Titan Quest21.03.2018, Mathias Oertel
Titan Quest

Im Test: Hack & Slay der alten Schule

Die Zeit rast. In der Spielewelt mitunter noch zügiger als sonst schon, so dass zwölf Jahre wie eine halbe Ewigkeit scheinen. Dementsprechend ungewöhnlich ist es, dass THQ Nordic dem 2006 erschienenen Action-Rollenspiel Titan Quest (ab 3,90€ bei kaufen) eine Konsolenversion spendiert. Zwar basiert diese auf der Anniversary Edition aus dem Jahr 2016, doch der Kern gehört im Prinzip in eine andere Spiele-Ära. Ob das Hack&Slay heutzutage noch unterhalten kann, klären wir im Test.

Titanen gegen den Zahn der Zeit

In den letzten zwölf Jahren ist viel in der Spielewelt passiert. Als Titan Quest erschien, war die Xbox 360 gerade mal ein paar Monate auf dem Markt und die PlayStation 3 nicht einmal erschienen. Und das Action-Rollenspiel (aka Hack&Slay oder auch "Kloppmist") zehrte immer noch vom Diablo-2-Erfolg, an den auch Dungeon Siege nicht heranreichen konnte. Loki von Cyanide sollte erst 2007 erscheinen, Silverfall oder Sacred 2 ein weiteres Jahr später. Auch Titel wie Torchlight waren zu diesem Zeitpunkt maximal in der Konzeptphase. Dementsprechend wurde damals die Veröffentlichung von Titan Quest herbeigesehnt. U.a. auch, weil sich hinter dem damaligen Entwickler-Team Iron Lore Entertainment mit Brian Sullivan einer der führenden Köpfe der Ensemble Studios (Age of Empires) an einem Diablo-Rollenspiel versuchte.

Die Kulisse und vor allem die Steuerung wurden gut an aktuelle Konsolensysteme angepasst.
Und das seinerzeit recht erfolgreich: Iron Lore hatte im Gegensatz zu Diablo 2 mit seinen zufällig generierten Abschnitten die gesamte Welt von Hand gezeichnet. Nicht nur das: Man konnte die mit Fabelwesen wie Satyre, Minotauren, Harpyien, Medusen oder Zentauren bestückte  Antike, die man mit einem einsamen Helden durchstreift, theoretisch in einem Rutsch ohne Nachladephasen durchqueren. Angesichts der durchaus schicken Kulisse, die man 2016 in der "Anniversary Edition" modernisierte und an hohe Auflösungen anpasste, war das damals eine nicht zu unterschätzende Errungenschaft. Zudem gab es eine umfangreiche Charakterentwicklung, bei der man mit zwei aus acht Spezialisierungen (eine weitere kam später mit dem Add-On Immortal Throne hinzu) mit zig aktiven oder passiven Fähigkeiten auswählte, um so seine präferierte Spielweise von Zauberern bis Nahkämpfern (auch in Mischform) für die Figur zu finden. Dass die gefundene oder erstandene Ausrüstung mitunter bestimmte Figurenstufen oder Eigenschaftswerte erforderte, heizte die Suche nach der perfekten Ausrüstung zusätzlich an. Und nicht zuletzt konnten mit der einfachen Steuerung und vor allem der im Nachhinein betrachtet etwas im Übermaß sowie gelegentlich unpassend ausgeschütteten Beute alle Jäger-und-Sammler-Instinkte befriedigt werden.

Immer noch unterhaltsam

Die umfangreiche Reise führt einen nicht nur durch halb Griechenland, sondern auch in den Orient oder nach Ägypten.
Der spielerische Kern wurde zwölf Jahre nach dem Original und gut zwei Jahre nach der Anniversary Edition am PC natürlich nicht angefasst. Von den ersten zaghaften Schritten mit einer nur leicht bewaffneten und fähigkeitslosen Figur bis hin zu Schlachten gegen dutzende Gegner und Halbgötter, bei denen der Bildschirm ggf. mit Zaubereffekten übersät wird, bietet Titan Quest klassisches Hack&Slay. Das bedeutet hinsichtlich des Kampfsystems im Wesentlichen ein „Klick&Weg“: Der anvisierte Gegner wird aufs Korn genommen, solange der entsprechende Knopf gehalten wird. Ist nach seinem Ableben ein weiterer im Umkreis geht es weiter, ohne dass man die Taste erneut betätigen muss. Bei Nahkämpfern bedeutet dies unter Umständen, dass man auch ohne Richtungsangaben auf dem linken Stick weitgehend automatisch zum nächsten Feind läuft und dann auf ihn einschlägt oder –sticht. Dieser Halbautomatismus ist zwar nicht mehr wirklich zeitgemäß, doch zusammen mit dem vor allem im ersten Akt auf „Normal“ sehr benutzerfreundlichen Schwierigkeitsgrad kommt man in einen angenehmen Flow: Man grast die Karte ab, erledigt die Feinde, öffnet Kisten und sammelt Beute. Zwar muss man bei einigen, in erster Linie großen oder ihrerseits magiebegabten Kontrahenten auch mal kurzzeitig die Flucht ergreifen oder einen Heiltrank einwerfen, der die schwindende Gesundheitsleiste schnell wieder auffüllt.

Doch im Allgemeinen stellt Titan Quest für die ersten paar Stunden kaum vor größere Herausforderungen. Mit Ausnahme des Inventarplatzes, der wie schon 2006 viel zu klein ist, um all das aufzunehmen, was man als Belohnung bekommt. Selbst mit der Erweiterung des Rucksacks und einem Fokus auf mindestens ungewöhnliche Gegenstände, die man lukrativ verkaufen kann, ist man eher früher als später gezwungen, das jederzeit verfügbare Portal zu den freigeschalteten Knotenpunkten zu benutzen. Doch die hohe Beuteausschüttung hat auch Vorteile: So hat man z.B. nur selten Geldmangel, um sich bei Bedarf stärkere Ausrüstung anzuschaffen – nur für den Fall, dass man tatsächlich kein Fundglück haben sollte und man auch nicht genug Sondermaterialen sammelt, um die Waffen oder Kleidung mit Boni auszustatten. Übrigens bleibt es bei zwei Punkten, die schon in der Urfassung gestört haben, wenngleich beide mittlerweile abgemildert wurden. Man kann immer noch rare bzw. noch seltenere Gegenstände bei Händlern erwerben, allerdings bei weitem nicht mehr so häufig wie früher. Dass diese Option immer noch nicht komplett entfernt wurde, liegt vermutlich daran, dass weder Bosse noch heldenhafte Kreaturen, bei denen man eigentlich "bessere" Beute erwarten würde, eine kohärentes "Drop"-System haben. Immer noch kann es passieren, dass sie nur banales Zeug (dafür in Massen) fallen lassen, während selbst eine "Königliche Truhe" am Ende eines beschwerlichen Dungeons nur ein paar Heiltränke statt schicker Ausrüstung beinhalten kann. Das Verhältnis von Aufwand und Ertrag wurde im Vergleich zu 2006 zwar optimiert, ist aber weiterhin nicht perfekt.

Alles unter Kontrolle

Auch wenn die Steuerung gut auf die Konsolenpads gelegt wurde, wirkt die Mechanik ab und zu etwas angestaubt.
An der Steuerung gibt es wenig auszusetzen. Die direkte Steuerung der Figur unterstützt zusammen mit den halbautomatischen Standardattacken den Spielfluss, der sich schon nach kurzer Zeit für Jäger und Sammler einstellt. Allerdings muss man sich daran gewöhnen, dass die Figur erst stoppt, wenn sie die aktuelle Schrittanimation abgeschlossen hat, was aber letztlich nur eine minimale Verzögerung bedeutet. Spezialangriffe und ggf. Magie werden über das Digipad ausgelöst, wobei man mit der linken Schultertaste zwischen zwei Vierersets umschaltet. Alternativ kann man auch noch für jeden der zwei Waffenslots eine Sonderfunktion erreichbar machen, während die oberen Schultertasten für die Heil- bzw. Magietränke zuständig sind. Die Beute-Aufnahme bzw. -Selektion wurde ähnlich komfortabel gestaltet. Drückt man die Sammeltaste länger, werden alle Gegenstände in der Nähe in einem Menü angezeigt, wobei alles Gold und sämtliche Verbrauchsgegenstände mit einem weiteren Klick unkompliziert eingesammelt werden können. Waffen, Kleidung, etc. hingegen kann man problemlos durchschalten, bekommt dabei sogar den Vergleich mit der aktuellen Ausrüstung angezeigt und kann dann pro Gegenstand entscheiden, ob man ihn in den Rucksack stopfen möchte oder nicht. Alle anderen Funktionen wie Inventar, Fähigkeitenbaum, die Karte oder der Portalstein, aber auch die rudimentären Befehle für evtl. beschworene Begleiter werden über ein Radialmenü ausgewählt – alles sehr intuitiv und komfortabel. In manchen Menüs ist die Schrift zwar grenzwertig klein, so dass eine Anpassungsmöglichkeit wünschenswert ist. Doch auf Bildschirmen mit verschiedenen Größen (24, 37, 49 Zoll) war unter dem Strich alles noch lesbar, wobei das natürlich stark von der Entfernung abhängig ist, in der man spielt.

Über mangelnde Abwechslung bei den weitläufigen (aber dennoch größtenteils linearen) Arealen kann man sich nicht beklagen.
Die Kulisse macht ebenfalls immer noch einiges her. Zum einen, weil die Urfassung mit ihren farbenfrohen, detailliert und teils aufwändig animierten Gebieten schon einen richtig guten Eindruck hinterlassen konnte. Und zum anderen, da die zu Grunde liegende Anniversary Edition auf dem PC mit all ihren visuellen Erweiterungen und Anpassungen an hohe Auflösungen auf dieser Basis dafür sorgen konnte, dass das antike Hack&Slay erstaunlich gut gealtert ist. In der höchsten Zoomstufe wirken die Übergänge von beweglichen Körperteilen zwar etwas grob, doch in der Kameraentfernung, in der die meisten spielen dürften, fallen diese Mankos nicht mehr auf. Auf Konsolen gibt es allerdings auch ein paar neue, wenngleich klein ausfallende Störfeuer. So kann es in seltenen Fällen dazu kommen, dass bestimmte Teile des Geländes wie z.B. Marktstände oder Wagen in Städten, aber auch Zelte in Feindeslagern vergleichsweise spät aufpoppen oder erst nachträglich mit Texturen beklebt werden. Ebenso kann man auf Probleme mit dem Schattenwurf der Hauptfigur treffen, der nicht akkurat berechnet wird und in diesen Momenten dann für eine verwirrende „Schwebe“-Illusion sorgt. Ebenfalls unschön, aber auch nicht häufig findet man Figuren, die wild in der Gegend zappeln oder gegen unsichtbare Grenzen laufen. Auch seltene Slowdowns lassen sich sowohl auf PS4 Pro als auch auf Xbox One X feststellen. Über die gesamte Spielzeit verteilt sind diese Phänomene die Seltenheit, stören in diesen Augenblicken aber umso mehr und reißen einen kurz aus der Spielwelt.

Fazit

Im Jahr 2018 funktioniert das simple Hack&Slay-Konzept des zwölf Jahre Titan Quest immer noch. Zwar fehlt die Ende letzten Jahres auf dem PC überraschend veröffentlichte Erweiterung „Ragnarök“, doch mit dem Hautspiel und dem ersten, hier integrierten Add-On Immortal Throne, kann man sich auf gut 50 Stunden unkomplizierte Monster-Jagd vor mythologischem Hintergrund in einer riesigen, handgezeichneten Welt sowie eine nach wie vor beachtliche Beute-Motivation freuen. Mitunter vermisst man allerdings einige Komfort-Funktionen, die seit dem ursprünglichen Release von späteren Hack & Slays vor allem auf Konsole aufgegriffen wurden und die dafür sorgen, dass sich Titan Quest hinsichtlich des Kampfes trotz gut angepasster Pad-Nutzung etwas rudimentär bzw. „rustikal“ anfühlt. Auch das Inventar steht heute wie damals in keiner Relation zur erlangten Beute und macht zig Portal-Öffnungen zu den Siedlungen nötig, um alles einzulagern oder zu verkaufen. Doch die Kulisse, die mit ihren geschmeidigen Animationen und schicken Effekten schon damals einiges her machte, wurde vom Zahn der Zeit nur leicht angeknabbert und wirkt immer noch größtenteils stimmungsvoll. Allerdings muss sie neuerdings mit kleinen Ungereimtheiten bei Schatten auskommen, während in seltenen Momenten die Levelarchitektur zu spät eingeblendet oder mit Texturen tapeziert wird. Man kann gespannt sein, wie andere Teile des damaligen Teams mit der One-Umsetzung von Grim Dawn in dieser Hinsicht umgehen. Dass Titan Quest nach einer halben Spiele-Ewigkeit dennoch weiterhin gut zu unterhalten versteht, unterstreicht, wieso es zu Recht in nahezu jeder Hack&Slay-Bestenliste zu finden ist.

Pro

stimmungsvolle Spielwelt
schnörkelloses Hack&Slay alter Schule
facettenreiche Charakterentwicklung
inkl. Add-On "Immortal Throne"
komfortabler Handel
durchdachte, eingängige Pad-Steuerung
gute deutsche Sprachausgabe
abwechslungsreiches Gegnerdesign
durchgehende Welt ohne Ladezeiten
gute Unterhaltung für Jäger & Sammler
komfortable Teleportfunktion

Kontra

Add-On "Ragnarök" nicht integriert
gelegentlich visuelle Probleme (Schatten, Textur
oder Geometrie-Pop-ups)
kleines Inventar
magere Story
nur gelegentlich situative Spannung auf dem Standard-Schwierigkeitsgrad "Normal"
nur rudimentäre Begleiter-Befehle
mechanisch mittlerweile etwas angestaubt
kein Couch-Co-op (soll nachgeliefert werden)

Wertung

XboxOne

Gelungene Neuauflage des Hack&Slay-Klassikers, die zwar mechanisch etwas in die Jahre gekommen ist, aber mit gut angepasster Steuerung sowie größtenteils ansprechender Kulisse die Jagd- und Sammelwut entfacht.

PlayStation4

Gelungene Neuauflage des Hack&Slay-Klassikers, die zwar mechanisch etwas in die Jahre gekommen ist, aber mit gut angepasster Steuerung sowie größtenteils ansprechender Kulisse die Jagd- und Sammelwut entfacht.

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