zu zuckeln. Dennoch ist das Gefühl mitten in einem Krisengebiet zu agieren, sehr hoch: Im Hintergrund fallen ständig Schüsse, Zivilisten versuchen sich in Sicherheit zu bringen, Rebellen huschen von Deckung zu Deckung und gelegentlich dürft ihr sogar Luftunterstützung anfordern, schwere Geschütze bemannen oder Sprengsätze legen. Lediglich das Zerstören feindlicher Spawnpunkte hat mich eher an Gauntlet als an den Nahen Osten erinnert und das Verhalten der Feinde ist teils geradezu albern.

Individueller Feuerbefehl: Der MG-Schütze deckt einen Zielbereich mit Sperrfeuer ein (Xbox).
 So werdet ihr nicht selten Zeuge von Gegnern, die wie aufgescheuchte Hühner immer wieder ohne ersichtlichen Grund von A nach B und zurück rennen. Vielleicht machen sie das um zu demonstrieren, dass die KI Deckungswechsel beherrscht, vielleicht aber auch nur, um euch zu ärgern, denn mit sich bewegenden Zielen haben eure Schützen wie gesagt so ihre Probleme - ein Schelm, wer hier an Schlampigkeit denkt...

Snipern für Arme

Zur Not könnt ihr nun zwar sogar selbst das Zielfernrohr eures Gewehrschützen in bester Ego-Shooter-Manier ausrichten und tödliche Headshots setzen, aber wirklich zufrieden stellend ist das erweiterte Präzisionsfeuer nicht. Zum einen lässt sich die Y-Achse nicht invertieren, was Hobbyschützen zur Verzweiflung bringt, und zum anderen habt ihr auch wenn sich der Gegner in Deckung befindet nur einen kurzen Moment um abzudrücken, da ihr sonst automatisch einen Gegentreffer kassiert. Zudem könnt ihr nicht kontrollieren, wo ihr den Gegner trefft, da euer Schütze stets eigenständig den Kopf anvisiert, sobald ihr den Gegner nur grob im Fadenkreuz habt. Mag sein, dass das theoretisch besser zum Konzept der indirekten Steuerung passt, in der Praxis ist das aber alles andere als befriedigend. Ansonsten geht die Steuerung jedoch gut von der Hand. Ihr legt meist problemlos Wegpunkte, Feuerbereiche und Bewegungsmuster fest,  deckt feindliche Stellungen mit Sperrfeuer ein, lasst diverse Granaten durch die Luft zischen,

Volles Rohr: In Ten Hammers dürft ihr erstmals auch Panzer übers Schlachtfeld dirigieren (PS2).
räumt mit gepanzerten Fahrzeugen den Weg frei oder betretet neuerdings sogar mehrstöckige Gebäude, um euch einen strategischen Höhenvorteil zu verschaffen.

Verschenkte Möglichkeiten

Hin und wieder marschiert euer Team zwar nicht an die angewiesene Stelle oder die Kamera will partout nicht so wie ihr es wollt, aber im Großen und Ganzen klappt das Dirigieren eurer Schützlinge meist reibungslos. Mit der Zeit mangelt es Ten Hammers jedoch wie schon seinem Vorgänger an Abwechslung und auch das lineare Level- und Missionsdesign hätte etwas mehr Freiraum und Dynamik vertragen können. Auch Szenario und Dramaturgie wirken ziemlich hanebüchen. Aber wer auf fordernde taktische Militäraction steht, wird trotzdem gut bedient. Allerdings wäre mit etwas mehr Kreativität und Feintuning ein weit packenderes und ausgewogeneres Spielerlebnis drin gewesen. So bleibt der fade Beigeschmack eher ein überteuertes, im Detail nach wie vor unausgereiftes und auf zwei Jahre alter Technik basierendes Add-On als einen eigenständigen Nachfolger zu spielen - und das hierzulande auch noch in nur teilweise lokalisierter und zensierter Form...     

Fazit

Auf den ersten Blick hat sich Ten Hammers gegenüber seinem Vorgänger in fast allen Belangen verbessert: Die Handhabung ist komfortabler und facettenreicher, mehrstöckige Gebäude können betreten, Fahrzeuge gesteuert, Teams aufgeteilt werden und der Mehrspielermodus wurde sinnvoll erweitert. Trotzdem bleibt die Begeisterung darüber irgendwie aus. Das pseudofiktive Szenario wirkt lieblos aufgekocht und trieft vor plumper Armypropaganda. Kamera, Kollisionsabfrage und KI sorgen immer noch für Kopfschütteln, während der hohe, aber realistische Schwierigkeitsgrad jeden interessierten Neueinsteiger in die Flucht schlagen dürfte. Zudem ist der damalige Innovationsbonus aufgebraucht und die technische Entwicklung stand quasi zwei Jahre still. Auf der PS2 wirkt die Präsentation mit matschigen Texturen, abgespeckten Effekten und holpriger Bildrate fast schon antiquiert - vom kastrierten Multiplayer ganz zu schweigen. Ein schlechtes Spiel ist Ten Hammers trotzdem nicht. Das Spielgefühl ist nach wie vor einzigartig und die Atmosphäre ungemein intensiv. Für einen erneuten Award hätte man sich aber konsequenter um die Beseitigung bestehender Mängel kümmern, mehr Feintuning betreiben und am besten auch das ausgelutschte Szenario samt aufdringlichem Patriotismus hinter sich lassen sollen, statt neuerdings die Zensurschere auszupacken...

Pro

neuer Vs-Modus
60Hz-Modus (Xbox)
betretbare Gebäude
steuerbare Fahrzeuge
gelungene Animationen
packende Soundkulisse
faire Autosave-Funktion
realistischer Spielverlauf
Content Download (Xbox)
einzigartige Spielmechanik
intensives Mitten-drin-Gefühl
alle Einsätze auch kooperativ spielbar
verbesserte Teamaufteilung & -steuerung

Kontra

durchwachsene KI
wenig Abwechslung
maue Story & Dialoge
instabile Bildrate (PS2)
unschöne Clippingfehler
ausgelutschtes Szenario
deutsche Version zensiert
fehlerhafte Positionierungen
gelegentliche Kameraprobleme
lange Ladezeiten (vor allem PS2)
aufdringliche US Army-Propaganda
schwache Texturen & Effekte (PS2)
sehr lineares Level
& Missionsdesign
übertrieben hoher Schwierigkeitsgrad
eingeschränkter Mehrspielermodus (PS2)
keine invertierbare Y-Achse beim Snipern

Wertung

PlayStation2

Erweiterte, aber doch auf der Stelle tretende Fortsetzung für Squadtaktiker.

XBox

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