Alone in the Dark (2008)18.06.2008, Jörg Luibl
Alone in the Dark (2008)

Im Test:

Egal ob in der Buch-, Film- oder Spielwelt: New York eignet sich hervorragend als Schauplatz für Dramen, Tragödien und finstere Abenteuer. Die Stadt hat Symbolkraft, sprudelt nur so vor kulturellen Einflüssen und bietet eine pompöse Kulisse. Max Payne hat hier sein Lied der epischen Rache gesungen, Will Smith hat sich als lebende Legende durchgeschlagen und jetzt will Edward Carnby sein Horror-Comeback feiern.

Es war einmal

 

Die deutschen Kommentare gehören zu den Tiefpunkten dieses Alone in the Dark. Weitere Videos findet ihr hier!Klassiker sorgen für wohlige Erinnerungen. Und wenn man Alone in the Dark sagt, dann freut sich das Spielerherz. 1992 legte Infogrames damit den Grundstein für ein ganzes Genre: Für viele gilt das Abenteuer als Urvater des Survival-Horror. Viele Designer haben sich nicht nur vom Stil, sondern auch gezielt von einzelnen Schockelementen inspirieren lassen - man denke an die Zombiehunde, die 1996 in Resident Evil so schauerlich durch die Fenster brechen. Und auch das verstörende Silent Hill setzt 1999 auf PlayStation die Tradition des französischen Klassikers fort.

Und das Team der Eden Studios schien sie im Vorfeld mit einem überraschend großen Repertoire an Spielelementen weiterführen zu können: Der Central Park als offene Horrorwelt, das Feuer als authentische Kraft, dazu physikalische Rätsel- & Kletterelemente, packende Fahrsequenzen, Knopfdruck-Reaktionstests, Minispiele, intelligente Item-Interaktion und ein cooles Waffenmenü. In Sachen Vielfalt, Ideenreichtum und Nachahmung kann man dem Spiel zunächst keinen Vorwurf machen.

Schlechter Einstieg

Das Gute an Alone in the Dark ist die Interaktion mit der Umgebung - hier könnt ihr ein Gitter unter Strom setzen und so die Monster brutzeln. (360)
Die Vorfreude war groß, die Erwartungen dementsprechend hoch. Umso tragischer ist es, dass dieses Comeback vor allem aufgrund schwacher Regie, schlechter deutscher Sprecher und unterirdischer Dialoge so versaut wurde. Dieses fatale Trio tötet schon in den ersten Stunden etwas, das für so ein Spiel unheimlich wichtig ist: die Atmosphäre. Daran können auch einige coole Ideen nichts ändern. Hat das geniale Waffenmenü einen Einfluss darauf, das mir die offene Jacke des Helden zeigt, in der ich stöbern kann? Nein. Kann das Heilen die Stimmung heben, das mich mit dem Erste Hilfe-Spray gezielt wunde Stellen verarzten lässt? Nein. Kann der lobenswerte Verzicht auf ein gewöhnliches Head-Up-Display (HUD) etwas daran ändern? Nein.

Auf PS2 ist die Steuerung deutlich geradliniger als auf Wii, wo die Gestenerkennung gerade zu Beginn für ein nervöses Hin- und Her sorgt. (PS2)
Die Gimmicks sind schön, das Interface ist gut. Aber ich kann nur dann in ein Abenteuer abtauchen, wenn ich mich erzählerisch und musikalisch wohl fühle, wenn ich Sympathien für den Helden und Nebenfiguren aufbaue. Warum sieht Edward auf dem Cover eigentlich noch gut aus, nämlich wie ein verwegener Keanu Reeves mit schwarzem Haar, und im Spiel auf 360 und PC dann wie ein grauhaariger Vincent Raven aus der Uri Geller-Show? Mal abgesehen von den viel zu wachsig wirkenden Gesichtern ist die Diskrepanz zwischen Artworks und Spielwelt enorm - lediglich auf Wii und PS2 kommt der Held in etwa an den Mann heran, den Atari auf dem Cover präsentiert. Aber selbst, wenn mir die Visage nicht gefällt, hätte ja so etwas wie Nervenkitzel entstehen können - also ein Gefühl, das mir Ungewissheit auf der einen und Hoffnung auf der anderen Seite lässt.

                         

Reden ist Silber...

Allein im Dunkeln ist man eher selten, aber dann geht es mit Klassikern wie Taschenlampe und Feuerzeug auf Erkundung. (360)
Aber genau das bietet dieses Spiel gerade in den ersten Stunden und in vielen späteren Phasen trotz eines Riesenaufgebots an einstürzenden Wänden und schrecklichen Monstren nicht. Als die ersten Zombies auftauchen wirken sie wie plump platzierte Fremdkörperfratzen aus einem Romero-Grundkurs für junge Horrorfilmer. Ich musste sogar fast schmunzeln, als sich die erste Begleiterin irgendwann in eine Zombielady verwandelte und in tiefer Deathmetalstimme etwas von "Sie ist eineeeer meineeeer Körpeeeeer" brummte. Das war leider auf eine andere Art fürchterlich, als ich es erhofft hatte. Das war wie Clive Barker für Arme.

Der Einstieg ist in Sachen Regie eine einzige Katastrophe. Was machen die Eden Studios falsch? Sie wollen gleich zu Beginn ein Erdbeben an Faszination und Schockmomenten auslösen, was ja theoretisch klasse sein kann. Aber hier geht es voll in die Hose - sie schütten ihre Effekte eimerweise statt gut dosiert aus, es fehlt einfach der Spannungsbogen: Da reißen die Böden auf, da bricht Feuer aus, Monster fressen sich durch Wände und man fühlt sich seltsam unbeteiligt. Horror, wo bist du? Irgendwie wollen Akustik und Technik nicht so zusammen tanzen, wie sie es in einigen Trailern suggeriert haben; auf gar keinen Fall so, dass ich mitgerissen werde. Selbst das mittlerweile acht Jahre alte "Code Veronica", das erste in Echtzeit berechnete Resident Evil, hatte nicht nur deutlich bessere Kamerafahrten, sondern auch eine lebendigere Figureneinbindung in den Filmen.

...Schweigen ist Gold

Anderes Team, anderer Look: In der PS2- und Wii-Version sieht Edward seinem schwarzhaarigen Vorbild auf dem Boxcover deutlich ähnlicher als auf 360 und PC. (PS2)
Obwohl schon zig Wände aufgerissen und Böden eingebrochen sind, stellt sich die zu rettende Sarah dann tatsächlich hin und sagt: "Hast du diese Risse gesehen?" Da knacke ich während einer Apokalypse ein Auto in der Tiefgarage, übrigens per gelungenem Kurzschließ-Minispielchen mit beiden Analogsticks, werde von Zombies umzingelt und die Frau neben mir sagt in ihrer nervigen, absolut nicht zur Stimmung passenden Tonlage Sachen wie diese, in genau dieser Reihenfolge: "Dein Stil gefällt mir!" - "Da sind noch mehr!" - "Fahr sie platt!".

Bin ich hier in einem Horrorspiel für Erwachsene oder bei einem lustigen Zombie-Autoscooter mit grenzdebilen Zicken? Leider fühlt es sich an wie Letzteres. Dermaßen deplatzierte Kommentare begleiten euch bis ins Finale. Und das reißt einen immer wieder raus. Das ist schlechte Regie. Wo andere Spiele wie Silent Hill auch akustisch subtil Grusel aufbauen, indem sie ihre verstörenden Klänge gezielt einsetzen, wird man hier gleich von einem übereifrigen Orchester überrollt - das musiziert ja gut, aber überaus schlecht dosiert: Ein Tusch folgt auf den anderen, ein Chor überbietet den anderen. Auch musikalisch übertreibt man es dermaßen, dass das Ohr schon nach wenigen Stunden abstumpft. Zu viele Köche verderben den Brei, zu viele Effekte verderben das Spiel.      

Katastrophale Lokalisierung

Da sietzt Sarah, die euch leider ab sofort begleitet. Leider deshalb, weil sowohl die Stimme als auch die Texte zum Schlechtesten gehören, was die Spielegeschichte an Weiblichkeit zu bieten hat. (360)
Dabei ist das, was da von Olivier Deriviére komponiert und The Mystery of Bulgarian Voices-Orchester eingespielt und gesungen wurde noch grandios im Vergleich zu dem, was in einem deutschen Tonstudio verbrochen wurde. Wie kann man so viele wichtige Figuren mit dermaßen deplatzierten Stimmen ausstatten? Alte Männer reden wie junge, Stimmungen wie Panik oder Entsetzen kommen gar nicht rüber, da öffnen sich die Höllentore und die New Yorker bleiben unverschämt cool. Konnte da nicht mal jemand wegrennen, ausflippen oder die Nerven verlieren? Die miserable Lokalisierung hat übrigens einen noch miserableren Freund: die Dialoge.

Ich habe selten so etwas Schlechtes gehört; nur Unreal Tournament 3 kommt in deutscher Sprache in etwa da heran. Hallo Atari? Hat das denn keiner gemerkt? Hat denn niemand Regie geführt bei den Tonaufnahmen? Das, was Chauvinist Edward und seine zickige Lady Sarah da sprechen, würde noch nicht mal Uwe Boll absegnen. Denn damit wird alles andere erreicht, als eine Beziehung zwischen den beiden oder gar eine Identifikation bei mir aufzubauen. Obwohl sie sich erst wenige Stunden kennen, quatschen sie so primitives und deplatziertes Zeug, als wären sie ein altes Ehepaar kurz vor der Scheidung.

Deplatzierte Dialoge

Die Zwischensequenzen schwanken in der grafischen Qualität: Mal sehen sie gut aus, mal wirken Kamerafahrten ebenso unpassend wie die wachsigen Gesichter. Details wie Narben & Co sind da, aber so authentisch wie in Mass Effect oder gar Metal Gear solid 4 wirkt das Ganze nicht. (360)
Da bricht überall die Hölle aus, Zombies laufen herum und sie sagt Dinge wie: "Keine Panik, Edward, dafür gibt es bestimmt eine logische Erklärung." Oder: "Ich weiß, dass du es schwer hast. Aber denkst du, mir fällt es leicht?" Edward ist auch nicht besser. Da sagt sie, dass sie draußen warten will und er sagt: "Mach keinen Mist, sonst erschieß ich dich persönlich." Hallo? Was zur Hölle? Und als Held haut er schon mal einen echten Kalauer raus, der selbst harte Fans von Bud Spencer und Terence Hill nicht faszinieren dürfte: "Ich lache später, sonst fällt mir das Gebiss raus." Wie deplatziert. Wie schlecht. Wie dumm.

Wie gesagt: Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal eine so grausame weibliche Nebenrolle in Kombination mit so grausamen Sprüchen erlebt habe, die sowohl den Helden als auch die ganze Stimmung mit in den Keller reißen. Die Abneigung geht sogar so weit, dass man Sarah gar nicht mehr retten will. Irgendwann wird sie dann endlich von flatternden Monstern entführt und kreischt: "Edward! Shit, sie kommen näher!" Und ich denke mir: "Sarah! Super, sie werden dich endlich fressen!" Spätestens an dieser Stelle hat das Spiel für mich versagt.

    

Verschenkte Potenziale

Dass Alone in the Dark trotz des in Sachen Regie und Spannungsaufbau katastrophalen Einstiegs doch noch befriedigen kann, liegt u.a. an der Öffnung der Spielwelt: Hier die Karte des New Yorker Central Park. (360)
Was bewahrt Alone in the Dark dann davor, nicht allein und ganz unten im Wertungskeller zu schmachten? Erstens: Man muss Sarah komplett ignorieren - dann kann man es ertragen. Zweitens: Vieles von dem macht zwischendurch Laune, was Alone in the Dark gerade nicht als Survival-Horror, sondern als Action-Adventure zu bieten hat. Das Spiel rettet sich dann mit einigen guten und vielen soliden Elementen. Vor allem, wenn man den Ton abstellt oder gleich auf Englisch, Französisch oder Spanisch wechselt, kann man sich an den kreativen Seiten der Spielmechanik erfreuen.

Ganz oben auf der Liste der Pluspunkte steht das Feuer. Es breitet sich teilweise authentisch aus, es kann per Feuerlöscher eingedämmt werden und ihr könnt es auch gezielt einsetzen, um Wege frei zu machen - einfach einen Stuhl entflammen und diesen vor einen blockierenden Balken halten, schon fängt er Feuer und löst sich auf! Es gibt auch kleine Rätseleinlagen und Minispiele, wenn man Autos knackt oder einen Stromkreis schließen muss: Mal muss man die passenden Drähte zusammen führen, mal muss man Hebel bedienen oder unter Berücksichtigung der Physik Kabel aus dem Wasser entfernen. Gerade, wenn man gleichzeitig verfolgt wird, kommt hier endlich mal Hektik auf.

Feuer & Physik

Außerdem sorgt die Integration des Feuers als physikalisches Element für Abwechslung: Ihr könnt nahezu alles entzünden und als Fackel gebrauchen - auch Monster scheuen die Hitze.
Die Physik spielt sogar beim Klettern und Kraxeln eine Rolle: Wenn man sich von einer Wand abstößt, kann man Ausbuchtungen umschwingen und wenn man geschickt in ein andere Kabel schwingt, kann man es aus dem Weg räumen. Da ist zudem die gelungene Kombination von Gegenständen, die euch viel Raum zur Entwicklung eigener Waffen gewährt: Verband plus Spiritusflasche ergibt Molotow-Cocktail; Moskitospray plus Feuerzeug ergibt Flammenwerfer; doppeltes Klebeband plus Benzinflasche gleich Haftbombe. Dieses Verknüpfen macht durchaus Spaß und wenn man bei einsetzender Zeitlupe eine Benzinbombe Richtung Zombie wirft, um sie mit einem gezielten Schuss kurz vor dem Aufprall explodieren zu lassen, kommt auch morbide Spielfreude auf. In diesen Situationen erweist sich das Kampfsystem als dynamisch und reizvoll, denn man kann auch mit allerlei anderen Waffen wie Äxten, Schaufeln und Stühlen zuschlagen.

Das Knifflige scheint zu sein, dass die Zombies nur durch Feuer endgültig das Zeitliche segnen. Aber da man zig Gegenstände in Flammen setzen kann, um sie als Fackelwaffe zu nutzen, und da man dank direkter Zielfixierung jedes Monster sofort im Blick hat, ist das irgendwann ein Kinderspiel: Einfach verfolgen und einmal zuschlagen, schon löst sich das Grauen in schwarze Luft auf. Selbst die größten Unholde lassen sich auf diese Art und Weise schnell, viel zu schnell erledigen. Und obwohl sie lobenswerter Weise Blut riechen und auf eure Verletzungen reagieren, zeigen sie teilweise seltsame Totalaussetzer: Da stehe ich zwei Meter vor einem Zombie und er bleibt so lange auf dem Fleck stehen, bis ich ihn in aller Ruhe verbrannt habe! Das, was die Entwickler vorher mit den Fratzen in Zwischensequenzen an Furcht aufbauen wollen, verpufft hier ebenso schnell. Bedrohungsgefühl? Fehlanzeige.

    

Räuchert sie aus!

Klettern wie Lara: Auch Edward muss an Wänden und Fassaden kraxeln, an Seilen schwingen und in offene Fenster springen. (360)
Gibt es gar keine Survival-Horror-Stimmung? Doch. In Ansätzen. Aber die lässt oft lange auf sich warten und legt immer wieder langatmige Pausen ein. Erst, wenn sich die Spielwelt im Central Park mit großer Karte und Missionspunkten öffnet, wenn endlich mal stimmungsvolle Nebelbänke aufziehen, düstere Bäume lauern und tiefe Krater für ebenso natürliche wie tödliche Grenzen sorgen, kommt so etwas wie Nervenkitzel auf. In den wenigen Momenten, wo man endlich allein im Dunkeln gegen Zombies kämpft - die bewegen sich sogar ähnlich wie in Resident Evil 4, sie weichen also plötzlich aus und fauchen einen an.

Aber davon gibt es viel zu wenige Variationen, und in den wenigen Situationen kann man sich aufgrund des großen Arsenals an Schuss- und Nahkampfwaffen immer schnell befreien. Man muss den Eden Studios dennoch zugestehen, dass sie den nächtlichen Park wirklich gut inszenieren. Und die Nester, die auf der Karte angezeigt werden, haben es in sich: Ihr erkennt auf der Karte, wo sich die Horte des Bösen befinden und könnt diese ausräuchern.

Der Boden des Verderbens

So kommen selbst blutige Anfänger ins Finale: Man spult einfach vor! Die DVD-Funktion lässt euch jede Stelle des Spiels überspringen und von beginn an in jedes Kapitel springen. (360)
Auf dem Weg durch die Keller der Gebäude muss man sich noch allerlei Getier erwehren und das ein oder andere Hindernis aus dem Weg räumen. Der Höhepunkt besteht darin, den Wesen auszuweichen, die die Wände aufreißen - haben euch diese erstmal erwischt, ziehen sie euch quasi durch Böden und Wände mit ins Verderben, wenn ihr nicht rechtzeitig die entsprechenden Knöpfe oder Stickbewegungen nachahmt; auch Quick-Time-Reactions sind also dabei. Habt ihr schließlich die Nester gefunden und verbrannt, stellt sich Ruhe ein und als Belohnung wird eure Spektralsicht geschärft, so dass ihr die wunden Punkte der Zombies sehen könnt.

Zwischendurch seid ihr auch immer wieder mit Autos unterwegs. Man kann wie in Grand Theft Auto IV diverse Fahrzeuge klauen, indem man die Scheiben einschlägt, dann kann man sich reinsetzen, sogar fließend die Plätze tauschen, das Handschuhfach durchwühlen, hupen, Licht anmachen und im Ernstfall sogar durch die Heckscheibe fliehen. Nur sehen die Autos hier erstens deutlich schlechter aus als in GTA, zweitens fahren sie sich zwei Welten lahmer und drittens arten die pompös inszenierten Fluchtfahrten oft in Trial&Error aus, wo ein kleiner Fehler schon das Aus bedeutet. Für mich waren diese Szenen manchmal bereichernd, wenn einen etwa die Mutantenfledermäuse samt Wagen in die Luft heben oder Zombies auf die Motorhaube springen, manchmal aber auch frustrierend.

    

Kreatives & Nerviges

Cooles Inventar: Ihr schaut quasi in eure Jacke und könnt dort zwischen allerlei Waffen und Gegenständen auswählen; auch kombinationen sind schon hier möglich. (360)
So kreativ manche Punkte sind, so nervig sind andere: Das Blinzeln etwa. Was zu Beginn noch sinnvoll scheint, da man benebelt aufwacht und sich die Augen reibt, ist später nur noch nervig - immer, wenn man Blut ins Auge bekommt oder vergiftet wird, muss man den Analogstick mehrmals runterdrücken. Man muss sich nicht nur an dieses Blinzel-Gedrücke und einige böse Clippingfehler auf allen Plattformen (da steht man im Schreibtisch, ein Felsbrocken verschwindet und taucht wieder auf) gewöhnen, sondern auch an die Steuerung gewöhnen - die zickt nicht nur auf 360 & Co, sondern gerade auf Wii öfter mal rum. Das fängt bei der Wahl der Perspektive an und hört beim schnellen Waffenziehen nicht auf, denn die Gestenerkennung lässt mit Nunchuk & Co zu wünschen übrig. Selbst das einfache Inventaröffnen kann zur Geduldsprobe werden. Aber ist man erstmal mit der Waffe seiner Wahl in der Egosicht unterwegs, steuert sich Edward richtig gut.

Auf Wii und PS2 kann die Kulisse natürlich nicht mithalten; außerdem wurde der Grad der Gewalt in Sachen Blut und abgetrennte Körperteile so reduziert, dass diese Fassungen eine 16er-Freigabe bekommen haben. (Wii)
Apropos Blut und Gewalt: Während die 360- und PC-Fassung erst für Volljährige erhältlich sind, haben PS2- und Wii-Fassung aufgrund des reduzierten Gehalts an Lebenssaft und des Verzichts auf zerstückelte Leichen eine 16er-Freigabe erhalten. Technisch sind die beiden natürlich den großen Plattformen unterlegen, aber auch sie zeichnen trotz fehlender Details und einiger Grafikfehler ein relativ stimmungsvolles Bild vom apokalyptischen New York. Xbox 360 & Co haben mit starkem Flimmern und einigen matschigen Texturen zu kämpfen, die die Kulisse samt Animationen eher ins Mittelfeld aktueller Spiele platzieren.

Wer sich beim Klettern oder Kämpfen überfordert fühlt, darf sich auf eine Premiere freuen und mit interaktiver Hilfe ins Finale humpeln: Man kann mit der "innovativen" DVD-Funktion tatsächlich an jeder Stelle des Spiels zu jeder Stelle des Spiels vorspulen - allerdings nur auf 360 und PC. Sprich: Ihr verzweifelt an den Trial&Error-Fahrsequenzen? Kein Problem: Kurz ins Menü und ein paar Szenen später weiter machen. Wer ganze Kapitel überspringt, bekommt à la Lost oder 24 noch mal eine knackige filmische Zusammenfassung dessen, was bisher geschah. Die Entwickler wollten damit sicher gehen, dass jeder, der das Spiel kauft, auch das Finale erleben kann. Das ist ein toller Service, denn so kann man nicht nur die kniffligen, sondern auch all die frustrierenden und schlecht designten Stellen des Spiels, ja sogar das Gequatsche von Sarah einfach überspringen. Nur auf Wii und PS2 schaut man in die Röhre: Hier gibt es keine DVD-Funktionen, dafür sind alle Kapitel und Untermissionen sofort frei wählbar - das ist doch auch was.     

Update der PC-Version: Die Rechenknecht-Variante ist im Wesentlichen identisch zur 360, wirkt hinsichtlich der Kulisse aber nicht nur dank der zahlreichen Einstellmöglichkeiten etwas runder und ansehnlicher. Die Steuerung per Maus und Tastatur ist allerdings gehörig daneben gegangen. Zu sensibel (trotz Konfigurationsmöglichkeit) sowie in der Grundkonfiguration unglücklich belegt, empfehlen wir allen, das 360-Pad für den PC zu benutzen, das problemlos erkannt wird.

Fazit

Wie kann man so einen Einstieg durchwinken? Wie kann man solche Sprachaufnahmen abnehmen? Und wie kann man solche Dialoge schreiben? Ich habe mich auf das große Comeback eines Klassikers gefreut und wurde herbe enttäuscht. Erst kürzlich habe ich mit Metal Gear Solid 4 erlebt, was grandiose Regie an Faszination entfachen kann - man fiebert mit, man taucht ab und versinkt in einer glaubwürdigen Spielwelt. Jetzt zeigen die Eden Studios, was grausame Regie an Frustration auslösen kann - man bleibt emotional kalt, man wird immer wieder durch stupide Sprüche rausgerissen und flucht über all das, was sonst noch die Atmosphäre vernichtet - Trial&Error-Fahrten, KI-Aussetzer und eine Musik, die mir ohne auf die Spannungskurve zu achten einen Tusch nach dem anderen serviert. Das Tragische daran ist, dass dieses Alone in the Dark ja durchaus einige kreative Ideen und Spielmechaniken bietet: Ich mag die Kombinationsvielfalt, die kleinen Rätseleinlagen, das aktive Kampfsystem und den sinnvollen Einsatz von Physik und Feuer. All das sorgt dafür, dass man zwischendurch Spaß im apokalyptischen New York haben kann! Aber für alles Gute liefert dieses Spiel dann wieder etwas Schlechtes: Die Steuerung ist insbesondere, aber nicht nur auf Wii fummelig, die Kamerafahrten amateurhaft und böse Clippingfehler stören eine Kulisse, die in ihren besten Momenten vernebelt gruselig, in ihren schlechtesten wie ein bewegtes Wachsfigurenkabinett wirkt. Am Ende bietet dieses Abenteuer zu viel Beliebiges, zu wenig Dramatisches: Man klettert, man löscht, man ballert, man rast, aber das Herz klopft nicht. Aus der versprochenen Wiedergeburt von Alone in the Dark ist trotz guter Ansätze und einiger kreativer Ideen letztlich eine Totgeburt geworden. Denn statt spannendem Survival-Horror gibt es einen undefinierbaren Action-Race-Kletter-Kuchen mit viel zu vielen, teilweise schlecht dosierten Zutaten. Hoffentlich war das der letzte Auftritt des Edward "Ich-erschieß-dich-persönlich" Carnby.

Update vom 17. Dezember 2008:

Sorry für den späten Nachtest, aber das Weihnachtsgeschäft hat uns überrollt. Und Alone in the Dark birgt auch in der "erweiterten" Variante auf PlayStation 3 keine nennenswerten Überraschungen - sprich: Die Spielerfahrung gleicht der auf Xbox 360 und enttäuscht damit alle, die auf packenden Survival-Horror gewartet haben. Trotzdem hat sich die Spielmechanik etwas verbessert: Die Kamera ist weiter weg positioniert und erlaubt über den Einsatz des rechten Analogsticks endlich eine freie Rundumsicht, während der Blickwinkel auf der Xbox 360 noch an die Schulter gebunden und damit eingeschränkt war. Sind die zickigen Perspektiven damit komplett verschwunden? Nein, manchmal wechselt die Ansicht in die altbekannte Enge; es gibt nur weniger störende Momente. Außerdem lässt sich der Held zu Fuß als auch in den Vehikeln vom Auto bis zum Motorboot besser steuern, weil sich Letztere etwas schwerer anfühlen. Man kann zudem leichter durch das Inventar navigieren und es gibt eine neue Actionszene auf Schienen. Aber all das kann die großen Schwächen in der Dramaturgie nicht aus der Welt schaffen - dazu hätte man nicht Steuerung und Benutzeroberfläche verfeinern, sondern die ganze Regie ändern müssen. Unterm Strich gewinnt die PlayStation 3 mit den Fortschritten jedoch knapp das plattforminterne Rennen um ein Prozentpünktchen. Wer echten Weihnachtshorror sucht, sollte sich allerdings Dead Space kaufen oder in irgendeiner Glühweinzone mit der ganzen Familie shoppen gehen.

Pro

aktives Kampfsystem
kleine Rätseleinlagen
relativ offene Spielwelt
authentischer Feuereinsatz
stimmungsvoller Central Park
gut inszenierte Fahrsequenzen
nette Geschicklichkeitseinlagen(Drähte kurzschließen, Wiederbelebung)
Interaktion mit Gegenständen
gute Nebel- & Feuereffekte (PS3, 360, PC)
freie Rundumsicht (PS3)

Kontra

Story? Amnesie mal wieder...
Nervenkitzel, wo bist du?- schwache Regie & Kameraführung
unsympathischer Held
schlechteste weibliche Nebendarstellerin der Spielegeschichte
teilweise nervige Trial&Error-Passagen
zu einfaches Monster-Verbrennen- unpassende deutsche Sprecher
viele unterirdische Dialoge
zu überzogene Musikeinsätze mit inflationären Chören und Fanfaren
fehleranfällige Gestenerkennung (Wii)
nervöse Waffen
& Perspektivwechsel
einige böse Clippingfehler
KI-Aussetzer (Monster steht plötzlich dumm rum)
unzureichende Maus-/Tastatur-Steuerung (PC)

Wertung

360

Ballern, rasen, klettern, knobeln, brennen - alles drin, nur Horror und Nervenkitzel nicht.

PlayStation2

Nicht so prächtig wie auf der Xbox 360, aber besser zu steuern als auf Wii.

PlayStation3

Dank der spielmechanischen Verbesserungen noch die beste Variante des enttäuschenden Klassiker-Revivals.

Wii

Obwohl man seine Pistolen cool drehen kann, ist die Gestenerkennung zu fehleranfällig.

PC

Technisch durchaus ansprechend, bleibt der mutmaßliche Horror inhaltlich vieles schuldig.

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