Shattered Union30.10.2005, Benjamin Schmädig
Shattered Union

Im Test:

Werdet ihr bei Advance Wars oder Domination hellhörig? Dann hat PopTop vielleicht genau das Richtige für euch: Mit Hinweis auf die zwei gelungenen Genrevertreter versuchen die Entwickler, ein ähnliches Prinzip einsteigerfreundlich zu verpacken und entfachen einen zweiten amerikanischen Bürgerkrieg. Hält der Inhalt, was das interessante Szenario verspricht?

Der neue Krieg

Wenn das nicht mal eine gelungene Abwechslung ist: Der Weltmacht USA gehen offenbar die Feindbilder aus und ihr legt euch ausnahmsweise nicht mit den Irakern oder Aliens dieser und anderer Welten an. Stattdessen tobt ein Bürgerkrieg auf amerikanischem Boden, bei dem jedes der sechs schnell gegründeten Bündnisse die Nation unter seiner Führung vereinen will. Schuld an der Misere sind ein skrupelloser Präsident, terroristische Anschläge sowie die nukleare Zerstörung Washingtons. Wer da auf den berüchtigten roten Knopf hämmerte, bleibt zwar unklar, aber bevor sich die Amis versehen, besetzt die Europäische Union als siebte Partei die ehemalige Hauptstadt, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen – notfalls natürlich mit Waffengewalt.

Auch wenn der Frische des Szenarios schnell der Wind aus den Segeln genommen wird (im Handbuch sind russische Truppen gelistet, von denen sonst erst einmal jede Spur fehlt) und die Bündnisse im Verlauf der Kampagne ohne Profil bleiben, sorgt die Idee des Krieges auf amerikanischem Boden für angenehme Abwechslung. Für euch zählt aber wie erwartet: Sucht euch eine der sieben Parteien aus, wählt den Schwierigkeitsgrad und schon kann's losgehen.

Überzeugende Kulisse

Am Anfang kann Shattered Union (ab 2,97€ bei kaufen) richtig fesseln, denn zum schnellen Einstieg gesellt sich eine unkomplizierte Steuerung.Hinzu kommt eine authentische Präsentation, die auf PC mit feinen Texturen und realistischen Landschaften (einschließlich der Freiheitsstatue und ähnlich bekannter Punkte) glänzt. Auch der Sound hält hier mit und untermalt das Geschehen abgesehen vom eintönigen Musikgedudel mit knackigen Explosionen und knatternden Propellergeräuschen. Bis ihr ins taktische Geschehen einsteigen könnt,

Ein seltener Anblick der "Vereinigten Staaten": Die Weltmacht wurde vom Bürgerkrieg gespalten.
müsst ihr aber eine Hand voll Entscheidungen auf der strategischen Karte treffen.

Hier absolvieren alle Parteien nacheinander ihren Zug und können Einheiten kaufen, verkaufen, reparieren und natürlich in ein benachbartes Gebiet einfallen. 23 davon gilt es zu erobern, bevor ihr die Amerikanischen Nationen wieder zu Vereinten Nationen gemacht habt. Und das kann dauern. Denn auch wenn ihr nur einmal pro Zug angreifen dürft, müsst ihr mitunter mehrmals euer Gebiet verteidigen. Das Schwierige dabei: Einmal ins Feld geführte Einheiten bleiben bis zur nächsten Runde im Kriegsgebiet. Entscheidet ihr euch also beim ersten Kampf für eine zahlenmäßig überlegene Armee, steht euch in den folgenden Auseinandersetzungen nur noch ein kleines Reservoir an Truppen zur Verfügung. Das erinnert an den Brettspielklassiker Risiko und erfordert viel Vorausplanung sowie eine ordentliche Prise Glück beim strategischen Hantieren.

Schere, Stein, Papier

Geld ist übrigens knapp, weshalb ihr euch keine Hoffnungen auf inflationären Truppennachschub machen solltet. Grundsätzlich gilt daher, gut auf euer Kriegsgerät Acht zu geben und die eigenen Reihen mit sinnvollen Einkäufen zu ergänzen. Das ist umso wichtiger, da Shattered Union das berüchtigte "Schere, Stein, Papier" einwandfrei beherrscht. Durch zahlenmäßige Überlegenheit kommt ihr kaum drei Züge weit, ohne dass das schnelle Ende droht, denn der Computer versteht es hervorragend, Schwachstellen aufzuspüren und seine Truppen gezielt einzusetzen. Besonders auf eure Artillerie hat es die KI abgesehen und das ist gut so: Finden die Langstreckengeschosse aus den dicken Rohren nämlich einmal ihr Ziel, bleibt davon meist nicht viel übrig.

Einsteiger werden damit überfordert sein, denn die Lernkurve ist steiler als eine Nordwand der höchsten Kategorie. Sämtliche der zahlreichen Einheiten stehen euch schon von Beginn an zur Verfügung und die fehlenden Übungsmissionen sorgen für eine Motivationsblockade. Besonders am Anfang fällt deshalb auch das manuelle Aufstellen eurer Truppen negativ auf: Das fehlende Einsehen in deren Stärken und Schwächen sowie eine Auflistung aller noch nicht platzierten Soldaten, Panzer und Hubschrauber machen das Aufbauen einer wirkungsvollen Front schwierig, so dass man dem sofort angreifenden Gegner nur schlecht Paroli bieten kann. Ihr könnt die Positionierung zwar vom Rechner vornehmen lassen, der spaltet eure Truppen allerdings gerne in zwei Gruppen, so dass der Computer einen Teil eurer Armee oft in handliche Stücke verarbeitet, bevor der andere in Reichweite rückt.

Sind aber erst einmal alle Einheiten an ihrem Platz und habt ihr auch deren Werte im Kopf, schafft es Shattered Union dank seines flotten Ablaufs für kurze Zeit gut zu unterhalten. Zähes Vorausplanen fehlt jedoch ebenso wie heiß umkämpfte Missionsziele. Ihr schafft es entweder, eine Stellung mit wenigen Zügen einzunehmen oder werdet selbst überrannt. Macht nichts, denn ihr könnt es ja nochmal versuchen? Schön wär’s: Verliert ihr zu viele Einheiten, habt ihr keine Chance mehr, die Kampagne zu gewinnen. Nachschub könnt ihr euch kaum leisten und der Gegner attackiert eure Regionen mit steter Regelmäßigkeit.

Überzeugende KI?

Auf dem Schlachtfeld greift die KI geschickt verwundbare Punkte an, zeigt aber Schwächen im Abschluss: Hat sie euch einmal attackiert, macht sie nicht von der Möglichkeit Gebrauch, ihre Truppen noch einmal vor oder zurück zu ziehen und die nächste Einheit am selben taktisch vorteilhaften Punkt zu platzieren. Stattdessen rückt sie erst dann weiter, sobald die Angriffswelle abgeschlossen ist. Dabei bringt es viel, Position auf einem Hügel zu beziehen,

Dank dieser Übermacht sind die Städte des Gegners bald in unseren Händen.
die Waffen von dort sprechen zu lassen und sich anschließend in sichere Gefilde zurückzuziehen, bevor man das Manöver mit der nächsten Einheit noch einmal ausführt.

Zum Glück macht es euch Shattered Union denkbar einfach, Vorteile im Gelände zu erspähen, denn ihr seht im ständig eingeblendeten Wertefenster jederzeit, um wieviel sich die Eigenschaften einer Einheit zum Guten oder Schlechten ändern. Weniger transparent ist dagegen das Einsehen in die Erfahrungswerte eurer Truppen: Diese steigen nach einer bestimmten Anzahl an Siegen auf, ihr seht allerdings nirgendwo, wann das geschehen wird und könnt die betreffenden Kandidaten daher nicht gesondert schützen oder gezielt in den Kampf schicken. Xbox- und PC-Fassung lassen euch übrigens unterschiedliche Informationen aufrufen, wenn es um Werte wie Schussreichweite und Bewegungsradius geht: Auf der Konsole dürft ihr auch die des Feindes einsehen, die PC-Version bietet diese Möglichkeit nicht.            

Einheitseinheiten

Das macht den Einstieg auf Konsole leichter, stört erfahrene PC-Generäle aber kaum. Zumal fast alle Parteien das gleiche Kriegsgefährt befehligen. Lediglich bei Auseinandersetzungen mit der EU ist Umdenken angesagt: Leopard II statt Abrahams und Tiger-Hubschrauber statt Apaches sorgen bei den Europäern für Zerstörung. Zum Großteil findet sich bekanntes militärisches Inventar, Ausnahmen reihen sich zugunsten des Szenarios in der nahen Zukunft ein. Schade nur, dass sich Entwickler PopTop nicht dazu durchringen konnte, das knifflige Schere-Stein-Papier-Prinzip bis in die letzte Konsequenz auszureizen: Viele Einheiten gleichen sich zu sehr, was für weniger Übersicht und längere Einarbeitungszeit sorgt. Richtig vermisst habe ich neben Seestreitkräften auch echte Aufklärer, denn die Wege der flinken Hummer oder Hubschrauber sind im Vergleich zu denen des

Ist der Ruf erst einmal ruiniert, bombt es sich ganz ungeniert: Böse sein macht Laune!
restlichen Gefährts so kurz, dass das eigentlich sinnvolle Vorrücken damit bestraft wird, dass ihr in den Klauen der KI landet.

Mangelware Abwechslung

Kritik ist auch beim Missionsdesign angesagt, denn leider zeigt sich schnell, dass es an Tiefgang mangelt und die anfängliche Freude von immer gleichen Kämpfen auf den stets gleichen Karten erdrückt wird. So müsst ihr mit dem Besetzen diverser Städte (oder dem Verhindern desselben) zwar Ziele erfüllen, es reicht aber auch, den Feind einfach zu plätten. Die KI spielt dabei hervorragend mit und greift euch direkt an, statt wichtige Punkte zu verteidigen. An diesen stehen dann oft nur ein paar Soldaten, die spurlos im Einschussloch eurer dicken Munition verschwinden.

Das ist besonders ärgerlich, da es kaum Abwechslung vom beschriebenen Missionsalltag gibt. Es wirkt einfach ernüchternd, wenn im Grunde jedes Mal die gleiche Schlacht geschlagen wird. Ich hätte mir z.B. sekundäre Ziele gewünscht, bei deren Erreichen sich der Geldbeutel schneller füllt oder mir taktische Vorteile zugesprochen werden. Letztere findet ihr lediglich in der Form russischer Pakete, die im Krisengebiet landen. Die Kisten bringen Begünstigungen für Fahrzeuge in der direkten Umgebung und stellen euch vor die knifflige Wahl: Zieht ihr mit einzelnen Einheiten Richtung Feind oder bleibt ihr lieber im sicheren Verband?

Über den Wolken…

Richtig gut gefällt mir dagegen der Einsatz von Flugzeugen, die mit traumwandlerischer Sicherheit nahezu jeden Gegner nach nur einem Angriff von der Karte fegen. Die Flieger befinden sich dabei auf dem Flugplatz, welchen ihr vor jedem Gefecht ähnlich den Einheiten platzieren müsst. Über ein separates Menü greift ihr auf die Bomber und Kampfjets zu und wählt ganz normal ein Ziel. Ist die Luftabwehr des Gegners ausgeschaltet, haben die Maschinen nicht viel zu befürchten und gehen radikal gegen Hubschrauber oder Bodentruppen vor. Ihr müsst nur darauf Acht geben, dass keine feindlichen Flugzeuge im Zielgebiet patrouillieren. Die Vorteile haben natürlich ihren buchstäblichen Preis: Ihr zahlt mehr als doppelt so viel für die Flieger wie euch die stärksten restlichen Einheiten kosten. Seltsam ist nur, dass die Kamera bei Bombardierungen statt des Angriffs ein Gebiet zeigt, in dem absolut gar nichts passiert.

Collateral Damage

Es ist übrigens Vorsicht geboten, wenn ihr euch dem Rausch des Krieges hingebt, da eure Angriffe auch Kollateralschaden verursachen. Auch wenn euch das bisher nie gestört hat, müsst ihr bei Shattered Union ein Auge auf die Anzeige am oberen Bildschirmrand werfen, denn je mehr sie sich rot füllt, desto weiter wandelt ihr auf dem "Pfad zur dunklen Seite der Macht", wie es einer der Entwickler beschrieb. Aber welche Auswirkungen hat der Status auf euer Vorgehen? Ganz einfach: Ihr dürft im Abstand einiger Runden diverse Spezialkräfte einsetzen, mit denen ihr die Werte einzelner Truppen steigern oder Flächen deckende Giftgaswolken einsetzen könnt. Der Witz dabei: Je öfter ihr während der Kämpfe den roten Balken füllt, desto tiefer sinkt im Verlauf der Kampagne euer politisches Ansehen.

Klingt negativ? Ist es aber nicht! Im Gegenteil, denn ein mieser Ruf spendiert erst die wirklich mächtigen Waffen wie z.B: Atomschläge. Gutmenschenspieler bekommen Möglichkeiten wie das Lahmlegen feindlicher Einheiten oder die Beseitigung des Kriegsnebels spendiert. Zwar dürft ihr von Anfang an auf drei solcher Funktionen zurückgreifen, aber erst ein richtig gutes oder mieses Ansehen öffnet den Zugang zu anderen und vor allem wirkungsvollen Kräften. Einziger Nachteil: Die Partisanen,

Die Landschaften versprühen den authentischen Charme von Satellitenfotos.
welche sich auf den meisten Karten herumtreiben, entscheiden sich für das kleinere Übel und schließen sich der Partei mit dem besseren Ruf an.

Ein kurzes Vergnügen

Das klingt alles unterhaltsam und macht tatsächlich Spaß, ist aber auf Dauer zu eintönig und gleich bleibend, so dass Hardcorestrategen, die sich z.B. an Domination oder Advance Wars die Zähne ausgebissen haben, schnell langweilig wird. Shattered Union lässt außerdem einige Dinge vermissen, die ein erfahrener Feldherr einfach braucht, um glücklich zu werden. So hat weder das Klemmen von Einheiten Einfluss auf deren Werte, noch stört es, wenn eine Einheit aus dem letzten Loch pfeift – sie trifft weiterhin so gut, als hätte er eben erst die Fabrik verlassen. Auch dass die KI bis auf den geschickten Umgang mit "Schere, Stein, Papier" keine taktischen Finessen kennt, zum größten Teil blindlings auf euch zustürmt und in höheren Schwierigkeitslevels lediglich mehr Truppen in den Kampf schickt, wirkt unausgegoren.

Im Multiplayermodus bietet sich ein ähnliches Bild: Für eine schnelle Runde am Abend ist der kurze Strategiesnack allemal gut, längere Partien tragt ihr aber besser bei der Konkurrenz aus. Zumal Gefechte über Internet bzw. Xbox Live schwer aufzutreiben sind; nur gelegentlich verirrt sich ein Hobbygeneral hierher. Dafür bietet Shattered Union vom E-Mail-Austausch über LAN-Verbindung und das abwechselnde Taktieren an einem Rechner technisch alles, was das Herz begehrt.           

Fazit

Schicke Kulisse hin, kurzweiliges Prinzip her: Shattered Union spricht vor allem Einsteiger an, lässt Könner des Fachs aber abwinken. Habt ihr die Mechanik einmal durchschaut, wartet bis auf die Spezialkräfte und den "Überraschungsgegner" Russland kaum etwas, das auf Dauer fesseln kann. Das einfache und effiziente Prinzip erfüllt seinen Zweck zwar einwandfrei, ich hätte mir trotzdem mehr taktischen Tiefgang gewünscht. Es ist einfach zu wenig, wenn bis auf Kämpfe nach "Schema F" nichts passiert und kaum mehr gefordert wird als das Auswendiglernen der Werte. Je länger man spielt, desto mehr schaden die nicht vorhandenen Möglichkeiten der Motivation. PopTop präsentiert solide Rundenstrategie mit einem interessanten Szenario, das von der Klasse eines Advance Wars oder Domination aber weit entfernt ist.

Pro

schicke Optik, passender Sound
sichtbare Sehenswürdigkeiten
unkompliziertes Prinzip
unterhaltsamer Einsatz von Flugzeugen
interessantes Szenario
witziges Gut/Böse-Prinzip
viele Spezialkräfte

Kontra

mangelnde Abwechslung
einfallslose KI
belanglose Musik
schwache Einheiten bei voller Stärke
keine Aufklärung
hoher Schwierigkeitsgrad
wenig taktische Möglichkeiten

Wertung

XBox

PC

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