Im Test:
Immer mehr, immer besser!
»Zutodeverbesserer« ist ein ebenso einfacher wie trauriger Begriff, bezeichnet er doch den Typus Mensch, der an einem gereiften Produkt so lange schraubt und handwerkt, bis das Ergebnis auf den ersten Blick
Video: Das komplette Intro von Tekken 6.viel besser als der Vorgänger, schlussendlich aber in jeder Hinsicht so überzüchtet ist, dass kaum einer mehr etwas damit anfangen kann. Am Beispiel des Menschen würde das bedeuten, dass man einen kerngesunden Zeitgenossen so lange mit Steroiden sowie bionischen Bauteilen aufpumpt, bis er vor lauter Optimierung und Muskelaufbau bereits beim Aufstehen umkippt wie Charlie Sheen in Hot Shots 2. Ein klassisches Beispiel aus der Spielebranche dafür ist dagegen Lemmings 2 , welches das geniale Konzept des Vorgängers durch viel zu viele neue Fähigkeiten und überkompliziertes Leveldesign ad absurdum führte.
Von dieser Einleitung aus geht es direkt zu Namco, einigen der beharrlichsten Zutodeverbesserern im Videospielbereich. Der Status quo ist ganz nach japanischer Tradition nie gut genug, es muss immer mehr und besser und aufwändiger sein - prinzipiell eine gute Sache, Stillstand bedeutet in einer derart progressiven Branche zwangsläufig Rückschritt. Das Problem ist nur: Wenn eine Idee ein Mal für gut befunden wurde, halten die Jungs und Mädels mit der Verbissenheit eines Rottweilers daran fest, unabhängig davon, wie viel Kritik sie dafür kassieren. Die Tekken-Serie begann einst mit einer simplen Prämisse: Zweikampf, mano-a-mano bzw. ein simpler Arcade-Modus für Solisten. Im Laufe der Jahre, mit fortschreitender Zahl hinter dem Namen, wurden immer neue Spielmodi entwickelt, um das Vergnügen möglichst lange frisch zu halten: Bonusgames wie Tekken Bowling oder Tekkenball auf der einen Seite, Team- und Survival-Modi auf der anderen - und Solo-»Action-Adventures« wie Tekken Force oder The Devil Within irgendwo dazwischen. Die Entwickler waren sogar derart enthusiastisch, dass sie einen Ableger dieser Spin-Offs sogar zu einem separaten Spiel machten; das desaströse Resultat Death By Degrees sollte mittlerweile bekannt sein. Fassen wir zusammen: Namco kann viele Dinge, aber eines nicht - Prügelabenteuer designen. Wieso also wird just eine besonders viel heiße Luft versprühende Version davon zum Dreh- und Angelpunkt von Tekken 6?
Der prügelnde Multimillionär
Dass den Entwicklern die Kampagne (im Englischen »Scenario Campaign«) verdammt wichtig war, erkennt man an mehreren Punkten. Der offensichtliche davon ist, dass sie den vorderen Platz im Hauptmenü einnimmt; den Platz, der normalerweise dem Arcade-Modus vorbehalten war. Der allerdings wurde dieses Mal derart zurechtgestutzt, dass er gerade mal einen Hundeplatz irgendwo im Reiter »Offline-Modi« verpasst bekam. Die Kampagne ist insofern wichtig, als dass nur hier all das freigespielt wird, was sonst in der Arcade-Variante verborgen war: Klamotten und Ausrüstung für die Personalisierung sowie die Abspänne für jeden der 40 Fighter. Außerdem kann man nur hier das große Geld machen: Wenn eine Langhaarfrisur 3.000.000 Credits kostet, man mit einem Arcade-Kampf aber im Schnitt 5.000 Credits verdient, dann wird schnell klar, dass man sich selbst für einen blöden Hut viel zu lange abrackern muss - ganz besonders, wenn man selbst im kürzesten der Kampagnen-Levels problemlos auf einen Schlag mehrere hunderttausend Geldeinheiten nachgeschmissen bekommt. Und die nicht mal zwangsläufig investieren muss, denn auch die Items selbst regnet es am laufenden Bande.
Klingt doch super, oder? Einfache, schnelle Personalisierung, die guten alten Tekken-Boni, alles an einem Platz - kein Grund zur Klage, möchte man meinen. Das Problem ist nur, dass just dieses Freispielen der sonst unerreichbaren Boni die einzige Existenzberechtigung für die Kampagne ist. Der Rest krankt nämlich an all den kleinen und großen Problemen, die bislang jeden Bonusabenteuer-Ausflug aus dem Hause Namco plagten: schlechte Steuerung, zickige Kameraführung und belanglose Kämpfe. Die Kontrolle ist eine Mischung aus analog und digital, wobei keine Variante optimal ist. Beschränkt man sich nämlich auf den Analogstick, kann man zwar die Figur frei bewegen, aber beim Kämpfen keine Richtungsangaben machen - so beschränkt man sich also auf pures Buttonmashing und die simpelsten Manöver. Dieses Problem hat man nicht, wenn man auf das Digikreuz zurückgreift, denn damit kann man alle gewohnten Kommandos geben - muss sich allerdings steuerungstechnisch immer auf den aktuellen Gegner ausrichten, was schnell in Chaos endet. Außerdem ist die Figur mit dem Digipad nicht völlig frei steuerbar. Konsequenz: Um vernünftig spielen zu können, muss man dauernd zwischen analoger und digitaler Kontrolle hin- und her wechseln. Genügend virtuelles Geld vorausgesetzt kann man seine Lieblingsfighter detailliert personalisieren. Außerhalb der Kampagne ist die dafür benötigte Kohle aber kaum zu verdienen.
Der Zwang zur Locke
Die Kampagne ist extrem simpel aufgebaut: Schafft man einen der Levels, wird der nächste freigeschaltet - bzw. die nächsten, denn teilweise öffnen sich gleich mehrere Pfade. Man ist nie allein unterwegs, Roboter-Mädchen Alisa kämpft immer mit (jedenfalls am Anfang, später kommt ein neuer Partner dazu) - und dennoch darf die Kampagne aus irgendeinem Grund nicht zu zweit gespielt werden. Ebenfalls irritierend: In den vielen, vielen, vielen, teilweise sehr langen Echtzeit-Zwischensequenzen treten in jedem Fall Alisa und Lars auf, um die sich die Story dreht - unabhängig davon, wen man tatsächlich als spielbare Figur ausgewählt hat! Man kämpft also mit Eddy, Hwoarang, Jin oder Kuma und bekommt in den Filmchen die ganze Zeit Lars und Alisa zu sehen. Und zwar wohlgemerkt in ihren Standardklamotten, unabhängig davon, wie man die beiden tatsächlich eingekleidet hat. Sehr inkonsequent, Namco! Genau so wie der irgendwie amüsante Fakt, dass alle Figuren zwar unterschiedliche Sprachen sprechen (Japanisch, Englisch, Chinesisch, Bärisch), aber trotzdem keinerlei Kommunikationsschwierigkeiten haben. Unabhängig davon, wen man in der Kampagne als Hauptfigur wählt, treten in den Zwischensequenzen immer Lars und Alisa auf - in ihren Standardklamotten.
Spielerisch bleibt man der Linie von »The Devil Within« (Tekken 5 ) treu: Man rennt durch simpel aufgebaute, meist sehr kurze Levelschläuche, bekämpft Dutzende identischer Standard-Gegner und vermöbelt am Ende einen Boss (sprich: einen der anderen bekannten Tekken-Kämpfer). Die Kumpel-KI kämpft gar nicht übel, aber leider sehr unvorsichtig: Herumliegende Heiltränke (bzw. Hühner!) werden geflissentlich ignoriert bzw. bestenfalls beim Geradeauslaufen zufällig mit abgegriffen. Liegt Alisa erstmal am Boden, kann man sie innerhalb eines Levels ein Mal heilen - das dauert allerdings einen Moment, und währenddessen wird man von den munter nachströmenden Gegnern weiter verprügelt. Und das auch noch oft genug so eng zusammengerückt, dass man seinen Fighter gar nicht mehr zu sehen bekommt. Die mangelhafte Kameraführung ist generell ein Problem, denn manuell verstellen ist nicht erlaubt. So ergeben sich mehr regelmäßig als gelegentlich
Perspektiven, in denen man blind gegen am Bildschirmrand stehende Feinde kämpfen muss. Zwar kann man auf Knopfdruck den gerade anvisierten Widersacher wechseln, aber viel sinnvoller wäre eine Möglichkeit gewesen, die Kamera jederzeit hinter das wild kloppende Alter Ego zu zentrieren. Eine Hilfe gibt es allerdings: Gelegentlich herumliegende Bleistangen, Miniguns und Flammenwerfer halten auch dickere Gegner zuverlässig auf Distanz, nutzen sich aber rasend schnell ab. Diese rot-gelben Boxen sind das, was die Kampagne am Leben und damit den Spieler am Gamepad hält: Mit aufgesammelten Items motzt man seine Figur mächtig auf und schaltet allgemein Klamotten frei.
Das hässlichste Kampfwunder der Welt
Wie bereits erwähnt, gibt es in der Kampagne viel zu holen: Erledigte Feinde lassen häufig kleinere Schatzkisten fallen, die wertvolle Klamotten und Ausrüstungsgegenstände enthalten, für die man im Normalfall unheilig viel virtuelles Geld latzen müsste. Vom ästhetischen Faktor abgesehen haben Hosen, Shirts, Samba-Federn, Sandalen, Handschuhe oder Brillen auch noch einen handfesten Nutzen: Wie in einem Rollenspiel verleihen sie ihrem Träger unterschiedlich nützliche Eigenschaften. Manche erhöhen die Schlagkraft, andere die Defensive, manche den Wert des aufgesammelten Geldes, andere die Lebensenergie. Es gibt zusätzliche Angriffe (Eis, Blitz oder Feuer), man kann die Kräfte der Feinde verringern oder die eigene Energie langsam wiederherstellen lassen. Dieses Sammelelement macht den größten Reiz des Spiels aus, denn wie bei Diablo oder Borderlands bricht hier nach kurzer Zeit das Loot-Fieber aus: Komm schon, Papa braucht mehr Kohle. Zack, her mit dem neuen Item! Uuuh, was ist das? +312% Geldwert? Aber dafür müsste ich meine +200 Lebensenergie aufgeben! Auf der anderen Seite kann ich hier jetzt +92% Item Drop einsetzen, dann habe ich das schnell wieder drin. Mist, hätte ich doch nur mehr als fünf Item-Slots!
Sehr fesselnd! Wirklich. Aber Namco hat auch hier bemerkenswertes Geschick darin bewiesen, bloß keiner Fettwanne aus dem Weg zu gehen. Denn zum einen kann man schlechtere Items nicht einfach durch bessere ersetzen, denn die Klamotten sind bestimmten Körperteilen zugeordnet. Wenn man also z.B. einen Hut mit verbesserter Lebensenergie trägt, kann man nicht einfach ein paar Socken mit noch besseren Werten anziehen und fertig ist der Lack. Nööö, man muss erst den Hut deaktivieren, zum neuen Körperteil wechseln und die neuen Socken einschalten. Noch schlimmer wird's im Kopfbereich: Wenn man sich für teuer Geld eine coole Frisur gekauft hat und auf ein Mal ein Basecap des Energieangriffs +15 bekommt, dann kann man das nicht einfach so aufsetzen. Stattdessen gibt es eine Warnung, dass das neue Item nicht mit der Haarbasis kompatibel ist. Mir doch wurscht. Einfach aufsetzen, bitte? Nö: Komplett raus aus dem Upgrade-Menü, ins Personalisierungs-Menü rein, dort die Haarbasis auswählen, deaktivieren, aus dem Menü raus, ins Upgrade-Menü rein, zum Hut wechseln, aktivieren. Leute, wirklich! Was soll der Blödsinn? Genau so lästig ist, dass die Upgrade-Effekte bestimmten Klamotten zugewiesen sind und nicht frei verteilt werden können. Sprich: Die coolsten Items sind grundsätzlich auch die hässlichsten. Züchtet man seinen Kämpfer zum Uber-Statistikmonster heran, kann man sicher sein, dass man schlussendlich einen Zirkusfreak vor sich hat, der Kinder zum Weinen bringt. Bloß gut, dass man zwei verschiedene Spielermodelle speichern kann - denn mit dem Ding, mit dem ich die Kampagne durchgespielt habe, würde ich mich online mit Sicherheit nicht blicken lassen! Sehr ärgerlich: Obwohl man in der Kampagne immer zu zweit unterwegs ist, darf man sie nur allein spielen.
Tod dem Roboter!
Abgesehen von der Kampagne haben Solisten noch eine Reihe weiterer Spielvarianten zur Verfügung: Arcade, Geister- und Teamkampf, Zeitangriff, Überleben und Training - Bonusmodi wie Tekken Bowling gibt es leider gar nicht. Im Großen und Ganzen warten hier keine Überraschungen, außer im Falle der Arcade-Fassung eine sehr unangenehme: Wie Namco schon bei Soul Calibur: Broken Destiny unter Beweis stellte, spielt die Arcade-Variante für sie offenbar keine Rolle mehr. Dort war sie völlig abwesend, hier ist sie dermaßen runtergestutzt, dass man sie keines Blickes mehr würdigen muss. Zehn Kämpfe werden hier hintereinander gestapelt, wobei die letzten drei Bosse sind: Es geht los mit dem riesigen Roboter Nancy MI847J, was kein Boss im eigentlichen Sinne, sondern eine Bonusrunde ist - wer es schafft, das Riesenvieh innerhalb von 90 Sekunden aus den Metalllatschen zu kloppen, kriegt etwas Extrageld. Danach wartet der erstarkte Jin Kazama, gefolgt vom Endgegner Azazel. Und der ist der finale Grund, weswegen man den Arcade-Modus meiden sollte: Namco hat mit Jinpachi Mishima schon in Tekken 5 einen blöden, unberechenbar kämpfenden Nervsack als Boss platziert - kein Vergleich zum himmelschreiend frustrierend agierenden Azazel! Dieses gigantische, leuchtende, an Super Ogre aus Tekken 3 erinnernde Etwas folgt keiner nachvollziehbaren Taktik. Mal kann er problemlos und ohne Gegenwehr weggerotzt werden, mal beißt man sich eine halbe Stunde lang völlig chancenlos die Zähne an ihm aus, weil er nicht nur alles wegblockt, sondern auch mit brachialen Gegenattacken immer für Distanz sorgt, so dass man gar nicht erst in Schlagweite kommt - irrsinnig nervend! Und da es nach dieser Qual noch nicht mal einen Abspann, sondern nur eine Dieser leuchtende Haufen Nervtot ist der neue Endgegner Azazel - der am Ende der Arcade-Variante wartet, die man sich aus so vielen Gründen sparen kann.
Standard-Animation sowie die öden Credits zu sehen gibt, ist der Arcade-Modus in Tekken 6 offiziell tot. Wer Azazel unbedingt sehen will, soll in der Kampagne zur Arena greifen: Das ist eine Art Mini-Arcade mit weitaus weniger Levels, ebenfalls dem Leuchtmistkerl am Ende und den gewohnten Vor- und Abspännen für jeden Fighter. Die sich dieses Mal als ein Mischmasch aus »ordentlich«, »technisch schwach« und »ergibt wie üblich keinerlei Sinn« präsentieren. Der Geisterkampf ist die interessanteste Spielwiese für Solisten: Hier kämpft man endlos gegen immer stärker werdende Gegner, die man sich am Ende jedes Fights aussuchen darf.
Der interessantere Spielmodus für Solo-Fighter ist damit der Geisterkampf: Wie schon im Vorgänger bestreitet man hier Kampf um Kampf, wobei man sich am Ende von jedem den nächsten Gegner aussuchen darf. Das ist mit einem Rangaufstieg verbunden, der dafür sorgt, dass die Feinde immer anspruchsvoller werden. Allerdings ist dieses System im Gegensatz zu Tekken 5 dieses Mal limitiert: Konnte man sich dort, entsprechendes Pad-Geschick vorausgesetzt, ohne große Hindernisse zum »Tekken Lord« empor kämpfen, ist dieses Mal mitten im Aufstieg Schluss - bei mir war das im dritten Dan. Höhere Ränge sind offline dann nicht mehr zu bekommen, den restlichen Aufstieg gibt es nur online. Und das ist eine ganz andere, noch traurigere Geschichte.
Online, ach online
Die Tekken 5-Umsetzung auf PS3 trug extra das Suffix »Online« im Namen und versprach damit, einen lang gehegten Wunsch zu erfüllen - endlich Matches gegen Tekken-Profis aus der ganzen Welt! Das ist mittlerweile zwei Jahre her und der Online-Modus funktioniert bis heute nicht vernünftig; üble Lags machen einen Großteil der Gefechte unspielbar. Aber hey, wie die Zeit vergeht! Mittlerweile haben Soul Calibur IV , Street Fighter IV und BlazBlue bewiesen, dass auch schnelle Fighter problemlos über das Internet funktionieren!
Nur das Tekken-Team hat das bislang nicht mitbekommen, denn der Online-Modus von Tekken 6 ist ein Desaster! Selbst wenn die angezeigte Verbindungsqualität strahlend grün wie ein irischer Morgen leuchtet, kommen nur im Ausnahmefall wirklich flüssige Fights zustande - meistens muss man sich auf Billigmanöver beschränken, da Kombos vom System gar nicht erst erkannt werden, teilweise ist der Lag so übel, dass das ganze Bild ruckelt - von meinen bislang gut 40 Online-Fights war gerade mal eine Hand voll wirklich gut spielbar. Wenn sie überhaupt zustande gekommen sind, denn das Suchen nach einem Gegner (es gibt nur Ranglisten- und normale Matches) dauert teilweise mehrere Minuten. Auch ärgerlich: hat man endlich einen Widersacher gefunden, gegen den das Kloppen in jeder Hinsicht Spaß macht, sollte man sich besser nicht zu sehr an ihn gewöhnen: Ein direktes Rematch ist nicht möglich; hat man einen Online-Feind verhauen, geht es zurück ins Spielermenü, von wo aus man sich neu ins Gefecht stürzen muss. Der Online-Modus von Tekken 6 ist im derzeitigen Zustand eine Katastrophe: Lags sind mehr die Regel als Ausnahme, flüssiges Spielen nur im seltensten Fall möglich.
Weitaus nützlicher ist da schon die Funktion, sich Replays oder Geisterdaten anderer Spieler runter zu laden - gerade Tekken-Neulinge lernen so Bewegungen und Timing gut kennen, aber im Zweifelsfall hilft da natürlich auch der Besuch des Trainigsmodus' weiter. Um zum Thema zurück zu kehren: Im gegenwärtigen Zustand ist der Online-Modus von Tekken 6 selbst mit schneller Leitung unbrauchbar, das wahre Tekken-Vergnügen findet nach wie vor offline an einem Fernseher statt. Und das ist ungetrübt wie eh und je: Alle 40 Fighter sind von Anfang an freigeschaltet, von denen sich sechs neue im Kader tummeln. Die Hühnerbrust Leo kann ebenso vernachlässigt werden wie der schleimige spanische Haudruff Miguel, aber die anderen sind auf jeden Fall einen längeren Blick wert. Robotermädchen Alisa ist teuflisch schnell und hat garstige Kombos, die beeindruckend gelenkige Zafina erinnert mit ihrer Kombinationsmöglichkeit aus schnellen mittleren und tiefen Angriffen frappierend an Christie Monteiro - hat aber einen gerade visuell sehr ansprechenden Kampfstil! Bob könnte der Bruder von Rufus aus Street Fighter IV sein, teilt er sich mit diesem doch nicht nur das Drüsenproblem, sondern auch die im krassen Gegensatz dazu stehende Irrsinns-Geschwindigkeit. Und Teufelslocke Lars Alexandersson schließlich erinnert an eine Mischung aus Jin Kazama und Raven - schnell, kräftig, agil. Viel neues Experimentiermaterial für den Tekken-Veteranen. Der wird außerdem feststellen, dass Namco gerade im Vergleich zum Vorgänger erheblich an den Stellschrauben gedreht hat: Es gibt zahllose Balance-Änderungen, manche Kämpfer haben neue Zafina ist das optische Highlight unter den sechs neuen Kämpfern - sie bewegt sich schnell und grazil, teilt dabei aber auch böse aus.
Manöver hinzu bekommen und bewährte Angriffe verloren. Kurzfassung: Das lokale Mehrspielervergnügen ist in Tekken 6 größer denn je, was nicht nur durch das Gekreische und Gezetere bestätigt wird, das seit Wochen aus unserem Spieleraum hämmert. Sehr schade allerdings ist, dass lediglich von Mehrspielerpartien Replays gespeichert werden dürfen. Diese sind außerdem schrecklich unspektakulär, können sie doch nur ganz normal wiedergegeben werden - keine Perspektivenwahl, keine Screenshotfunktion, keine Extras. Teilweise ist Tekken 6 atemberaubend schön - es gibt aber auch hässliche Levels, außerdem sehen einige Figuren in Nahaufnahme stark nach Plastik aus.
Hallo, Herr Leuchthaut!
Tekken 6 ist ein gut aussehendes Spiel. Wirklich gut. Die Animationen sind einmal mehr wunderbar flüssig und abwechslungsreich, die Bewegungen der Fighter sind erste Sahne und gehen flüssig ineinander über. Sie selbst allerdings nicht immer: Im Großen und Ganzen sehen die Spitzensportler wirklich gut aus, aber gerade die Darstellung der Haut hat Namco nicht gut hinbekommen - die sieht oft genug (Negativbeispiel: Ganryu) wie auf Hochglanz poliertes Plastik aus. Außerdem gibt es gerade im Zusammenhang mit langen Haaren oder am Körper getragenen Extras viele Clippingfehler. Das Design der 18 Levels ist ebenfalls nicht konsistent: Viele sehen verdammt gut aus, meine
persönlichen Highlights sind die Tempelanlage, in der dramatisch zwischen Tag und Nacht gewechselt wird, sowie das Alm-Szenario, in dem man sich zu herrlich alberner Jodelmusik zwischen Schafen kloppt (die wie Flummis weggekickt werden), während im Hintergrund die Berge glühen und kleine Heidis herumhopsen. Und dann gibt es welche wie den Wald, der direkt aus Tekken 4 stammen könnte - das Ding sieht furchtbar nach PS2 aus. In manchen Levels ist der Boden porös, so dass man den Gegner (und sich natürlich auch) mit dem richtigen Manöver ein Stockwerk nach unten schicken kann - das ist in erster Linie nur ein Grafikeffekt, weil die Entwickler wohl ein paar Mal zu oft Dead or Alive 4 gespielt haben. Spielerisch ist das Feature nicht nur vollkommen bedeutungslos, sondern auch störend, da durch den Fall Kombos natürlich unterbrochen werden. Auf Standbildern sieht der neue Treffereffekt merkwürdig aus - in Bewegung allerdings verleiht er den Kämpfen einen Extrazacken Rasanz!
Sehr schön und sehr neu ist ein Effekt, der bei größeren Treffern Matrix-ähnliche Ringe und Blitze durch die Luft zischen und das Bild für einen Sekundenbruchteil quasi zerspringen lässt. Klingt komisch, sieht aber in Bewegung verdammt cool aus - und doppelt so cool dann bei den Zeitlupen-Wiederholungen am Ende des Kampfes. Und klingt auch noch cool, denn Namco hat es zur Abwechslung mal endlich geschafft, ein Tekken mit Surround-Sound auszustatten! Yay! Nein, ernsthaft: Das Spiel klingt super. Es kracht und scheppert und bröselt und donnert und wummert und rabatzt an allen Ecken und Enden, teilweise im Hintergrund sogar (akustisch und optisch) so viel, dass man leicht abgelenkt werden kann. Schade nur, dass der bei einem harten Aufprall so dramatisch zerberstende Boden in Sekundenbruchteilen wieder gekittet ist. Außerdem könnte die Grafik mit all ihren Treppchen und flimmernden Texturen locker etwas Anti-Aliasing vertragen. Aber seien wir dankbar, denn das Spiel läuft jederzeit mit flüssigen 60 Frames pro Sekunde.
Fazit
Zunächst einmal eine Warnung: So sehr ich Namco auch dafür liebe, dass ich Tekken endlich auch auf 360 spielen darf, so sehr wird hier deutlich, wie furchtbar das 360-Digipad im Vergleich zu seinem PS3-Pendant ist! Dafür können die Entwickler nix, aber 360-Spieler, hört auf meine Worte - legt euch einen Arcade-Stick zu oder weint bitterlich. So, nachdem das draußen ist, kann die Schelte losgehen: Namco, was zum Henker soll dieser Online-Modus? Lagverseucht, ruckelig, unspielbar - sind die Online-Entwicklungen der letzten beiden Jahre völlig an euch vorbei gegangen? Ist ja schön und gut, dass ihr jetzt hektisch an einem Patch arbeitet, aber sollten derartige Mängel nicht bereits vorher auffallen? Im gegenwärtigen Zustand ist der Online-Modus jedenfalls nicht zu gebrauchen. Aber okay, Tekken macht ja lokal ohnehin viel mehr Spaß, wenn ich meinem Sofa-Gegner direkt einen gut gezielten Ellbogen in die Rippen treiben kann. Und hier spielt der neue Teil einmal mehr seine Trumpfkarten aus: Das Ding sieht toll aus, spielt sich fantastisch, der größte Teil der neuen Fighter reiht sich perfekt in den bestehenden Kader ein. Aber sobald ich wieder allein bin, trüben dunkle Wolken meinen Prügelhimmel: Der Arcade-Modus ist nicht nur peinlich kastriert, sondern auch aufgrund des Nervsacks Azazel eine spielerische Zumutung. Und die Kampagne hat zwar den bemerkenswert gerissenen Itemsammel-Kniff, aber auch nicht viel mehr. Bloß gut, dass es nach wie vor den großartigen Geisterkampf gibt, auch wenn der eingeschränkte Rangaufstieg die Motivation bremst. Hat Namco also Tekken zu Tode verbessert? Nein, in seinem Kern ist auch Tekken 6 ein exzellentes Spiel, das ständige Kreischen und Gackern und Fluchen von Ben und mir, das seit Wochen mehrmals täglich aus dem Spieleraum die lichtdurchfluteten 4P-Büros stürmt, ist dafür ein deutliches Zeichen. Allerdings gefällt mir die Entwicklung, die Namco seinen letzten Prüglern verpasst hat, gar nicht. Habe ich Spaß mit dem aktuellen Tekken? Oh ja, und wie. Will ich, dass Namco die aktuelle Richtung weiter verfolgt? Auf keinen Fall!
Pro
Kontra
Wertung
360
In seinem Kern nach wie vor ein fantastisches Beat-em-Up - aber beim Drumherum hat Namco Mist gebaut.
PlayStation3
In seinem Kern nach wie vor ein fantastisches Beat-em-Up - aber beim Drumherum hat Namco Mist gebaut.
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