Wheelman27.03.2009, Mathias Oertel
Wheelman

Im Test:

Ursprünglich als Vorgeschichte zu einem gleichnamigen Film geplant und 2006 mit einem ersten Trailer vorgestellt, hat Wheelman (ab 6,87€ bei kaufen) mit Action-Star Vin Diesel in der Hauptrolle eine lange Odyssee hinter sich. Verschiebungen, der Produktions-Ausstieg von MTV Games (im ersten Trailer noch mit dabei), Finanzierungsprobleme und schließlich ein neuer Co-Publisher in Form von Ubisoft machen skeptisch. Oder kann der actionreiche Ausflug ins sonnige Barcelona überraschen...?

Lang ist's her

Ich kann mich noch gut erinnern, als das erste Video zu The Wheelman über unsere Bildschirme flatterte. Kollektive "Oohs" und "Aahs", die in einem "Hmm. Könnte was werden" endeten, waren durch die gesamte Redaktion zu hören. Was nicht nur daran lag, dass neben Midway und MTV Games auch Vin Diesels Tigon Studios in die Produktion eingebunden waren. Das wiederum rief wohlige Erinnerungen an Chronicles of Riddick wach - ebenfalls ein Titel, an dem sowohl Tigon als auch Herr Diesel beteiligt waren. Quasi eine Vin-Vin-Situation...

Video: Vom ersten Teaser bis zum Launch-Trailer hat Wheelmen eine scheinbar nicht enden wollende Odyssee hinter sich gebracht.Doch irgendwann setzte die Skepsis ein: Man hörte nichts mehr von dem Spiel. Der Film, der nur in Zusammenhang mit der Versoftung auf den einschlägigen amerikanischen Kinoseiten erwähnt wurde, schien sich ins Prä-Produktions-Nirvana verabschiedet zu haben. Schließlich gab es auf der E3 letztes Jahr ein Lebenszeichen und Wheelman wusste durchaus für Neugier zu sorgen: Seit langer Zeit mal wieder ein Titel, der mit spektakulären Verfolgungsjagden im Hollywoodstil punkten wollte - und dazu dank Unreal Engine nicht mal schlecht aussah. Dann kamen die Verschiebungen, dann die Meldungen über Finanzschwierigkeiten, schließlich die Nachricht, dass mit Ubisoft ein neuer Co-Publisher gefunden wurde - wieso und wann MTV Games die Segel gestrichen und sich von Wheelman zurück gezogen hat, wurde nicht weiter verfolgt...

Alles in allem also nicht gerade gute Voraussetzungen für ein Spiel, das sich hauptsächlich auf die Zugkraft seines charismatischen Hauptdarstellers verlässt.

Offenes Unreal

Dabei haben sich im Midway Studio Newcastle einige kreative Köpfe gefunden, die bereits an zahlreichen bekannten Titeln gearbeitet haben, darunter z.B. Teile der Colin McRae-Serie für Codemasters oder L.A. Rush.

Und mit dem Gerücht, dass die Unreal-Engine Schwierigkeiten mit offenen Welten habe -was vor kurzem von Destroy All Humans - Der Weg des Furons uneingeschränkt bestätigt wurde-, wird auch aufgeräumt.

Die Figuren sehen im Texturdetail abseits der Gesichter zwar ähnlich matschig aus wie einige der Häuserfassaden und wirken dadurch beinahe wie ein Relikt der letzten Konsolengeneration. Aber immerhin schafft es die Engine, die Geschwindigkeit (mit geringen Ausnahmen bei der PC-Version) auf einem konstanten Niveau zu halten und ein halbwegs glaubwürdiges und wieder erkennbares Bild der katalanischen Metropole Barcelona zu zeichnen, die als Schauplatz für die Abenteuer des zwielichtigen Fahrers Milo Burik (dargestellt und im Original gesprochen von Vin Diesel) dient.

Im Gegenzug gibt es aber über alle Systeme hinweg in einer geschätzten Entfernung von ca. 100 bis 150 Metern deutlich sichtbares Aufploppen von Texturen (am stärksten auf der Sony-Konsole) sowie Tearing, das zwar auf den verschiedenen Systemen unterschiedlich ausgeprägt ist, aber niemals unter Kontrolle zu sein scheint.

Zusätzlich neigt die PS3-Version zu böser Treppchenbildung, an die man sich zwar gewöhnen kann, die einen aber in der Anfangsphase sowie in einem direkten Vergleich mit den anderen Fassungen ins Gesicht springt wie Vitali Klitschkos Faust.

Hat man sich an die offensichtlichen Mankos gewöhnt, nimmt man innerhalb der durchschnittlichen Kulisse die kleinen visuellen Highlights war, die aber letztlich kaum mehr als eine edle Garnierung auf einem Mikrowellen-Gericht darstellen:

Barcelona ist als Schauplatz unverbraucht und mit zahlreichen erkennbaren Touristenattraktion ausgestattet, zeigt sich aber insgesamt unbelebter als z.B. Liberty City. 
Dazu gehören die graduierlich zerfallenden Fahrzeuge z.B., deren Einzelteile sich herrlich partikeleffektiv in der Umgebung verteilen. Aber auch die zerstörbaren Elemente der Umgebung sowie die Explosionen oder die Zeitlupeneffekte, die man in bekannter Bullettime-Manier hier mit einem waghalsigen Fahrmanöver verbunden hat, können sich sehen lassen.

Blockbuster als Vorbild

Dass Auto-Action nur am Rande mit "Komme so schnell wie möglich von A nach B" zu tun haben muss, haben einige Titel der zumeist etwas älteren Softwaregeschichte gezeigt. Angefangen von Driver, das nicht nur in der Übersetzung des Titels einige Ähnlichkeiten zu der vorliegenden Barcelona-Tour aufweist, über Twisted Metal, das sich eher auf die Zerstörung der gegnerischen Boliden konzentrierte oder die ebenfalls ähnlich gelagerten Chase und Wreckless bis hin zum eher vergessenswerten "Auto-Jump & Run" Knight Rider reicht die Palette. Diese Titel orientierten sich zu einem großen Teil an einschlägigen Hollywood-Vorlagen im Stile von French Connection, Mad Max, Ronin oder Bad Boys. Und mit der Mitwirkung eines gestandenen Filmstars ist es im Falle von Wheelman nicht verwunderlich, dass man sich auf überzogene Action-Blockbuster bezieht und versucht, diese nicht nur nachzuahmen, sondern glaubwürdig auf den Bildschirm zu bringen.

Und Midway Newcastle gelingt es sogar, für die eine oder andere Überraschung zu sorgen - sowohl im Rahmen des Missionsdesigns als auch hinsichtlich zahlreicher Spieldesign-Entscheidungen. 

     

Vehikel-Clinch

Da wäre z.B. der Entschluss, den so genannten "Vehikel-Nahkampf" einzuführen. Man kennt dies aus Filmen: Zwei Autos fahren nebeneinander und die Fahrer versuchen sich gegenseitig von der Fahrbahn (am besten in den Gegenverkehr) zu stoßen.

Damit ist man während der Hauptmissionen in Wheelman auch sehr häufig beschäftigt. Und um diese Mechanik entsprechend zu würdigen und hollywoodreif wirken zu lassen, wurde sie gleich mit einer eigenen Steuerung versehen. Mit einer Bewegung des rechten Sticks zur Seite oder nach vorne (auf Konsolen und PC mit Padnutzung) oder der Benutzung der Pfeiltasten in der nicht empfehlenswerten Standard-Einstellung auf Rechenknechten kann man das Fahrzeug quasi wie einen Ellenbogen in die entsprechende Richtung bewegen.

Das Konzept des Vehikel-Nahkampfes wurde gut umgesetzt und teils spektakulär inszeniert - dennoch veliert es auf Dauer an Reiz.
Klingt merkwürdig? Ist es anfangs auch! Doch nach den ersten vergleichsweise ruhigen und einfachen Tutorial-Missionen hat man sich an diese Mechanik gewöhnt. Und sie gewinnt in dem Moment an Tiefe, wenn man erkennt, dass ein schweres Fahrzeug wie z.B. ein gepanzerter Transporter zwar langsamer ist, aber wie ein Schwergewichtsboxer im Vergleich zu einem Fliegengewicht nicht nur mehr einstecken kann, bis es sich in seine Bestandteile auflöst, sondern auch austeilen kann, dass George Foreman vor Stolz eine Träne im Knopfloch zerdrücken würde.

Und damit wird die Auswahl des fahrbaren Untersatzes zu einem taktischen Element, das sich sowohl in den Story-Aufgaben als auch in den über 100 Nebenaufgaben wie ein roter Faden durch Wheelman zieht. Es gilt immer, den bestmöglichen Kompromiss aus Angriffskraft und Geschwindigkeit zu finden, wenn man seinem Ziel näher kommen möchte.

Doch selbst, wenn man feststellt, dass man nicht optimal motorisiert ist, braucht man die Autoschlüssel nicht auf den Asphalt werfen - oder gar die Mission neu starten. Denn wenn entweder die Karre nur noch ein rollender Schrotthaufen kurz vor der Explosion ist oder man einfach problemlos umsteigen möchte, nutzt man den "Air Jack". Dahinter verbirgt sich eine Mechanik, die PSP-Spieler bereits aus Pursuit Force kennen: Das Umsteigen in ein anderes Fahrzeug während der Fahrt. Dazu muss man "einfach" hinter das Fahrzeug der Begierde fahren, eine entsprechende Taste drücken und im richtigen Moment wieder loslassen - und schwupps: Wechselt Milo mit einem spektakulären Hechtsprung das Auto. Nur LKWs sind von dieser Möglichkeit des Fahrzeugwechsels ausgenommen, hier hilft nur noch das altmodische Aussteigen und Kapern à la GTA...

Bullet-Time auf vier Rädern

Als drittes Element nutzt Wheelman eine Art Zeitlupen-Funktion, die für Fahrzeuge quasi das absolute Gegenstück zur Bullettime darstellt: Hat man durch Zerstörung der Umgebung, besondere Fahraktionen oder Vehikel-Nahkampf die Fokus-Anzeige aufgefüllt, kann man diese z.B. für einen kurzzeitigen Turbo-Boost verwenden. Der ist aber nur selten sinnvoll, da die vollkommen überzogene Gummiband-KI, die sich auf der Flucht vor einem teilweise sogar nicht zu schade ist, anzuhalten und auf einen zu warten (!), dafür sorgt, dass die Gegner selbst bei stark untermotorisiert scheinenden Fahrzeugen sehr sehr schnell wieder am Heck oder in der Flanke kleben und einen unter Beschuss nehmen.

Da hilft nur noch das Zielen: Einmal aktiviert, wird eine Zeitlupe eingeschaltet sowie bei den Fahrzeugen der Gegner empfindliche Punkte wie der Tank oder der Motor markiert. Natürlich kann man auch versuchen, gezielt die Waffen tragenden Insassen auszuschalten, doch wesentlich spektakulärer ist es, wenn man den Benzinbehälter trifft und das Auto in einem Feuerball über einen hinweg fliegt.

Und noch spektakulärer ist es im Falle des Wirbelwinds: Denn hier macht Milo vorher eine 180-Grad-Drehung und fährt rückwärts weiter, damit man die Verfolger unter Beschuss nehmen kann. Und auf einmal weht ein starker Hollywood-Hurrikan durchs Wohnzimmer.

Natürlich kann man auch versuchen, die Gegner ohne diese Sonderangriffe unter Beschuss zu nehmen. Allerdings kann es ganz schön dauern, bis man entweder Gegner oder Bereifung usw. ausgeschaltet hat. Insofern sind die Specials bzw. der Vehikel-Nahkampf zu bevorzugen.

Missions-Vielfalt?

Das Missionsdesign hingegen kann sich nicht so recht entscheiden, ob es nun ein Hollywood-Blockbuster allererster Kajüte sein will oder doch eher gegen C-Film-Unterhaltung auf RTL- Niveau tendiert. Denn was mit diesen drei Elementen möglich und machbar ist, schlachtet Midway Newcastle innerhalb der Story-Missionen, die einen etwa neun bis zwölf Stunden beschäftigen, gnadenlos aus. Bei den ersten Aufgaben macht es noch einen Heidenspaß wie Peter Pan von Auto zu Auto zu springen, die Gegner nach und nach mit dem Wirbelwind oder ebenso spektakulär mit dem Vehikel-Nahkampf auszuschalten. Und so sehr das Bemühen auch spürbar ist, Abwechslung in die Fahrzeug-Action zu bringen, gelingt dies nicht oft genug. Tempo-Variationen oder Spannungsmomente finden sich zu selten, um das Geschehen aufzuwerten. Meist schmeißen die Entwickler einem Gegnermassen entgegen, die einen nicht nur unfair angreifen, sondern die zusätzlich nach

Motorräder, haufenweise Autos und selbst LKWs gehören zum umfangreichen Fuhrpark des Wheelman.
Ableben scheinbar willkürlich einen weiteren motorisierten Feind in nicht weiter Entfernung auftauchen lassen.

Das Konzept dahinter kann ich verstehen: Das Adrenalin soll in Hektolitern ausgeschüttet werden. Allerdings empfand ich das immer wieder nur noch als nervig. Spannender, unterhaltsamer und überraschender wäre gewesen, mir nach einem harten Kampf vielleicht ein paar Straßenzüge lang Ruhe vorzugaukeln, so dass sich mein Adrenalinpegel wieder regulieren kann. Denn wenn jetzt, in der vermeintlich bewältigten Situation auf einmal neue Gegner aus den Gassen auf mich zukommen, würde vielleicht Panik einsetzen und das Adrenalin zu neuen Höchstwerten schießen. So aber empfand ich viele Auseinandersetzungen als "notwendiges Übel" - ein Übel, das mit etwas Feingefühl und einem zielsicheren Gespür für den schmalen Grad zwischen Action und Spannung vermeidbar gewesen wäre.

Zeitlimits sind als probates Gegenmittel ebenfalls zu empfehlen. Oder aber ein bestimmter Beschädigungsgrad, der nicht überschritten werden darf. Diese werden aber in der Story zum einen zu selten und zum anderen zu inkonsequent eingesetzt. Sobald Elemente wie diese auftauchen oder variiert werden, steigt die Motivation in Wheelman deutlich an und lässt sich auch von der überaggressiven KI nur schwer eindämmen.

Wenn allerdings diese Momente nur angedeutet, aber nicht eingehalten werden, fragt man sich zwangsläufig, wer in der Entwicklung das letzte Wort gehabt hat. So wird Milo kurz vor Schluss aufgefordert, einen Wagen zu übernehmen und diesen so schnell wie möglich und mit so wenig Schaden wie möglich zu einem bestimmten Punkt zu bringen. Das schreit geradezu nach Zeit- und Schadenslimitsanzeige! Umgesetzt wurde davon leider nix - zumindest in diesem Fall. Man kann sich so viel Zeit lassen, wie man will und auch mit deutlichen Schrammen und fehlenden Karosserieteilen bleibt man unbehelligt und bekommt einen "Mission abgeschlossen"-Stempel. Sehr schade, macht dies doch deutlich, dass Wheelman viel Potenzial besaß, das die Entwickler nur ankratzten.

   

Drumherum-Vielfalt?

Immerhin schienen sie dies unterbewusst gespürt zu haben, da man sich in ca. 15 bis 20 Prozent der Missionen zu Fuß und schwer bewaffnet gegen Gegnerhorden zur Wehr setzen muss. Und diese Abwechslung vom fahrerischen Alltag tut gut. Auch wenn sie nicht mehr als handelsübliche Schulterperspektiven-Action mit zwei zur Verfügung stehenden Knarren und rudimentärem Deckungssystem bietet, wobei man auch die Wummen der Feinde aufnehmen kann. Heraus kommt durch und durch handelsübliche Action von der Stange, die für sich alleine kaum Bäumchen ausreißen würde, aber im Zusammenhang passend und passabel umgesetzt wurde.

Interessanter sind jedoch die über 100 Nebenmissionen, die sich auf sieben Kategorien verteilen. Im Wesentlichen bedienen sie zwar nur Elemente aus der Hauptstory, doch der alleinige Fokus auf eben diese Elemente versteht zu unterhalten. Und so ganz nebenbei haben die meisten Nebenmissionen einen sinnvollen Effekt. Die Fluchtmissionen z.B. sorgen bei erfolgreicher

Auch zu Fuß kommt die Action nicht zu kurz: Die Schussgefechte sind solide inszeniert, leiden aber unter einer katastrophalen KI.
Bewältigung dafür, dass die Fokusanzeige nach und nach weiter aufgefüllt werden kann und längeren Wirbelwind-Einsatz ermöglicht. Auch die Straßenrennen sind zu empfehlen - und das nicht nur als Zeitvertreib. Denn schafft man es auf Platz 1 oder 2 wird die Leistung aller von Milo gesteuerten Autos verbessert. Die Zerstörungsmissionen hingegen, bei denen man innerhalb eines Zeitlimits eine bestimmte Summe an Umgebungsschaden verursachen muss, wirken sich auf die Angriffsstärke im Vehikel-Nahkampf aus und sind daher ebenfalls lohnenswert.

Es ist zwar möglich, die Hauptstory ohne jegliche Upgrades zu bewältigen, doch vor allem die leichteren dieser Aufgaben sollte man sich vornehmen, um besser gewappnet zu sein.

Weniger sinnvoll, aber als Spielvariation gelungen sind die Taxi-Missionen sowie verschiedene Hol- und Bring-Dienste, die als Belohnung entweder "Teleportziele" auf der mit ihren Icons überladenen Karte, Werkstätten oder Waffen bzw. Munitionsdepots freischalten.

Denn da man lobenswerter Weise ohnehin zu jeder Mission springen kann (alternativ kann man natürlich auch fahren), braucht man die durch die Taxi-Missionen freigeschalteten Punkte eigentlich nicht. Die Werkstätten, an sich eine gute Idee, da man hier sein ramponiertes Fahrzeug reparieren und mit einer neuen Lackierung aus den Polizeisuchregistern streichen lassen kann, werden während der Story-Missionen nicht mehr auf der Karte angezeigt und sind damit im Kampf gegen die Gesetzeshüter vollkommen nutzlos, da man nicht die Muße hat, nach dem nächsten Unterschlupf zu suchen.

Und da man die Waffen der Gegner aufnehmen kann und somit nicht an Munitionsnachschub leidet, frage ich mich, wieso ich vor einer Mission erst zu einem freigeschalteten Depot laufen oder fahren sollte?

Auch hier gilt wieder: Viel Potenzial, das sich hinsichtlich Unterhaltungswert und Spielzeitverlängerung durchaus ambitioniert und durchdacht zeigt, sich bei der Umsetzung aber im Wege steht.

Hollywood-Diät

Völlig belanglos, aber für Fans von vor allem älteren Midway-Spielen interessant, sind die Nummernschilder, hinter denen sich zumeist Klassiker aus dem Portfolio des einstigen Arcade-Meisters verbergen. Auf der ersten Karosse z.B. prangen die Buchstaben MRTL KM8T (Mortal Kombat), auf weiteren lassen sich u.a. RMP 8GE (Rampage), RBO TRN (Robotron) oder NA RC entdecken.

An spektakulären Szenen mangelt es Wheelman nicht. Abwechslung hingegen findet sich meist nur in den über 100 Nebenmissionen...
Ebenfalls belanglos sind die cinematischen Sprünge, die entdeckt werden können, sowie die zerstörbaren Katzenstatuen. Hier soll vermutlich der Anreiz geboten werden, das virtuelle Barcelona auch abseits der Missionen zu erkunden. Doch da Barcelona sich mit der Unreal-Engine zwar bevölkert, aber insgesamt unbelebter und unattraktiver zeigt als z.B. Liberty City oder das Midnight Club'sche Los Angeles, in denen man auch mal Staus begegnen und immer wieder etwas entdecken kann, habe ich die Wheelman-Einladung zum Cruisen schnell abgelehnt.

Und hinsichtlich der Akustik kommt Wheelman seinem Ziel, einen Hollywood-Film zum Mitspielen zu bieten, tatsächlich ziemlich nahe - wenn man mit englischer Sprachausgabe spielt. Die Sprecher, allen voran Vin Diesel, geben sich reichlich Mühe, die von der Engine gelegentlich unsauber präsentierten Figuren mit Leben zu erfüllen. Dazu gesellen sich herrlich knirschende Crash-Geräusche und wunderschön berstendes Glas, dröhnende Motoren sowie ein dynamischer Soundtrack, der es versteht, in den richtigen Momenten Dramatik aufzubauen.

Die deutsche Lokalisierung hingegen ist mit zwiespältiger Vorsicht zu genießen: Einerseits hat man mit Martin Kessler als Synchronsprecher "die" markante deutsche Stimme von Vin Diesel (und Nicolas Cage) verpflichten können, der mit gewohnter Professionalität und Lässigkeit technisch einen guten Job abliefert - wie auch die meisten anderen Sprecher, die bis auf wenige Ausnahmen gut ausgewählt wurden.

Aber: Es wurde weder auf Lippensynchronität geachtet noch auf die im Englischen wunderschön eingeflochtenen Dialekte der rivalisierenden Gangs in Barcelona. Wo man im Original z.B. auch akustisch deutlich erkennbar mit Rumänen, Spaniern usw. zu tun hat -was die dichte akustische Atmosphäre wunderbar unterstützt- klingen in der deutschen Version alle so, als ob sie aus Hannover kommen: Klar, deutlich, hochdeutsch, akzentfrei - und damit in vielen Fällen merkwürdig unpassend. 

Fazit

Die ganzen Querelen rund um die Produktion des ursprünglich als mutmaßliches Prequel zu einem Film geplanten Spiels, haben Wheelman nicht gut getan. Auf der einen Seite hat Midway Newcastle es zweifelsohne so gut wie in keinem vergleichbaren Titel geschafft, das Hollywood-Flair von spektakulären Verfolgungsjagden in einem Spiel zu versprühen. Das Konzept des Vehikel-Nahkampfes geht überraschend auf, die Shooter-Action per pedes passt, Vin Diesel ist als virtueller Charakter ebenso charismatisch wie auf der Leinwand und entgegen aller Befürchtungen wird die Unreal Engine besser mit einer offenen Welt fertig als erwartet - ich denke mit Grausen and das letzte Destroy All Humans. Zwar gibt es über alle Systeme hinweg technische Schwierigkeiten wie Pop-Ups und Tearing, aber sowohl die stabile Bildrate als auch die Fahrzeuge als geheime Hauptdarsteller werden ansprechend dargestellt. Die Geschichte trägt ebenfalls typische Hollywood-Züge und wird gut in Szene gesetzt, bleibt aber zwischen A- und B-Film-Niveau stecken. Das Herzstück jedoch, das Missionsdesign, hat am meisten zu kämpfen und lässt zwischen anspornender Unterhaltung und frustrierendem Einheitsbrei keine Nuance aus. Das geht so weit, dass manche Aufgaben eher mit Glück als mit Geschick zu bewältigen sind – was die Motivation und den Spielspaß deutlich drückt. Im Gegenzug bieten die über 100 optionalen Nebenaufgaben nicht nur spielerische Abwechslung, sondern wurden dank freischaltbarer Verbesserungen sogar gut in die Kampagne eingebunden. Leider gibt es hier wie im gesamten Spiel eine Tendenz zu beobachten: Viele der eingebrachten Ideen sind gut, häufig sinnvoll umgesetzt, werden aber letztlich überstrapaziert und scheitern immer wieder an Inkonsequenzen. So schwankt Wheelman hinsichtlich des Unterhaltungswertes ständig zwischen explosiver Hochglanz-Action à la Michael Bay sowie eintönigen Steven Seagal- oder Van Damme-Filmchen von der Stange, die direkt auf DVD landen. Aber immerhin ist man weit vom Niveau eines Uwe Boll entfernt...

Pro

interessantes Konzept des Vehikel-Nahkampfs
flüssige Engine...
gute Steuerung
explosive "Finisher"...
über 100 Nebenaufgaben
passables Arcade-Fahrmodell
Gewicht der Fahrzeuge mit deutlichen Auswirkungen
passable Shooter-Sequenzen 
in Maßen zerstörbare Umgebung
multilingual
direkter Teleport zu den Missionen möglich
dynamischer Soundtrack

Kontra

teils sehr problematisches Missionsbalancing- ... die aber mit Tearing und Textur-Popups kämpft
Gegner tauchen aus dem Nichts auf
... an denen man sich allerdings schnell satt gesehen hat
schlechte KI
größtenteils gleichförmiges Missionsdesign
unübersichtliche Karte
vergleichsweise unbelebte Stadt
im Detail sehr schwache Figurentexturen

Wertung

360

Solide Unterhaltung. Aber auch Diesel-Power kann nicht verhindern, dass einige gute Ideen wie Vehikel-Nahkampf gegen Konzeptschwächen den Kürzeren ziehen.

PlayStation3

Spektakulär inszenierte Verfolgungsjagden sind nicht alles. Leider krankt der Wheelman an konzeptionellen Schwächen im Missionsdesign.

PC

Ambitioniert und mit einigen guten Ideen wie Vehikel-Nahkampf und natürlich Mr. Diesel ausgestattet, kämpft das Missionsdesign um Anschluss an die hoch gesteckten Hollywood-Ziele...

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