Gears of War03.09.2015, Michael Krosta

Im Test: Gelungene Schönheits-OP für die Muskelpakete

Vor neun Jahren setzte Epic Games mit Gears of War (ab 14,99€ bei kaufen) ein Ausrufezeichen auf der Xbox 360: Nicht nur das Potenzial der Unreal Engine wurde eindrucksvoll demonstriert. Auch der Shooter überzeugte abseits der visuellen Pracht durch coole Mechaniken, knallharte Action und spaßige Mehrspieler-Duelle. Kann die generalüberholte Ultimate Edition für die Xbox One die alte Faszination erneut entfachen?

Der Zahn der Zeit

Neun Jahre sind schon eine Menge Holz, in denen viel passieren kann. Auch im Shooter-Bereich. Doch auch wenn manche der Mechaniken eines Gears of War mittlerweile etwas angestaubt wirken, kann die Ultimate Edition innerhalb weniger Minuten vermitteln, warum der Action-Kracher unter der Regie von Cliff Bleszinski damals so einschlug und eine Duftmarke setzte. Stilistisch mag die mittlerweile etwas erschlankte Truppe der Muskelmänner rund um Marcus Fenix immer noch etwas grotesk wirken und auch banale Story sowie die Dialoge würden niemals für einen Oscar in Erwägung gezogen.

Doch wenn man zum Controller greift, dann stellt es sich schnell wieder ein, dieses alte, wohlbekannte und immer noch großartige Gears-Feeling, wenn man von Deckung zu Deckung huscht, sich heftige Stellungskämpfe gegen die zähen sowie clever flankierenden Locust liefert und mit dem richtigen Timing flott das Magazin wechselt. Gerade diese damals innovative Nachlademechanik empfinde ich immer noch als genial und sie sollte auch in anderen Shootern viel öfter zum Einsatz kommen. Auch das eingängige Deckungssystem auf Knopfdruck funktioniert noch so gut wie eh und je, übertrifft sogar immer noch viele der späteren Spiele von Mitbewerbern, die ähnliche Ambitionen verfolgten. Etwas nervig ist neben den vereinzelten Trial&Error-Passagen lediglich der Umstand, dass der Einsatz des coolen Kettensägenbajonetts aufgrund der Tastenbelegung und der dadurch resultierenden Einschränkung der Kamera

Neben der Kulisse profitieren auch die Figuren von der grafischen Generalüberholung.
immer noch relativ umständlich ist, dafür aber erneut bei richtiger Anwendung in einem herrlichen Gore-Spektakel endet. Kurz gesagt: Bis auf ein wenige mechanische Einschränkungen spielt sich Gears of War immer noch klasse und steckt auch in der ultimativen Edition manch anderen aktuellen Shooter in die Tasche.

Mehr Inhalt, bessere Technik

Zählte das Spiel auf der Xbox 360 noch zu den technischen Vorzeige-Titeln, bleibt der ganz große Wow-Effekt auf der Xbox One aus, obwohl von den Texturen über die (Licht-)Effekte bis hin zu den Figuren sowie Zwischensequenzen alles spürbar aufgebohrt und die Bildrate auf flüssige 60fps verdoppelt wurde. Das für die Umsetzung zuständige Studio „The Coalition“ hat sich für dieses Remaster jedenfalls deutlich mehr ins Zeug gelegt als etwa Sonys Santa-Monica-Studio bei der PS4-Umsetzung von God of War 3 oder Capcom bei Resident Evil HD. Trotzdem vermittelt die überarbeitete Kulisse heute auf der Xbox One nicht mehr die Wucht und das Gefühl eines technischen Overkills, den man damals noch auf der 360 verspürt hat. Trotzdem macht die Unreal Engine hier einen guten Job und vor allem beim Zielen profitiert die Steuerung von der höheren Bildrate. Schade finde ich, dass man nicht auch die Impulse Trigger nutzt – wenn schon viele Dritthersteller die eigentlich coole Funktion des Controllers ignorieren, erwarte ich zumindest eine Unterstützung von First-Party-Studios und das nicht nur bei Rennspielen wie Forza Motorsport 6. Auch hinsichtlich der (Begleiter-)KI hätte man mehr optimieren können, denn hin und wieder krankt sie noch an ähnlichen Problemen und vereinzelten Aussetzern wie vor neun Jahren. An anderer Stelle erkennt man dagegen deutliche Verbesserungen bzw. man hört sie: Abgesehen davon, dass Microsoft die Soundkulisse auf eine 7.1-Konfiguration erweitert hat, profitieren vor allem die deutschen Stimmen von der frischen Abmischung. Sie tönen nicht nur deutlich klarer aus den Boxen, sondern auch die störenden Lautstärkeschwankungen des Originals wurden minimiert.  

Dank zähen Gegnern, dem intuitiven Deckungssystem und der flüssigen Darstellungen sind die Feuergefechte ein Genuss.
Neben der Technik hat Microsoft auch den Inhalt aufgestockt: Nicht nur die Kampagne wird um fünf zusätzliche Kapitel erweitert, die bisher ausschließlich PC-Besitzern des ursprünglichen Spiels vorbehalten waren. Auch der Mehrspielermodus bekommt Zuwachs durch weitere Variation wie Team Deathmatch, King of the Hill (im Stil von Gears of War 3) und dem neuen Gnasher Execution , bei dem zwei Zweier-Teams gegeneinander antreten, während sich in anderen Modi bis zu acht Teilnehmer tummeln können. Was ich aber vermisse ist ein Horde-Modus: Den gab es zwar auch nicht im Original, aber dieser populäre Modus hätte der Ultimate Edition sicher gut gestanden. Dafür gibt es im Vergleich zur 360-Fassung mit 19 Karten fast die doppelte Anzahl und auch nette Extras wie Comics (...für Finder der KOR-Marken) oder Konzeptzeichnungen runden das Paket ab. Ein zusätzlicher Schwierigkeitsgrad schließt außerdem die Lücke zwischen „Lässig“ und „Hardcore“, während sich Profis weiter auf der Stufe „Wahnsinnig“ austoben dürfen. Klasse ist außerdem, dass weder lokale Matches am geteilten Bildschirm noch die LAN-Unterstützung als Alternative zu den Online-Matches gestrichen wurde und man noch mehr Möglichkeiten an die Hand bekommt, die Partien mit einer größeren Palette an Einstellungen an eigene Vorlieben anzupassen. Und auch technisch liefen die Online-Partien im Rahmen unseres Tests rund: Die automatische Spielervermittlung dauert zwar etwas lange, doch beim Ballern auf den dedizierten Servern sind mir weder Lags noch Verbindungsabbrüche aufgefallen.

Fazit

So muss ein Remaster aussehen! Auch wenn Gears of War in der Ultimate Edition nicht mehr so frisch wirkt und technisch vom Hocker haut, wie es damals das hierzulande indizierte Original auf der 360 getan hat, überzeugt der Shooter auch auf der Xbox One durch gelungene Mechaniken, schweißtreibende Schusswechsel, ein tolles Pacing und intuitives Deckungssystem sowie unterhaltsame Mehrspieler-Partien, von denen sich sogar manch neuere Spiele eine dicke Scheibe abschneiden könnten. Zwar hätte man abseits der Grafik auch die eine oder andere Mechanik modernisieren können, doch insgesamt kann mich das Spielgefühl von damals auch heute noch begeistern. Es macht einfach tierisch Spaß, sich durch die Feuergefechte zu beißen oder Locust mit der Kettensäge zu zerlegen. Zumal die Kampagne dank weiterer Kapitel jetzt umfangreicher ausfällt als beim Original und der Inhalt insgesamt deutlich aufgewertet wurde. Der Horde-Modus oder die Möglichkeit, wie bei den Halo-Remasters zwischen alter und neuer Grafik wechseln zu können, wären die Sahnehäubchen gewesen. Doch auch in dieser Form fetzt die Ultimate Edition und The Coalition hat bewiesen, dass Gears of War 4 bei ihnen offenbar in guten Händen ist. Schade nur, dass man mit einem deutschen Xbox-Live-Konto wohl nicht in den Genuss anderer Länder kommen wird, wo Microsoft den Käufern ohne weitere Kosten Download-Codes für die restlichen 360-Spiele innerhalb der Serie zukommen lassen will, damit man sie im Rahmen der Abwärtskompatibilität ebenfalls auf der Xbox One spielen kann.

Pro

immer noch sehenswerte, visuell deutlich aufgewertete Kulisse
klasse Deckungsmanöver
fünf zusätzliche Kapitel (vormals nur PC)
angenehme Steuerung mit genialer Nachlademechanik
aggressive Gegner-KI
spaßige Mehrspieler-Modi
LAN-Unterstützung
lokaler Koop / VS am geteilten Bildschirm
stimmungsvoller Soundtrack
nettes Bonusmaterial

Kontra

Geschichte ist kaum der Rede wert
einige Trial&Error-Passagen
Kettensägenbajonett recht umständlich
KI-Partner mit kleinen Aussetztern
Befehlsautomatismen nicht effektiv genug
Impulse Trigger werden nicht unterstützt
kein Umschalten zwischen alter und neuer Grafik
kein Horde-Modus

Wertung

XboxOne

Gears of War hat nichts von seinem Charme verloren: Mechanisch zwar leicht angestaubt, rocken Marcus Fenix & Co auch auf der Xbox One mit Lancer und Kettensägenbayonett.

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